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Colloquia Germanica Stetinensia Nr 19

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Zukunftstechnologien für die Nachwendejahre … 115<br />

DDR-Kritik könnte die Fokussierung auf die Vergangenheit als ein nostalgischer<br />

Zug im Roman betrachtet werden, der der kritischen Erzählhaltung gegenüber<br />

der DDR entgegenwirkt.<br />

DAS SPIEL MIT DER ERZÄHLERINSTANZ<br />

Während Annja ihre kranke Oma in Magdeburg pflegt, sucht sie die<br />

Wohnung von Klaus und das Kälteinstitut auf oder sie schaut sich einfach die<br />

Wohnung der Oma an. Meistens sind es einmalige Umstände, die Annjas Erinnerungen<br />

wecken, wie z. B. die Schreibmaschine der Großmutter oder der Weg<br />

zur Wohnung des Vaters oder Dokumente auf dem Schreibtisch. Ein besonderer<br />

Fall der Erinnerung ist es, als sie das bereits geschlossene Kälteinstitut betritt. In<br />

einer Vision spürt sie plötzlich die damalige Arbeitsatmosphäre und glaubt, die<br />

Mitarbeiter sprechen zu hören:<br />

Im Nebel sehe ich sie alle noch einmal: Großvater, Vater, Ottilie, Luise Gladbeck,<br />

Rode, Hanna Mausolf, Großmann und Wartenberg. (ME 211)<br />

Als sie das Institut verlässt, stellt sie fest: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich geträumt<br />

habe.“ (ME 211) Dieses visionäre Wiedererleben von etwas bereits Vorübergegangenem<br />

zeugt von dem starken Einfluss des Vergangenen auf den gegenwärtigen<br />

Zustand der Erzählerin. Des Weiteren berichtet sie mehrmals über Träume,<br />

z. B. als sie sich an ihren ehemaligen Lehrer und ehemaligen Freund erinnert.<br />

Bevor sie ihren Vater in der Tiefkühltruhe findet, hat sie auch geschlafen. Nach<br />

dem Verlassen der Wohnung ist sie schockiert und kommentiert das Geschehnis<br />

folgendermaßen:<br />

Im Auto legte ich den Kopf auf das Lenkrad und heulte. Es gab nur eine rationale<br />

Erklärung: In Wirklichkeit träumte ich immer noch auf meinem Bett in Vaters<br />

Wohnung. (ME 28)<br />

Indem sie selbst nicht zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden kann,<br />

verlieren die dargestellten Ereignisse an Glaubwürdigkeit.<br />

Durch den Wechsel von Visionen, Träumen und realistisch wirkenden<br />

Ereignissen wird verdeutlicht, dass das umfassende DDR-Bild nicht die Wirklichkeit,<br />

sondern ein fiktionales Bild ist. So sind in Moskauer Eis die Subjektivität<br />

jedweder Erinnerung an die DDR und die Geschichtsschreibung überhaupt

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