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Colloquia Germanica Stetinensia Nr 19

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Zukunftstechnologien für die Nachwendejahre … 117<br />

DIE SCHMERZHAFTE ANKUNFT<br />

UND DIE ZUKUNFTSTECHNOLOGIEN – DER NACHWENDEALLTAG<br />

Anhand von Annjas Lebensgeschichte kristallisiert sich im Roman das Bild<br />

der Nachwendezeit. Ihr Leben ist ein untypisches Einzelschicksal und daher<br />

nicht als exemplarisch für einen Typus oder eine Generation zu verstehen. Der<br />

Leser erfährt dennoch viele Einzelheiten aus der Arbeitswelt, den Wohnverhältnissen<br />

oder den Befindlichkeiten der Menschen im Nachwendealltag überhaupt.<br />

Aber nicht nur die vielfältigen Erlebnisse Annjas, sondern auch ihre Reflexionen<br />

färben dieses Bild. Laut ihr haben die Menschen aus den neuen Bundesländern<br />

die Wende unterschiedlich erlebt. Als Annja einmal erzählt, dass sie als Schülerin<br />

Wenderichterin bei Schwimmwettbewerben war und die Wenden der Sportler<br />

am Beckenrand kontrollierte, vergleicht sie durch einen Zeitsprung in die Erzählergegenwart<br />

die Ostdeutschen mit den Schwimmern:<br />

Manche machen eine hohe Wende und gewinnen an Geschwindigkeit, andere<br />

belassen es bei der flachen, die ihnen wichtige Zehntelsekunden nimmt. Etliche<br />

schlucken Wasser, weil sie eigentlich nicht schwimmen können, andere klammern<br />

sich an die Stange des Startblocks, hustend und nach Luft ringend, und werden<br />

disqualifiziert, wieder andere verlieren die Orientierung, knallen mit dem Kopf an<br />

die Kacheln und kommen nie ans Ziel. (ME 229)<br />

Ähnlich wie in anderen Romanen und Berichten zur Wende wird diese Zeit als<br />

Bruch im Leben der Menschen aus den neuen Bundesländern dargestellt. Dieses<br />

Zäsurerlebnis wird in dem Roman am Beispiel der Abwicklung des Kälteinstitutes<br />

gezeigt. Zuerst findet Annja in der Wohnung des Vaters einen kurzen<br />

Zeitungsbericht mit dem Titel:<br />

AUS FÜR AGRARFORSCHUNG BESIEGELT – »TOTALE ABWICKLUNG«<br />

INS BODENLOSE. Von 21 Institutionen bleiben lediglich drei – Perspektive:<br />

Arbeitslos. (ME 55)<br />

Der lapidare Zeitungsartikel berichtet im Folgenden über die weiteren Umstände<br />

der Institutsschließungen: 5200 Mitarbeiter würden entlassen, für die es bislang<br />

„noch keine Sozialpläne und keine Umschulungsangebote“ (ME 55) gibt. Wegen<br />

des umgestellten Erzählens erfährt der Leser erst später, dass Annja von ihrem<br />

Vater einiges schon früher erfahren hatte. Sie erinnert sich später, dass ihr Vater

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