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Colloquia Germanica Stetinensia Nr 19

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Rezensionen und Berichte<br />

Labyrinth“ bezeichnet. Hermes, der Totenführer, ist sein Besitzer, Chronos, die<br />

Zeit, die ihre eigenen Kinder frisst, sein Auktionar. Schauplatz des Romans ist<br />

also die dem Tod gehörende und der Zeit verfallene Welt. In ihr vollzieht sich<br />

das Schicksal von Herrn Belfontaine, eines Juden aus gutbürgerlichen Kreisen.<br />

Seine Erfahrungen werden mit denen seiner Verwandten und Freunde verwirrend<br />

kunstvoll verknüpft. Der dauernde Wechsel der einzelnen Schauplätze – in<br />

Deutschland und Frankreich – sowie der dauernde Wechsel der Zeitebenen – des<br />

Ersten Weltkrieges und der <strong>19</strong>20er Jahre – ermöglicht die symbolische Auslegung<br />

sowie die Übertragung der Ereignisse in die unmittelbare Gegenwart.<br />

Hilzinger bezeichnet ihn als „christlichen Roman“. Langgässer habe ihr<br />

Buch als „Exemplifizierung der christlichen Gnadenlehre mit den Mitteln der<br />

Literatur“ verstanden. In der Tat, das ist kein Zeitroman. Im Schicksal Belfontaines<br />

wird vielmehr das Leiden des Menschen an seiner Zeitlichkeit schlechthin<br />

beschrieben. Belfontaine – das jüdische Schicksal erscheint als Menschenschicksal<br />

– ist Hiob, ist Ahasver, der Geschlagene und der Unbehauste, aber er ist auch<br />

der trotz aller Wirrsale in Gottes Liebe Geborgene, der in diese Liebe Zurückkehrende.<br />

Langgässer will Trost spenden: durch Religion. Erst der „Epilog“ vollzieht<br />

die Übertragung auf die unmittelbare Gegenwart. Im Kriegsjahr <strong>19</strong>43 sind<br />

in einem dörflichen Pfarrhaus vier Männer mit der Reparatur der Verdunkelung<br />

beschäftigt. Während eines Luftangriffs gesellen sich drei Feuerwehrleute hinzu.<br />

Ihr Alltagsgespräch öffnet sich ins Mythische, aber gerade dadurch wird die vorangegangene<br />

Romanhandlung in den gegenwärtigen Alltag zurückgeführt.<br />

Der Laubmann und die Rose. Ein Jahreskreis (<strong>19</strong>47) enthält dann Mysteriengedichte,<br />

die in verschiedenen religiös-symbolträchtigen, zyklisch geordneten<br />

Naturbildern das Geheimnis der Schöpfung und der Erlösung behandeln.<br />

Sie zeigen – schreibt Hilzinger – „die unerlöste Natur in ihrer Verwandlung, im<br />

Durchgang zu einer von heidnischen Resten befreiten und erlösten Über-Natur,<br />

dem Reich des Logos, in dem es weder Geburt noch Tod und deshalb auch keine<br />

Zeitlichkeit mehr gibt“. Unter dem Endruck des Weltkriegs schildert der postum<br />

erschienene Roman Märkische Argonautenfahrt (<strong>19</strong>50) die Erlebnisse einer<br />

schicksalhaft verbundenen, heilsuchenden Gruppe von Menschen während einer<br />

Pilgerfahrt. Hier wird das menschliche Leben mit einer Schiffsfahrt verglichen,<br />

als die Fahrt der „Argo“, die die suchenden Argonauten zum ersehnten Ziel des<br />

Goldenen Vlieses bringen soll. Aber alle scheinbaren Lösungsmöglichkeiten<br />

erweisen sich als dämonische und magische Täuschungen, die aus der gefallenen<br />

Welt aufsteigen. Erst als die irdische Argo scheitert und die Fahrt aus Raum und

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