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Schutzlos hinter Gittern Abschiebungshaft in Deutschland - Pro Asyl

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IV. Zahlenmaterial zur <strong>Abschiebungshaft</strong>:<br />

n<br />

Die <strong>Abschiebungshaft</strong>zahlen s<strong>in</strong>d seit Jahren stark<br />

rückläufig. Waren 2008 noch 8.807 Personen von <strong>Abschiebungshaft</strong><br />

betroffen, waren es im Jahr 2011 dagegen<br />

6.466. Das ist e<strong>in</strong> Rückgang von über 25%. Diese Tendenz<br />

dürfte sich im laufenden Jahr noch weiter fortsetzen. Die<br />

Gründe für diese Entwicklung s<strong>in</strong>d sicherlich u.a. <strong>in</strong> den letzten<br />

Jahren erlassenen Alt- und Härtefallregelungen zu sehen,<br />

von denen e<strong>in</strong>e Vielzahl von ausreisepflichtigen Personen<br />

profitiert hat. Weiterh<strong>in</strong> ist die Osterweiterung der Europäischen<br />

Union zu nennen. 2009 kam es aber auch zu e<strong>in</strong>er<br />

rechtlichen Veränderung, die massive Auswirkungen auf den<br />

Erlass von <strong>Abschiebungshaft</strong>beschlüssen hatte.<br />

Neben dem allgeme<strong>in</strong>en Rückgang der Haftzahlen veränderte<br />

sich auch der Personenkreis der Inhaftierten. Seit e<strong>in</strong>igen<br />

Jahren ist die verstärkte Inhaftnahme von sog. Dubl<strong>in</strong> II Fällen<br />

(Aufgriffsfälle) durch die Bundespolizei zu verzeichnen. Dies<br />

führt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Haftanstalten zu der Situation, dass zwischen<br />

50% und 90% der Inhaftierten diesem Personenkreis zuzurechnen<br />

s<strong>in</strong>d. Genaue Zahlenangaben liegen hier aber nicht<br />

vor, da weder die vollziehenden Bundesländer noch die Bundespolizei<br />

darüber Statistiken führen. Viele der betroffenen<br />

Menschen kommen aus Afghanistan, dem Irak, Iran, Somalia<br />

und Eritrea. Häufig s<strong>in</strong>d sie durch die Erlebnisse im Herkunftsland<br />

oder durch e<strong>in</strong>e jahrelang anhaltende Flucht <strong>in</strong>nerhalb<br />

Europas psychisch belastet.<br />

Die Unterschiede <strong>in</strong> der Verhängung von <strong>Abschiebungshaft</strong><br />

s<strong>in</strong>d bei den Bundesländern sehr ausgeprägt. Grundsätzlich<br />

ist festzustellen, dass <strong>Abschiebungshaft</strong> zwischen 2008 und<br />

2011 im Schnitt um 25% abgenommen hat. In zwei Bundesländern,<br />

nämlich im Saarland und <strong>in</strong> Sachsen-Anhalt, s<strong>in</strong>d die<br />

Ingewahrsamnahmen im angegebenen Zeitraum jedoch gestiegen.<br />

Interessant ist die Betrachtung der großen Bundesländer,<br />

die dementsprechend auch für mehr ausreisepflichtige<br />

Personen Verantwortung tragen.<br />

In Bayern, Berl<strong>in</strong>, Hessen und Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen wurden<br />

2008 die meisten Personen <strong>in</strong> <strong>Abschiebungshaft</strong> gebracht.<br />

In Berl<strong>in</strong> nahm die Quote der Inhaftierungen am deutlichsten<br />

ab, gefolgt von Hessen und Bayern – auf immer noch hohem<br />

Niveau. In Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen blieb die Quote der Inhaftierungen<br />

demgegenüber fast unverändert. Das Beispiel<br />

Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen ist hier umso <strong>in</strong>teressanter, als dass es<br />

e<strong>in</strong>en der ausführlichsten <strong>Abschiebungshaft</strong>erlasse gibt, der<br />

eigentlich dafür sorgen soll, dass weniger <strong>Abschiebungshaft</strong><br />

beantragt und verhängt werden. Zwei andere Bundesländer,<br />

die hier eigentlich – aufgrund ihrer langjährigen politischen<br />

Ausrichtung – auch hätten aufgeführt werden müssen, nämlich<br />

Baden-Württemberg und Niedersachsen, vollziehen <strong>Abschiebungshaft</strong><br />

offensichtlich zurückhaltender.<br />

Nach dem Königste<strong>in</strong>er Schlüssel 87 müssen Baden-Württemberg<br />

(12,9 %) und Niedersachsen (9,4 %) zusammen 22,3 % der<br />

<strong>Asyl</strong>suchenden <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> aufnehmen. Für Nordrhe<strong>in</strong>-<br />

Westfahlen beträgt die Quote 21,2 %. Während die beiden<br />

erst genannten Bundesländer aber im Jahr 2011 <strong>in</strong>sgesamt<br />

730 Personen <strong>in</strong> <strong>Abschiebungshaft</strong> nahmen, waren es im gleichen<br />

Zeitraum <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen 1.673 Personen, also<br />

mehr als doppelt so viele. Auch Bayern (Aufnahmeschlüssel:<br />

15,2 %) lag mit 1.125 Personen <strong>in</strong> <strong>Abschiebungshaft</strong> mit 15,6 %<br />

über den Haftzahlen der beiden erwähnten Bundesländer.<br />

Bezeichnenderweise s<strong>in</strong>d es auch die Länder nämlich Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen,<br />

Bayern und Hessen die ke<strong>in</strong>erlei Auskunft<br />

darüber geben (wollen), <strong>in</strong> welchem Verhältnis die Abschiebungen<br />

zur vorherigen <strong>Abschiebungshaft</strong> stehen (vgl. Tabelle<br />

Abschiebungen mit und ohne <strong>Abschiebungshaft</strong>).<br />

Verr<strong>in</strong>gerung der<br />

<strong>Abschiebungshaft</strong> <strong>in</strong> den Bundesländern<br />

2008 – 2011 <strong>in</strong> <strong>Pro</strong>zent ( gerundet):<br />

Baden-Württemberg: - 25 %<br />

Bayern: - 23 %<br />

Berl<strong>in</strong>: - 52 %<br />

Brandenburg: - 33 %<br />

Hansestadt Bremen: - 49 %<br />

Hansestadt Hamburg: - 60 %<br />

Hessen: - 23 %<br />

Mecklenburg-Vorpommern: - 40 %<br />

Niedersachsen: - 35 %<br />

Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen: - 9 %<br />

Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz: - 17 %<br />

Saarland: + 13 %<br />

Sachsen: - 20 %<br />

Sachsen-Anhalt: + 46 %<br />

Schleswig-Holste<strong>in</strong>: - 2 %<br />

Thür<strong>in</strong>gen: - 58 %<br />

Quelle: Große Anfrage BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, a.a.O., S. 13ff.<br />

Große Anfrage DIE LINKE, a.a.O., S. 97ff.<br />

87. Der Königste<strong>in</strong>er Schlüssel legt das Aufnahmekont<strong>in</strong>gent zwischen den Bundesländern für<br />

<strong>Asyl</strong>suchende fest und richtet sich nach Größe und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.

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