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Colloquia Germanica Stetinensia Nr 19

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106<br />

Valéria Lengyel<br />

um Christa Wolf folgte den Ereignissen der Auflösung der DDR und der schwerwiegenden<br />

Umbruchszeit mit ausdrücklicher Teilnahme, so dass sich zuweilen<br />

nostalgische Töne in ihr literarisches Schaffen mischten. Ihr Rückblick, der als<br />

einseitig betrachtet wurde, entsprach nicht den ästhetischen Forderungen jüngerer<br />

Autoren, die kritisch-distanzierte Haltung und eine eindeutige Zuwendung<br />

zur Nachwendewirklichkeit verlangten. In den neunziger Jahren erschienen<br />

Schriften der neuen Generation, die von einem „Mentalitätswandel“ 2 in der<br />

deutschen Literatur zeugen: „Die Zeiten der melancholischen Verharrung gingen<br />

Mitte der neunziger Jahre offenbar allmählich zu Ende...“ 3 . Besonders lobte<br />

die Literaturkritik Thomas Brussigs Helden wie wir (<strong>19</strong>95) und Ingo Schulzes<br />

Simple Storys (<strong>19</strong>98), die bei der Erforschung der Ost-Realität unsentimental<br />

vorgegangen seien. Aufgrund solcher und anderer ästhetischer Werte und ihrer<br />

Rolle als Wegweiser der deutschen Gegenwartsliteratur sind sie in der Forschung<br />

vielseitig betrachtet worden. Weniger Aufmerksamkeit erhielten andere, doch<br />

nicht minder bedeutende Schreibende, die die Nachwendezeit dargestellt haben,<br />

so z. B. die Autorinnen Annett Gröschner, Herta Müller, Brigitte Burmeister,<br />

Katja Lange-Müller und Kerstin Hensel. Der unlängst erschienene Sammelband<br />

Literatur ohne Land? Schreibstrategien einer DDR-Literatur im vereinten<br />

Deutschland 4 gibt einen Überblick über mehrere Dichtergenerationen, in deren<br />

Schreiben das Motiv der DDR eingeflochten ist. Die Aufsätze zeigen die poetischen<br />

Variationen dieses kontinuierlich auffindbaren Motivs in den einzelnen<br />

Lebenswerken. Dabei zeigt sich, dass auch die ältere Generation, wie z. B. der<br />

noch heute sehr aktive Volker Braun, bei weitem keine nostalgisch angehauchten<br />

Texte verfasst, sondern mit verschiedenen Schreibtechniken das Motiv der DDR<br />

und den Nachwendealltag weiterschreibt.<br />

Wie viele von diesen Autoren, deren Texte als ‘DDR-Literatur’ bezeichnet<br />

werden können, so ist Annett Gröschner ostdeutscher Herkunft. Sie ist<br />

in Magdeburg geboren, und zieht als Jugendliche nach Berlin. Sie arbeitet als<br />

Historikerin und Redakteurin bei verschiedenen Zeitschriften und nimmt bis<br />

2<br />

Volker Wehdeking: Mentalitätswandel im deutschen Roman zur Einheit (<strong>19</strong>90–2000).<br />

In: ders. (Hg.): Mentalitätswandel in der deutschen Literatur zur Einheit (<strong>19</strong>90–2000). Berlin<br />

2000, S. 29.<br />

3<br />

Frauke Meyer-Gosau: Ost-West-Schmerz. Beobachtungen zu einer sich wandelnden Gemütslage.<br />

In: Heinz Ludwig Arnold (Hg.): DDR-Literatur der neunziger Jahre. TEXT+KRITIK,<br />

Sonderband. München 2000, S. 8.<br />

4<br />

Janine Ludwig, Mirjam Meuser (Hgg.): Literatur ohne Land? Schreibstrategien einer<br />

DDR-Literatur im vereinten Deutschland. Freiburg 2009.

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