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Colloquia Germanica Stetinensia Nr 19

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26<br />

Barbara Wróblewska<br />

Das Glück des Arztes, mit Margarita eine stabile Ehe einzugehen, erweist<br />

sich jedoch bald angesichts seines Eifersuchtsanfalls als zerbrechlich. Als Margaritas<br />

Vetter sich für einige Tage bei dem Obristen aufhält, vermutet Augustinus<br />

in dem jungen Mann einen Rivalen, dem das Mädchen nicht abgeneigt scheint.<br />

Beim Anblick des vermeintlichen Liebespaares kommt es bei dem Doktor zu<br />

einer unerwarteten und heftigen Reaktion. Zunächst befallen ihn ungerechtfertigte<br />

Minderwertigkeitsgefühle und eine Identitätskrise setzt ein:<br />

Mir stürzten die bitteren Tränen aus den Augen − − wer bin ich denn − was bin ich<br />

denn? − − ich bin nichts − gar nichts. (MU 288)<br />

Das unsägliche innerliche Leid ruft bei ihm anschließend unkontrollierte Aggressionsausbrüche<br />

hervor:<br />

Ich wollte nun gar nicht zu ihnen hinabgehen, sondern ich nahm meinen Stock, den<br />

ich in die Gräser niedergelegt hatte, und zerschlug mit demselben alle Steinbrechen,<br />

die in der Tat noch nicht blühten, daß der Ort wild und wüst war. Dann stieg<br />

ich rückwärts an dem Felsen wieder hinab, [...] ich stieg so schnell hinab, daß ich<br />

mir die Hände blutig riß. (MU 289)<br />

Den seelischen Zustand des Helden widerspiegelt die ihn umgebende Natur:<br />

„dürre Stämme, [...] wilde Steine, [...] die finstere Gesellschaft der Tannen“<br />

(MU 289) und hoch darüber „der einzige schwermütige Himmel“. Von Zorn<br />

geblendet, verschmutzt und mit blutbefleckten Händen erscheint der Doktor vor<br />

der Geliebten und provoziert eine Auseinandersetzung, in der er sich allerdings<br />

nur auf mechanisches Wiederholen seiner Anklage: „Margarita, Ihr liebt mich<br />

gar nicht!“ (MU 291) beschränkt. Weder ist Augustinus im Stande, rationale<br />

Argumente für seine Anschuldigung vorzubringen, noch um seine Geliebte zu<br />

kämpfen. Vielmehr ist diese Eifersuchtsszene „Ausdruck einer Unfähigkeit zum<br />

Rivalisieren und einer Abtretung der Partnerin an den Rivalen sowie eines latent<br />

vorhandenen [...] männlichen Selbstwertproblems“ 13 . Das Vertrauen, das Margarita<br />

in den Doktor setzte, wird erschüttert, was sie zur Auflösung der Bindung<br />

veranlasst. Die hartnäckige Unnachgiebigkeit, mit der die Frau dann auf jeden<br />

Versuch Augustinus’ reagiert, sie von ihrer Entscheidung abzubringen, bewirkt,<br />

dass der Mann „endlich sehr heftig und dringend wurde“ (MU 295). Seine<br />

13<br />

Lukas: Geschlechterrolle und Erzählerrolle, S. 386.

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