Texte Musikzimmer
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http://mugi.hfmt-hamburg.de/FannyHenselRaeume<br />
<strong>Texte</strong> <strong>Musikzimmer</strong><br />
Link “Stuhl”<br />
Ich denke es ist die schönste Musik, die jetzt ein Mensch auf der Erde machen<br />
kann. Wenigstens hat mich nie etwas so durch und durch belebt und ergriffen. [...]<br />
Wahrhaftig, es giebt wenig Leute, die werth sind, die Lieder zu kennen, Fanny soll<br />
sie nur wenigen vorsingen.<br />
Brief vom 3.7.1829, zit. nach: Maurer, Annette: Biografische Einflüsse auf das<br />
Liedschaffen Fanny Hensels. In Helmig, Martina (Hg.): Fanny Hensel geb.<br />
Mendelssohn Bartholdy. Das Werk. München 1997. S. 39.<br />
Link “Schreibtisch”<br />
Daß sich hier jemand etwas abschriebe, oder nur eine Sache zu hören verlangte,<br />
das kommt kaum einmal im Jahr vor, namentlich seit der letzten Zeit, und seit<br />
Rebecka nicht mehr singen mag, liegen meine Lieder durchaus ungehört und<br />
ungekannt da, und man verliert am Ende selbst mit der Lust an solchen Sachen das<br />
Urteil darüber, wenn man sich nie ein fremdes Urteil, ein fremdes Wohlwollen<br />
entgegenstellt. Felix, dem es ein leichtes wäre, mir ein Publikum zu ersetzen,<br />
kann mich auch, da wir nur selten zusammen sind, nur wenig aufheitern, und so<br />
bin ich mit meiner Musik ziemlich allein.<br />
Fanny Hensel an Karl Klingemann, einen Freund der Familie, 15. Juni 1836. Zit.<br />
nach Eckart Kleßmann: Die Mendelssohns. Bilder aus einer deutschen Familie.<br />
Frankfurt/Main, Leipzig 1993. S. 241.<br />
Link “Wilhelm Hensel”<br />
Mein Mann hat es mir zur Pflicht gemacht jeden Morgen, gleich nach dem<br />
Frühstück, ans Klavier zu gehen, weil nachher Störung auf Störung folgt.Heut früh<br />
kam er und legte mir stillschweigend ein Blättchen aufs Klavier. Und fünf Minuten<br />
darauf rief ich ihn wieder herum und sang es ihm so vor, wie es eine Viertelstunde<br />
später hier auf dem Papier stand.<br />
Undatierter Brief, wahrscheinlich Anfang November 1829, in: Citron, Marcia J.<br />
(Hg.): The letters of Fanny Hensel to Felix Mendelssohn, [New York] 1987. S. 434.<br />
Link „Fenster“<br />
Fanny Hensel ist - bis auf die halb-öffentlichen Sonntagsmusiken - in der<br />
Privatsphäre des Lebens eingesperrt. Schon früh äußert sie jedoch den Wunsch,<br />
einige ihrer Stücke zu veröffentlichen. Als der Vater noch lebte, der sie bereits als<br />
Kind wiederholt auf ihre künftige Rolle als Frau in der Gesellschaft hingewiesen<br />
hatte, waren Veröffentlichungen für sie unmöglich. Nach seinem Tode wird der<br />
Wunsch nach öffentlicher Anerkennung ihrer Werke zunehmend drängender, wie
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zahlreiche Briefe an den inzwischen in England lebenden Freund der Familie, Karl<br />
Klingemann, und an ihren Bruder Felix belegen.<br />
Doch Felix, inzwischen selbst erfolgreicher Komponist, verweigert ihr lange seinen<br />
Handwerkssegen und rät ihr von Publikationen ab. Da sie jedoch immer wieder von<br />
Freunden, Ehemann und Verlegern zur Veröffentlichung ihrer Werke ermuntert<br />
wird, bereitet sie bereits in den dreißiger Jahren mehrere Stücke zur Herausgabe<br />
vor. Unterstützung erhält sie auch in späteren Jahren von ihrer Mutter Lea. Und so<br />
setzt sie sich am Ende durch.<br />
Als mit dem Lied "Die Schiffende" im Jahre 1837 vom Musikverlag Schlesinger in<br />
einem Album mit Liedern unterschiedlicher Komponisten ihr A-Dur-Lied<br />
herausgegeben wird, macht ihr Stück zwar Furore, ihr selbst ist jedoch nicht ganz<br />
wohl dabei, da dies noch ohne vorherige Zustimmung ihres Bruders geschieht. Neun<br />
Jahre sollten noch vergehen, erst dann entschließt sie sich endlich nach langem<br />
Werben zweier Verleger zur sorgsamen Herausgabe einiger ihrer Werke: 1846<br />
erscheint der erste eigene Band mit „Vier Liedern für das Pianoforte“ von Fanny<br />
Hensel und das Andante in G-Dur. Für Fanny Hensel war 1846 ein ausgesprochen<br />
glückliches Jahr, in dem sie viel komponierte - als wäre sie durch diese<br />
musikalische Anerkennung besonders beflügelt - darunter vierzehn Lieder für<br />
Singstimme und Klavier und siebzehn a-cappella-Chöre.<br />
Link „Zimmermitte“<br />
In diesem <strong>Musikzimmer</strong> hält sich Fanny Hensel fast täglich auf, hier kann sie sich<br />
ganz ihrem Klavierspiel und ihren Kompositionen widmen. Dies ist ein Raum, in dem<br />
sie viel Zeit mit ihrer Musik verbringt, mit oder ohne Zuhörer und Mitwirkende. Sie<br />
spielt und übt an ihrem Klavier rechts an der Wand, studiert Altes ein und erschafft<br />
Neues, zuweilen singt sie dabei, denn hier ist sie ungestört. Es ist auch der Raum,<br />
in dem sie den Großteil ihrer Stücke komponiert, korrigiert und notiert.<br />
Stunden um Stunden wird sie an dem Schreibtisch des <strong>Musikzimmer</strong>s links neben<br />
der Tür verweilt haben, um einen ihrer unzähligen Briefe zu schreiben und -<br />
vielleicht - auch ihr Tagebuch. Fanny Hensel, in der Mitte des <strong>Musikzimmer</strong>s<br />
stehend, zum Fenster hinaus in den lichtdurchfluteten Garten blickend, Lieder mit<br />
und ohne Worte. Vor dem Fenster ein Nähtisch, Zeugnis ihrer häuslichen Pflichten<br />
als Ehefrau und Mutter.<br />
Das <strong>Musikzimmer</strong> ist kein Ort, an dem viele Menschen zusammenkommen, so dass<br />
die Musik, die hier erklingt, eher als eine nicht direkt an einen Zuhörer adressierte<br />
Musik angesehen werden kann. Aus Fanny Hensels Briefen ist bekannt, dass sie sich<br />
kaum ungestört auf das Komponieren konzentrieren kann, da sie natürlich in ihrer<br />
Rolle als Frau, Ehefrau und Mutter mit vielen Aufgaben beschäftigt ist. Das Haus,<br />
ihr Mann und ihr Kind müssen versorgt werden, zudem erscheinen zahlreiche<br />
Besucher im Hause Mendelssohn Bartholdy, die ihr viel Zeit als Gastgeberin<br />
abverlangen, der Alltag lässt ihr also wenig Zeit zum Alleinsein und zur<br />
Konzentration.<br />
Dennoch hat Fanny Hensel eine beachtliche Anzahl an Stücken komponiert,<br />
insgesamt waren es 466 Kompositionen, darunter über 300 Lieder.
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Link „Flügel“<br />
Lieder ohne Worte - Fannys op. 2 Nr. 1<br />
„Empfindungen wofür es keine Worte gibt.“- Zu dieser Umschreibung kommt der<br />
Maler und Schriftsteller J. P. Lyser nach dem missglückten Versuch, ein „Lied ohne<br />
Worte“ mit einem Gedicht zu unterlegen.<br />
Im Oktober 1836 schickt Fanny eine Sammlung von „Clavierstücken“ an ihren<br />
Bruder, unter denen sich auch das Allegro agitato in f-moll und das Andante op.2<br />
Nr.1 in G-Dur befinden. Felix Mendelssohn antwortet ihr mit den Worten:<br />
Es sind ganz vortreffliche dabei u. ich danke dir sehr viel mal für die große<br />
Freude, die ich daran gehabt habe. Es kommt so selten, dass einem neue Musik so<br />
durch und durch gefällt, und desto lieber wird einem solch ein Eindruck, wenn<br />
man so dem Rechten, getroffen sich gegenüber fühlt, als ob man ihm ins Gesicht<br />
sähe - und sich sagen muss, da steht's. Solche Empfindungen habe ich mehreren<br />
von den Stücken gehabt, gleich als ich sie das erste Mal spielte; namentlich aber<br />
beim Schluss des ersten in b dur, der höchst liebenswürdig ist, u. dann bei dem<br />
langsamen in g dur, das überaus gefällt.[…] Abschreiben darf ich sie mir doch?<br />
Brief vom 14. November 1836, in: Fanny und Felix Mendelssohn: „Die Musik will gar<br />
nicht rutschen ohne Dich“. Briefwechsel 1821 bis 1846, hg. v. Eva Weissweiler,<br />
Berlin 1997, S. 234.<br />
Der erste Band mit „Vier Liedern für das Pianoforte“ von Fanny Hensel erscheint<br />
erst im Jahre 1846, nachdem ihr besonders Bruder und Vater lange Zeit von einer<br />
Publikation grundsätzlich abgeraten haben. Da sie jedoch immer wieder von<br />
Freunden, Ehemann und Verlegern zur Veröffentlichung ihrer Werke ermuntert<br />
wird, bereitet sie bereits in den dreißiger Jahren mehrere Stücke zur Herausgabe<br />
vor, unter anderem auch das Allegro agitato in f-moll, das erst posthum<br />
veröffentlicht wird, und das Andante in G-Dur, das 1846 als op.2 Nr.1 erscheint.