AUF WELTREISE ZEHN JAHRE RED CAGE SEMF - PIGmagazin
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44 // KOLUMNE – UND JETZT SPORT!<br />
Von Gentlemen<br />
& Hooligans<br />
Mit Dr. L. Eder ist nicht gut Kirschen essen. Beinahe<br />
wäre unserem Sportexperten ein historisches WM-Finale<br />
vorenthalten worden. Für den bekennenden Rugby-<br />
Fan Grund genug, mal wieder verbale Backpfeifen zu<br />
verteilen.<br />
Von Dr. L. Eder<br />
Sie haben es einmal mehr<br />
geschafft! Wieder ist ein<br />
sportlicher Höhepunkt<br />
über die Bühne gegangen – genau<br />
genommen das drittgrößte<br />
Sportereignis auf unserem Planeten<br />
–, und Deutschland hat<br />
erneut in die Röhre geschaut.<br />
Beziehungsweise wollte schauen,<br />
aber die Röhre blieb leider<br />
dunkel. Der TV-Sender, der<br />
sich zumindest dem Namen<br />
nach rühmt, die Nummer eins<br />
in der Kategorie Sportübertragung zu sein, zog es<br />
vor, uns die sonntägliche Ansammlung von abgehalfterten<br />
und Bier trinkenden Fußball-Experten – was<br />
für ein grandioses Vorbild für unsere Jugend – beim<br />
Frühschoppen zu servieren, die in der Regel nichts<br />
anderes machen, als auf gar keinen Fall den FC Bayern<br />
München zu kritisieren. Denn sonst droht ja ein<br />
Blitzbesuch des in nächster Nähe lebenden<br />
Wurstfabrikanten. Und dann könnte es im<br />
Kempinski höchst ungemütlich werden.<br />
Sport 1 verzichtete mal locker auf das Endspiel<br />
um die Rugby-WM. Ich hätte kotzen<br />
können. Glücklicherweise ist uns das geschätzte<br />
Nachbarland Frankreich rugbymäßig<br />
um Lichtjahre voraus, so dass sich beim Durchzappen<br />
doch noch ein Sender – TF1 sei dank – fand, der<br />
das Endspiel zwischen Neuseeland und Frankreich in<br />
epischem Außmaß übertrug. Sprich: Es wurden sowohl<br />
die Minuten vor dem Ankick gezeigt, als auch<br />
Jubel- und Trauerszenen nach dem Spiel. Wie es eben<br />
sein soll – und wie es mal in grauer Vorzeit auch hier<br />
war, als der Sport noch nicht vom Geld korrumpiert<br />
und von der Industrie und Politik unterwandert war.<br />
Einmal mehr vor Augen geführt wurde mir der Wandel<br />
zum Schlechten während des Endspiels zwischen<br />
den All Blacks und Les Bleus. Als die Marseillaise ertönte,<br />
begann das Frösteln. Als daraufhin fast das gesamte<br />
Stadion in Auckland die Hymne des Gastgebers<br />
„God defend New Zealand“ schmetterte, stellte sich<br />
ein wohliger Schauer ein. Der emotionale Höhepunkt<br />
des sportlichen Jahres sollte aber noch folgen. Die<br />
Neuseeländer zeigten ihren berühmten Kriegstanz,<br />
den Haka. Genau genommen sogar den Kapo o Pango<br />
Haka, der nur sehr selten getanzt wird. Er soll die<br />
Gegner einschüchtern. Die Franzosen stellten sich<br />
gegenüber auf in Form eines Pfeils. Nach einigen Sekunden<br />
marschierten die Franzosen mehrere Schritte<br />
nach vorne und standen den Neuseeländern plötzlich<br />
fast Auge in Auge gegenüber. Die 60 000 im Eden<br />
Park von Auckland raunten laut auf. Bevor der erste<br />
Ball überhaupt gespielt war, knisterte die Luft vor<br />
Spannung. Leute – Gänsehaut pur!<br />
Es ist doch nicht zu viel verlangt, die Emotionen eines<br />
vollen Stadions, wenn schon nicht erleben, dann zumindest<br />
erahnen zu können. Stattdessen wird den<br />
deutschen Rugby-Fans – und ich bin mir sicher, es<br />
sind nicht wenige – der soundsovielte Aufguss einer<br />
Spieltagsanalyse serviert. Ich liebe Fußball, aber ein<br />
Bundesliga-Spieltag ist im Vergleich zum Endspiel<br />
der Rugby-WM nicht mehr als ein feuchter Furz.<br />
Vor allem könnten sich dann etliche Kicker und vor<br />
allem auch die Fans eine ganz dicke Scheibe Ehre,<br />
Stolz und Anstand abschneiden. Der Großteil der<br />
Fußballfans ist, was Fair Play anbetrifft, über Jahre<br />
hinweg hintergangen worden. Schwalben von Filippo<br />
Ein Bundesliga-Spieltag ist im Vergleich zum<br />
Endspiel der Rugby-WM nicht mehr als ein<br />
feuchter Furz.<br />
Inzaghi oder Ronaldo – der schlechte, der aus Portugal<br />
– sorgen immer noch für geballte Fäuste und den<br />
Gebrauch längst verdrängt gewähnter Gossensprache.<br />
Erinnert sei diesbezüglich auch an Jürgen Klinsmann.<br />
Der ehemalige Bundestrainer zauberte im 90er-WM-<br />
Endspiel, nachdem Pedro Monzón gefühlte dreieinhalb<br />
Meter an ihm vorbeigesprungen war, den technisch<br />
perfektesten Flick-Flack eines Nichtturners<br />
auf den Rasen, den die Sportwelt je gesehen hat. Das<br />
Schlimme dabei ist: All die Erwähnten wurden für<br />
ihre Taten zuerst belohnt und danach sogar gefeiert.<br />
Umso bedauerlicher ist es, dass auf diesen lehrreichen<br />
Ausflug in den Rugby-Sport freiwillig verzichtet wurde.<br />
30 Kleiderschränke, die sich auf dem Platz ohne<br />
Unterlass beharken, die Furcht einflößend dreinblicken<br />
können, deren Lachen aber dermaßen ansteckend<br />
ist, dass man höchsten Respekt für sie hegt. Die<br />
Briten haben das treffend beschrieben: „Football is<br />
a gentleman‘s game played by hooligans. Rugby is a<br />
hooligan‘s game played by gentlemen!“ Dem ist nichts<br />
hinzuzufügen. •