Forschungsbericht
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Theoretischer Rahmen<br />
Organisationen in einem Land davon ausgehen und akzeptieren, dass Macht ungleich<br />
verteilt ist. In High-Context-Kulturen ist gewöhnlich eine große Machtdistanz<br />
vorhanden. Begriffe wie Hierarchie, Privilegien und Statussymbole sind zentrale<br />
Begriffe. Die bisherige Forschung hat gezeigt, dass Gesellschaften, die eher<br />
kollektivistisch sind, auch eine größere Machtdistanz aufweisen (Hofstede, 2001).<br />
Eine naheliegende Erklärung dafür ist, dass es fast zwangsläufig einer Aufgabenteilung<br />
und Differenzierung der Ebenen bedarf, wenn Gruppen effektiv funktionieren<br />
sollen.<br />
Eine weitere Unterscheidung zwischen High- und Low-Context-Kulturen hat mit der<br />
Art und Weise zu tun, wie mit Begriffen wie Schamgefühl, Schande, Gesichts- und<br />
Ehrverlust umgegangen wird. In kollektivistischen High-Context-Kulturen spielen<br />
diese Begriffe eine größere Rolle, was die Motivation für das Verhalten anbelangt, als<br />
in individualistischen Low-Context-Kulturen (Ting-Toomey & Oetzel, 2001). Die<br />
Meinung des Umfeldes, vor allem aus dem eigen sozialen Netz, ist sehr wichtig. Das<br />
Gesicht zu wahren scheint, auf dieses Netz bezogen, entscheidend zu sein (vgl. auch<br />
Kasten 1). Umgekehrt wird in den eher individualistischen Low-Context-Kulturen die<br />
eigene Identität in einem geringeren Maße durch die Gruppen bestimmt, denen man<br />
angehört, sondern vielmehr durch die eigenen Erfolge, Handlungen und Bedürfnisse.<br />
Kasten 1. Gesichtsverlust<br />
Vermeidung von Gesichtsverlust ist ein universeller psychologischer Mechanismus,<br />
um eine positive Selbstwertschätzung zu haben und zu erhalten. Die Hauptbedingung<br />
für das Auftreten von Gesichtsverlust ist die (sichtbare oder wahrnehmbare) Präsenz<br />
von Publikum. Gesichtsverlust ist bedeutsam für Verhandlungsführer sowie Täter in<br />
Krisenverhandlungen wegen der konfrontierenden Art der Interaktion und weil es fast<br />
immer Publikum gibt (Rogan, 1999). Der Zwang zur Vermeidung eines Gesichtsverlustes<br />
wird um so stärker, wenn (1) eine Person sich inkompetent fühlt, (2) die<br />
Person das Publikum als kompetent und wertend ansieht und (3) nur der Handelnde<br />
den genauen Preis kennt, der zur Vermeidung des Gesichtsverlustes erforderlich ist.<br />
Kulturelle Unterschiede können auch direkt in eine Beziehung zu Einstellungen und<br />
Verhalten gesetzt werden. Das heißt, die Forschung in der jüngsten Vergangenheit<br />
zeigt, dass die Art und Weise, in der wir versuchen, andere zu beeinflussen, stark<br />
kulturell bestimmt wird (vgl. z. B. Fu & Yukl, 2000; Langeloo & Giebels, 2003; Tinsley,<br />
2001; Wosinska, Cialdini, Barett & Reykowski, 2001). Die Forschung zeigt z. B., dass<br />
individualistische Kulturen der Logik und der Rationalität viel mehr Bedeutung<br />
beimessen als dies kollektivistische Kulturen tun. Dies bedeutet, dass in zahlreichen<br />
westlichen Low-Context-Kulturen Verhalten und Einstellungen rascher aufgrund von<br />
logischen Argumenten angepasst werden als aufgrund der Machtposition des Überbringers<br />
oder der emotionalen Last der Botschaft. Letzteres ist in zahlreichen nichtwestlichen<br />
High-Context-Kulturen viel eher der Fall. Vor allem in zahlreichen lateinamerikanischen<br />
und afrikanischen Gesellschaften ist das Zeigen eigener Emotionen<br />
ein wichtiges Kommunikationsmittel. In westlichen Kulturen dagegen sieht man einen<br />
rationalen Ansatz von Emotionen, indem man über Emotionen spricht, um „die Dinge<br />
zu regeln“ und um Dinge „klar“ zu stellen. Triandis (1995) weist auch auf die differierende<br />
Bedeutung von Vernunft und Emotion für die verschiedenen Kulturen hin. Er<br />
stellt fest, dass individualistische Low-Context-Kulturen der rationalen Analyse von<br />
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