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Umgang mit Kinderarmut am Beispiel von <strong>Göttingen</strong><br />
Versagen darstellen“ (Boeckh 2008: 282). Obwohl einige Autor/en/innen diese<br />
strukturellen Ursachen eher für nebensächliche Probleme der ökonomisch und sozial<br />
schlechter gestellten Menschen halten (vgl. Nolte 2003), kann eine realistische<br />
Betrachtung von sozialer Benachteiligung in der Bundesrepublik kaum von<br />
gesellschaftlich gewachsenen Strukturen abstrahieren. 5<br />
Ein kapitalistischer Sozialstaat wie die Bundesrepublik muss immer zwischen<br />
verschiedenen Interessen vermitteln. Verkürzt kann man festhalten (vgl. Mohr 2007: 53-<br />
54): Der Sozialstaat vermittelt zwischen den Besitzer/n/innen von Produktionsmitteln auf<br />
der einen Seite, weil diese angetrieben von Profit investieren und Arbeitsplätze schaffen<br />
sollen und auf der anderen Seite dem Großteil der Gesellschaft, den Lohnarbeiter/innen,<br />
die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, denen gegenüber der Sozialstaat seine<br />
Legitimität aufrechterhalten will. Arbeitslosigkeit entsteht immer wieder durch<br />
strukturellen Wandel der Produktionsbedingungen, die verschiedene Personen treffen,<br />
deren Arbeitsqualifikation im Zuge technischer, wirtschaftlicher Modernisierung nicht<br />
mehr benötigt wird (vgl. Vogel 2008: 157). Dieser Zwang zu technischen Veränderungen<br />
ist der kapitalistischen Wettbewerbsökonomie inhärent (vgl. Kannankulam 2008: 88).<br />
Technische Umwälzungen sind ein Mittel Konsumgüter zu verbilligen, um sich<br />
gegenüber Konkurrent/en/innen Vorteile zu verschaffen und Profitraten zu steigern (vgl.<br />
Hirsch 2002: 18), was auch über die Senkung von Löhnen oder durch die Entlassung<br />
von Arbeitnehmer/n/innen gewährleistet werden kann.<br />
Zur Erhaltung der Legitimität des Staates und durch die Bündelung der Interessen von<br />
Arbeitnehmer/innen (beispielsweise durch Gewerkschaften) ist es zu institutionellen<br />
Rechten gekommen. Diese „[…] garantieren den Arbeitnehmern alternative<br />
Einkommensquellen zu denen des Marktes“ (Mohr 2007: 55). Im Zuge der Etablierung<br />
des Neoliberalismus ist es zum zahlreichen Rückschritten dieser - durch die<br />
Arbeitnehmer/innen erkämpften Rechte - gekommen.<br />
5 Eine präzise Armutsforschung sollte sowohl die Mängel der aktuellen Sozialpolitik als auch die<br />
gesellschaftlichen Ursachen berücksichtigen, um eine präzise wissenschaftliche Analyse zu<br />
gewährleisten. Beide Ansätze habe ihre Relevanz bereits unter Beweis gestellt. Die Fixierung auf eine<br />
reine Maßnahmenanalyse ohne Ursachenberücksichtigung kann daher nur eine Verkürzung sein<br />
(siehe 4.1, 4.3).<br />
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