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Colloquia Germanica Stetinensia Nr 19

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Die Offenbarung des Johannes … 67<br />

Mensch bei dem Menschen – Und die Welt ist wieder!<br />

Gewalt erblasst, Gewalt sinkt vor dir nieder,<br />

[...]<br />

Dring weiter, Strahl der Stadt, in alle Reiche,<br />

Wir speisen dich, wir tief im Geiste Gleiche,<br />

[...]<br />

Du Friede, Kampf der Stadt! du roter Stern,<br />

Mach über Krieg, Nacht, Kälte dich zum Herrn,<br />

Von uns verbunden tiefer uns verbünde,<br />

Geliebt und liebend leuchte und entzünde! 35<br />

Die Hoffnung auf Erlösung wird zur Gewissheit, und ihre Akteure sind die<br />

Menschen selbst. Hierin liegt ein entscheidender Unterschied zur Offenbarung<br />

des Johannes, wo zwei Handlungsräume einander entgegen gesetzt werden:<br />

der Handlungsraum der irdischen Welt mit der Menschheit und ein jenseitiger<br />

Handlungsraum Gottes 36 . Und nur Gott ist es, der das Strafgericht hält und nach<br />

dem Sieg über den Satan die neue gottgefällige Welt erschafft. Für die expressionistische<br />

Apokalypse-Rezeption ist charakteristisch, dass die Dichter in der<br />

Regel die Menschen selbst aufrufen, die neue Welt zu bauen. Das heißt, dass die<br />

Erlösung nicht mehr vom Eingreifen Gottes erhofft wird, sondern in die Hände<br />

der Menschen gelegt ist. Im Gedicht-Text ist es die zunächst vorsichtig nach der<br />

Hand des ‘Feindes’ tastende Hand bis zu dem groß geschriebenen „Entdecken“<br />

des Menschen in ihm; wie schwer diese Geste der sich in Vertrauen findenden<br />

Hände fällt, wird durch das poetische Bild für den Krieg sinnfällig gemacht:<br />

Und Waffen drücken sich in unsre Hände,<br />

Zweischneidig, in die Seele drückend Wunden<br />

[...] 37<br />

Das zweischneidige Schwert weist nicht nur auf die Christus-Figur in der Offenbarung<br />

zurück, sondern meint hier vor allem, dass die Grausamkeit des Krieges<br />

nicht nur den Feind trifft, sondern auch in der eigenen Seele schwere „Wunden“<br />

hinterlässt. Auf der Grundlage der Versöhnung „aus Donnerspannung unsrer<br />

35<br />

Alfred Wolfenstein: Die Friedensstadt. In: Pinthus (Hg.): Menschheitsdämmerung, S. 352.<br />

36<br />

Vgl. Brokoff: Die Apokalypse in der Weimarer Republik, S. 15.<br />

37<br />

Wolfenstein: Die Friedensstadt, S. 352.

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