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Forschungsbericht

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Analyse der Verhandlungen<br />

dauerte zwei Stunden. Im Folgenden werden drei Themen behandelt, die bei beiden<br />

Befragungen auftauchten. Diese Gemeinsamkeiten sind umso bemerkenswerter,<br />

weil die beiden Fälle durchaus verschieden waren. Das heißt, bei einer Belagerung<br />

wurde von zwei Tätern gesprochen , in dem anderen Fall gab es nur einen Geiselnehmer.<br />

Auch der jeweilige Ausgang war unterschiedlich: Eine Belagerung wurde<br />

freiwillig beendet, die andere aufgrund einer taktischen Intervention.<br />

Beginn der Belagerung<br />

Die erste Beobachtung ergab, dass die Geiselnehmer versuchten, die Lage so<br />

schnell wie möglich unter Kontrolle zu bringen. Dazu wurden die Geiseln direkt und<br />

ernsthaft bedroht, um sicherzustellen, dass sie eine Gehorsamshaltung einnahmen.<br />

Ein Geiselnehmer sagte zum Beispiel gleich in der Anfangsphase zu einem Opfer, er<br />

habe schon mehrere Menschen ermordet, was sich später als inkorrekt herausstellte.<br />

Gleichzeitig sah es so aus, als ob Belagerungen ihnen auch das Gefühl geben<br />

könnten, dass sie die Polizei in ihrer Gewalt hätten und dass die Durchführung der<br />

Belagerung auch ihren Status in ihrem eigenen kriminellen Umfeld aufwerten würde.<br />

Der zeitliche Aspekt<br />

Der zeitliche Aspekt wurde auf unterschiedliche Weise angesprochen. Einerseits<br />

gaben die Geiselnehmer an, dass sich die Lage mit dem Zeitablauf beruhigte und sie<br />

müder wurden. Andererseits führte dies zu einem wachsenden Realitätsgefühl, d. h.<br />

sie erkannten in welcher Situation sie sich befanden und welche mögliche<br />

Konsequenzen diese Lage hatte. Andererseits stellte sich heraus, dass ihr Verhalten<br />

impulsiver wurde. So stellten die Geiselnehmer neue Forderungen oder änderten<br />

plötzlich bestehende Forderungen, ohne für ihr Verhalten einen guten Grund angeben<br />

zu können. Außerdem drückten die Täter positivere Gefühle gegenüber den<br />

Geiseln aus, wenn sie über die späteren Phasen des Vorfalls redeten (vgl. das<br />

„Stockholm-Syndrom“). Ein weiterer Punkt in Bezug auf den Zeitfaktor war die<br />

Tatsache, dass viele Dinge erst einmal viel Zeit in Anspruch nahmen, bevor man sie<br />

angehen konnte. Ein Geiselnehmer, der sich schließlich ergab, sagte: „Die Leute<br />

vergessen manchmal, wie viel Zeit es braucht, bevor man sich ergeben DARF. Wenn<br />

ich sage „ich komme jetzt raus“, dann sagt die Polizei „das geht nicht.“ Alles muss<br />

besprochen werden.“<br />

Misstrauen gegenüber der Polizei und die Rolle der Medien<br />

Ein Punkt, der häufig angesprochen wurde, war die Angst der Geiselnehmer, sie<br />

könnten von der Polizei erschossen werden. Im Allgemeinen bestand ein großes<br />

Misstrauen gegenüber der Polizei und den Verhandlungsführern. Aus diesem Blickwinkel<br />

betrachtet wurde der Kontakt mit den Medien positiv gesehen. Sie nahmen<br />

an, dass die Polizei wegen der Medienpräsenz nicht so schnell zur taktischen Intervention<br />

übergehen würde. Die Medien könnten außerdem den Fall aus der Sicht der<br />

Geiselnehmer darstellen.<br />

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