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Colloquia Germanica Stetinensia Nr 19

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62<br />

Regina Hartmann<br />

In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein,<br />

Einen roten Hund mit wilder Mäuler Schrein.<br />

Aus dem Dunkel springt der Nächte schwarze Welt,<br />

Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt.<br />

Und mit tausend hohen Zipfelmützen weit<br />

Sind die finstren Ebnen flackend [!] überstreut,<br />

Und was unten auf den Straßen wimmelt hin und her,<br />

Fegt er in die Feuerhaufen, daß die Flamme brenne mehr.<br />

[...]<br />

Eine große Stadt versank in gelbem Rauch,<br />

Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.<br />

Aber riesig über glühnden Trümmern steht<br />

Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht,<br />

Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein,<br />

In des toten Dunkels kalte Wüstenein [!],<br />

Daß er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,<br />

Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh. 17<br />

Bezeichnend ist, dass der Krieg nicht schlechthin personifiziert ist, sondern wie<br />

ein Schlafender nach dem Erwachen aufsteht und ihm damit quasi das Verhalten<br />

eines Lebewesens zugeschrieben wird. Er hat in tiefen „Gewölben“, also<br />

in Behausungen der Menschen geschlafen. Seine Erscheinung ist „groß“ in der<br />

„Dämmrung“, im Zwielicht zwischen Tag und Nacht, das ihn unkenntlich – das<br />

meint nicht erkennbar und daher „unbekannt“ – macht. Auf den Kopf gestellt<br />

ist freilich die Zeit des Erwachens, denn die „Dämmrung“ entpuppt sich in der<br />

zweiten Strophe als „Abendlärm“ 18 und wird weitergeführt mit dem Bild „wo<br />

der Tag flieht“, mit „Nacht“, dem „Dunkel [...] der Nächte“, „finstren Ebnen“<br />

sowie dem poetischen Bild in der Schluss-Strophe. Alles Geschehen vollzieht<br />

sich also in der Nacht, und es ist nicht die der Romantik, nicht die Heimstatt<br />

des Menschen, in der er bei Gott ist, sondern ganz im Gegenteil eine „fremde<br />

Dunkelheit“ <strong>19</strong> . In diese Nacht fällt das Feuer der Verwüstung, das immer wieder<br />

als gespenstischer Kontrast aufgerufen wird. Der Krieg „jagt das Feuer“ „in die<br />

17<br />

Heym: Dichtungen und Schriften, Bd. 1, S. 346 f.<br />

18<br />

Ebd., S. 346.<br />

<strong>19</strong><br />

Ebd.

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