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Colloquia Germanica Stetinensia Nr 19

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Rezensionen und Berichte 221<br />

ihre Biografie bezeichnet. Die Zitation beispielhafter Textpassagen – nicht nur<br />

aus den Briefen – bietet dem Leser einen unmittelbaren Zugang zu einem Werk,<br />

das aus unserem Bewusstsein zu fallen droht, doch paradigmatisch deutsche<br />

Geschichte und deutsche Schicksale vorführt.<br />

Elisabeth Langgässer, Tochter eines konvertierten Juden, unterrichtete nach<br />

dem Studium an verschiedenen Schulen. <strong>19</strong>28 brachte sie ein uneheliches Kind<br />

– Cordelia – zur Welt und gab den jüdischen Vater des Kindes an, ohne zu ahnen,<br />

dass Cordelia später nach den NS-Rassengesetzen als Volljüdin gelten und in<br />

immer bedrohlichere Situationen geraten wird. Im Kreis um die Zeitschrift „Die<br />

Kolonne“ betätigte sie sich als freie Schriftstellerin und Hörspielautorin. <strong>19</strong>31<br />

wurde sie für ihre Erzählung Proserpina. Welt eines Kindes mit dem Literaturpreis<br />

des Deutschen Staatsbürgerinnen-Verbandes ausgezeichnet. Es folgten ihre<br />

Tierkreisgedichte (<strong>19</strong>35), ein Zyklus von christlich inspirierten Naturgedichten,<br />

die Welt und Kosmos als göttlich durchflutete, erlösungssuchende Sphäre darstellen,<br />

und der erste Roman Der Gang durch das Ried (<strong>19</strong>36), der die Suche<br />

eines Schuldbelasteten nach Erlösung von der Sünde und die Rückkehr ins Leben<br />

beschreibt.<br />

<strong>19</strong>36 – kurz nach der Heirat mit dem Philosophen Wilhelm Hoffmann<br />

– wurde das für so genannte Halbjuden herrschende Publikationsverbot über sie<br />

verhängt. Schwer krank wurde sie <strong>19</strong>44 als Zwangsarbeiterin verpflichtet. Im<br />

gleichen Jahr war ihre Tochter Cordelia nach Theresienstadt deportiert worden.<br />

Seit <strong>19</strong>48 mit der Familie wieder im heimatlichen Hessen ansässig, avancierte<br />

sie in ihren letzten Lebensjahren zu einer gefragten und aufgrund ihrer theologischen<br />

Position umstrittenen Autorin. Anna Seghers, die emigrierte Jüdin und<br />

Kommunistin, und Elisabeth Langgässer, die im Dritten Reich als „Halbjüdin“<br />

bedrohte Katholikin, galten damals als Repräsentantinnen der äußeren und inneren<br />

Emigration. Postum wurde ihr <strong>19</strong>50 der Georg-Büchner-Preis verliehen.<br />

Ihr bedeutendster Roman ist zweifellos Das unauslöschliche Siegel (<strong>19</strong>47)<br />

– und ihm widmet Hilzinger auch ihre besondere Aufmerksamkeit. Durch die<br />

symbolisierende Erzähltechnik besitzt der Roman eine labyrinthische Struktur.<br />

Diese Struktur spiegelt das Labyrinthische der Zeit, bedarf aber andererseits der<br />

durchlaufenden Kommentierung der Dichterin, die allerdings eingestehen muss,<br />

dass sie bei dem Versuch, ihre Zeit darzustellen, gescheitert sei. Die drei Bücher<br />

des Romans werden von zwei erläuternden Partien, „Proszenium“ und „Epilog“,<br />

gerahmt. Im „Proszenium“, also vor Einsetzen der Handlung, erfolgt der Eintritt<br />

in den Raum des Romans. Das Haus Mundus wird ausdrücklich als „wahrhaftes

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