Schutzlos hinter Gittern Abschiebungshaft in Deutschland - Pro Asyl
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© flickr<br />
I. Rechtlicher Rahmen<br />
n<br />
Der Ursprung der heutigen Regelungen zur <strong>Abschiebungshaft</strong><br />
geht auf die Ausländerpolizeiverordnung<br />
von 1938 zurück 7 . Diese Verordnung aus der Zeit des Nationalsozialismus<br />
galt <strong>in</strong> der Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> noch<br />
bis 1965 fort 8 . 1965 trat <strong>in</strong> der Bundesrepublik das neue Ausländergesetz<br />
<strong>in</strong> Kraft, das ebenfalls e<strong>in</strong>e Regelung zur <strong>Abschiebungshaft</strong><br />
enthielt und erstmals e<strong>in</strong>e Frist für die Dauer<br />
der <strong>Abschiebungshaft</strong> von sechs Monaten bis maximal e<strong>in</strong>em<br />
Jahr vorsah 9 . Mit dem neuen Ausländergesetz von 1990 wurde<br />
die Dauer auf 1 ½ Jahre verlängert und Haftgründe e<strong>in</strong>geführt.<br />
Mit dem Zuwanderungsgesetz wurde 2005 schließlich<br />
das Ausländergesetz vom Aufenthaltsgesetz abgelöst. Trotz<br />
der formalrechtlichen Änderungen hat sich am Charakter der<br />
Normen nicht viel verändert.<br />
1. Voraussetzungen der <strong>Abschiebungshaft</strong><br />
<strong>Abschiebungshaft</strong> stellt e<strong>in</strong>e staatliche Freiheitsentziehung<br />
dar und unterliegt damit verfassungsrechtlichen Anforderungen.<br />
Nach Artikel 104 Abs. 1 S. 1 GG kann die Freiheit e<strong>in</strong>er<br />
Person nur unter Beachtung der dar<strong>in</strong> vorgeschriebenen For-<br />
7. § 7 Abs. 4 und 5 Ausländerpolizeiverordnung 1938: „(4) E<strong>in</strong> Ausländer kann zur Vorbereitung<br />
des Erlasses e<strong>in</strong>es Aufenthaltsverbots vorübergehend <strong>in</strong> polizeiliche Verwahrung<br />
genommen werden. (5) Der Ausländer ist unter den Voraussetzungen des Abs. 1 durch<br />
Anwendung unmittelbaren Zwanges aus dem Reichsgebiet abzuschieben, wenn er das<br />
Reichsgebiet nicht freiwillig verläßt oder wenn die Anwendung unmittelbaren Zwanges aus<br />
anderen Gründen geboten ersche<strong>in</strong>t. Zur Sicherung der Abschiebung kann der Ausländer <strong>in</strong><br />
<strong>Abschiebungshaft</strong> genommen werden.“<br />
men beschränkt werden. Sie ist nur zulässig, wenn sie durch<br />
e<strong>in</strong>en Richter vorher angeordnet worden ist (Richtervorbehalt).<br />
Verfassungsrechtlich ist zudem vor allem der Beschleunigungsgrundsatz<br />
zu nennen, wonach <strong>Abschiebungshaft</strong><br />
nur so kurz wie möglich se<strong>in</strong> darf. Dies ist Ausfluss des für<br />
alle Grundrechtse<strong>in</strong>griffe geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes,<br />
wonach E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong> die Grundrechte nur dann<br />
erfolgen dürfen, wenn ke<strong>in</strong>e milderen Mittel vorhanden s<strong>in</strong>d<br />
und wenn das Mittel <strong>in</strong> Verhältnis steht zum damit verfolgten<br />
Zweck. Weiterh<strong>in</strong> wurde festgestellt, dass die Haft weder<br />
offen noch versteckt als Beugehaft angewandt werden darf.<br />
Behörden dürfen also nicht das Ziel verfolgen, mit der <strong>Abschiebungshaft</strong><br />
die „freiwillige“ Ausreise zu erzw<strong>in</strong>gen. Das<br />
Bundesverfassungsgericht ist immer wieder e<strong>in</strong>geschritten,<br />
wenn die Praxis der <strong>Abschiebungshaft</strong> mit Verfassungsrecht<br />
nicht <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang stand. 10<br />
<strong>Abschiebungshaft</strong> ist ke<strong>in</strong>e Strafhaft. Sie ist vielmehr Zivilhaft.<br />
Ihre Anordnung und das Verfahren richten sich nach<br />
dem im Jahr 2009 geltenden Gesetz über das Verfahren <strong>in</strong><br />
8. Zur Geschichte der <strong>Abschiebungshaft</strong> siehe: http://www.<strong>in</strong>itiative-gegen-abschiebehaft.de/<br />
geschichte-brd-ausfuehrlich.html<br />
9. §16 AuslG 1965: „E<strong>in</strong> Ausländer ist <strong>in</strong> <strong>Abschiebungshaft</strong> zu nehmen, wenn die Haft zur Sicherung<br />
der Abschiebung erforderlich ist. Die <strong>Abschiebungshaft</strong> kann bis zu sechs Monaten angeordnet<br />
und bis zur Gesamtdauer von e<strong>in</strong>em Jahr verlängert werden.“<br />
10. BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2000, 2 BvR 347/00; BVerfG, Beschluss vom 15.05.2002,<br />
2 BvR 2292/00; BVerfG, Beschluss vom 16.5.2007 2 BvR 2106/05