Colloquia Germanica Stetinensia Nr 19

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Anna Maria Borowska-Stankiewicz
Ich höre Vaters Stimme. Er ruft meinen Vornamen. Er will etwas von mir. Weit
weg ist er, in einem anderen Zimmer. Und will etwas von mir, daher lebe ich. Er
schimpft mit mir, daher gibt es mich. Er geht vorbei an mir, ohne etwas zu sagen.
Überflüssig bin ich. Mich sollte es nicht geben [...]. (LA 20)
Diese Worte verdeutlichen die totale Fixierung der Tochter auf den Vater. Ihre
Existenz hängt von der des Vaters ab, ungeachtet dessen, wie brutal er auch
ist. Von ihrer eigenen Nichtigkeit fest überzeugt, hat sie lange keinen Mut, das
idealisierte Vaterbild zu demontieren. Der Vater, der als ein bewunderter und
beliebter Arzt gilt, benimmt sich in der Familie wie ein Tyrann, dessen Wille und
Zufriedenheit über den Bedürfnissen aller anderen Familienmitglieder stehen.
Die Ich-Erzählerin und ihre Geschwister werden als Störfaktoren betrachtet, die
die väterlichen Erholungs- und Ruhebedürfnisse nicht respektieren:
Mutter schickte uns in unsere Zimmer. Der Vater hat genug Gesichter gesehen den
ganzen Tag! Er braucht Ruhe. (LA 8)
Die stillen Stunden nach dem Mittagessen, wenn du dich ins Schlafzimmer zurückgezogen
hattest. Mutter huschte auf Zehenspitzen. Flügel wuchsen ihr, wenn
sie deinen Schlaf bewachte. Geh leise, du weckst Papa! Du bist rücksichtslos!
(LA 14)
Die Kinder haben ständig das Gefühl, unerwünscht zu sein, und die besondere
Stellung des Vaters vertieft die bestehende große Distanz zu ihm. Als Kind ist
sich die Tochter dessen bewusst, dass ihr Vater ‘etwas Besonderes’ ist. Trotz ihrer
Bedürfnisse nach Zuneigung und Liebe versucht sie, die Situation zu akzeptieren,
zumal auch sie selbst auf den Vater stolz ist:
Ich empfand für alles, was mit deinem Namen bedruckt war, ehrfürchtige Liebe.
Ein Vater, der so wichtig war, dass man seinen Namen druckte. Doktor der gesamten
Heilkunde. (LA 7)
Der Vater fordert blinden Gehorsam und versucht, militärischen Drill einzuführen.
Seine Obrigkeit lässt keinen Freiraum für die Entfaltung eigener Ideen,
sein Wertsystem ist dabei in den autoritären Strukturen des Nationalsozialismus
eingebettet: