Vorlesung Finanzmathematik - an der Fakultät für Mathematik ...
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<strong>Vorlesung</strong> <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong><br />
Markus Fulmek<br />
<strong>Fakultät</strong> <strong>für</strong> <strong>Mathematik</strong><br />
Universität Wien<br />
6. März 2008<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 1 / 31
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einleitung<br />
Die Sprache <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> ≠ Sprache <strong>der</strong> Fin<strong>an</strong>zwirtschaft<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Geld: “Meßgröße <strong>für</strong> Wert”<br />
Reale Bewertung durch den Markt<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 2 / 31
Einleitung<br />
<strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong><br />
Unter dem Begriff <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> verschiedenes verstehen:<br />
Klassische <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong>: Zinseszinsrechnung, eine Sammlung<br />
damit zusammenhängen<strong>der</strong> Formeln (meist basierend auf <strong>der</strong><br />
geometrischen Reihe), Versicherungsmathematik;<br />
Mo<strong>der</strong>ne <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong>: Mathematische Modellbildung <strong>für</strong><br />
ökonomische Phänomene, im wesentlichen Stochastik;<br />
Praktische <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong>: “Alles, was ein/e<br />
<strong>Mathematik</strong>absolvent/in <strong>an</strong> Kenntnissen braucht, um in <strong>der</strong><br />
beruflichen Praxis in B<strong>an</strong>ken und Versicherungen erfolgreich<br />
aufzutreten”.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 3 / 31
Einleitung<br />
“Praktische <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong>”<br />
Im Rahmen dieser zweistündigen <strong>Vorlesung</strong> beh<strong>an</strong>dle ich Themen <strong>der</strong><br />
praktischen <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong>: Es geht also um konkrete Fragestellungen<br />
mit mathematischen Hintergrund, die in <strong>der</strong> fin<strong>an</strong>zwirtschaftlichen Praxis<br />
wichtig sind. Dazu werde ich<br />
Die entsprechenden Begriffe aus <strong>der</strong> Praxis erklären,<br />
Die jeweiligen Hintergründe (wirtschaftlich, rechtlich, technisch, . ..)<br />
erläutern,<br />
Die gängigen mathematischen Methoden besprechen, die hier<br />
verwendet werden.<br />
Die Darstellung muß dabei teils kursorisch bleiben: Ich biete hier keine<br />
umfassende Einführung in B<strong>an</strong>k– und Versicherungswirtschaft, aber auch<br />
keine tieferliegenden mathematische Theorie (wie z.B. stochastische<br />
Differentialgleichungen), die in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> eine<br />
zentrale Rolle spielt.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 4 / 31
Einleitung<br />
Themen <strong>der</strong> Einleitung<br />
Der Zweck dieses einleitenden Kapitels ist ein erstes “Kennenlernen”<br />
von (fin<strong>an</strong>z–)wirtschaftlichen Begriffen und Problemstellungen<br />
und von entsprechenden mathematischen Beschreibungen<br />
(“Modellen”) und Lösungs<strong>an</strong>sätzen.<br />
Diese Themen werden in den folgenden Kapiteln detaillierter beh<strong>an</strong>delt.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 5 / 31
Einleitung<br />
Die Sprache <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> ≠ Sprache <strong>der</strong> Fin<strong>an</strong>zwirtschaft<br />
Wissenschaft und Praxis: Sprachliche Unterschiede<br />
<strong>Mathematik</strong>erinnen und <strong>Mathematik</strong>er müssen in <strong>der</strong> Fin<strong>an</strong>zwirtschaft<br />
“umdenken”:<br />
In <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> werden Begriffe möglichst präzise gefaßt, das<br />
Streben nach Einheitlichkeit in Begriffen und Notationen ist groß, und<br />
Beweise <strong>für</strong> Behauptungen werden in <strong>der</strong> größten logischen Strenge<br />
geführt,<br />
In <strong>der</strong> Fin<strong>an</strong>zwirtschaft hingegen sind Begriffe oft verschwommen und<br />
mehrdeutig — Gerade “mathematisch klingende” Begriffe (wie z.B.<br />
“Korrelation”, “erwarteter Gewinn”, “unabhängige Ereignisse”) muß m<strong>an</strong><br />
häufig eher als “Metaphern” begreifen — , <strong>für</strong> ein und denselben<br />
Sachverhalt gibt es typischerweise viele synonyme Bezeichnungen,<br />
und <strong>für</strong> Behauptungen genügt meist ein überzeugendes<br />
Plausibilitätsargument.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 6 / 31
Einleitung<br />
Darstellung hier: “<strong>Mathematik</strong>–<strong>an</strong>alog”<br />
Die Sprache <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> ≠ Sprache <strong>der</strong> Fin<strong>an</strong>zwirtschaft<br />
Dieser Unvereinbarkeit von mathematischer und “wirtschaftlicher” Denk–<br />
und Ausdrucksweise entgeht m<strong>an</strong> nur in <strong>der</strong> “reinen” <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong>.<br />
Ich werde in <strong>der</strong> Folge eine Darstellung geben, die <strong>der</strong> in <strong>der</strong> reinen<br />
<strong>Mathematik</strong> üblichen ähnlich ist und insbeson<strong>der</strong>e Elemente wie<br />
Definitionen, Sätze und Beweise enthält — nur daß diese Elemente bei<br />
weitem nicht den Exaktheitsgrad haben wie in <strong>der</strong> reinen <strong>Mathematik</strong>.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 7 / 31
Einleitung<br />
Die Sprache <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> ≠ Sprache <strong>der</strong> Fin<strong>an</strong>zwirtschaft<br />
Vokabel: “Fin<strong>an</strong>zinstrument”<br />
Begriff (Fin<strong>an</strong>zinstrument)<br />
Unter dem Begriff Fin<strong>an</strong>zinstrument wollen wir hier alle Arten von Gütern<br />
o<strong>der</strong> Verträgen verstehen, die m<strong>an</strong> bei B<strong>an</strong>ken o<strong>der</strong> Versicherungen kaufen<br />
bzw. abschließen k<strong>an</strong>n, o<strong>der</strong> die <strong>an</strong> Börsen geh<strong>an</strong>delt werden. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
zählen dazu:<br />
Sparkonto (weitgehend synonym: Sparbuch) und Kredit<br />
(Rahmenkredit o<strong>der</strong> Darlehen),<br />
Versicherungspolizze (weitgehend synonym: Versicherungskontrakt),<br />
Anleihe und Aktie<br />
Derivate (Swaps, Futures, Optionen).<br />
Synonyme Begriffe: Fin<strong>an</strong>zprodukt; im Zusammenh<strong>an</strong>g mit Derivaten auch<br />
Un<strong>der</strong>lying.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 8 / 31
Einleitung<br />
Die Sprache <strong>der</strong> <strong>Mathematik</strong> ≠ Sprache <strong>der</strong> Fin<strong>an</strong>zwirtschaft<br />
Vokabel: Börsliche/außerbörsliche (OTC) Deals<br />
Begriff (Fin<strong>an</strong>zmarkt)<br />
Der H<strong>an</strong>del mit Fin<strong>an</strong>zinstrumenten findet weltweit <strong>an</strong> Börsen und<br />
zwischen B<strong>an</strong>ken (Interb<strong>an</strong>kenh<strong>an</strong>del) und <strong>an</strong><strong>der</strong>en Teilnehmern<br />
(Versicherungen, Broker, große Unternehmen) statt: Diesen großen (teils<br />
virtuellen) Markt bezeichnet m<strong>an</strong> als Fin<strong>an</strong>zmarkt (weitgehend synonym:<br />
Kapitalmarkt). Wenn Fin<strong>an</strong>zinstrumente nicht über die Börse geh<strong>an</strong>delt<br />
werden, spricht m<strong>an</strong> von Over–The–Counter–Geschäften o<strong>der</strong> kurz<br />
OTC–Geschäften; synonym: Außerbörsliche Geschäfte. Statt “Geschäft”<br />
verwendet m<strong>an</strong> in <strong>der</strong> Praxis auch die englischen Synonyme Deal, Trade<br />
o<strong>der</strong> Tr<strong>an</strong>saction.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 9 / 31
Einleitung<br />
Bewerten: “Umrechnen in Geld”<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Unter “Bewertung eines Fin<strong>an</strong>zinstruments F” verstehen wir die<br />
Bestimmung eines Preises <strong>für</strong> F. (Bei Wertpapieren verwendet m<strong>an</strong> auch<br />
die Bezeichnung Kurs statt Preis.) Preise sind Zahlen<strong>an</strong>gaben in<br />
Geldeinheiten: Eine ökonomische Theorie zur Rolle des Geldes in<br />
Wirtschaft und Gesellschaft können wir hier nicht entwickeln, wir<br />
begnügen uns mit einer einfachen Begriffsbestimmung.<br />
Begriff (Geld)<br />
Unter Geld verstehen wir zunächst die (europäische) Heimatwährung<br />
EURO (¤, EUR); d<strong>an</strong>n aber auch Fremdwährungen wie Dollar ($, USD),<br />
Schweizer Fr<strong>an</strong>ken (CHF) o<strong>der</strong> Yen (JPY).<br />
Für unsere Zwecke ist “Geld” eine allgemein übliche “Meßgröße <strong>für</strong> Wert”<br />
— Bewerten heißt daher im wesentlichen “Umrechnen in Geld”.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 10 / 31
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Umrechnung von Geld in Geld: Wechselkurse.<br />
Aus dem Umst<strong>an</strong>d, daß es verschiedene Währungen gibt, ist klar, daß eine<br />
Bewertung eines Fin<strong>an</strong>zinstruments erst d<strong>an</strong>n komplett ist, wenn m<strong>an</strong> die<br />
Währung dazusagt, also z.B.<br />
Dollar–Wert von Aktie A = 141.50$.<br />
Wenn m<strong>an</strong> die Währungs<strong>an</strong>gabe wegläßt, ist in <strong>der</strong> Regel die<br />
Heimatwährung (englisch: Domestic Currency) — <strong>für</strong> uns also¤—<br />
gemeint.<br />
Um den EURO–Wert von Aktie A zu erhalten, muß m<strong>an</strong> Dollars in EURO<br />
umrechnen, also den (Dollar–)Preis c <strong>für</strong> einen EURO kennen:<br />
Dollar–Wert von 1¤ = c $,<br />
EURO–Wert von Aktie A = 141.50<br />
c<br />
Diese “Preise von Geld” bezeichnet m<strong>an</strong> als Wechselkurse.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 11 / 31<br />
¤.
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Umrechnung von Geld in Warenkörbe: “Kaufkraft”.<br />
Es gilt “definitionsgemäß”:<br />
EURO–Wert von 1¤ = 1¤.<br />
Was soll es also bedeuten, wenn von “Geldentwertung” die Rede ist?<br />
In <strong>der</strong> Regel ist ja nicht <strong>der</strong> Besitz von Geld <strong>an</strong> sich erfreulich, son<strong>der</strong>n die<br />
Tatsache, daß m<strong>an</strong> damit verschiedene Konsum– o<strong>der</strong> auch Luxusgüter<br />
kaufen k<strong>an</strong>n. Geld hat also eine Kaufkraft, und die k<strong>an</strong>n mit <strong>der</strong> Zeit<br />
geringer werden (was gleichbedeutend damit ist, daß die Güter teurer<br />
werden).<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 12 / 31
Inflation.<br />
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Um diese “Kaufkraft” geeignet zu qu<strong>an</strong>tifizieren, definieren die Volkswirte<br />
den sogen<strong>an</strong>nten Laspeyres–Verbraucherpreisindex als die Kosten <strong>für</strong> ein<br />
festes Güterbündel X := (X 1 ,...,X n ) (m<strong>an</strong> muß sich hier z.B. vorstellen:<br />
X 1 gleich 6 Eier, X 2 gleich 1 Laib Brot, etc.) zu einem festen Zeitpunkt t.<br />
VPI(t)¤ := EURO–Wert des Güterbündels X im Zeitpunkt t.<br />
Inflation bedeutet nun einfach, daß <strong>der</strong> Verbraucherpreisindex VPI(t) im<br />
Zeitablauf <strong>an</strong>steigt: “Das Leben wird teurer”, die Kaufkraft des Geldes<br />
sinkt. Diese Verän<strong>der</strong>ung wird meist in Prozent (also in Hun<strong>der</strong>tstel)<br />
ausgedrückt:<br />
(( ) )<br />
VPI(t1 )<br />
Inflationsrate in Periode (t 0 ,t 1 ) :=<br />
VPI(t 0 ) − 1 × 100 %.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 13 / 31
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Laspeyeres–Güterbündel: “Zeitinvari<strong>an</strong>tes Nutzenmaß”.<br />
An sich ist ja “Geld” die übliche Meßgröße <strong>für</strong> “Wert”: Aber natürlich<br />
könnte m<strong>an</strong> Werte auch in Einheiten des Güterbündels X ausdrücken. Das<br />
ist zwar unüblich, hätte aber den Vorteil, daß die Annahme<br />
Wert von X ist “zeitinvari<strong>an</strong>t”:<br />
Der Wert (im Sinne von “individueller Nutzen”) von X ist zu allen Zeiten<br />
<strong>der</strong>selbe<br />
plausibel erscheint.<br />
Unter dieser Annahme könnte m<strong>an</strong> Geld, “das in <strong>der</strong> Zukunft zur<br />
Verfügung steht” umrechnen in Geld, “das heute zur Verfügung steht”, in<br />
folgendem Sinn:<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 14 / 31
Einleitung<br />
Gegenwartswert (Barwert).<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Sei t 0 <strong>der</strong> aktuelle Zeitpunkt (i.e.: jetzt) und t 1 ein Zeitpunkt in <strong>der</strong><br />
Zukunft: Würden wir die Inflationsrate in Periode (t 0 ,t 1 ) genau<br />
vorhersagen können, d<strong>an</strong>n könnten wir auch genau bestimmen, wieviel ein<br />
¤, den wir im Zeitpunkt t 1 besitzen, im Zeitpunkt t 0 (also jetzt) wert ist<br />
(ausgedrückt in¤):<br />
t 0 t 1<br />
VPI(t 0 )<br />
VPI(t 1 ) ¤<br />
1¤<br />
1<br />
X VPI(t 1 )<br />
1<br />
X VPI(t 1 )<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 15 / 31
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Gegenwartswert (Barwert).<br />
Begriff (Barwert)<br />
Für diesen jetzigen Wert führen wir den Begriff Gegenwartswert o<strong>der</strong><br />
Barwert (englisch: Present Value) und die Notation PV ein.<br />
In dieser Betrachtungsweise gilt also:<br />
PV (Wert von 1¤zum Zeitpunkt t 1 ) = VPI(t 0)<br />
VPI(t 1 ) ¤.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 16 / 31
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Barwert: In Wahrheit durch Zinsen bestimmt.<br />
Diese Betrachtungen zur Inflation illustriert, daß m<strong>an</strong> nicht nur Beträge in<br />
verschiedenen Währungen inein<strong>an</strong><strong>der</strong> umrechnen k<strong>an</strong>n, son<strong>der</strong>n auch<br />
Beträge in <strong>der</strong>selben Währung, aber zu verschiedenen Zeiten. In <strong>der</strong> Praxis<br />
spielt dabei aber nicht <strong>der</strong> Begriff Inflation die entscheidende Rolle,<br />
son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Begriff Verzinsung.<br />
Beispiel (Zinseszinsrechnung)<br />
Was ist (<strong>für</strong> mich) ein¤in 3 Jahren wert, wenn mir meine B<strong>an</strong>k <strong>für</strong> eine<br />
Spareinlage mit 3–jähriger Zinsbindung einen <strong>an</strong>nualisierten Zinssatz von<br />
4% bietet?<br />
PV (1¤in 3 Jahren) = (1.04) −3 ≃ 0.888996<br />
(Hier haben wir die Angabe <strong>der</strong> “Heimatwährung”¤weggelassen; das<br />
werden wir in <strong>der</strong> Folge auch meist so halten.)<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 17 / 31
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Zeitwert des Geldes: Diskontfaktoren.<br />
Begriff (Diskontfaktor)<br />
Zahlungen zu verschiedenen Zeitpunkten (aber in <strong>der</strong>selben Währung)<br />
werden durch Diskontfaktoren D(T) <strong>für</strong> Laufzeit T inein<strong>an</strong><strong>der</strong><br />
umgerechnet; T wird dabei üblicherweise in Jahren gemessen:<br />
D(T) := PV (1 Geldeinheit in T Jahren) .<br />
Annahme<br />
Im “Normalfall” nehmen wir <strong>an</strong>:<br />
PV (Z Geldeinheiten in T Jahren) = Z · D(T) .<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 18 / 31
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Matthäus 25,29<br />
Matthäus 25,29:<br />
Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, daß er Fülle habe; wer aber<br />
nicht hat, von dem wird auch genommen, was er hat.<br />
Bemerkung<br />
In Wahrheit stimmt diese Annahme nicht: Der Zinssatz (und damit <strong>der</strong><br />
Barwert) hängt auch vom Volumen ab! Wenn ich 1Mio.¤ auf ein<br />
Sparbuch lege, werde ich (meist) einen besseren Zinssatz erhalten, als<br />
wenn ich dasselbe nur mit 1000¤tue.<br />
Dennoch k<strong>an</strong>n sie in vielen typischen Fällen als “hinreichend gute<br />
Näherung” betrachtet werden und wir werden in <strong>der</strong> Folge meist damit<br />
arbeiten.<br />
Mit Zinsen werden wir uns noch sehr viel beschäftigen — dabei wird es<br />
aber meist um Interb<strong>an</strong>kengeschäfte gehen.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 19 / 31
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Zinsen <strong>für</strong> den Privatkunden.<br />
Bemerkung<br />
Für einen Privatkunden wird <strong>der</strong> Zinssatz, <strong>der</strong> <strong>für</strong> eine Spareinlage erzielt<br />
wird, abhängen von:<br />
Der “allgemeinen” Zinsl<strong>an</strong>dschaft,<br />
Der Laufzeit (Zinsbindung),<br />
Der Bonität <strong>der</strong> B<strong>an</strong>k (B<strong>an</strong>ken mit schlechterer Kreditwürdigkeit<br />
müssen i.d.R. höhere Zinsen bieten),<br />
Der Höhe <strong>der</strong> Spareinlage (Volumen),<br />
Und nicht zuletzt: Dem persönlichen Verh<strong>an</strong>dlungsgeschick.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 20 / 31
Einleitung<br />
Nominal– und Realverzinsung.<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Das verzinsliche Anwachsen von Kapital im Zeitablauf bezeichnet m<strong>an</strong><br />
auch als Nominalverzinsung. Diese k<strong>an</strong>n in einen “Kaufkraftzuwachs”<br />
(ausgedrückt in Einheiten des Laspeyres–Güterbündels X) umgerechnet<br />
werden, indem m<strong>an</strong> sie mit <strong>der</strong> gleichzeitig stattfindenden Entwicklung <strong>der</strong><br />
Kaufkraft (Inflation) in Beziehung setzt: Das Ergebnis bezeichnet m<strong>an</strong> als<br />
Realverzinsung.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 21 / 31
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Beispiel: Nominal– und Realverzinsung.<br />
Beispiel<br />
Sei <strong>der</strong> (Nominal–)Zinssatz <strong>für</strong> ein Jahr r = 10%, und sei die jährliche<br />
Inflation i = 5%; d<strong>an</strong>n wächst zwar eine Summe von 1000¤verzinslich<br />
auf 1100¤, <strong>der</strong> Kaufkraftzuwachs beträgt aber nur<br />
o<strong>der</strong> in Prozenten ausgedrückt:<br />
( 1100<br />
1.05·VPI(0)<br />
1000<br />
VPI(0)<br />
1000 1100<br />
−→<br />
VPI(0) VPI(1) = 1100<br />
1.05 · VPI(0) ,<br />
− 1<br />
)<br />
≃ 4.7619%,<br />
d.h., die Realverzinsung beträgt nur etwa 4.7619%.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 22 / 31
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Bewertung? — “In Wahrheit” durch den Markt.<br />
Die einzig gültige Antwort auf die Frage<br />
Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
liefert <strong>der</strong> Markt:<br />
Wenn ich wissen will, wieviel¤ich <strong>für</strong> meine Aktie bekomme, muß<br />
ich mir einen <strong>an</strong><strong>der</strong>en Marktteilnehmer suchen (typischerweise über<br />
eine Börse), <strong>der</strong> sie mir abkauft — zum sogen<strong>an</strong>nten Bid–Kurs,<br />
Wenn ich wissen will, wieviel¤ich <strong>für</strong> eine Aktie zahlen muß, muß<br />
ich mir einen <strong>an</strong><strong>der</strong>en Marktteilnehmer suchen, <strong>der</strong> sie mir verkauft<br />
— zum sogen<strong>an</strong>nten Ask–Kurs.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 23 / 31
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Spread := Ask − Bid > 0.<br />
Für viele Fin<strong>an</strong>zinstrumente werden von professionellen Marktteilnehmern<br />
(“Market Makers”) Bid– und Ask–Kurse laufend veröffentlicht<br />
(“quotiert”, denn diese Kurse heißen im Englischen Quotes), dabei wird<br />
m<strong>an</strong> in <strong>der</strong> Regel feststellen:<br />
http://glossary.reuters.com:<br />
The bid, by definition, is always below the ask <strong>an</strong>d is always the first<br />
quoted price. The difference between the two quotes is known as the<br />
spread.<br />
Die Differenz<br />
(Ask–Quote) − (Bid–Quote)<br />
ist also (fast) immer positiv und wird als Spread (Bid–Ask–Spread)<br />
bezeichnet.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 24 / 31
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Preisfindung <strong>an</strong> einer Börse.<br />
Die herkömmliche Preisfindung <strong>an</strong> einer Aktienbörse funktioniert (etwas<br />
vereinfachend dargestellt) so, daß potentielle Käufer und Verkäufer Gebote<br />
abgeben, die im wesentlichen<br />
die <strong>an</strong>gebotene bzw. nachgefragte Stückzahl <strong>der</strong> Aktien,<br />
und die Mindestpreise (bei Verkäufen) bzw. Höchstpreise (bei<br />
Käufen), die da<strong>für</strong> akzeptiert werden<br />
beinhalten.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 25 / 31
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Beispiel: An– und Verkaufsgebote.<br />
Beispiel<br />
Zum Beispiel könnten diese An– und Verkaufsgebote so aussehen:<br />
Preis Angebot Nachfrage Preis Angebot Nachfrage<br />
170 0 4800 205 2500 1000<br />
175 0 1370 210 3750 1500<br />
180 0 2500 215 5100 0<br />
185 0 6100 220 4900 0<br />
190 0 4700 225 5600 0<br />
195 800 3500 230 7100 0<br />
200 1370 2750<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 26 / 31
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Angebots– und Nachfragekurve.<br />
Wenn m<strong>an</strong> nun einfach aufsummiert, erhält m<strong>an</strong> <strong>für</strong> jeden Preis p<br />
die Menge (Stückzahl) <strong>der</strong> Aktien, die zu diesem Preis insgesamt<br />
<strong>an</strong>geboten wird (also die Summe jener Verkaufsgebote, <strong>der</strong>en<br />
Mindestpreis kleiner o<strong>der</strong> gleich p ist),<br />
die Menge (Stückzahl) <strong>der</strong> Aktien, die zu diesem Preis insgesamt<br />
nachgefragt wird (also die Summe <strong>der</strong> Ankaufsgebote, <strong>der</strong>en<br />
Höchstpreis größer o<strong>der</strong> gleich p ist).<br />
Angebot bzw. Nachfrage erscheinen also als Funktion des Preises: Die<br />
Ökonomen sprechen von Angebotskurve bzw. Nachfragekurve. Es ist<br />
“konstruktionsbedingt” klar, daß in dieser einfachen Situation<br />
die Angebotskurve monoton steigend ist,<br />
und die Nachfragekurve monoton fallend ist.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 27 / 31
Einleitung<br />
Angebots– und Nachfragekurve: Graphik.<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Die folgende Abbildung zeigt die Angebots– und Nachfragekurve, die sich<br />
aus <strong>der</strong> Marktsituation in unserem Beispiel ergibt.<br />
30000<br />
25000<br />
20000<br />
15000<br />
10000<br />
5000<br />
dem<strong>an</strong>d<br />
supply<br />
180 190 200 210 220 230<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 28 / 31
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Börsekurs = Gleichgewichtspreis = Umsatzmaximierer.<br />
Die Ökonomen würden sagen: “Der Marktpreis liegt dort, wo sich<br />
Angebots– und Nachfragekurve schneiden” (und zwar aufgrund eines<br />
“Gleichgewichtsarguments”: Bei jedem <strong>an</strong><strong>der</strong>en Preis ergibt sich ein<br />
Über<strong>an</strong>gebot o<strong>der</strong> ein Nachfrageüberh<strong>an</strong>g, also ein Ungleichgewicht, und<br />
Ungleichgewichte haben in <strong>der</strong> Regel nicht l<strong>an</strong>ge Best<strong>an</strong>d ...).<br />
Die Börse sieht das viel nüchterner: Sie möchte erreichen, daß möglichst<br />
viel Umsatz erreicht wird (das maximiert nämlich zugleich ihre Gebühren).<br />
Mathematisch ausgedrückt, bedeutet dies:<br />
Betrachte die Kurve, die sich als Minimum von Angebots– und<br />
Nachfragekurve ergibt,<br />
Auf <strong>der</strong> so konstruierten Kurve suche das Maximum auf.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 29 / 31
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
Umsätze: Graphik.<br />
Die folgende Abbildung zeigt die “Kurve <strong>der</strong> möglichen Umsätze”, die<br />
sich aus unserer “Beispiel–Marktsituation” ergibt: Wie m<strong>an</strong> sieht, liegt <strong>der</strong><br />
optimale Preis hier bei 205, <strong>der</strong> Umsatz bei diesem Preis wäre 2500 Stück.<br />
Menge<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
180 190 200 210 220 230 Preis<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 30 / 31
Einleitung<br />
Bewertung — Was ist ein Fin<strong>an</strong>zinstrument wert?<br />
An<strong>der</strong>e Börse–Systeme: Market–Maker.<br />
Bemerkung<br />
An vielen mo<strong>der</strong>nen Börsen (insbeson<strong>der</strong>e Termin– und Optionsbörsen)<br />
funktioniert die Preisbildung <strong>an</strong><strong>der</strong>s: Sogen<strong>an</strong>nte Market–Maker (das sind<br />
in <strong>der</strong> Regel B<strong>an</strong>ken o<strong>der</strong> Broker) verpflichten sich, An– und Verkaufskurse<br />
(Bid und Ask) zu stellen, und zwar<br />
“fast immer” während <strong>der</strong> Börsezeiten,<br />
<strong>für</strong> “übliche Mengen”,<br />
und mit einem Spread (Abst<strong>an</strong>d zwischen Ankaufskurs und<br />
Verkaufskurs) unterhalb einer gewissen Schwelle.<br />
Markus Fulmek (Universität Wien) VO <strong>Fin<strong>an</strong>zmathematik</strong> 6. III 2008 31 / 31