Colloquia Germanica Stetinensia Nr 19
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Rezensionen und Berichte<br />
wenn es selbstverständlich aus dem zweisprachigen Quebec nicht ohne Bedenken<br />
in einsprachige europäische Länder übertragen werden kann. Hier findet<br />
man überraschende, von der Effizienz der bilingualen Bildung und vor allem<br />
frühschulischen Vollimmersionsprogramme zeugende Ergebnisse langjähriger<br />
Forschung. Klein (<strong>19</strong>97) verfolgt in seinem Beitrag das Ziel, die Eigenschaften<br />
der von zahlreichen Erwachsenen erworbenen Zweitsprache in ihrem fossilierten<br />
Endstadium (the Basic Variety) zu schildern, um daraus Schlussfolgerungen auf<br />
die diesem Prozess zu Grunde liegenden Prinzipien der Universalgrammatik zu<br />
ziehen. Abschließend berichten Bialystok u. a. (2004) von dem seniler Demenz<br />
vorbeugenden Einfluss des Bilingualismus: Zweisprachige Personen, die sich im<br />
Alltag zweier Sprachen bedienen, schneiden in fortgeschrittenem Alter besser<br />
bei der Lösung der Simon-Aufgabe ab als ihre monolingualen Gleichaltrigen.<br />
Die Lektüre des von Kurcz herausgegebenen Buches lässt aus offensichtlichen<br />
Gründen den Leser unersättigt. Vor dem Hintergrund der immer größer<br />
werdenden Bedeutung und dem Neuigkeitswert der Problematik in Polen werfen<br />
sich allen interessierten Lehrern, Psycholinguisten, Soziologen, aber letzten<br />
Endes auch beispielsweise im Ausland lebenden bzw. vor der Wahl der Schule<br />
stehenden Eltern zahlreiche Fragen auf, die unbeantwortet bleiben. Dies darf<br />
natürlich keinesfalls als Kritik ausgelegt werden: Kurcz hat die Texte mit größter<br />
Sorgfalt ausgewählt und dabei viel Wert auf die Darstellung der faktischen Komplexität<br />
der Problematik aus verschiedenen (soziologischen, psychologischen,<br />
pädagogischen, psycholinguistischen) Blickwinkeln gelegt. Dass die Beiträge<br />
sehr heterogen sind und in Bezug auf die Terminologie viele Fragen offen lassen,<br />
ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass die überwiegend auf Englisch<br />
verfasste Forschungsliteratur weltweit eher intra- als interdisziplinär ausgerichtet<br />
ist und eines integrativen Ansatzes bedarf. Selbst über die Grundbegriffe<br />
wie Zweisprachigkeit besteht heutzutage keine Einigkeit. Man kann in diesem<br />
Zusammenhang nur hoffen, das diese Arbeit über psychologische Aspekte der<br />
Zweisprachigkeit eine Welle anderer Publikationen zu diesem Thema auslöst,<br />
die die spürbare Lücke in dem polnischen Schrifttum füllen, zumal der Bilingualismus<br />
nicht nur ein Erwerb von zwei Verbalsprachen, sondern auch ein Erwerb<br />
von zwei Kulturen bedeutet.<br />
ANNA SULIKOWSKA<br />
Uniwersytet Szczeciński