22.11.2013 Aufrufe

Colloquia Germanica Stetinensia Nr 19

Colloquia Germanica Stetinensia Nr 19

Colloquia Germanica Stetinensia Nr 19

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Der Schweizer Literaturnobelpreisträger Carl Spitteler … 41<br />

unterstützen. Spittelers für die Deutschen befremdende schweizerische Haltung<br />

rief also heftige Empörung hervor, die in einer der größten Münchner Tageszeitungen<br />

auf den Punkt gebracht wurde:<br />

Die Kunst dieses deutsch schreibenden und im Herzen verwelschten Herrn mag<br />

aber so hoch stehen als sie wolle – sie geht uns fürder nichts mehr an! 8<br />

In dessen Folge wurden Spittelers Texte in Deutschland nicht mehr veröffentlicht<br />

und nicht mehr gelesen, und man strich ihn sogar aus der Literaturgeschichte.<br />

Selbst sein erster Anhänger und öffentlicher Verehrer, der Musiker Felix Weingartner,<br />

veröffentlichte einen offenen Brief, in dem er bekundete, dass er zwar<br />

weiterhin Spittelers Epen bewundere, dass „jedoch der Verfasser seines Werkes<br />

unwürdig sei; nicht er habe es geschrieben, sondern ein Gott, der in ihn gefahren<br />

sei, ein deutscher Gott natürlich“ 9 . Spitteler sollte darauf mit Humor reagiert<br />

haben, indem er antwortete:<br />

Es sei immerhin erstaunlich, dass dieser deutsche Gott nicht in einen Hindenburg<br />

gefahren sei, sondern in einen Schweizer, der Französisch, Russisch und Englisch<br />

spreche und diese Sprachen schätze. 10<br />

Die durchaus negative öffentliche Meinung in Deutschland wirkte sich auch auf<br />

die Mitglieder des Nobelpreiskomitees aus, die <strong>19</strong>15 und <strong>19</strong>17 die Kandidatur<br />

Spittelers für den Literaturnobelpreis ablehnten, weil „sein politisches Verhalten<br />

in Deutschland und Österreich größten Anstoß erregt habe. Es unterliege keinem<br />

Zweifel“ – so lautete die Erklärung – „dass seine Wahl, solange der Krieg<br />

noch andauert, in diesen Ländern ein höchst peinliches Aufsehen erregen und<br />

Missverständnisse vielfältiger Art hervorrufen würde.“ 11 Doch <strong>19</strong>20 trug offenbar<br />

gerade diese berühmte Antikriegsrede Spittelers endgültig dazu bei, dass<br />

der Literaturnobelpreis rückwirkend für das Jahr <strong>19</strong><strong>19</strong> an ihn verliehen wurde.<br />

Dabei konnte die Schwedische Akademie auf ihre Begründung aus dem Jahre<br />

8<br />

Zit. nach: Schlegel: Carl Spitteler, oder kann man gleichzeitig Europäer und Schweizer<br />

sein?<br />

9<br />

Zit. nach: Eberhard Fromm: Carl Spitteler: Prometheus der Dulder. Die deutschsprachigen<br />

Literaturnobelpreisträger (5). In: Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10/00 (c) Edition Luisenstadt,<br />

2000. Verfügbar über: http://www.berlin-lesezeichen.de (Zugriff am 10.09.2008).<br />

10<br />

Zit. nach: ebd.<br />

11<br />

Zit. nach: Keel: Literatur-Nobelpreis und seine Macher, S. 6.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!