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Schutzlos hinter Gittern Abschiebungshaft in Deutschland - Pro Asyl

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5. Soziale Betreuung, Beratung und<br />

Rechtsberatung<br />

Die soziale Betreuung der Inhaftierten wird, nach den vorliegenden<br />

Informationen, vielfach „nebenbei“ gemacht und<br />

hängt vom persönlichen Engagement der e<strong>in</strong>gesetzten Bediensteten<br />

ab, und davon, wie sie ihre verschiedenen Aufgabenbereiche<br />

gewichten.<br />

Dabei müsste der sozialen Betreuung im <strong>Abschiebungshaft</strong>vollzug<br />

e<strong>in</strong>e zentrale Rolle zukommen. Der Sozialdienst<br />

sollte erster Ansprechpartner für Personen se<strong>in</strong>, die neu <strong>in</strong><br />

Haft genommen werden. Er sollte mündlich und schriftlich<br />

<strong>in</strong> verständlicher Weise erklären, warum sich der Betroffene<br />

<strong>in</strong> Haft bef<strong>in</strong>det, welche Pflichten, aber auch welche Rechte<br />

und Möglichkeitenen sie besitzt. Insbesondere diese Informationsvermittlung<br />

ist e<strong>in</strong> zentraler Aspekt der Arbeit und<br />

bedarf auch Fachwissen im Aufenthalts-, <strong>Asyl</strong>- und Haftrecht.<br />

Auch sollte der Sozialdienst Behördenschreiben übersetzen<br />

und erklären sowie Hilfestellungen geben, den Haftalltag zu<br />

strukturieren, z.B. durch Freizeitangebote oder ähnliches.<br />

Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, benötigen die Mitarbeitenden<br />

vielfache sprachliche Kompetenzen. Bei unseren<br />

Gesprächen wurde deutlich, dass überwiegend auf Mitgefangene<br />

oder Wachpersonal mit Sprachkompetenzen zurückgegriffen<br />

wird, um Neuankömml<strong>in</strong>gen Informationen<br />

zu vermitteln. Nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sehr ger<strong>in</strong>gen Ausmaß werden<br />

professionelle Dolmetscher e<strong>in</strong>gesetzt. Dies habe f<strong>in</strong>anzielle<br />

Gründe, so die überwiegenden Rückmeldungen. Zum<br />

e<strong>in</strong>en ist hier zu <strong>h<strong>in</strong>ter</strong>fragen, wie es mit dem Datenschutz<br />

aussieht, wenn es sich z.B. um sensible persönliche Informationen<br />

handelt. Zum anderen stellt sich die Frage, wie präzise<br />

e<strong>in</strong>e Übersetzung se<strong>in</strong> kann, wenn mehrere Personen an der<br />

Übersetzung beteiligt s<strong>in</strong>d oder aber die angefragte Sprachkompetenz<br />

nur sehr rudimentär vorhanden ist.<br />

In neun der befragten Haftanstalten gibt es e<strong>in</strong>en Sozialdienst,<br />

der diese Informations- und Vermittlungsaufgaben<br />

bearbeitet, <strong>in</strong> Mannheim erst wieder seit Ende 2012. In Rendsburg<br />

und Hannover wird dieser Bereich von Mitarbeitenden<br />

aus der Verwaltung mit abgedeckt, <strong>in</strong> Bützow und Eisenhüttenstadt<br />

gibt es ke<strong>in</strong>e soziale Betreuung der Inhaftierten. Das<br />

hat für die Betroffene zur Folgen, wenn es ke<strong>in</strong>e anderen Unterstützungs<strong>in</strong>strumente<br />

gibt, dass sie gar nicht wissen, was<br />

mit ihnen geschieht und sich gegenüber dem, was mit ihnen<br />

passiert, völlig hilflos und ausgeliefert fühlen.<br />

Diese Defizite müssen vielfach durch Akteure von außen wie<br />

z.B. ehrenamtliche Besuchergruppen, Beratungsangebote<br />

von Flüchtl<strong>in</strong>gsorganisationen, hauptamtlichen Mitarbeitern<br />

von Wohlfahrtsorganisationen oder den Seelsorgern aufgefangen<br />

werden. Bei unseren Gesprächen stellte sich immer<br />

wieder heraus, dass, gerade wenn die Haft <strong>in</strong> normalen Justizvollzugsanstalten<br />

vollzogen wird, die speziellen ausländer-<br />

und aufenthaltsrechtlichen <strong>Pro</strong>blematiken nicht bekannt<br />

bzw. von Interesse waren.<br />

Derzeit f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> den <strong>Abschiebungshaft</strong>e<strong>in</strong>richtungen e<strong>in</strong>e<br />

unabhängige Beratung nur sporadisch mit <strong>in</strong> der Regel ehrenamtlichen<br />

Unterstützergruppen statt. Nur <strong>in</strong> Rendsburg,<br />

Büren (nur für Frauen) und Ingelheim gibt es regelmäßig<br />

Beratungen durch hauptamtliche Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />

externer Organisationen <strong>in</strong>nerhalb der Hafte<strong>in</strong>richtung,<br />

die e<strong>in</strong>e unabhängige und ergebnisoffene Beratung anbieten.<br />

Hier muss das Angebot aufgebaut bzw. erweitert, umfassende<br />

Zugangsmöglichkeiten eröffnet und f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung<br />

für e<strong>in</strong>e unabhängige Beratung gewährt werden.<br />

Nach der Rückführungsrichtl<strong>in</strong>ie ist es Nichtregierungsorganisationen<br />

zu ermöglichen, <strong>Abschiebungshaft</strong>e<strong>in</strong>richtungen<br />

zu besuchen. Besuche können fakultativ von e<strong>in</strong>er Genehmigung<br />

abhängig gemacht werden. Das <strong>in</strong> Kraft getretene<br />

Umsetzungsgesetz dreht das Regel-Ausnahme-Verhältnis<br />

um, <strong>in</strong> dem es bestimmt, dass e<strong>in</strong>schlägig tätige Hilfsorganisationen<br />

auf Antrag der Besuch gestattet werden kann.<br />

Das Genehmigungserfordernis sollte <strong>in</strong>des nur dazu dienen,<br />

die Vere<strong>in</strong>barkeit der Besuche mit den Abläufen der E<strong>in</strong>richtung<br />

herzustellen; es darf nicht als Mittel dienen, den von der<br />

Rückführungsrichtl<strong>in</strong>ie vorgesehenen Zutritt der Organisationen<br />

über Gebühr zu beschränken.<br />

Die Arbeitsmöglichkeiten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel sehr beschränkt<br />

und reglementiert. Die zumeist ehrenamtlichen Gruppen<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrer Arbeit mehr geduldet als aktiv gefördert. Dabei<br />

verkennen die Verantwortlichen <strong>in</strong> den jeweiligen Haftanstalten<br />

nicht das deeskalierende Potential der Berater<strong>in</strong>nen<br />

und Berater von außen. Sie nehmen vielfach den „Druck aus<br />

dem Kessel <strong>Abschiebungshaft</strong>“, da sie es s<strong>in</strong>d, die sich um<br />

das persönliche Schicksal ausländerrechtlich kümmern und<br />

den Inhaftierten signalisieren, nicht ganz der totalen Institution<br />

Gefängnis ausgeliefert zu se<strong>in</strong>, was sich z.B. <strong>in</strong> der Unterstützung<br />

von Haftbeschwerden oder der Vermittlung an<br />

Rechtsanwälte widerspiegelt. Weiterh<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d sie zumeist die<br />

ersten und e<strong>in</strong>zigen, die sich für die (Flucht-)Geschichte der<br />

Insassen, ihre Nöte und Ängste im H<strong>in</strong>blick auf die drohende<br />

Abschiebung bzw. Rückschiebung <strong>in</strong>teressieren und sie<br />

ernst nehmen. Nur <strong>in</strong> den drei genannten Haftanstalten gibt<br />

es hauptamtliche Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen, die Beratungsangebote<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Haft mit eigenem Büro zeitlich umfassend<br />

anbieten können. In neun Haftanstalten werden Beratungsangebote<br />

von ehrenamtlichen Berater<strong>in</strong>nen und Beratern<br />

bzw. Seelsorgern angeboten. In Frankfurt, Hannover (außer<br />

Rückkehrberatung) und Bützow gibt es überhaupt ke<strong>in</strong>e Beratungsangebote<br />

dieser Art.<br />

Das gleiche Bild zeigt sich auch bei der Rechtsberatung. Nur<br />

<strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen und Brandenburg besteht für die Inhaftierten<br />

die Möglichkeit, e<strong>in</strong>e kostenlose, weil vom Land

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