Schutzlos hinter Gittern Abschiebungshaft in Deutschland - Pro Asyl
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wenn die (rechtswidrige) Inhaftierung unterbliebe. Auch aus<br />
Sicht der Betroffenen ist es nicht nachvollziehbar, wie e<strong>in</strong><br />
Strafgefangener behandelt zu werden. Sie erleben dies als<br />
stigmatisierend. Zudem ergibt sich im bundesweiten Vergleich<br />
ganz klar, dass der Vollzug <strong>in</strong> JVAs wegen der erhöhten<br />
Sicherheitsbedürfnisse immer mit E<strong>in</strong>schränkungen verbunden<br />
ist, die <strong>in</strong> eigenständigen <strong>Abschiebungshaft</strong>anstalten<br />
nicht zw<strong>in</strong>gend s<strong>in</strong>d (Handyverbot, e<strong>in</strong>geschränkte Besuchszeiten,<br />
usw.).<br />
Wenngleich <strong>in</strong> Sachen Trennungsgebot auf dem juristischen<br />
Wege <strong>in</strong> vielen Fällen erfolgreich geklagt worden ist, so ist die<br />
Grundsatzfrage nach wie vor nicht geklärt: Muss nicht e<strong>in</strong> Systemwechsel<br />
dah<strong>in</strong>gehend erfolgen, dass Justizvollzugsanstalten<br />
für den Bereich Abschiebung gar nicht mehr zum<br />
E<strong>in</strong>satz kommen dürfen? Zusammen mit der EU-Kommission<br />
müsste diese Frage mit e<strong>in</strong>em klaren „Ja“ zu beantworten se<strong>in</strong>.<br />
1.3. Kritik des Antifolterausschusses<br />
Auch der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter<br />
(CPT, European Committee for the Prevention of Torture) hat<br />
bei se<strong>in</strong>en regelmäßigen Besuchen die Inhaftierung von <strong>Asyl</strong>suchenden<br />
<strong>in</strong> JVAs nachdrücklich kritisiert:<br />
„Die von der Delegation bei ihrem Besuch im Jahr 2005 getroffenen<br />
Feststellungen zeigten erneut, dass es e<strong>in</strong> grundsätzlich fehlerhafter<br />
Ansatz ist, Abschiebegefangene <strong>in</strong> Justizvollzugsanstalten<br />
zu <strong>in</strong>haftieren, auch wenn die eigentlichen Haftbed<strong>in</strong>gungen<br />
der betroffenen Personen <strong>in</strong> bestimmten Hafte<strong>in</strong>richtungen angemessen<br />
waren. Der CPT hat wiederholt betont, dass e<strong>in</strong>e Justizvollzugsanstalt<br />
per def<strong>in</strong>itionem ke<strong>in</strong> angemessener Ort ist,<br />
um e<strong>in</strong>e Person zu <strong>in</strong>haftieren, die weder e<strong>in</strong>er Straftat verdächtig<br />
ist noch wegen e<strong>in</strong>er Straftat verurteilt wurde. Der Ausschuss<br />
nimmt ebenfalls zur Kenntnis, dass die Bundesregierung se<strong>in</strong>e<br />
Auffassung <strong>in</strong> dieser Angelegenheit teilt. Er ist jedoch nach wie<br />
vor besorgt darüber, dass auf der Ebene der Bundesländer <strong>in</strong> dieser<br />
H<strong>in</strong>sicht so wenige Fortschritte erzielt worden s<strong>in</strong>d.“ 29<br />
Deshalb musste der Europäische Ausschuss zur Verhütung von<br />
Folter zum wiederholten Mal die Empfehlung aussprechen,<br />
dass die Behörden <strong>in</strong> Hamburg und Niedersachsen sowie <strong>in</strong><br />
allen anderen Bundesländern die erforderlichen Maßnahmen<br />
treffen, um sicherzustellen, dass Abschiebungsgefangene <strong>in</strong><br />
eigens für diesen Zweck vorgesehenen E<strong>in</strong>rich-tungen untergebracht<br />
werden, die die <strong>in</strong> dem 7. Allgeme<strong>in</strong>en Bericht des<br />
Ausschusses genannten Kriterien erfüllen. Ferner sollte, wenn<br />
Mitglieder derselben Familie nach dem Ausländerrecht <strong>in</strong>haftiert<br />
werden, alles daran gesetzt werden, e<strong>in</strong>e Trennung der<br />
Familie zu vermeiden. 30 Diese E<strong>in</strong>schätzung wurde durch den<br />
Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter 2011 nochmals<br />
bekräftigt: „Der Ausschuss möchte noch e<strong>in</strong>mal betonen,<br />
dass e<strong>in</strong>e Justizvollzugsanstalt per def<strong>in</strong>itionem ke<strong>in</strong> angemessener<br />
Ort ist, um e<strong>in</strong>e Person festzuhalten, die weder e<strong>in</strong>er Straftat<br />
verdächtig ist noch wegen e<strong>in</strong>er Straftat verurteilt wurde.“ 31<br />
2. Besondere Gruppen <strong>in</strong> <strong>Abschiebungshaft</strong><br />
Spezifische <strong>Pro</strong>bleme ergeben sich für besondere Gruppen<br />
<strong>in</strong> <strong>Abschiebungshaft</strong> – <strong>in</strong>sbesondere Frauen, Familien, M<strong>in</strong>derjährige<br />
und Trans-Personen. Trans-Personen s<strong>in</strong>d Personen,<br />
die im selbstgewählten weiblichen oder männlichen<br />
Geschlecht leben (bei vormals zugewiesenem jeweils anderem<br />
Geschlecht). Im juristischen Kontext wird oft von Transsexuellen<br />
gesprochen. 32<br />
Für die genannten Gruppen ergeben sich verschiedenen <strong>Pro</strong>blemlagen.<br />
Die zurückgehende Zahl von Inhaftierten ist bei<br />
Frauen nochmals potenziert, so dass sich <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit<br />
dem Trennungsgebot das <strong>Pro</strong>blem der Sozialen Isolierung<br />
ergibt. Dagegen ist bei Familien das Ause<strong>in</strong>anderreißen von<br />
Familien durch den Vollzug der <strong>Abschiebungshaft</strong> zu problematisieren.<br />
Als besonders verletzliche Gruppen s<strong>in</strong>d M<strong>in</strong>derjährige<br />
und Trans-Personen e<strong>in</strong>zustufen, für die die Haft an<br />
sich jeweils unterschiedliche Gefährdungen bedeuten kann.<br />
2.1. Frauen <strong>in</strong> <strong>Abschiebungshaft</strong>: <strong>Pro</strong>blem der Isolierung<br />
Die Haftzahlen bei Frauen lagen immer deutlich unter denen<br />
der männlichen Inhaftierten. Mitunter kommt es nunmehr zu<br />
der Situation, dass sich nur noch e<strong>in</strong> bis zwei Frauen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Abschiebungsgefängnis bef<strong>in</strong>den, was zu e<strong>in</strong>er Art „Isolationshaft“<br />
führen kann. In Ingelheim wurde beispielsweise<br />
e<strong>in</strong>e ch<strong>in</strong>esische Staatsangehörige über etwa drei Wochen<br />
<strong>in</strong>haftiert. Sie war alle<strong>in</strong>e im Hafttrakt für Frauen untergebracht.<br />
Da sie ausschließlich Ch<strong>in</strong>esisch sprach und Personen<br />
mit entsprechenden Sprachkenntnissen <strong>in</strong> Ingelheim nicht<br />
zur Verfügung standen, konnte sie sich mit ke<strong>in</strong>em der Bediensteten<br />
ohne Dolmetscher verständigen. Bei den Gesprächen<br />
mit der Ökumenischen Beratungsstelle, zu denen Dolmetscher<br />
bestellt wurden, beklagte sie die psychisch äußerst<br />
belastende Situation. In Berl<strong>in</strong> war 2012 e<strong>in</strong>e Vietnames<strong>in</strong> für<br />
60 Tage isoliert untergebracht. Sie zeigte e<strong>in</strong>deutige, depressive<br />
Symptome.<br />
Ke<strong>in</strong> Ausweg aus dieser <strong>Pro</strong>blematik ist jedoch, die weiblichen<br />
Abschiebungshäftl<strong>in</strong>ge weiterh<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sam mit Strafgefangenen<br />
oder Untersuchungshäftl<strong>in</strong>gen zu <strong>in</strong>haftieren.<br />
Die e<strong>in</strong>zig verhältnismäßige und rechtmäßige Alternative ist<br />
es, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Situation die betroffene Person nicht <strong>in</strong><br />
<strong>Abschiebungshaft</strong> zu nehmen. Nur so kann e<strong>in</strong>e unverhältnismäßige<br />
Isolationshaft vermieden werden, die durch den<br />
S<strong>in</strong>n und Zweck der <strong>Abschiebungshaft</strong> als Verwaltungshaft<br />
nicht zu legitimieren ist.<br />
2.2. Familientrennung durch <strong>Abschiebungshaft</strong><br />
E<strong>in</strong> weiteres <strong>Pro</strong>blem ist die getrennte Inhaftierung von Ehepaaren<br />
bzw. Familien. Die Möglichkeit, Familien bzw. Ehepaare<br />
geme<strong>in</strong>sam <strong>in</strong> der Haft unterzubr<strong>in</strong>gen, besteht nur <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong> und Büren. Die dortigen Haftanstalten verfügen über<br />
entsprechende Räumlichkeiten. In Ingelheim gibt es seit<br />
kurzer Zeit die Möglichkeit, Ehepaare geme<strong>in</strong>sam unterzu-<br />
29. CPT Bericht 2006, a.a.O., S. 29.<br />
30. CPT Bericht, 2006, a.a.O., S. 29.<br />
31. Bericht an die Deutsche Regierung über den Besuch des Europäischen Ausschusses zur Verhütung<br />
von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
(CPT) vom 25. November bis 7. Dezember 2010. CPT/ Inf (2012) 6. 19. Juli 2011, S. 18.<br />
32. Zu den verschiedenen Begrifflichkeiten – wie Transsexuelle, Trans, Intersexuelle: Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsstelle<br />
des Bundes (Hrsg), Jannik Franzen/Arn Sauer, Benachteiligung von Trans*Personen,<br />
<strong>in</strong>sbesondere im Arbeitsleben, Dezember 2010, S. 7ff.