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Einstellung und Einstellungsänderung - Universität Regensburg

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Sozialpsychologie der<br />

Schule <strong>und</strong> Familie<br />

<strong>Einstellung</strong><br />

– <strong>Einstellung</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Einstellung</strong>sänderung –<br />

<strong>Einstellung</strong>sbegriff<br />

(1) behaviorale Auffassungen (2) mediale Auffassungen<br />

(<strong>Einstellung</strong> = Reaktions- <strong>und</strong> (Disposition, hypothetisches<br />

Verhaltenskonsequenzen)<br />

Konstrukt)<br />

Prof. Dr. Helmut Lukesch<br />

Institut für Experimentelle Psychologie<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Regensburg</strong><br />

Definition<br />

• „Eine <strong>Einstellung</strong> ist ein mentaler <strong>und</strong> neuraler<br />

Bereitschaftszustand, der auf Erfahrungen gegründet ist<br />

<strong>und</strong> einen steuernden <strong>und</strong> dynamischen Einfluss auf die<br />

individuellen Reaktionen gegenüber allen Objekten <strong>und</strong><br />

Situationen ausübt, mit denen er in Zusammenhang steht“<br />

(Allport, 1935, S. 810).<br />

• „Eine <strong>Einstellung</strong> ist eine mit Emotionen verb<strong>und</strong>ene<br />

Vorstellung, die eine Klasse von Handlungen in einer<br />

besonderen Klasse sozialer Situationen aktiviert. Sie<br />

besteht aus kognitiven, affektiven <strong>und</strong> konativen Elementen<br />

<strong>und</strong> erfüllt mehrere Funktionsarten: Sie hilft dem einzelnen<br />

sich anzupassen, sein Selbst zu bewahren, die eigenen<br />

Wertvorstellungen zu verwirklichen <strong>und</strong> seine Umwelt zu<br />

verstehen“ (Triandis, 1975, S. 35).<br />

Dreikomponentenstruktur von <strong>Einstellung</strong>en<br />

(Katz & Stotland, 1959; Rosenberg & Hovland,<br />

1960)<br />

<strong>Einstellung</strong><br />

Kognition (Wissen, Wahrnehmung)<br />

Affekt, Emotion<br />

Verhaltenstendenz (konative,<br />

behaviorale Tendenz)<br />

Vorläufer: Aktpsychologie von Franz<br />

Brentano * 1838 in Marienberg bei<br />

Boppard am Rhein; † 1917 in Zürich)<br />

• Psychische Phänomene enthalten intentional einen<br />

Gegenstand in sich (= „intentionale Inexistenz eines<br />

Objektes“; psychischer Akt ≠ Objekt).<br />

• Als die drei Klassen psychischer Phänomene, in denen die<br />

intentionale Inexistenz eines Objektes auf unterschiedlichen<br />

Ebenen realisiert wird, bezeichnet er<br />

‣ Akte des Vorstellens,<br />

‣ Akte des Urteilens <strong>und</strong><br />

‣ Akte des Begehrens (Gemütsbewegungen).<br />

Beispiel: Benutzung eines Kondoms<br />

R<strong>und</strong> um das Objekt gibt es<br />

verschiedene Faktoren, die für die<br />

<strong>Einstellung</strong> ausschlaggebend sind.<br />

Es sind dies persönliche oder<br />

unpersönliche Faktoren, welche die<br />

kognitive Komponente bilden.<br />

Die affektive Komponente besteht<br />

aus den mit dem <strong>Einstellung</strong>sobjekt<br />

verb<strong>und</strong>enen, positiven <strong>und</strong><br />

negativen Gefühlen.<br />

Schlussendlich gibt es noch die<br />

Verhaltenskomponente. Eine<br />

<strong>Einstellung</strong> beinhaltet eine<br />

Tendenz, in Verbindung mit dem<br />

<strong>Einstellung</strong>sobjekt zu handeln.


<strong>Einstellung</strong> als hypothetisches Konstrukt (E.<br />

Roth)<br />

Beispiel: <strong>Einstellung</strong> zum Rauchen<br />

(1) <strong>Einstellung</strong>en sind das Ergebnis von Lernvorgängen.<br />

(2) <strong>Einstellung</strong>en besitzen verhaltenssteuernde <strong>und</strong><br />

verhaltensmotivierende Funktion.<br />

(3) <strong>Einstellung</strong>en besitzen einen Objekt- oder Situationsbezug.<br />

(4) <strong>Einstellung</strong>en besitzen Systemcharakter.<br />

(5) <strong>Einstellung</strong>en können nach verschiedenen Merkmalen klassifiziert<br />

werden:<br />

a) Richtung (z.B. hinsichtlich der affektiven Komponente)<br />

b) Extremheit (Polarisierung)<br />

c) Intensität<br />

d) Zentralität (Bedeutsamkeit)<br />

e) Komplexität<br />

f) Konsistenz<br />

• Affektive Komponente: „Ich rauche gerne.“<br />

„Raucher sind coole Typen.“<br />

• Kognitive Komponente: „Rauchen verursacht<br />

schwere Krankheiten.“<br />

• Verhaltenstendenz: Aufhören oder<br />

Weiterrauchen?<br />

<strong>Einstellung</strong>sänderung<br />

• Balance- oder Konsistenztheorien<br />

‣ Fritz Heider (1958)<br />

‣ Leon Festinger<br />

• Theorie der aktiven Beteiligung (Janis & King, 1954)<br />

• <strong>Einstellung</strong>sänderung durch Kommunikation<br />

(Persuasionsforschung; Hovland, Janis & Kelley, 1953)<br />

• Elaboration-Likelihood-Modell (Petty & Cacioppo, 1986)<br />

Balance- <strong>und</strong> Konsistenztheorien<br />

Gr<strong>und</strong>konzept<br />

Ich fühle mich nicht gut<br />

daher bin ich schlecht<br />

daher liebt mich niemand.<br />

Ich fühle mich gut<br />

daher bin ich gut<br />

daher liebt mich jeder.<br />

Ich bin gut,<br />

Du liebst mich nicht<br />

daher bist Du schlecht.<br />

Also liebe ich Dich<br />

nicht.<br />

Ich bin gut<br />

Du liebst mich<br />

daher bist du gut. Also liebe<br />

ich Dich.<br />

Ich bin schlecht.<br />

Du liebst mich<br />

daher bist du schlecht.<br />

(Laing, 1973, S. 16; Ronald<br />

David Laing: 1927-1989)<br />

• Baruch de Spinoza (1632-1677) : Harmoniestreben des<br />

Menschen!<br />

• Konsistenztheorien gehen davon aus, dass man immer<br />

nach Stimmigkeit <strong>und</strong> Bedeutung in den Erkenntnissen<br />

strebt. Unbehagen (Dissonanz) entsteht immer dann,<br />

wenn Menschen mit Kognitionen über irgend einen Aspekt<br />

ihres Verhaltens konfrontiert werden, die mit ihrem<br />

Selbstkonzept nicht übereinstimmen.<br />

• Das heißt, dass Menschen, die inkonsistente Gedanken<br />

über ein Objekt haben, danach streben, diese konsistent<br />

zu machen. Ähnlich ist es mit Erkenntnissen.


Dissonanzreduktion<br />

Balance-Theorie von Fritz Heider (1946; 1958)<br />

• Abwehr dissonanter Information: „Die<br />

Argumente gegen das Rauchen sind nicht<br />

überzeugend.“ „Auch Nichtraucher sterben.“<br />

• Verhalten neu bewerten: „Ich bin ja kein starker<br />

Raucher.“<br />

• Neue Kognitionen hinzufügen: „Ich rauche nur<br />

leichte Zigaretten.“<br />

• Änderung des Verhalten: „Ich höre auf zu<br />

rauchen.“<br />

• affektive Beziehungen (sentiment relations):<br />

lieben, fürchten, bew<strong>und</strong>ern, begehren ...<br />

• kognitive Beziehungen (unit relations): zwei<br />

Größen werden als zusammengehörig<br />

wahrgenommen, z.B. Familienmitglieder, eine<br />

Person <strong>und</strong> ihre Taten ... Ähnlichkeit, Nähe,<br />

Kausalität.<br />

Beispiele für kognitive Beziehungen<br />

Balancierte <strong>und</strong> unbalancierte Situationen<br />

nach Heider (1958)<br />

• Homogenität einer Person<br />

• Ähnlichkeit zu einer Person<br />

• Interaktion <strong>und</strong> Nähe<br />

• Vertrautheit<br />

• Nutzen <strong>und</strong> Gefühle<br />

• Ähnlichkeit von Überzeugungen <strong>und</strong> Zielen<br />

• Eigentum<br />

„Wer den Papst zum Vetter hat, kann leicht Kardinal<br />

werden.“ William Shakespeare<br />

Balancierte <strong>und</strong> unbalancierte Situationen<br />

nach Heider (1958)<br />

Heuristische Änderungsprinzipien nach<br />

Herkner (1981)<br />

• Positivitätsprinzip<br />

• Ökonomieprinzip<br />

• Polarisationsprinzip


Leon Festinger: Theorie der kognitiven<br />

Dissonanz (1957)<br />

Leon<br />

Festinger<br />

(1978).<br />

Theorie der<br />

Kognitiven<br />

Dissonanz.<br />

Bern Huber.<br />

Gr<strong>und</strong>annahmen<br />

• Nur relevante Beziehungen können konsonant oder<br />

dissonant sein.<br />

• Dissonanz entsteht, wenn zwei oder mehr Kognitionen<br />

unvereinbar sind.<br />

• Die Stärke der Dissonanz ist eine Funktion der Anzahl der<br />

dissonanten zu den konsonanten Kognitionen, gewichtet<br />

mit der Wichtigkeit der Kognitionen.<br />

• Kognitive Dissonanz erzeugt einen Änderungsdruck, der<br />

proportional zum Ausmaß der Dissonanz ist.<br />

• Änderungsmöglichkeiten sind:<br />

‣ Addition neuer konsonanter Kognitionen,<br />

‣ Eliminierung dissonanter Kognitionen<br />

‣ Substitution von Kognitionen.<br />

• Die Änderungsresistenz ist umso größer, je mehr<br />

konsonante Kognitionen zu einem Bereich bestehen.<br />

Beispiel für eine kognitive Dissonanz in<br />

Bezug auf das eigene Selbstkonzept<br />

http://www.unifr.ch/psycho/site/images/stories/Dept/docs/Schmid<br />

MastSelbstrechtfertigung.pdf<br />

Mögliche Wege der Dissonanzreduktion<br />

Dissonanztheorie versus Anreiztheorie<br />

(Festinger & Carlsmith, 1959)<br />

Dissonanztheorie versus Anreiztheorie<br />

Studie<br />

In this study, subjects were asked to lie, telling other subjects<br />

that a boring task was interesting.<br />

This creates dissonance between the belief that lying is<br />

wrong, and the behavior of lying.<br />

Different subject were given different amounts of justification<br />

($ 1 or $ 20) for lying, and were later asked to rate how<br />

interesting the task was.<br />

Kontroverse mit der Anreiztheorie: Was wird passieren?<br />

Höhere <strong>Einstellung</strong>sänderung durch große Belohnung<br />

oder durch geringe?<br />

Je größer die Entscheidungsfreiheit für ein<br />

einstellungsdiskrepantes Verhalten ist, desto stärker ist die<br />

Identifikation mit diesem Verhalten.


Erklärungsversuch<br />

Here is the<br />

outline of how<br />

dissonance<br />

and attitudes<br />

change in the<br />

Festinger &<br />

Carlsmith<br />

(1959) study,<br />

as it is<br />

<strong>und</strong>erstood<br />

according to<br />

cognitive<br />

dissonance<br />

theory.<br />

Theorie der aktiven Beteiligung (forced<br />

compliance Forschung)<br />

a) Je höher die aktive Beteiligung ist, desto größer ist die<br />

<strong>Einstellung</strong>sänderung (Janis & King, 1954).<br />

b) Überzeugungen werden besonders dann geändert, wenn<br />

sich Personen aus sozialen Anforderungen heraus einer<br />

anderen Meinung offen anschließen <strong>und</strong> wenn sie ihre<br />

geänderte Meinung in Worte fassen müssen (Goldstein &<br />

McGinnies, 1964; Hovland et al., 1954).<br />

c) Je geringer der Grad ist, mit dem solche Veränderungen<br />

herbeigeführt (erzwungen) werden, desto tiefgreifender<br />

ist die Änderung (Erklärung: Selbstattribution vs.<br />

Fremdattribution).<br />

• Therapeutische <strong>und</strong> gruppendynamische Umsetzung:<br />

Rollenspiel<br />

<strong>Einstellung</strong>sänderung durch Kommunikation<br />

(Persuasionsforschung, Janis, Hovland &<br />

Kelley)<br />

Eigenschaften des Kommunikators<br />

(1) Eigenschaften des Kommunikators<br />

(2) Eigenschaften der Gestaltung der Botschaft<br />

(3) Eigenschaften des Rezipienten<br />

Eigenschaften des Kommunikators<br />

Glaubwürdigkeit Attraktivität Macht<br />

- Fachkompetenz - Ähnlichkeit - Kontrolle über Mittel <strong>und</strong><br />

- Vertrauenswürdigkeit - Bekanntheit Ziele<br />

- Sympathie - Interesse am Nachgeben<br />

- physische - Überprüfung des Nachge-<br />

Attraktivität bens<br />

Eigenschaften der Botschaft<br />

Eigenschaften der Rezipienten<br />

(1) einseitige vs. zwei- (2) Größe der beabsichtig- (3) Primacy- <strong>und</strong><br />

seitige Kommunikation ten <strong>Einstellung</strong>sänderung Recency-Effekt<br />

(4) Anzahl <strong>und</strong> Merkmale einer Botschaft (8) Klimax- <strong>und</strong><br />

Qualität der<br />

Antiklimaxordnung<br />

Argumente<br />

(5) Assimilations- <strong>und</strong> (6) Verwendung angstaus- (7) Explizites vs.<br />

Kontrasteffekt lösender Appelle implizites Schlußfolgern<br />

(1) Informationsverarbeitungsprozess<br />

(Aufnahme,<br />

Verarbeitung <strong>und</strong><br />

Speicherung einer Mitteilung)<br />

a) Aufmerksamkeit<br />

gegenüber den<br />

mitgeteilten Informationen<br />

b) Interpretation <strong>und</strong> das<br />

Verstehen von<br />

Argumenten (Intelligenz<br />

<strong>und</strong> Vorwissen)<br />

c) Im Anschluss daran sind<br />

Bewertungsprozesse<br />

(2) Persönlichkeitsmerkmale<br />

a) Dogmatismus,<br />

b) Suggestibilität,<br />

c) Selbstzentrierung<br />

d) Selbstwertgefühl<br />

e) individuelle<br />

Kompetenzen<br />

f) Depressionsneigung<br />

g) Geschlecht<br />

(3) momentane Situation des<br />

Rezipienten<br />

a) Stress<br />

b) sensorische Deprivation


Das Zwei-Wege Modell der<br />

<strong>Einstellung</strong>sänderung (Petty & Cacioppo,<br />

1986)<br />

Zentraler Weg<br />

• Tiefe Verarbeitung von Informationen <strong>und</strong> Argumenten<br />

• Person muss motiviert <strong>und</strong>/oder fähig sein<br />

• <strong>Einstellung</strong>sänderung hängt stark von Qualität <strong>und</strong><br />

Überzeugungskraft der Argumente ab<br />

Das Zwei-Wege Modell (Petty & Cacioppo,<br />

1986)<br />

Peripherer Weg<br />

• Tritt ein, wenn die Person nicht motiviert <strong>und</strong>/oder fähig<br />

ist.<br />

• Nicht die Qualität der Argumente, sondern Reize in<br />

Überzeugungssituation bewirken <strong>Einstellung</strong>sänderung.<br />

• Wenn also die Motivation <strong>und</strong>/oder die Fähigkeit zur<br />

intensiven Verarbeitung von Argumenten gering ist,<br />

werden periphere Hinweisreize zu wichtigen<br />

<strong>Einstellung</strong>sdeterminanten.<br />

• Umgekehrt werden periphere Hinweisreize zu relativ<br />

unwichtigen Einflussfaktoren, wenn sich die Intensität<br />

oder Sorgfalt, mit der Informationen verarbeitet werden,<br />

erhöht.<br />

Elaboration-<br />

Likelihood-<br />

Modell (Petty &<br />

Cacioppo, 1986)<br />

Zentrale<br />

Verarbeitung<br />

von<br />

Argumenten<br />

Aufmerksamkeit<br />

hoch<br />

gering<br />

Oberflächliche<br />

Verarbeitung<br />

der Argumente<br />

Das Zwei-Wege Modell<br />

Kompetenz<br />

hoch<br />

Motivation<br />

hoch<br />

Qualität der<br />

Argumente<br />

Periphere Merkmale<br />

der Kommunikation,<br />

z.B.<br />

- Anzahl der<br />

Argumente<br />

- Darbietungstempo<br />

- Sympathie für den<br />

Kommunikator<br />

- Selbstsicherheit des<br />

Kommunikators<br />

hoch<br />

Elaboration<br />

der Elemente<br />

<strong>Einstellung</strong>sänderung<br />

Ende –<br />

End – Fin –<br />

Fine

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