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Umgang mit Kinderarmut am Beispiel von <strong>Göttingen</strong><br />

3. Wandel sozialpolitischer Normen in der Bundesrepublik<br />

Dass die an späterer Stelle beschriebenen Veränderungen der Sozialpolitik in der<br />

Bundesrepublik kein rein deutsches Phänomen sind, muss an dieser Stelle kurz<br />

Erwähnung finden, weil eine Reduzierung auf eine nur nationale Ebene verkürzt wäre.<br />

3.1 Skizze über die Etablierung des Neoliberalismus<br />

Der ökonomische Diskurs, der meistens als Neoliberalismus bezeichnet wird, fand in den<br />

späten 1970ern verstärkt Einzug in die Tagesordnung regierender Parteien in ganz<br />

Europa und auch darüber hinaus (vgl. Harvey 2007: 15-16; Hirsch 2002: 91 ff.; Mohr<br />

2007: 188). Der Einfluss der neoliberalen 6 Ideologie wuchs als Reaktion auf die Krise der<br />

„sozialstaatlich-keynesianischen Regulationsweise“ (vgl. Hirsch 2002: 87) deren erste<br />

Anzeichen schon in den 1960ern zu erkennen waren und schließlich Mitte der 1970er<br />

offen zu Tage traten (vgl. Hirsch 2002: 94) 7 . Sinkende Profitraten, sinkende<br />

Wachstumsraten und steigende Arbeitslosigkeit waren Krisenmomente, die nach einer<br />

Lösung verlangten; diese schien in der „Neoliberalisierung“ der globalen Märkte zu<br />

liegen. Der entscheidende Durchbruch der Ideologie gelang laut Harvey mit den<br />

Wahlsiegen von Margaret Thatcher (Großbritannien 1979) und von Ronald Reagan<br />

(USA 1980) (vgl. Butterwegge 2007; Harvey 2007: 33, 36; Kannankulam 2008: 255 ff.) 8 .<br />

„Entscheidend aufgewertet wurde die wissenschaftliche Reputation der neoliberalen<br />

Theorie durch die Nobelpreise für Wirtschaftswissenschaften, die Hayek 1974 und<br />

Friedman 1976 verliehen wurden“ (Harvey 2007: 32). Eine geschickte Vernetzung<br />

liberaler „think tanks“ und Lobbygruppen mit politischen Entscheidungsträgern führte zur<br />

Umorientierung auf der politischen Agenda zahlreicher Staaten. Die europäische<br />

Kommission ließ sich bei der Ausgestaltung des europäischen Binnenmarktes vom<br />

„Roundtable of European Industrials“ beraten, die einen Abbau aller tarifären und nicht<br />

tarifären Handelshemmnisse in der Europäischen Union forderte (vgl. Zapka 2008: 205),<br />

was auf einen freien Fluss von Produktionsmitteln (Arbeitskräfte und Rohstoffe) und<br />

Gütern zielte (Kannankulam 2008: 294 ff.).<br />

6 Mit „neoliberaler“ Ideologie ist hier vor allem die polit-ökonomische Interpretation gemeint, die unter<br />

Reagan und Thatcher ihre Anfänge gefunden hat und sich auf Konzepte der beiden Nobelpreisträger<br />

Hayek und Friedman beruft (vgl. Kannankulam 2008: 115). Auf nationaler Ebene gibt es verschiedene<br />

Ausprägungen, allerdings gibt es gemeinsame Grundziele, die im internationalen Kontext relevant<br />

sind; diese werden an späterer Stelle aufgegriffen.<br />

7 Die Komplexität der Wirkungszusammenhänge lässt sich hier nicht erfassen. Hirsch (2002) wagt den<br />

Versuch in „Herrschaft, Hegemonie und politische Alternativen“ und in seinen Folgewerken.<br />

8 Detaillierte Auseinandersetzungen finden sich beispielsweise bei Harvey 2007: 52-82 zur Etablierung<br />

des neoliberalen Konsens oder Kannankulam 2008: 268ff. zur Thatcher-Regierung und 298 ff. zur<br />

Bundesrepublik unter Kohl.<br />

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