Forschungsbericht

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22.11.2013 Aufrufe

Analyse der Verhandlungen repräsentierte. Zu diesem Zweck wurde ein umfangreicher Kodierplan entwickelt. Der Kodierplan basiert auf der Auswertung von früheren Fällen und von Gesprächen mit den belgischen und niederländischen Verhandlungsführern. Der Kodierplan enthält 13 mögliche Kodes. Die ersten zehn Kodes entsprechen der Zehner-Tabelle (vgl. Kapitel 2). Außerdem wurden drei Kategorien von Aussagen festgelegt, die nicht in direktem Bezug zum interpersonellen Einfluss stehen, sondern vielmehr zum Informationsaustausch zwischen den Parteien. Hierzu gehören: 1) Austausch sachlicher Informationen, z. B. wenn nach vorhandenen Waffen oder der Anzahl von Menschen gefragt wurde, die sich in der Stellung des Geiselnehmers befanden. 2) Austausch von emotionalen Informationen, zum Beispiel Aussagen, in denen Traurigkeit oder Freude zum Ausdruck gebracht wurden. 3) Austausch von verfahrenstechnischen Informationen, z. B. über eine geplante Auslieferung bzw. Aufgabe. Die Ausbildung der Bewerter wurde solange fortgesetzt, bis eine Bewertervariabilität (Cohen’s Kappa) von 0,75 erreicht war. Diese Ausbildung dauerte ca. 30 Stunden. Dann begannen die Bewerter mit der Kodierung des vorliegenden Forschungsmaterials. Unabhängig davon gaben sie jedem Sprechzyklus einen Kode. Die Bewertervariabilität war in diesem Fall ebenfalls gut: Sie schwankte je nach Vorfall zwischen 0,70 bis 0,92, der Durchschnittswert betrug 0,85. Bei Nichtübereinstimmung besprachen die Bewerter den betreffenden Sprechzyklus und entschieden gemeinsam, welcher Kode am besten passte. Zusammen mit einigen Merkmalen von Vorfällen aus den Polizeiakten gaben wir alle Daten in 2 Statistikprogramme ein, nämlich SPSS (Statistikprogramm für die Sozialwissenschaften) sowie Interaktionsanalyse: Sequenzielle Analyse mit SDIS und GSEQ (Bakeman & Quera, 1995). Bei der Erörterung der Resultate werden wir nur signifikante Ergebnisse mit p

Analyse der Verhandlungen Alles in allem kann man ca. die Hälfte der Beeinflussungsverhaltensweisen als relationale Strategien und die andere Hälfte als Inhaltsstrategien bezeichnen. Im Durchschnitt wurden die Strategien „Freundlichkeit“, „direkter Druck“ und „rationales Überzeugen“ am meisten verwendet. Interessanterweise gilt dies für Belagerungen, Entführungen und Erpressungen. Außerdem stellten wir einige Unterschiede zwischen Belagerungen einerseits und Entführungen und Erpressungen andererseits fest. Bei Belagerungen stellten wir generell fest, dass ein höherer Prozentsatz des Verhaltens des Verhandlungsführer als Beeinflussungsverhalten bezeichnet werden kann. Konkreter ausgedrückt: Bei Belagerungen wurden die relationalen Einflussstrategien „Freundlichkeit“ und „Gleichberechtigung“ häufiger angewendet, während „Einschüchterung“ häufiger bei Entführungen und Erpressungen verwendet wird. Außerdem benutzten Verhandlungsführer einen emotionalen Appell häufiger bei Belagerungen und Entführungen als bei Erpressungen. Schließlich stellten wir, wie erwartet, eine starke Ähnlichkeit bei den Beeinflussungsstrategien fest, die bei Entführungen und Erpressungen benutzt wurden. Tabelle 3.1 – Einflussstrategien, die von Verhandlungsführern der Polizei pro Vorfallart eingesetzt wurden Relationale Strategien Belagerung Entführung Erpressung Summe Freundlichkeit 32 % > 21 % 17 % 22 % Gleichberechtigung 4 % > 1 % 1 % 1,5 % Glaubwürdigkeit 8 % 5 % 5 % 6 % Inhaltsstrategien Emotionaler Appell 3 % 2 % > 0,5 % 2 % Einschüchterung 1 % < 6 % 7 % 5 % Auferlegen einer Beschränkung 3 % 5 % 7 % 5 % Direkter Druck 18 % 16 % 17 % 17 % Legitimieren 1 % 0,5 % 0,5 % 0,5 % Austausch 1 % 2 % 2 % 1,5 % Rationales Überzeugen 9 % 8 % 9 % 8 % Summe 80 % > 66,5 % 66 % 68,5 % Anmerkung: Signifikante Unterschiede sind mit < (kleiner als) oder > (größer als) gekennzeichnet. Interrelationen zwischen den Einflussstrategien Mithilfe eines statistischen Verfahrens, der Faktorenanalyse, kann man abbilden, in welchem Verhältnis die unterschiedlichen Einflussstrategien zueinander stehen. Dies bedeutet, dass Verhaltensstrategien, die einander enger zugeordnet sind, häufig gemeinsam vorkommen. Das festgestellte Muster ist aus Abb. 3.1 zu ersehen. Auf der linken Seite sehen wir, dass Zwangsstrategien wie „Einschüchterung“ und „Auferlegen einer Beschränkung“ in vielen Fällen zusammen vorkommen. Diese 29

Analyse der Verhandlungen<br />

Alles in allem kann man ca. die Hälfte der Beeinflussungsverhaltensweisen als<br />

relationale Strategien und die andere Hälfte als Inhaltsstrategien bezeichnen. Im<br />

Durchschnitt wurden die Strategien „Freundlichkeit“, „direkter Druck“ und „rationales<br />

Überzeugen“ am meisten verwendet. Interessanterweise gilt dies für Belagerungen,<br />

Entführungen und Erpressungen. Außerdem stellten wir einige Unterschiede<br />

zwischen Belagerungen einerseits und Entführungen und Erpressungen andererseits<br />

fest. Bei Belagerungen stellten wir generell fest, dass ein höherer Prozentsatz des<br />

Verhaltens des Verhandlungsführer als Beeinflussungsverhalten bezeichnet werden<br />

kann. Konkreter ausgedrückt: Bei Belagerungen wurden die relationalen Einflussstrategien<br />

„Freundlichkeit“ und „Gleichberechtigung“ häufiger angewendet, während<br />

„Einschüchterung“ häufiger bei Entführungen und Erpressungen verwendet wird.<br />

Außerdem benutzten Verhandlungsführer einen emotionalen Appell häufiger bei<br />

Belagerungen und Entführungen als bei Erpressungen. Schließlich stellten wir, wie<br />

erwartet, eine starke Ähnlichkeit bei den Beeinflussungsstrategien fest, die bei<br />

Entführungen und Erpressungen benutzt wurden.<br />

Tabelle 3.1 – Einflussstrategien, die von Verhandlungsführern der Polizei pro Vorfallart eingesetzt<br />

wurden<br />

Relationale Strategien<br />

Belagerung Entführung Erpressung Summe<br />

Freundlichkeit 32 % > 21 % 17 % 22 %<br />

Gleichberechtigung 4 % > 1 % 1 % 1,5 %<br />

Glaubwürdigkeit 8 % 5 % 5 % 6 %<br />

Inhaltsstrategien<br />

Emotionaler Appell 3 % 2 % > 0,5 % 2 %<br />

Einschüchterung 1 % < 6 % 7 % 5 %<br />

Auferlegen einer<br />

Beschränkung<br />

3 % 5 % 7 % 5 %<br />

Direkter Druck 18 % 16 % 17 % 17 %<br />

Legitimieren 1 % 0,5 % 0,5 % 0,5 %<br />

Austausch 1 % 2 % 2 % 1,5 %<br />

Rationales<br />

Überzeugen<br />

9 % 8 % 9 % 8 %<br />

Summe 80 % > 66,5 % 66 % 68,5 %<br />

Anmerkung: Signifikante Unterschiede sind mit < (kleiner als) oder > (größer als) gekennzeichnet.<br />

Interrelationen zwischen den Einflussstrategien<br />

Mithilfe eines statistischen Verfahrens, der Faktorenanalyse, kann man abbilden, in<br />

welchem Verhältnis die unterschiedlichen Einflussstrategien zueinander stehen. Dies<br />

bedeutet, dass Verhaltensstrategien, die einander enger zugeordnet sind, häufig<br />

gemeinsam vorkommen. Das festgestellte Muster ist aus Abb. 3.1 zu ersehen. Auf<br />

der linken Seite sehen wir, dass Zwangsstrategien wie „Einschüchterung“ und<br />

„Auferlegen einer Beschränkung“ in vielen Fällen zusammen vorkommen. Diese<br />

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