Forschungsbericht
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Theoretischer Rahmen<br />
lungsprozesses in Phasen gelangt (vgl. z. B. Gulliver, 1979; Putnam, Wilson &<br />
Turner, 1990). Deshalb ist das dominierende deskriptive Verhandlungsmodell das<br />
3-Phasen-Modell mit den aufeinanderfolgenden Phasen Eröffnungsphase, Problemlösungsphase<br />
und Schlussphase.<br />
Diese Einteilung in drei Phasen ist offensichtlich auch auf Krisenverhandlungen anwendbar<br />
(vgl. Abott, 1986). Ferner kommen Donohue, Ramesh & Borchgrevink<br />
(1991) nach der Untersuchung zahlreicher Belagerungssituationen zu dem Schluss,<br />
dass sowohl Belagerungen mit einem kriminellen Hintergrund als auch solche bei<br />
häuslichen Streitigkeiten durch einen 3-Phasen-Ablauf gekennzeichnet sind. In der<br />
Anfangsphase geraten die Täter letzten Endes in eine intensive Krise, die durch ein<br />
stark kompetitives Verhalten gekennzeichnet ist. Darauf folgt eine lange Phase<br />
normativer Verhandlungen. In der letzten Phase gibt es wieder Gespräche über eine<br />
Krise und Angst beim Täter, wenn die Freilassung der Opfer und die Aufgabe des<br />
Täters bevorstehen. Wir nehmen an, dass diese drei Phasen bei Belagerungen von<br />
besonderer Relevanz sind und weniger auf stark instrumentale Verhandlungssituationen<br />
wie z. B. Entführungen und Erpressungen anwendbar sind.<br />
6. High-Context-Kulturen im Gegensatz zu Low-Context-Kulturen<br />
Kultur ist ein System von Werten, Normen, Vorstellungen, Einstellungen, Verhaltensformen,<br />
Kommunikationsmitteln und deren Produkten, das innerhalb einer Gemeinschaft<br />
genutzt und von Generation zu Generation weitergegeben wird (vgl. Hofstede,<br />
1980; 2001). Der Begriff Kultur wird oft in Bezug auf sichtbares Verhalten verwendet.<br />
Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn wir feststellen, dass in einigen arabischen<br />
Gemeinschaften die Frau als Zeichen ihrer Unterwürfigkeit gegenüber dem Mann<br />
einige Schritte hinter ihm gehen muss oder dass in der chinesischen Kultur die Verpackung<br />
eines Geschenks oft rot – die Farbe des Glücks – ist. Hofstede (1980; 2001)<br />
nutzte die Zwiebel als Metapher, um zu zeigen, dass vielfach etwas viel Hintergründigeres<br />
und Fundamentaleres unter diesem sichtbaren Äußeren liegt. Wenn<br />
man, so Hofstede, die äußere Schale der Zwiebel abschält, dann erscheint darunter<br />
eine immer noch tiefere Schicht. So betrachtet befinden sich tiefer liegende Schalen,<br />
wie z. B. Normen und Werte, unter der äußeren Schale des Verhaltens, das wir<br />
zuerst sehen. Der Kern besteht aus einer allgemeinen Grundeinstellung, mit der eine<br />
bestimmte Gemeinschaft die Welt betrachtet und sie interpretiert. Dies betrifft beispielsweise<br />
die sozialen Rollen, die die beiden Geschlechter in der Gesellschaft<br />
spielen sollen, oder die Betrachtungsweise der Prädestination. Kultur kann man<br />
daher auch als ein mentales Programmieren oder als „Software des Geistes“<br />
betrachten (Hofstede, 1980; 2001).<br />
Ein wichtiger Aspekt der Kultur ist, dass sie nicht angeboren ist, sondern in den<br />
meisten Fällen in der frühesten Jugend erworben wurde. Hinzu kommt, dass in einer<br />
Gemeinschaft nicht jeder die gleiche Anteilnahme an der Kultur aufweist. Einige<br />
identifizieren sich stark mit den Anschauungen und Verhaltensweisen in einer<br />
Gemeinschaft, während dies bei anderen in weitaus geringerem Maße der Fall ist.<br />
Dies ist teilweise von der Zusammengehörigkeit innerhalb einer Kultur abhängig.<br />
Einfache Gesellschaften mit einer geringen beruflichen Differenzierung sind gewöhnlich<br />
enger zusammengehörig als Gesellschaften mit einer extensiven beruflichen<br />
Differenzierung. Wenn die Kultur eng zusammengehörig ist, ist die Abgrenzung<br />
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