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Colloquia Germanica Stetinensia Nr 19

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Die enthaltsame Liebe … 31<br />

Ich setzte mich ein wenig weiter weg und gab acht, daß ich an ihrem Gewande<br />

nicht streife. (MU 328)<br />

Auch umarmt er sie später so, „wie man eine Schwester nach langem Entferntsein<br />

begrüßet“ (MU 337). In dieser geduldig getragenen Selbstentäußerung erlangt<br />

Augustinus endlich das ersehnte Glück. Mit den Worten:<br />

O verzeiht Ihr mir nur [...], daß ich so gewesen bin − einziger, lieber Freund meiner<br />

Jugend − o ich weiß es schon, und der Vater hat es gesagt, was Ihr für ein herrlicher<br />

Mann geworden seid (MU 336)<br />

erkennt Margarita die innere Veredelung des Doktors und willigt erneut in die<br />

Heirat ein.<br />

Die Erfahrung der enthaltsamen Liebe wird in der Mappe nicht nur dem<br />

Doktor, sondern auch dessen geistigem Vater, dem sanftmütigen Obristen, zuteil.<br />

Wegen seiner Güte und Barmherzigkeit im Alter gerühmt, gilt doch der Obrist in<br />

der Jugendzeit als „Spieler, Raufer, Verschwender“ (MU 164). Vom Vater enterbt,<br />

zieht er in die weite Welt hinaus, um dort sein Glück zu versuchen. Seine überhöhte<br />

Eigenliebe weckt bei ihm ein heftiges Verlangen nach Heldentaten, doch<br />

statt dem Kriegsdienst gibt er sich mit größter Leidenschaft der Glücksspielerei<br />

hin. Das beträchtliche Vermögen, das er in kurzer Zeit erwirbt, verteilt er aber<br />

eines Tages an Arme, um nicht als „Lumpe [...], der vom Pariser Strolchengolde<br />

lebe“ (MU 166) geschmäht zu werden. In seinem Heimatland angekommen,<br />

kehrt er den Bestrebungen „jener kindischen Zeit“ (MU 168) den Rücken, fügt<br />

sich der hierarchischen Ordnung der Armee und beginnt „aus Ehrsucht“ vom<br />

untersten Grad auf zu dienen. Trotz der sich selbst auferlegten Disziplin lässt<br />

seine schwärmerische Natur immer wieder etwas von sich hören:<br />

[...] ich war ausschweifend in Haß und Freundesliebe [...]. Seht nur, oft habe ich<br />

gemeint, ich müsse alle Sterne an mich herunterziehen und alle Weltteile auf dem<br />

Finger tragen. (MU 168)<br />

Der Betrug einer Geliebten beraubt ihn jeder nüchternen Überlegung, so dass er<br />

in erster Verzweiflung sich das Leben nehmen will. Im letzten Augenblick wird<br />

der Selbstmordversuch von einem Untergebenen vereitelt. Doch Lustbarkeiten,<br />

mit denen er sich danach seine Freizeit vertreibt, bringen ihm nicht die erwartete

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