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Colloquia Germanica Stetinensia Nr 19

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42<br />

Dorota Sośnicka<br />

<strong>19</strong>14 zurückgreifen und diese jetzt mit der berühmten Rede in Zusammenhang<br />

bringen:<br />

Der Dichter erhebt sich, sowohl in der Form wie im Inhalt, über die Gegensätze der<br />

Zeit, er zeigt sich sozusagen neutral gegenüber all ihren verbitterten und sinnlosen<br />

Kämpfen. 12<br />

Wie es nun aber endgültig in der Begründung hieß, vergab die Schwedische<br />

Akademie den Literaturnobelpreis an Carl Spitteler „im besonderen Hinblick<br />

auf sein mächtiges Epos Olympischer Frühling“ 13 , in dem der Dichter in 5 Teilen,<br />

33 Gesängen und rund 20.000 Alexandrinerversen 14 auf höchst eigenwillige<br />

Weise griechische, indische und christliche Vorstellungen mit Reflexionen über<br />

die moderne technische Welt vereinigte und die zahlreichen mythologischen<br />

Figuren und Handlungsstränge in die eigene Erlebniswelt transportierte. In diesem<br />

Versepos, in dem sich Spitteler seinen unverwechselbaren, Pathos mit Ironie<br />

und Stilisierung mit realistischer Detailliebe verknüpfenden Stil erarbeitete, wird<br />

zwar geschildert, wie die griechischen Götter aus einem langen Schlaf erwachen<br />

und sich zum Olymp begeben, um dort nach zahlreichen Auseinandersetzungen<br />

und Intrigen ihre Herrschaft über die Menschenwelt zu errichten, doch dem<br />

Leser wird recht schnell klar, dass den eigentlichen Rahmen des Erzählten nicht<br />

die mythologische Welt bildet, sondern die schweizerische Heimat des Autors. In<br />

der Verleihungsrede für den Nobelpreis deutete somit Harald Hjärne Spittelers<br />

Menschheitsepos wie folgt:<br />

Spitteler ahmt niemanden nach [...]. Hinter Spittelers Mythologie verbirgt sich ein<br />

ganz persönlicher innerer Kampf, und sie ist der Ausdruck eines Lebensgefühls,<br />

das er sich im Laufe seiner eigenen Entwicklung erwarb. Er hat auf diese überlieferte<br />

dichterische Form zurückgegriffen, um im Bereich der Phantasie das menschliche<br />

Mühen, Hoffen und Verzweifeln widerzuspiegeln und Schicksale in ihrem<br />

erbitterten Freiheitskampf gegenüber der herrschenden Gewalt zu zeichnen. 15<br />

12<br />

Zit. nach: Fromm: Carl Spitteler: Prometheus der Dulder.<br />

13<br />

Zit. nach: ebd.<br />

14<br />

Vgl. Carl Spitteler: Olympischer Frühling (<strong>19</strong>00–<strong>19</strong>05). In: Carl Spitteler: Gesammelte<br />

Werke. Bd. 2. Zürich <strong>19</strong>45. In der endgültigen Fassung lauten die Überschriften der 5 Bücher:<br />

„Die Auffahrt“, „Hera, die Braut“, „Die hohe Zeit“, „Der hohen Zeit Ende“ und „Zeus“.<br />

15<br />

Verleihungsrede von Dr. Harald Hjärne anlässlich der feierlichen Überreichung des Nobelpreises<br />

für Literatur des Jahres <strong>19</strong><strong>19</strong> an Carl Spitteler am 1. Juni <strong>19</strong>20. In: Carl Spitteler:

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