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Colloquia Germanica Stetinensia Nr 19

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72<br />

Anna Maria Borowska-Stankiewicz<br />

Mißachtung konstituierende Frauenbewegung, die Anfang der 70er Jahre einem<br />

Lauffeuer gleich um sich griff, war die Initialzündung für eine noch nie dagewesene<br />

Fülle von Frauenkultur. 1<br />

Auch innerhalb der Familie wurde die Rolle der Frau neu formuliert, denn ihre<br />

stärkere Position in der Gesellschaft führte zugleich zur Umstrukturierung ihrer<br />

Familienposition: Indem nämlich Frauen immer öfter berufstätig wurden, was<br />

ihre Selbstsicherheit und Unabhängigkeit von dem Partner ermöglichte, wurden<br />

sie nicht mehr als Objekt betrachtet, sondern durften auch bei familiären Angelegenheiten<br />

(z. B. Kindererziehung, materielle Situation) mitentscheiden.<br />

Die sexuelle Revolution der <strong>19</strong>60er Jahre verursachte in den nächsten Jahrzehnten<br />

eine wachsende Gleichberechtigung, auch im Hinblick auf Ehescheidungen<br />

und nichttraditionelle Lebensformen. All diese Faktoren verschafften<br />

den Frauen ein neues Selbstbewusstsein und breite Möglichkeiten der Selbstverwirklichung.<br />

Renate Möhrmann bemerkt dazu:<br />

Die Auseinandersetzung mit der unmittelbaren Vergangenheit wird für viele feministische<br />

Autorinnen zum Medium, um Auskunft über die Möglichkeiten weiblicher<br />

Selbsterfahrung zu erhalten. 2<br />

Die Schriftstellerinnen verglichen ihr Leben mit dem ihrer Mütter und kamen zu<br />

der festen Überzeugung, ihr eigenes Schicksal anders gestalten zu wollen. Mit<br />

den Vätern führten sie wiederum politische Gespräche, die aber leider selten zu<br />

einem Konsensus führten (wie es z. B. bei Elisabeth Plessen in ihrem Roman<br />

Mitteilung an den Adel der Fall ist). Und indem sie in ihren Werken die nicht nur<br />

in ihren Familien herrschende frauenfeindliche Struktur zur Darstellung brachten,<br />

das Patriarchat und die allgemein herrschenden Normen in Frage stellten<br />

und nach einer Befreiung der Weiblichkeit verlangten, bekam ihr Protest einen<br />

gesellschaftlichen Ausdruck, wurde zu einem wichtigen Beitrag in der öffentlichen<br />

Debatte über die gesellschaftliche Lage der Frau. Daher kann man der<br />

von Frauen geschaffenen Literatur ihren Anspruch auf Anerkennung und ernste<br />

Kritik nicht verweigern. Für das Verständnis des damaligen Literaturmarktes<br />

1<br />

Hiltrud Gnüg, Renate Möhrmann: Frauen – Literatur – Geschichte. Schreibende Frauen<br />

vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Stuttgart <strong>19</strong>85, S. 417.<br />

2<br />

Renate Möhrmann: Feministische Trends in der deutschen Gegenwartsliteratur. In: Manfred<br />

Durzak (Hg.): Deutsche Gegenwartsliteratur. Ausgangspositionen und aktuelle Entwicklungen.<br />

Stuttgart <strong>19</strong>81, S. 351.

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