Artikel öffnet sich als PDF - Wiener Sozialdienste

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22.11.2013 Aufrufe

(Un)Sichtbare Grenzen - Pflege unterm Regenbogen, sind alle Menschen gleich? Was kann die Pflege tun? Immer dann, wenn Menschen von anderen Menschen etwas brauchen, sei es privater oder geschäftlicher Natur, so sind und werden sie gezwungen sich zu offenbaren, ihre Wünsche, Bedürfnisse und Anliegen zu formulieren. Dies klingt im ersten Moment unbedeutend und plausibel, nicht aber wenn ein selbst auferlegtes, beziehungsweise selbst antrainiertes Tabu dahinter steckt. Um den Unterschied zu verdeutlichen möchte ich mit einem Beispiel beginnen. Wenn nun eine Person, nennen wir sie "der Kunde" einen gesellschaftlich scheinbar unbedeutenden Hygieneartikel kaufen möchte, so muss sich dieser in einer Drogerie offenbaren. Dies geschieht im Augenblick, in dem "der Kunde" den Artikel bezahlen möchte. Er offenbart an der Kassa, dass er das Bedürfnis hat, ein Hygieneprodukt zu kaufen, um seine Körperhygiene durchführen zu können. Dieser Akt ist soweit harmlos, da dieser von allen Mitgliedern der Gesellschaft als "normal" angesehen wird. Die Gesellschaft gibt vor, was "normal" ist und was nicht der Norm entspricht. Normen gelten solange bis eine andere Allgemeinmeinung in den Vordergrund tritt und die vergangenen Aspekte und Meinungen ablöst oder verändert. In der Pflege werden verschiedenste Dienstleistungen angeboten, die auch wie das zuvor erwähnte Hygieneprodukt, erworben werden können. Diese stehen jeder Person, die bestimmte, festgelegte Kriterien aufweist zur Verfügung und können konsumiert und erworben werden. Eine wesentliche Voraussetzung hierbei ist auch die Offenbarung. Der Kunde DGKP Herbert Messinger Kari MSc. Beratung homosexuell- und transgender lebende SeniorInnen Wien 2013 1

(Un)Sichtbare Grenzen - Pflege unterm Regenbogen, sind<br />

alle Menschen gleich? Was kann die Pflege tun?<br />

Immer dann, wenn Menschen von anderen Menschen etwas brauchen,<br />

sei es privater oder geschäftlicher Natur, so sind und werden sie<br />

gezwungen <strong>sich</strong> zu offenbaren, ihre Wünsche, Bedürfnisse und Anliegen<br />

zu formulieren. Dies klingt im ersten Moment unbedeutend und plausibel,<br />

nicht aber wenn ein selbst auferlegtes, beziehungsweise selbst<br />

antrainiertes Tabu dahinter steckt. Um den Unterschied zu verdeutlichen<br />

möchte ich mit einem Beispiel beginnen.<br />

Wenn nun eine Person, nennen wir sie "der Kunde" einen gesellschaftlich<br />

scheinbar unbedeutenden Hygieneartikel kaufen möchte, so muss <strong>sich</strong><br />

dieser in einer Drogerie offenbaren. Dies geschieht im Augenblick, in dem<br />

"der Kunde" den <strong>Artikel</strong> bezahlen möchte. Er offenbart an der Kassa, dass<br />

er das Bedürfnis hat, ein Hygieneprodukt zu kaufen, um seine<br />

Körperhygiene durchführen zu können. Dieser Akt ist soweit harmlos, da<br />

dieser von allen Mitgliedern der Gesellschaft <strong>als</strong> "normal" angesehen wird.<br />

Die Gesellschaft gibt vor, was "normal" ist und was nicht der Norm<br />

entspricht. Normen gelten solange bis eine andere Allgemeinmeinung in<br />

den Vordergrund tritt und die vergangenen Aspekte und Meinungen ablöst<br />

oder verändert.<br />

In der Pflege werden verschiedenste Dienstleistungen angeboten, die<br />

auch wie das zuvor erwähnte Hygieneprodukt, erworben werden können.<br />

Diese stehen jeder Person, die bestimmte, festgelegte Kriterien aufweist<br />

zur Verfügung und können konsumiert und erworben werden. Eine<br />

wesentliche Voraussetzung hierbei ist auch die Offenbarung. Der Kunde<br />

DGKP Herbert Messinger Kari MSc.<br />

Beratung homosexuell- und transgender lebende SeniorInnen<br />

Wien 2013<br />

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muss dem Dienstleister, sofern er Leistungen beziehen möchte, das<br />

Ausmaß seiner Pflegebedürftigkeit mitteilen beziehungsweise wird diese<br />

vom Anbieter ermittelt. Die Pflege wird anhand der erhaltenen<br />

Informationen auf den Kunden zielgerichtet und den Bedürfnissen<br />

entsprechend abgestimmt. Bei der Informationssammlung werden<br />

einerseits medizinische Diagnosen und Pflegediagnosen, andererseits<br />

auch alle relevanten Ressourcen, die dem Kunden zur Verfügung stehen<br />

erforscht, sowie die private Situation erhoben. Neben den persönlichen<br />

Vorlieben wird auch die Sozialver<strong>sich</strong>erungsnummer abgefragt, sowie<br />

viele andere betreuungsrelevante Informationen wie zum Beispiel der<br />

Familienstand. Die Angabe des Familienstandes scheint für den einen<br />

oder anderen <strong>als</strong> unwichtig und unbedeutsam, für einige Menschen<br />

bedeutet dies jedoch ein selbstauferlegtes Tabu zu brechen. Diese<br />

selbstauferlegte oder eher aufgebaute und antrainierte Verschwiegenheit<br />

dient <strong>als</strong> Schutz. Als Schutz vor Ausgrenzung, <strong>als</strong> Schutz vor Ablehnung,<br />

ja sogar <strong>als</strong> Schutz vor Verlusten. Vor nicht allzu langer Zeit mussten<br />

Menschen aufgrund gesellschaftspolitscher Normen und Vorgaben einen<br />

Schutz aufbauen um negativen Konsequenzen zu entgehen.<br />

So hatten homosexuelle Männer und Frauen aber auch Transgender nicht<br />

die Möglichkeit oder Chance offen und ohne Einschränkung zu leben. Ihr<br />

Leben zeichnete <strong>sich</strong> vor allem dadurch aus, <strong>sich</strong> und ihre Bedürfnisse im<br />

Hintergrund zu halten, <strong>sich</strong> zu verstecken oder eine Scheinwelt<br />

aufzubauen nur um nicht in der Gesellschaft aufzufallen oder dieser<br />

Angriffspunkte oder Gründe für Anfeindungen zu bieten. Somit lernten<br />

viele Menschen ständig mit der Angst zu leben, besonders jene, die in der<br />

Zeit von gesetzlichen Verboten lebten, die besagten, dass ihre<br />

Bedürfnisse eine gerichtliche Konsequenz oder gesellschaftliche<br />

Ausgrenzung bedeuten. In den Jahren 1933 bis 1942 wurden im<br />

Deutschen Reich rund 50000 Schwule gerichtlich verurteilt und etwa 5000<br />

bis 10000 Personen aufgrund ihrer Homosexualität in Konzentrationslager<br />

DGKP Herbert Messinger Kari MSc.<br />

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Wien 2013<br />

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gebracht. Lesbische Frauen wurden in die Kategorie „Asoziale" eingereiht<br />

(Quelle: http://www.gedenkdienst.at/index.php?id=158).<br />

Bis zum Jahr 1968/69 war die gleichgeschlechtliche Liebe strafbar, es<br />

bestand ein Totalverbot und wurde mit einer Freiheitsstrafe geahndet.<br />

Dies war wiederum mit gesellschaftlichen Folgen verbunden. Bis 1996<br />

bestanden noch die Paragraphen mit dem Verbot der Werbung für<br />

gleichgeschlechtlichen Sex und dem Koalitionsverbot, <strong>als</strong>o dem Verbot<br />

der Gründung von Vereinen und Organisationen zur Selbstorganisation,<br />

Repräsentation und zum politischen Lobbying. (Quelle:<br />

http://www.minderheiten.at).<br />

Gerade dieser geschichtliche Hintergrund erklärt die Verschiedenheit<br />

zwischen einer scheinbar harmlosen Offenbarung des „Hygieneartikel-<br />

Kunden“ und der Offenbarung eines homosexuellen Menschen, die mit<br />

einem Bruch des selbstauferlegten Tabus verbunden ist. Neben der<br />

Offenheit und Überwindung kommt meist noch das Gefühl der Scham<br />

hinzu, besonders dann wenn der offenbarende Mensch <strong>sich</strong> einem nicht<br />

gleichdenkenden und gleichfühlenden Menschen mitteilen muss. Die<br />

Angst entdeckt, bestraft oder verfolgt zu werden ist größer <strong>als</strong> der Mut und<br />

das Selbstbewusstsein des betroffenen Menschen.<br />

DGKP Herbert Messinger Kari MSc.<br />

Beratung homosexuell- und transgender lebende SeniorInnen<br />

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Was kann die Pflege tun?<br />

Die Pflege, im speziellen die <strong>Wiener</strong> <strong>Sozialdienste</strong>, bieten ein<br />

Beratungsangebot für homosexuell und transgender lebende Seniorinnen<br />

und Senioren an. Es werden unterschiedlichste Fragestellungen rund um<br />

das Thema „Pflege und Alter“ von gleichlebenden beziehungsweise<br />

gleichdenkenden Menschen beantwortet. Die <strong>Wiener</strong> <strong>Sozialdienste</strong><br />

informieren über Pflege- und Betreuungsangebote, beraten und geben<br />

Auskunft darüber, welche notwendigen Schritte einzuleiten sind um<br />

Pflege- und Betreuungsleistungen beantragen zu können. Neben den<br />

Zugangsmöglichkeiten sind Grundinformationen über Finanzierung,<br />

Ablaufmodalitäten und Bedingungen für Pflegegeldanträge Bestandteil der<br />

Beratung.<br />

DGKP Herbert Messinger Kari MSc.<br />

Beratung homosexuell- und transgender lebende SeniorInnen<br />

Wien 2013<br />

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