Schutzlos hinter Gittern Abschiebungshaft in Deutschland - Pro Asyl
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das Gepäck zu den Inhaftierten kommt. Die Rechtsberatung<br />
wird ehrenamtlich durch den Vere<strong>in</strong> Rechtsberatung <strong>in</strong> der<br />
<strong>Abschiebungshaft</strong>, von zwei Jurastudenten <strong>in</strong> Kooperation<br />
mit e<strong>in</strong>er Juraprofessor<strong>in</strong> durchgeführt.<br />
E<strong>in</strong>zelgewahrsam/Besonders gesicherter Haftraum (bgH):<br />
Bei Selbstverletzungen kommen die Betroffenen <strong>in</strong> den besonders<br />
gesicherten Haftraum des Polizeigewahrsams. Die<br />
Überwachung erfolgt nicht über Kameras. Der bgH ist mit<br />
e<strong>in</strong>er auf dem Boden liegenden Matratze ausgestattet, die<br />
an e<strong>in</strong>er Wand liegt. Seitlich s<strong>in</strong>d Ösen vorhanden, an denen<br />
Fixierbänder angebracht werden können. Diese Art der<br />
Fixierung wird aber nicht mehr angewandt. Vielmehr wird<br />
bei Bedarf e<strong>in</strong> Fesselbett/Fixierungsbett genutzt. Dies ist e<strong>in</strong><br />
spezielles Bettgestellt, an dem Arme, Be<strong>in</strong>e und Brustkorb fixiert<br />
werden können. Im <strong>Abschiebungshaft</strong>bereich sei <strong>in</strong> den<br />
letzten zwei bis drei Jahren ke<strong>in</strong>e Fixierungsfälle vorgefallen.<br />
Die Zelle verfügt weiterh<strong>in</strong> über e<strong>in</strong>e normale Toilette und<br />
e<strong>in</strong> Waschbecken.<br />
n 5. JVA Hamburg Billwerder (Hamburg)<br />
(besucht am 7. 8. 2012)<br />
Kurzdarstellung: Seit 2009 wird die <strong>Abschiebungshaft</strong> <strong>in</strong>nerhalb<br />
der JVA Billwerder vollzogen. Die Abteilung, <strong>in</strong> der<br />
die Abschiebungsgefangenen untergebracht s<strong>in</strong>d, verfügt<br />
über 35 Plätze für Männer. Während unseres Besuches befanden<br />
sich 10 Personen <strong>in</strong> Haft. Weibliche Abschiebungsgefangene<br />
aus Hamburg werden nach Eisenhüttenstadt gebracht.<br />
Die Bewachung erfolgt durch Justizpersonal.<br />
Unterbr<strong>in</strong>gung: Die Zellen s<strong>in</strong>d E<strong>in</strong>zelzellen, von <strong>in</strong>nen „abschließbar“.<br />
Außen s<strong>in</strong>d an den Zellen die Namen der Insassen<br />
angebracht. Die Zellen s<strong>in</strong>d sehr wohnlich und modern<br />
e<strong>in</strong>gerichtet: mit Bett, Schreibtisch, Stuhl und Schrank. Toilette<br />
und Waschbecken s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Zellen und werden von e<strong>in</strong>er<br />
halb hohen Mauer umrundet und abgetrennt. Seit kurzer<br />
Zeit gibt es auch e<strong>in</strong>e Zwei-Personen-Zelle (Wanddurchbruch<br />
zwischen zwei E<strong>in</strong>zelzellen). Damit ist es möglich, zwei Personen<br />
zusammen zu legen. Dies kann auf Wunsch erfolgen.<br />
Die Duschen bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em separaten Raum auf dem<br />
Gang und s<strong>in</strong>d, wenn die Zellen offen s<strong>in</strong>d, jeder Zeit zugänglich.<br />
Das Wachpersonal sitzt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em umglasten Raum, von<br />
dem aus die beiden Gänge mit den Haftzellen e<strong>in</strong>sehbar s<strong>in</strong>d.<br />
Trennungsgebot: Die <strong>Abschiebungshaft</strong> wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er eigenen<br />
Abteilung vollzogen. Der Putzdienst wird von Hausarbeitern<br />
(sonstigen Gefangenen der JVA) verrichtet, was e<strong>in</strong>en<br />
Verstoß gegen das Trennungsgebot bedeuten könnte.<br />
Bewegungsfreiheit <strong>in</strong>nerhalb des Gewahrsams: Insgesamt<br />
können sich die Inhaftierten etwa 7,5 Stunden <strong>in</strong> der<br />
Abteilung frei bewegen. Zwischen 15:15 und 18:00 Uhr besteht<br />
zudem die Möglichkeit des Hofgangs, wobei die Insassen<br />
zwischen Hof und Abteilung h<strong>in</strong> und her gehen können.<br />
Um 18:30 Uhr ist E<strong>in</strong>schluss bis 06:00 Uhr.<br />
Freizeitmöglichkeiten/Entgeltliche Arbeitsmöglichkeiten:<br />
Es gibt e<strong>in</strong>en Aufenthaltsraum, der aber nicht jeder Zeit zugänglich<br />
ist. Hier können Gruppenangebote, z.B. durch Ehrenamtliche,<br />
angeboten werden (Lesen, Malen, Tischfußball).<br />
Es gibt ke<strong>in</strong>e entgeltlichen Arbeitsmöglichkeiten.<br />
Kontaktmöglichkeiten nach Außen: Es gibt e<strong>in</strong>en Telefonapparat,<br />
mit dem man telefonieren kann, der aber nicht von<br />
außen anzurufen ist. (TelCo-System der JVA. Möglichkeit des<br />
Telefonierens nur mit Guthaben, was für viele Inhaftierte e<strong>in</strong><br />
<strong>Pro</strong>blem ist). Handys s<strong>in</strong>d nicht erlaubt. Nach der E<strong>in</strong>lieferung<br />
können die Inhaftierten e<strong>in</strong>en Telefonanruf tätigen, um Bescheid<br />
zu sagen, wo sie s<strong>in</strong>d. Die Besuchszeiten s<strong>in</strong>d sehr reglementiert.<br />
Das liegt daran, dass sie <strong>in</strong> den normalen Besuchsräumen<br />
der JVA stattf<strong>in</strong>den müssen, da es ke<strong>in</strong>e eigenen<br />
Räumlichkeiten gibt. Die Besuchszeiten s<strong>in</strong>d: Montags: 08:30<br />
bis 09:30 Uhr; Mittwoch: 15:15 bis 17:15 Uhr; Freitag: 09:00 bis<br />
10:00 Uhr; Sonntag: 09:00 bis 10:00 Uhr. Mehrfachbesuche <strong>in</strong><br />
der Woche s<strong>in</strong>d möglich.<br />
Essen: Das Essen kommt aus der Zentralküche der JVA. Alle<br />
Mahlzeiten werden mittags ausgegeben. Die Inhaftierten<br />
haben <strong>in</strong> Kühlschränken Fächer, <strong>in</strong> denen sie ihre Lebensmittel<br />
aufbewahren können und an die sie während der Zeiten<br />
offener Zellentüren gelangen. Obwohl mitten im Gang e<strong>in</strong>e<br />
große Küche e<strong>in</strong>gerichtet ist, wurde den Inhaftierten nicht<br />
gestattet, dort auch zu kochen. Während unseres Besuches<br />
wurde klargestellt bzw. entschieden, dass künftig die Küche<br />
von den Inhaftierten zum Kochen genutzt werden könne. Im<br />
Februar 2013 kam es zur ersten Kochveranstaltung mit Ehrenamtlichen,<br />
wobei die Inhaftierten ke<strong>in</strong>e Messer benutzen<br />
durften. E<strong>in</strong>e eigenständige Nutzung der Küche durch die Inhaftierten<br />
ist weiterh<strong>in</strong> nicht vorgesehen.<br />
Mediz<strong>in</strong>ische Versorgung: Inhaftierte können <strong>in</strong> der Ambulanz<br />
der JVA behandle werden. Dort sei auch das Trennungsgebot<br />
gewahrt, wurde uns berichtet. Stationäre Aufnahmen<br />
erfolgen im Justizkrankenhaus Holstenglacis. E<strong>in</strong>e<br />
regelmäßige, psychologische Betreuung f<strong>in</strong>det nicht statt.<br />
Über e<strong>in</strong>e eventuelle Behandlungsbedürftigkeit entscheidet<br />
der Anstaltsleiter (er ist Psychologe). Bei Auffälligkeiten bzw.<br />
Selbstmordgedanken wird auch der psychologische Dienst<br />
<strong>in</strong>formiert.<br />
Soziale Betreuung/unabhängige Beratung: Wegen der<br />
letzten Todesfälle <strong>in</strong> den Haftanstalten <strong>in</strong> Hamburg wurde<br />
e<strong>in</strong> sog. „Berater für Ausländer“ e<strong>in</strong>gestellt. Er ist multil<strong>in</strong>gual<br />
und spricht: Fula, Portugiesisch, Französisch, Englisch,<br />
Russisch und Spanisch. Die Zugangsgespräche führt der Ab-