Schutzlos hinter Gittern Abschiebungshaft in Deutschland - Pro Asyl
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© ddpimages/Theo Heimann<br />
Abschiebegewahrsam Berl<strong>in</strong>-Koepenick<br />
6. Gesundheitsversorgung <strong>in</strong> <strong>Abschiebungshaft</strong><br />
Die Rechtsgrundlage für die Gesundheitsversorgung von Abschiebungshäftl<strong>in</strong>gen<br />
richtet sich regelmäßig nach dem <strong>Asyl</strong>bewerberleistungsgesetz.<br />
Danach werden jedoch nur e<strong>in</strong>e<br />
Notfallversorgung und die unbed<strong>in</strong>gt erforderliche Behandlung<br />
gewährleistet. Dies erweist sich aber immer wieder als<br />
äußerst unzureichend. Insbesondere werden psychische Erkrankungen<br />
häufig nicht erkannt und damit auch nicht oder,<br />
wenn überhaupt, erst verspätet und zumeist ausschließlich<br />
medikamentös behandelt.<br />
6.1 Mediz<strong>in</strong>ische Betreuung<br />
E<strong>in</strong> großes <strong>Pro</strong>blem bei der Gesundheitsversorgung <strong>in</strong> <strong>Abschiebungshaft</strong><br />
stellen die Sprachbarrieren dar. Zwar gibt<br />
es <strong>in</strong> allen Haftanstalten grundsätzlich die Möglichkeit, bei<br />
Beschwerden e<strong>in</strong>en Arzt zu konsultieren. Allerd<strong>in</strong>gs f<strong>in</strong>den<br />
diese Arztkonsultationen zumeist ohne Dolmetscher statt.<br />
Dieser Umstand wird auch vom Europäischen Antifolterausschuss<br />
kritisch gesehen:<br />
„Wie im Jahr 2000 stellte die Delegation fest, dass es erhebliche,<br />
durch Sprachbarrieren verursachte Kommunikationsschwierigkeiten<br />
zwischen dem ärztlichen Personal bzw. Pflegepersonal<br />
und ausländischen Staatsangehörigen gab. Das mediz<strong>in</strong>ische<br />
Personal hatte zwar grundsätzlich die Möglichkeit, jederzeit e<strong>in</strong>en<br />
Dolmetscher h<strong>in</strong>zuzuziehen, die Delegation stellte aber fest,<br />
dass der Arzt kaum von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht<br />
hatte, obgleich e<strong>in</strong>ige ausländische Staatsangehörige kaum <strong>in</strong><br />
der Lage waren, mit ihm zu kommunizieren. Es sollten Maßnahmen<br />
ergriffen werden, um diesen Mangel zu beheben.“ 48<br />
Die Ausführungen des Europäischen Ausschusses zur Verhütung<br />
von Folter (CPT) im H<strong>in</strong>blick auf die Situation <strong>in</strong> Eisenhüttenstadt,<br />
die sich nicht signifikant geändert hat, kann<br />
auch auf andere Haftanstalten übertragen werden. Ärzte<br />
und der vor Ort arbeitende mediz<strong>in</strong>ische Dienst greifen vielfach<br />
auf die Hilfe von Mithäftl<strong>in</strong>gen oder Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen<br />
aus der Bewachung, die über Fremdsprachenkenntnisse<br />
verfügen, zurück, um mit Betroffenen zu sprechen. Dies ist<br />
aus datenschutzrechtlichen Gründen zu beanstanden, da es<br />
hier zum Teil auch um sehr sensible und persönliche D<strong>in</strong>ge<br />
gehen kann und führt aufgrund anzunehmender Zurückhaltung<br />
bis h<strong>in</strong> zu Misstrauen der Untersuchten gegenüber<br />
den Laiendolmetscher/<strong>in</strong>nen mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
zum Verlust wichtiger Informationen. Oder aber, was noch<br />
bedenkenswerter ist, die Anamnese wird ausschließlich nonverbal,<br />
mit Zeichensprache oder aufgrund schriftlicher Fragen<br />
durchgeführt.<br />
48. CPT Bericht 2006, a.a.O., S. 35.