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Umgang mit Kinderarmut am Beispiel von <strong>Göttingen</strong><br />
Aufschwung im Zusammenhang mit dem Bestreben nach Leistungsgerechtigkeit und in<br />
der Kritik an der „soziologischen Schließung der Eliten“ (vgl. Hartmann 2002: 157)<br />
erfahren. 11 Die Kritik bezieht sich häufiger darauf, dass soziale Herkunft und finanzielle<br />
Ausstattung der Eltern oder des Kindes selbst den Bildungserfolg maßgeblich<br />
beeinflussen (vgl. Fertig/Tamm 2006: 18). Das stellt auch der „Masterplan gegen<br />
Kinderarmut“ als ein zentrales Problem für die Zukunft sozial benachteiligter Kinder<br />
heraus (vgl. Stadt <strong>Göttingen</strong> 2008: 11-12).<br />
Dieser Kritik hat sich auch der 3. Armuts- und Reichtumsbericht angenommen. Die<br />
Appelle für Chancengleichheit und Verwirklichungschancen zielen erstens auf<br />
unerlässliche, erstrebenswerte Verbesserungen der gesellschaftlichen Teilhabe, wie<br />
mehr Mitbestimmungsrechte für sozial Schwache oder arme Gesellschaftsgruppen,<br />
Ausgegrenzte und Minderheiten ab, was dann auch auf eine Verbesserung der Situation<br />
dieser Gruppen hinauslaufen könnte (vgl. Arndt/Volker 2006: 22; Sen 2010: 379). 12<br />
Andererseits geht es bei Bestrebungen um Chancengleichheit, Verwirklichungschancen<br />
und Leistungsgerechtigkeit aber darum, dass man Menschen nur die Möglichkeit geben<br />
muss, am Markt teilzunehmen und sich dann Probleme wie Armut und soziale Exklusion<br />
quasi von selbst lösen würden (vgl. Butterwegge 2010: 197 ff.).<br />
Die Bewertung von Armut mit dem Fokus auf Verwirklichungschancen, was<br />
beispielsweise in der Diskussion um eine sinnvolle Berichterstattung im Armuts- und<br />
Reichtums-Reports unter anderem bei Arndt/Volkert abzulesen ist, geht das Risiko ein,<br />
von ungleicher Verteilung in der Gesellschaft zu abstrahieren und diese damit zu<br />
relativieren (vgl. Arndt/Volker 2006: 20, 24). Darum verlangt Groh-Samberg auch, einen<br />
Armutsbegriff zu verwenden, der sich vor allem auf materielle Ungleichheiten<br />
konzentriert (vgl. Groh-Samber 2009: 24-26). Die Debatten um Partizipation und<br />
Verwirklichungschancen vernachlässigen zunehmend materielle Ungleichheit und<br />
erzeugen Lösungsstrategien mit „fragwürdigem erzieherischen Impetus“ (Groh-Samberg<br />
2009: 26). Empfehlungen des dritten Armuts- und Reichtumsberichts, die<br />
Chancengleichheit fördern sollen, reihen sich beispielsweise in die Bestrebungen der<br />
Aktivierungslogik ein. „Die bestmögliche Aktivierung der Potentiale von Kindern,<br />
11 Es soll kein Appell gegen Chancengleichheit in einer partizipatorischen demokratischen<br />
Gesellschaft verfasst werden. Es ist allerdings erstaunlich für eine Gesellschaft, die sich als<br />
demokratische definiert, dass solche Defizite der Gerechtigkeit über Jahrzehnte nahezu<br />
unangefochten Bestand haben konnten. An dieser Stelle soll eine Kritik an einer bestimmten Definition<br />
von Chancengleichheit Platz finden.<br />
12 Amartya Sen, der nach eigener Aussage Konzepte von John Rawls weiterentwickelt, wird in der<br />
aktuellen Diskussion häufig als Bezugsquelle herangezogen, wenn sich Autor/en/innen mit<br />
Möglichkeiten einer gerechteren Gesellschaft und Wirtschaft befassen. Dies gilt beispielsweise für die<br />
Diskussion um eine „richtige“ Erfassung von Armut (vgl. Arndt/Volker 2006: 23; Leßmann 2006).<br />
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