POLARKREIS - FAZ.net

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22.11.2013 Aufrufe

D-45958 Januar 2013 Nr. 124 1,40 Euro www.hochschulanzeiger.de Die Meilen-Maschine Wie Studenten das Auto von morgen erfinden➻ 38 CAMPUS HINTERM POLARKREIS Wer an der nördlichsten Uni der Welt in Tromsø studiert, will nicht mehr weg. Wir verraten, warum ➻ 8 Absolute Beginner „Hallo, ich bin neu hier.“ Fünf Ge schichten über die ersten Monate im Job ➻ 32 ROCKSTARS FÜR MINUTEN Die unglaubliche Geschichte der Musiksendung „Balcony TV“ ➻ 20 In Kooperation mit

D-45958 Januar 2013 Nr. 124 1,40 Euro www.hochschulanzeiger.de<br />

Die Meilen-Maschine<br />

Wie Studenten das Auto<br />

von morgen erfinden➻ 38<br />

CAMPUS HINTERM<br />

<strong>POLARKREIS</strong><br />

Wer an der nördlichsten Uni der Welt in<br />

Tromsø studiert, will nicht mehr weg.<br />

Wir verraten, warum ➻ 8<br />

Absolute Beginner<br />

„Hallo, ich bin neu hier.“ Fünf Ge schichten<br />

über die ersten Monate im Job ➻ 32<br />

ROCKSTARS FÜR MINUTEN<br />

Die unglaubliche Geschichte der<br />

Musiksendung „Balcony TV“ ➻ 20<br />

In Kooperation mit


www.faz.<strong>net</strong><br />

Dahinter steckt<br />

immer ein kluger Kopf.<br />

Helmut Schmidt


FOTOS: CORBIS (COVER), NATALIE BOTHUR (EDITORIAL), PLAINPICTURE; ILLUSTRATION: SYLVIA NEUNER<br />

IMPRESSUM<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

haben Sie viele Vorsätze der letzten Silvesternacht schon<br />

wieder gebrochen? Nicht so schlimm – denn das Jahr ist noch<br />

jung, und jetzt ist ein guter Zeitpunkt, einen Neuanfang zu wa-<br />

gen. Wir haben mit Studierenden gesprochen, die seit Kurzem<br />

keine mehr sind: mit Jobanfängern, die uns nach den ersten<br />

Monaten verraten haben, wie sich das Arbeitsleben für sie anfühlt.<br />

Die dunklen Wintertage sind aber auch ein guter Zeit-<br />

punkt zum Feiern. Unsere Autorin Constanze Kindel schreibt<br />

in ihrer Reportage ab Seite 26 über Professoren, die in Clubs<br />

auflegen und dabei mindestens so viel Spaß haben wie ihre Studierenden<br />

auf der Tanzfläche. Kindel traf während ihrer Recherche<br />

unter anderem einen Dozenten aus Schweden, der Stu-<br />

dierende zum Feiern in seine Berliner Wohnung einlud. 200<br />

Leute kamen. Die Polizei auch. Und zwar mit Mannschaftswa-<br />

gen. Der Vermieter dachte gar, es gäbe ein Geiseldrama. In<br />

Schweden ist man eben ein lockeres Verhältnis zwischen Stu-<br />

dierenden und Lehrenden gewohnt. Hoch im Norden spielt<br />

auch unsere Reportage aus Tromsø. Acht Wochen lang geht in<br />

der Stadt mit der nördlichsten Uni der Welt die Sonne gar nicht<br />

auf. Die Einheimischen sagen über ihr extremes Klima: „Acht<br />

Monate Winter. Vier Monate schlechte Skiverhältnisse.“ Das<br />

ist doch mal eine lässige Haltung. Wir freuen uns auf ein super<br />

Jahr – und hoffen, Sie auch. Willkommen in 2013!<br />

ANDREAS TAZL<br />

EDITORIAL<br />

PS: Wir freuen uns übrigens sehr über Ihr Feedback. Hat<br />

Ihnen etwas besonders gut gefallen, oder gibt es ein Thema,<br />

über das Sie gern mehr erfahren wollen? Dann schreiben Sie<br />

uns: redaktion@hochschulanzeiger.de<br />

16 Was wäre, wenn wir Geld bekämen, ohne<br />

dafür zu arbeiten? Ein afrikanisches Dorf testet<br />

das bedingungslose Grundeinkommen.<br />

20 Mach mal lauter: Warum die Zukunft des<br />

Musikfernsehens auf einem Hamburger Balkon beginnt.<br />

„Hier können auch Bachelor-<br />

Studierende eine Woche lang auf ein<br />

Forschungsschiff. Davon kann man<br />

in Deutschland nur träumen.“<br />

8 Benjamin Merkel, 24, studiert in Tromsø Biologie.<br />

Dort gibt es Temperaturen wie im Kühlschrank und<br />

Studien bedingungen wie im Himmel.<br />

VERLAG: Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Hellerhofstraße 2–4, 60327 Frankfurt; zugleich ladungsfähige Anschrift für die im Impressum genannten Verantwortlichen und Vertretungsberech tigten GESCHÄFTSFÜHRUNG:<br />

Tobias Trevisan (Sprecher), Dr. Roland Gerschermann REDAK TIONSLEITER: Andreas Tazl, V. i. S. d. P. TEXTCHEF: York Pijahn VERANTWORTLICH FÜR ANZEIGEN: Andreas Formen (Verlagsgeschäftsführer) AU-<br />

TOREN: Uta Bangert, Franziska Bulban, Serge Debrebant, Michaela Gerganoff, Daniel Haas, Jenny Hoch, Daniel Kastner, Constanze Kindel, Gunthild Kupitz, Nadine Lischick, Gabriele Meister, Sarah Mously, York Pijahn, Cornelia<br />

Stolze, Aileen Tiedemann BILDREDAKTION: Kay Wolters FOTO GRAFEN: Natalie Bothur, Frank Egel, Maurice Etoile, Karl Anton Koenigs, Frizzi Kurkhaus, Sebastian Pfütze, Kimm Saatvedt, Volker Schrank, Gulliver Theis<br />

ILLUSTRATION: Sylvia Neuner (S. 3, 16), Matthias Seifarth (S. 19, 31) BILDNACHWEIS: Titel: Corbis; Editorial: Seite 3, Fotos: Natalie Bothur, Plainpicture, Illustration: Sylvia Neuner; Campus: Seite 6–7, Fotos: Laif, Pla<strong>net</strong> Photos<br />

Ltd., privat; Tromsø: Seite 8–13, Fotos: Kimm Saatvedt; Mensa-Battle: Seite 14–15, Fotos: Maurice Etoile, Frizzi Kurkhaus; Geld für alle: Seite 16–17, Illustration: Sylvia Neuner; Leben: Seite 18–19, Fotos: PR, Plainpicture; Balcony TV:<br />

Seite 20–23, Fotos: Frank Egel; Professor Urknall: Seite 24–25, Fotos: ProSiebenSat.1 Media AG, Greg Gayne, Collage: Frizzi Kurkhaus; Mein Prof ist ein DJ: Seite 26–29, Fotos: Karl Anton Koenigs; Karriere: Seite 30–31, Fotos: A-way,<br />

Plainpicture, privat, Illustration: Matthias Seifarth; Absolute Beginner: Seite 32–37, Fotos: Sebastian Pfütze, Gulliver Theis; Autoerfinder: Seite 38–40, Fotos: Volker Schrank; Fakten: Seite 42–44, Fotos: iStockphoto, Corbis, dpa<br />

Picture-Alliance; Mein letztes Mal: Seite 46, Foto: privat LAYOUT: Frizzi Kurkhaus LEKTORAT: SKH SprachKontor Hamburg GmbH, www.sprachkontor.de HERSTELLUNG: Westdeutsche Verlags- und Druckerei GmbH,<br />

Kurhessen straße 4–6, 64546 Mörfelden-Walldorf, www.wvd-online.de VERTRIEB: Frank furter Allgemeine Zeitung GmbH ANSCHRIFT: Frank furter Allgemeine Zeitung GmbH, Heller hofstraße 2–4, 60327 Frankfurt; Redaktion: Telefon<br />

040 468991133 und 069 75911842; Inter <strong>net</strong>: www.hochschulan zeiger.de ABONNENTENSERVICE: Telefon 0180 25252 (6 Cent pro Anruf aus dem deutschen Fest<strong>net</strong>z, Mobilfunkhöchstpreis 42 Cent) ANZEIGEN: Telefon 069<br />

7591-3400; E-Mail stellenmarkt@faz.de. Der F. A. Z. Hochschulanzeiger erscheint sechsmal im Jahr. Alle in ihm enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen<br />

Fälle ist eine Verwertung ohne Ein willigung des Verlages nicht zulässig. Preise für das Abonnement des F. A. Z. Hochschulanzeigers bei sechs Ausgaben pro Jahr: Inland und Ausland 8,40 Euro inkl. Ver sandkosten und MwSt., Lieferung<br />

im Abonnement im Inland nur gegen Bankeinzug des Zeitungsbezugsgeldes möglich. Studierende erhalten den F. A. Z. Hochschulanzeiger im Rahmen ihres vergünstigten F. A. Z. Studentenabonnements nach Erscheinen<br />

der neuen Ausgabe automatisch per Post. Abonnementskündigungen sind mit einer Frist von 20 Tagen zum Ende des berech<strong>net</strong>en Bezugszeit raumes möglich. Mitteilung aufgrund von § 5 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes über<br />

Freiheit und Recht der Presse: Gesellschafter der Frankfurter Allge meine Zeitung GmbH sind <strong>FAZ</strong>IT-Stiftung Gemeinnützige Verlagsgesellschaft mbH, Frankfurter All gemeine Zeitung GmbH, Werner D’Inka, Berthold Kohler,<br />

Günther Nonnenmacher, Frank Schirrmacher, Holger Steltzner.


CAMPUS<br />

6 Meldungen: Klüger werden mit Vulkaniern,<br />

endlich Ostfriesen verstehen, ein Anruf in Buenos Aires<br />

8 Der Campus am Ende der Welt: Rentiere, Moonboots, Polarlichter.<br />

Studieren im norwegischen Tromsø<br />

14 Mit dem Essen spielen: Ein Student macht aus Mensa-Gerichten Kunst<br />

16 Geld für alle: Ein Dorf testet das bedingungslose Grundeinkommen<br />

LEBEN<br />

18 Meldungen: Ausgehen in London, lässige Bärte gegen Kälte<br />

und die Rückkehr des Gettoblasters<br />

20 Du hast drei Minuten: Das Musikfernsehen von morgen<br />

entsteht heute auf einem Hamburger Balkon<br />

24 „Big Bang Theory“: Hinter den Kulissen der Sitcom sorgt<br />

ein Physikprofessor für den Faktencheck. Wir haben ihn angerufen<br />

KARRIERE<br />

30 Meldungen: Bei Frank Elstner lernen, nach dem Praktikum<br />

nicht vergessen werden und Tipps für Jobs in der Autoindustrie<br />

32 Absolute Beginner: Fünf Jobanfänger erzählen von den ersten Monaten im Beruf<br />

38 Der schluckt fast nix: Studierende bauen ein Zukunftsauto<br />

42 Bits und Bytes: 16 Fakten über die IT-Branche<br />

45 Recruiting-Events plus neue Apps für Handy und iPad<br />

46 Mein letztes Mal: Die letzten Tage ohne Baby<br />

HOCHSCHUL<br />

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4


Helfen Sie der Natur<br />

auf den grünen Ast.<br />

5 Euro für den Panda. Helfen Sie dem WWF<br />

beim Schutz einzigartiger Lebensräume.<br />

Mehr Infos unter: wwf.de<br />

Schon mit 5 Euro im Monat helfen Sie uns beim Schutz der Lebensräume von Panda und anderen bedrohten Tierarten weltweit. Mehr<br />

Infos unter: wwf.de. Einmalig spenden an den WWF entweder auf Konto 2000, Bank für Sozialwirtschaft Mainz, BLZ 550 205 00 –<br />

oder einfach per SMS* mit dem Kennwort „WWF“ an 81190.<br />

*Eine SMS kostet 5 Euro, davon gehen 4,83 Euro direkt an den WWF. Kein Abo; zzgl. Kosten für eine SMS.


FERNGESPRÄCH<br />

Ein Anruf in<br />

Buenos Aires<br />

„Auf dem Foto bin ich in den Salinas Grandes, einem<br />

ausgetrock<strong>net</strong>en Salzsee auf 3.800 Metern Höhe, der<br />

wie eine weiße Wüste aussieht. Das ist zwar eine ziemliche<br />

Reise von Buenos Aires aus, der Stadt, in der ich<br />

studiere –, aber der Trip, bei dem dieses Bild entstanden<br />

ist, hat sich total gelohnt. Buenos Aires ist überhaupt<br />

nicht so, wie man sich südamerikanische Metropolen<br />

vorstellt, sondern eher europäisch, mit vielen<br />

Altbauten und breiten Alleen. Meine Vierzimmerwohnung,<br />

die ich mir mit dem Architekten Peto teile, liegt<br />

in einer Gegend der Stadt, die man das ‚Paris Amerikas‘<br />

nennt – wegen der vielen eleganten Gebäude, die<br />

meisten mit Portier. Wir wohnen für 450 Euro Miete in<br />

einer kleinen Villa im Kolonialstil. Zur Uni fahre ich<br />

mit dem Bus, der ist verlässlicher als die U-Bahn, die<br />

ständig bestreikt wird. Akademisch gesehen ist die Uni<br />

UCES keine große Herausforderung: Ich habe nur fünf<br />

Vorlesungen pro Woche. Vieles kenne ich schon von<br />

meinem Studium in Hamburg. Vor meinem Auslandssemester<br />

hatte ich darauf gehofft, viel mit meinen argentinischen<br />

Mitstudierenden auszugehen. Das ist<br />

aber gar nicht so einfach, weil die meisten neben dem<br />

Studium arbeiten. Daher unternehme ich viel mit anderen<br />

Austauschstudierenden und mit den argentinischen<br />

Koordinatoren. Gemeinsam veranstalten wir sogenannte<br />

Asados, das sind Grillabende, bei denen stundenlang<br />

Fleisch in allen Variationen gegessen wird.<br />

Zweimal in der Woche gehe ich mit einem Kumpel in<br />

Milongas – Tanzkneipen, in denen man zunächst Tango<br />

beigebracht bekommt, bevor dann alle – Profis und<br />

Amateure – auf die Tanzfläche gehen. Berührungsängste<br />

legt man hier sehr schnell ab. Die Menschen<br />

sind viel lockerer und extrovertierter. Im Bus wird ins<br />

Handy gebrüllt, um den Nachbarn zu übertönen, Partys<br />

dauern bis in den frühen Morgen, und sogenannte Piropos<br />

gehören zum Umgangston. Es ist völlig normal, zu<br />

hübschen Frauen ‚Oh, was für eine Schönheit!‘ oder<br />

‚Schöner Po‘ zu sagen, ohne aufdringlich zu wirken.<br />

Was mir nicht so gefällt? Das langsame Tempo im Alltag.<br />

Im Supermarkt eine ganze Stunde lang an der Kassenschlange<br />

zu warten. Argentinier sind da viel stressresistenter.<br />

Das kommt mir manchmal vor wie eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.<br />

Kein Wunder, fünfzig<br />

Prozent der Menschen, die in der Stadt leben, sind Regierungsangestellte.<br />

Ich glaube, ich habe hier vor allem<br />

eines gelernt: Geduld zu haben.“<br />

FLAGGE ZEIGEN IN DEN ANDEN:<br />

MERLIN HEYMANN, 21, studiert im<br />

fünften Semester Wirtschaftsingenieurwesen<br />

an der Nordakademie<br />

in Hamburg – ein Jahr lang ist er an<br />

der Uni von Buenos Aires.<br />

STADTZENTRUM VON<br />

BUENOS A I RES .<br />

„Trotz moderner Medien benutzen<br />

wir immer noch Unterrichtsmethoden<br />

wie vor 1.000 Jahren.<br />

Dabei sollte Unterricht wie ein<br />

guter Film funktionieren.“<br />

SEBAS T IAN T H RUN, 45,<br />

GRÜNDER DER ONLINE-U N I U D ACITY<br />

Von Vulkaniern lernen<br />

Auch Zeitreisen sollten<br />

pünktlich anfangen,<br />

findet Dr. Hubert<br />

Zitt. Normalerweise<br />

lehrt der Dozent technische<br />

Informatik an<br />

der Fachhochschule<br />

Kaiserslautern in<br />

Zweibrücken. Noch<br />

lieber reist der Science-Fiction-Fan<br />

aber<br />

mit seinen von ihm erfundenen<br />

Star-Trek-<br />

Vorlesungen durchs<br />

Land. Und da kann es<br />

passieren, dass sich der Beginn so einer Veranstaltung wegen des Andranges<br />

mal wieder verzögert, zumal das Publikum oft kostümiert<br />

erscheint. Doch wenn alle Klingonen, Vulkanier, Andorianer und<br />

Nausicaaner Platz genommen haben, geht es zur Sache, und Dr. Zitt<br />

erklärt zum Beispiel die physikalischen Hintergründe sogenannter<br />

temporaler Paradoxien. Denn genau das sind Zeitreisen, die in Literatur,<br />

Film und Fernsehen zu fantastischen Abenteuern führen. Wo<br />

und wann Hubert Zitt 2013 über die realen wissenschaftlichen Möglichkeiten<br />

und technischen Voraussetzungen von Warp-Antrieb und<br />

Fusionsreaktoren referiert, veröffentlicht er online unter http://<br />

star trekvorlesung.fh-kl.de. Ein Highlight steht schon fest: Rechtzeitig<br />

zur neuen Kinopremiere des neuen Star-Trek-Filmes findet in<br />

Düsseldorf vom 9. bis zum 12. Mai Europas größtes Treffen der Sci-<br />

Fi-Fans statt, die FedCon 22. Von Zitt wird dort zu hören sein, wie<br />

Star Trek die Welt verändert hat. www.fedcon.de<br />

HOCHSCHUL<br />

ANZEIGER<br />

6


G U N T H I L D K U P I T Z<br />

ALLE ZU MIR<br />

EIN HURRA AUF DIE ORCHIDEENFÄCHER. DIESMAL MIT<br />

PROF. DR. JARICH HOEKSTRA, PROFESSOR FÜR FRISISTIK IN KIEL.<br />

WIE KOMMT<br />

DAS DA REIN?<br />

FOTOS: LAIF, PLANET PHOTOS LTD., PRIVAT<br />

„In diesem Semester hatten wir elf<br />

Neuanfänger, im letzten Jahr zwölf,<br />

das war schon relativ viel. Die wenigsten<br />

sind mit Friesisch aufgewachsen:<br />

Unsere Studierenden –<br />

insgesamt etwa 25 – kommen von<br />

überall her, auch aus Bayern oder Sachsen.<br />

Wir haben auch immer ein paar amerikanische<br />

Studierende hier am Institut.<br />

Für die meisten ist Friesisch eine Fremdsprache<br />

– für Deutschsprachige etwa genauso<br />

leicht zu lernen wie Dänisch. Zwei dieser friesischen<br />

Mundarten muss jeder im Laufe des Studiums<br />

lernen: Mooring, eine festlandnordfriesische<br />

Mundart, Fering, das auf der Insel Föhr gesprochen<br />

wird, oder Westfriesisch, das in den Niederlanden<br />

gesprochen wird. Es ist natürlich ein Vorteil,<br />

wenn man die Sprache schon mal gehört hat,<br />

zum Beispiel oft Urlaub gemacht hat auf den nordfriesischen<br />

Inseln.<br />

Friesisch ist eine Minderheitensprache und<br />

teilweise stark bedroht. Das Westfriesische steht<br />

noch relativ gut da: 400.000 Sprecher – immerhin<br />

mehr als Isländisch –, eine blühende Literatur, den<br />

ganzen Tag Radio auf Friesisch … Ostfriesisch<br />

wurde früher im ganzen Gebiet zwischen Ems und<br />

Weser gesprochen – heute nur noch von höchstens<br />

2.000 Menschen im Saterland, das aus drei Dörfern<br />

westlich von Oldenburg besteht.<br />

Das Nordfriesische, das an der Westküste<br />

Schleswig-Holsteins gesprochen wird und in unserem<br />

Studiengang Schwerpunkt ist, hat rund<br />

10.000 Sprecher und zehn unterschiedliche<br />

Der Fluch mit dem Buch<br />

Das hat gerade noch gefehlt: Der Abgabetermin für<br />

die Hausarbeit steht kurz bevor, die Zeit ist ohnehin<br />

schon knapp, und dann ist ausgerech<strong>net</strong> auch noch<br />

ein ganz dringend benötigtes Fachbuch aus der Bibliothek<br />

entliehen. Wer tatsächlich auf den letzten<br />

Drücker spezielle Literatur braucht, dem können<br />

Literatur-Lieferdienste wie subito und GetInfo helfen.<br />

Sie besorgen die Bücher in der Regel innerhalb<br />

Mundarten. Ich selbst bin in den Niederlanden<br />

mit Westfriesisch aufgewachsen.<br />

Als Jugendlicher habe ich die<br />

friesische Literatur entdeckt: Romane,<br />

die mich gefesselt haben und den Vergleich<br />

mit niederländischer Literatur<br />

durchaus aushalten konnten – da habe ich mich<br />

dazu entschieden, Friesisch zu studieren. Das<br />

Fach gibt es in Kiel seit 1972. Als kleiner Fachbereich<br />

können wir die Studierenden leicht einbeziehen<br />

in die Forschung, und sie können das Studium<br />

relativ flexibel gestalten. Auf Wunsch können wir<br />

auch Veranstaltungen außer der Reihe anbieten.<br />

Dieses Semester bieten wir zum Beispiel einen<br />

Kurs in Sölring an, der friesischen Mundart von<br />

Sylt – nur, weil jemand den Wunsch geäußert hat.<br />

Viele unserer Studierenden kombinieren<br />

Frisistik mit einem größeren Fach. Wer aus seinem<br />

Friesisch-Studium seinen späteren Beruf<br />

machen möchte, findet in Deutschland nur wenige<br />

Stellen. In den Niederlanden gibt es natürlich<br />

mehr Möglichkeiten. Einige unserer Studierenden<br />

sind beim Nordfriesischen Institut in Bredstedt<br />

untergekommen oder unterrichten an der<br />

Universität Flensburg, wo man Friesisch als<br />

Schwerpunkt im Lehramtsstudium Germanistik<br />

wählen kann. In der Politik, im kulturellen Bereich<br />

und in den Medien kann Friesisch eine Zusatzqualifikation<br />

sein. Mehrere unserer Studierenden<br />

sind über das Friesisch-Programm des<br />

NDR zum Radio gekommen.“<br />

PROTOKOLL: CONSTANZE KINDEL<br />

von drei Werktagen. Noch schneller geht es im Eildienst<br />

– innerhalb von 24 Stunden –, und bei echten<br />

Notfällen bietet GetInfo sogar eine elektronische<br />

Volltextlieferung per Mail innerhalb von drei Stunden.<br />

Allerdings: Je schneller die Lieferung, desto<br />

teurer wird es. Der Service kostet pro Buch zwischen<br />

neun und 20 Euro.<br />

www.subito-doc.de, www.getinfo.de<br />

Muße für<br />

die Muse<br />

Jeder soll kreativ sein, jeder will kreativ sein,<br />

jeder kann kreativ sein. Leider bloß nicht,<br />

wenn er muss. Die neurowissenschaftliche Erklärung<br />

dafür lautet: Neue, überraschende Ideen<br />

können erst entstehen, wenn sogenannte<br />

Alphawellen mit einer Frequenz von zehn bis<br />

zwölf Hertz in Stirnhirn und Scheitellappen<br />

schwingen. Was übersetzt bedeutet: Kreativität<br />

ist nur in einem entspannten Zustand wie<br />

dem ziellosen Nichtstun oder beim Tagträumen<br />

möglich. Wer dagegen unter Zeitdruck<br />

steht, unruhig ist und extrem auf sein Thema<br />

fokussiert ist, hindert sein Gehirn am Denken.<br />

Das heißt, bis dahin unverbundene Informationen<br />

werden nicht in Beziehung zueinander gesetzt.<br />

Wenig überraschend also, dass ein Nobelpreisträger<br />

wie der Physiker Gerd Binnig<br />

auf die Frage, wann er denn seine besten Ideen<br />

habe, nicht antwortet: „am Schreibtisch“ oder<br />

„im Labor“, sondern „auf dem Sofa“. Wenig<br />

überraschend ist jedoch auch, dass er sich zuvor<br />

natürlich intensiv mit den zu lösenden Problemen<br />

beschäftigt hatte. Für einen Forscher<br />

sind nämlich Auszeiten nach einer Phase der<br />

Konzentration genauso wichtig wie für einen<br />

Sportler die Ruhezeiten nach dem Training.<br />

Erst dann nämlich können frische Verbindungen<br />

zwischen Nervenzellen geknüpft werden<br />

und damit neue Zusammenhänge zwischen<br />

bereits abgespeicherten Fakten entstehen.<br />

Und für einen besonders genialen Einfall gibt’s<br />

manchmal sogar den Nobelpreis.<br />

HOCHSCHUL<br />

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7


C O N S T A N Z E K I N D E L<br />

DER CAMPUS AM<br />

ENDE D E R W E L T<br />

Acht Wochen lang versinkt die norwegische Uni-Stadt Tromsø jedes Jahr<br />

in der Dunkelheit der Polarnacht. Wie hält man es nur aus, hier zu studieren?<br />

Mit Rentierrennen in der Innenstadt, Partys in Moonboots und Cocktailkleid.<br />

Und einer eigenen Bierbrauerei in der WG-Küche.<br />

F O T O S : KIMM SAATVEDT


Alles ist erleuchtet: Blick vom Campus auf der Insel<br />

Tromsøya aus auf die Festlandseite der Stadt.


Dass sie hier studieren würde, irgendwann, das stand fest – seit Jahren<br />

schon. Als Katharina Streuff noch all ihre Freunde beneidete, deren Berufswunsch<br />

schon seit Kindergartenzeiten feststand oder wenigstens<br />

seit der Oberstufe. Als sie noch mit ihrer besten Freundin durch Südamerika<br />

reiste, von einem Freiwilligenprojekt zum anderen, und in einem<br />

Inter<strong>net</strong>café in Quito Studienfächer und Bewerbungsverfahren<br />

recherchierte. Sie wusste es, sagt Katharina, 25, von dem Moment an,<br />

als sie zu Abi-Zeiten einen Zeitschriftenartikel über Tromsø las: die<br />

Stadt mit der nördlichsten Uni der Welt. Da will ich hin. Sie fing dann<br />

erst mal mit Geowissenschaften an, in Kiel. Aber nach Tromsø wollte<br />

sie immer noch. Und Polarforscherin werden, vielleicht. Manchmal,<br />

sagt Katharina, setze ich mir Sachen in den Kopf, die ich machen will.<br />

Seit anderthalb Jahren studiert Katharina in Tromsø, Nordnorwegen,<br />

knapp 350 Kilometer Luftlinie nördlich des Polarkreises:<br />

Master in Marine Geology and Geophysics. Sitzt im Café des Teorifagbyget<br />

mit Strickjacke, Mütze, Pulswärmern – alles selbst gestrickt –,<br />

während draußen das bisschen Tageslicht vor sich hindämmert, das in<br />

Tromsø als Wintervormittag durchgeht, und findet, wenn schon Winter,<br />

dann richtig. Mit Schnee, reichlich. Nicht dieses Regengesöff, das<br />

man in Hamburg die ganze Zeit aufgetischt bekommt.<br />

Das halbe Dutzend Mitbewohner in ihrem Wohnheimhaus kommt<br />

aus Pakistan, Russland, Italien. An der Uni stellen Deutsche das halbe<br />

Geologie-Institut, angefangen mit dem Institutsleiter. Es gibt ziemlich<br />

viele, die dem verfallen, was Katharina „Tromsøianitis“ getauft hat.<br />

Ausgerech<strong>net</strong> Tromsø. Knapp 70.000 Einwohner auf einer<br />

Stadtfläche so groß wie das Saarland, auf demselben Breitengrad<br />

wie Nordalaska, 2.000 Kilometer bis zum Nordpol. Hier ist Norwegen<br />

fast zu Ende, Europa, die Welt. Zwei Monate im Jahr geht die<br />

Sonne nicht unter, zwei Monate geht sie nicht auf. Jahresdurchschnittstemperatur<br />

2,5 Grad Celsius. Die Einheimischen fassen die<br />

klimatischen Bedingungen so zusammen: acht Monate Winter, vier<br />

Monate schlechte Skiverhältnisse.<br />

Der Campus liegt auf einem Hügel nicht weit vom Stadtzentrum<br />

auf der Insel Tromsøya. Die Universität Tromsø, gegründet 1972, ist<br />

eine Uni im Wachstum. Gerade haben die Zahnmediziner ein neues<br />

Gebäude bekommen, hinter dem Institut für Naturwissenschaft und<br />

Technik graben Bagger für den nächsten Neubau. Norwegens Hochschulen<br />

konkurrieren heftig um Studierende. Fördermittel werden<br />

auch nach der Zahl der Studierenden bemessen, die eine Uni erfolgreich<br />

zum Abschluss bringt. Tromsø als Stadt mit der nördlichsten Uni<br />

weltweit legt Wert darauf, dass man hier mehr kann als „Norden“. Dennoch<br />

versteht man die Lage am Rand der Arktis als Auftrag. Und ist<br />

führend in Linguistik, Friedensforschung, Indigenen Studien, Telemedizin.<br />

Es passiert eben viel hier, sagt Ute Vogel, 45, 2003 aus Hamburg<br />

nach Tromsø gezogen und Beraterin in der Internationalen Abteilung<br />

der Universität. Tromsø ist näher dran an den großen Themen: Klimawandel,<br />

arktische Ressourcen. Das Fram Centre, ein Netzwerk von 20<br />

Instituten, forscht zu Umweltthemen, die heute den hohen Norden bewegen<br />

und morgen den Rest der Welt.<br />

Die Internationale Abteilung der Universitetet i Tromsø (UiT)<br />

wirbt in aller Welt um Studierende, demnächst auch in Deutschland.<br />

Das Angebot, auf nackte Zahlen reduziert: 150 Studiengänge,<br />

22 englischsprachige Masterprogramme, ein Verhältnis von Studierenden<br />

zu Dozenten von 8 : 1. Keine Studiengebühren, keine<br />

Sprechstunden, weil die Türen der Professoren ohnehin immer<br />

offen stehen.<br />

In letzter Zeit wird die Uni von ihrer eigenen Beliebtheit ein bisschen<br />

überwältigt. Wegen akuten Wohnungsmangels hat sie das Notfall-Schlafplatzprogramm<br />

Sofahjelpen („Sofahilfe“) aufgelegt. Immerhin<br />

: Ausländischen Studierenden garantiert die UiT einen Wohnheimplatz.<br />

Auch sonst bemüht man sich um die Internationalen: Zu<br />

Semesterbeginn wartet ein Empfangskomitee am Flughafen im<br />

Schichtbetrieb, eine Einführungswoche lang überschüttet die Internationale<br />

Studentenunion die Neuankömmlinge auf Begrüßungsfeiern<br />

und Bustouren mit Informationen für alle Fälle bis hin zu<br />

Ratschlägen dazu, wo man am besten Spannbettlaken kauft. In der<br />

Mørketid, der Dunkelzeit, stellt die Uni Tageslichtlampen für<br />

Lichttherapiebedürftige auf und empfiehlt Vitamin-D-Präparate<br />

und soziale Aktivitäten gegen Anfälle von Winterdepression.<br />

Zehn Prozent der rund 8.500 Studierenden und ein Viertel des<br />

akademischen Personals der UiT kommen aus dem Ausland. Studierende<br />

aus Deutschland sind die zweitgrößte Gruppe nach denen aus<br />

Russland. Die Chancen sind gut für die, die bleiben wollen. „Tromsø<br />

ist eine wachsende Stadt“, sagt Ute Vogel, „die Region braucht Leute.“<br />

Meistgehörte Gründe fürs Kommen und Bleiben: die Natur. Die<br />

Studienbedingungen. Meistgenannter Nachteil des Studierens<br />

nördlich des Polarkreises: die Preise. Ausgehen ist teuer, Alkohol<br />

teurer. Zehn Euro für ein Bier gegen Bestbedingungen zum Ski- und<br />

Snowboardfahren am Stadtrand. Man kann die Bremer Kneipen<br />

vermissen lernen hier, aber: „Die Natur ist unglaublich“, sagt Benjamin<br />

Merkel, 24. Bei den norwegischen Studierenden ist die Tromsø-<br />

Begeisterung meist weniger ausgeprägt als bei den internationalen.<br />

Norweger, so Benjamin, möchten nicht gern in den Norden: die Kälte,<br />

die Dunkelheit, das Provinzielle. Kalt ist es da draußen, dunkel<br />

auch, aber Tromsø entwickelt sich. Vor 15 Jahren, heißt es, konnte<br />

man in der Gemüseabteilung im Supermarkt nichts anderes kaufen<br />

als Karotten. Gerade hat beim Flughafen ein neues Einkaufszentrum<br />

eröff<strong>net</strong>, mit mehr als hundert Geschäften.<br />

Und im Vergleich mit Longyearbyen auf Spitzbergen im noch<br />

viel höheren Norden, wo Benjamin das dritte Jahr seines in Bremen<br />

begonnenen Bachelor-Studiums in Biologie verbrachte, steigt Tromsø<br />

ohnehin zur Polarmetropole auf. Über die Robbenpopulation von<br />

Spitzbergen hat Benjamin an der UiT gerade seine Master-Arbeit geschrieben.<br />

Die kann man hier auch als PDF-Datei abgeben statt in<br />

zehnfacher Ausfertigung gedruckt. Überhaupt ist es hier ein anderes<br />

Studieren als in Deutschland, sagt Benjamin. Persönlicher. Die Kurse<br />

sind weniger überfüllt – und oft auch nicht so anstrengend: „Man muss<br />

weniger tun für die gleichen Credits. Ich habe hier mal einen Kurs belegt,<br />

der fünf Tage dauerte und mir fünf Credits eingebracht hat.“ Vor<br />

allem legt der norwegische Staat Wert auf Lehre – und investiert reichlich<br />

Geld in Bildung. „Bei den Marinebiologen“, sagt Benjamin, „geht<br />

es hier nicht nach dem deutschen Prinzip ‚wir sitzen hier und erzählen<br />

dir, was du sehen könntest, wenn du draußen wärst‘. Hier können auch<br />

Bachelor-Studierende eine Woche auf einem Forschungsschiff verbringen,<br />

voll bezahlt. Davon kann man in Deutschland nur träumen.“<br />

Ein bisschen hat Tromsøianitis immer auch mit dem Rest des<br />

Landes zu tun, mit gesamtnorwegischer Anziehungskraft. Norwegen:<br />

Lebensqualitätslistenanführer, reich und schön, zukunftssorglos,<br />

sozial bewusst. Ein Wohlfahrtsstaat halt, sagt Karen Hopmann,<br />

25. Sehr sozial sind die Norweger, findet sie, gleichmacherisch, fast<br />

ein bisschen kommunistisch. Vor allem aber: entspannt. Hier geht<br />

es nicht immer um Leistung, hier muss nicht immer alles schnell<br />

gehen, nicht immer ein roter Faden im Leben sein. Sie fühle sich so<br />

weit im Norden, sagt Karen, viel wohler als in ihrem ersten Studentenleben<br />

in den Niederlanden. Nach dem Abitur war sie zum Psychologiestudium<br />

nach Maastricht gezogen. Das lag nahe, ziemlich buchstäblich:<br />

Ihre Heimatstadt Nordhorn liegt direkt an der Grenze.<br />

Als im sechsten Semester der Auslandsaufenthalt anstand, war<br />

Karen spät dran mit der Bewerbung. Sie musste nehmen, was an Austausch-Unis<br />

übrig war, und hatte die Wahl zwischen Oslo und Tromsø.<br />

1<br />

Campus im Dämmerlicht:<br />

Während der Polarnacht<br />

geht die Sonne in Tromsø<br />

zwischen Ende November<br />

und Ende Januar zwei<br />

Monate lang<br />

gar nicht erst auf.<br />

2<br />

Tageslichtlampen helfen<br />

gegen den Winter-Blues.<br />

3<br />

Karen Hopmann (25)<br />

macht an der nördlichsten<br />

Uni der Welt ihren Master<br />

in Psychologie und sagt:<br />

„Tromsø ist meine Stadt<br />

geworden.“<br />

4<br />

Schöne neue Zahnmediziner-Welt:<br />

Studierende<br />

anderer Fächer können<br />

sich in der Zahnklinik als<br />

Versuchspatienten<br />

immerhin kostenlos<br />

behandeln lassen.<br />

5<br />

Das Kulturhaus Árdna<br />

des Zentrums für samische<br />

Studien wird gern für<br />

Versammlungen und<br />

Meetings genutzt.<br />

HOCHSCHUL<br />

ANZEIGER<br />

10


1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5


7<br />

Ralph Kube (28) studiert<br />

Kernfusionsforschung<br />

– und braut sein Bier<br />

aus Kostengründen<br />

in der heimischen WG.<br />

8<br />

Michael Kampffmeyer (21)<br />

studiert seit dreieinhalb<br />

Jahren in Tromsø – komplett<br />

auf Norwegisch.<br />

9<br />

Auf internationale Austauschstudenten<br />

wirken<br />

die Norweger oft eher<br />

zurückhaltend – das ändert<br />

sich nach ein paar Bier.<br />

10<br />

Wer Kälte und Wintersport<br />

mag, muss Tromsø<br />

einfach lieben.<br />

Nur die Bremer Kneipenszene<br />

vermisst Benjamin<br />

Merkel (24) manchmal.<br />

7<br />

9<br />

8<br />

10<br />

Tromsø, nie gehört. Aber mal was anderes, dachte sie.<br />

Da komme ich nie wieder hin. Pünktlich zum Beginn<br />

des Frühlingssemesters kam Karen im Dämmerlicht in<br />

Tromsø an. Es war ein Mittag im Januar und so schnell<br />

wieder dunkel, dass schon die Suche nach einem Supermarkt<br />

eine Herausforderung war. All ihre Kurse wurden<br />

auf Norwegisch unterrichtet, anfangs ging sie mit Kopfschmerzen<br />

aus jeder Vorlesung. Heute sagt Karen: Das<br />

hier ist meine Stadt geworden. Sie ist wiedergekommen,<br />

für ihren Master-Abschluss in Psychologie, und<br />

bleibt vielleicht für immer. Sie wohnt mit ihrem norwegischen<br />

Freund auf der Festlandseite von Tromsø. Im<br />

Sommer führt sie Touristen durch die Stadt, im Winter<br />

auf Nordlichttouren an die finnische Grenze oder zu den<br />

Stränden der Nachbarinsel Kvaløya. Mit ein bisschen<br />

Glück leuchtet der Himmel irgendwann außerirdisch<br />

grün, und aus dem Nordmeer prustet ein Buckelwal.<br />

Und wenn die Nordlichtjäger in Outdoorjacken und Pudelmützen<br />

im Bus versammelt sind, dann erzählt Karen<br />

ihnen von Tromsøs zweitem Leben, von den schlaflosen<br />

Mitternachtssonnennächten, in denen sie ihre<br />

80-jährige Nachbarin um drei Uhr morgens beim Rasenmähen<br />

sieht.<br />

Komplett vorbei ist es mit dem Winter auch bei<br />

Mitternachtssonne nicht. An seinem letzten Geburtstag<br />

sind sie nachts um zwölf noch mal raus zum Skifahren,<br />

sagt Michael Kampffmeyer (21), drüben auf Kvaløya,<br />

und als sie nachts um vier zurückkamen, war es immer<br />

noch hell. Michael war schon in der neunten Klasse zum<br />

Schüleraustausch in Norwegen, machte dann in England<br />

sein A-Level und kehrte nach Norwegen zurück für<br />

ein Doppelstudium: Ingenieursstudium Energie, Klima<br />

und Umwelt mit Master-Abschluss plus Bachelor in Informatik.<br />

Seit dreieinhalb Jahren lebt er jetzt in Tromsø,<br />

und sein Deutsch verliert den norwegischen Akzent und<br />

das Wortesuchen erst, wenn er ein paar Tage auf Heimaturlaub<br />

war. „Ich vermute, dass ich hier bleibe“, sagt<br />

Michael, zum Studieren sowieso, dann vielleicht eine<br />

Doktorandenstelle und ein Job im Bereich Satellitenüberwachung.<br />

Er sei ein Naturmensch, erzählt Michael, der<br />

ziemlich ungerührt von einem Semester am Universitätszentrum<br />

Spitzbergen berichten kann; von Helikopterrettungen<br />

nach allergischen Reaktionen auf Nüsse<br />

im mit geschmolzenem Schnee angerührten Touressen;<br />

von Snowmobil-Fahrten mit Wetterumschwüngen,<br />

Whiteouts, Motorausfällen, und wie am Morgen danach<br />

der Professor in der Uni vorbeikam und sagte, er<br />

sei mit seiner Gruppe ihren Scooter-Spuren gefolgt, ob<br />

sie eigentlich wüssten, dass sie nur fünf bis zehn Meter<br />

am Klippenrand vorbeigefahren seien?<br />

In der Stadt, sagt Michael, sei aber auch immer<br />

was los. Das Internationale Filmfestival zum Beispiel,<br />

das Elektrofestival Insomnia oder Rentierrennen<br />

in der Fußgängerzone. Oder das ganz normale<br />

Nachtleben, für das Tromsø ziemlich berühmt ist.<br />

Mehr als 20.000 Plätze haben sämtliche Bars, Kneipen,<br />

Cafés und Restaurants der Stadt zusammen und<br />

könnten immerhin ein knappes Drittel der Einwohner<br />

gleichzeitig unterbringen. Die Studierendenzeitung<br />

Utropia wirbt um Redakteursnachwuchs mit<br />

dem Versprechen, dass ihre Mitarbeiter zwecks Berichterstattung<br />

freien Eintritt zu sämtlichen Kulturveranstaltungen<br />

genießen. Freigetränke allerdings


werden nicht garantiert. Die staatliche Alkoholpolitik mit den europaweit<br />

höchsten Steuern und die Sperrstunde verleihen dem norwegischen<br />

Ausgehverhalten einen klar geregelten Ablauf: Warmtrinken zu<br />

Hause, Weitertrinken in Kneipen und Clubs, und wenn morgens um<br />

drei die Lichter angehen, geht die Party in irgendeiner Privatwohnung<br />

weiter. Teil eins und drei der Feier-Trilogie tragen im Norwegischen die<br />

assoziationsreichen deutschen Namen „Vorspiel“ und „Nachspiel“.<br />

Im Stadtzentrum geht der Freitagabend gerade in den Hauptteil über.<br />

Im Verdensteatret an der Hauptstraße Storgata, Norwegens ältestem Kino,<br />

tanzen sie in Wintermänteln vor der Bar; vor der kleinen Kellerbühne des<br />

Nedentil im Anzug samt Fliege und in Moonboots zum Spaghettiträgerkleid<br />

zu den hämmernden Bässen von Raggabalder Riddim Rebels, die 50<br />

Prozent der norwegischen Soundsystem-Szene stellen.<br />

Nach zwei Bier, sagt Ralph Kube (28), taut auch der zurückhaltendste<br />

Norweger auf. Er sitzt im Studierendenhaus Driv am Hafen in<br />

der Sofaecke, über ihm die Holzbalkendecke, vor sich ein Bierglas,<br />

selbst mit Studierendenrabatt teuer erkauft. Ralph hat schon im Jahr<br />

2007 Elementarteilchenphysik in Aachen gegen Kernfusionsforschung<br />

in Tromsø getauscht, inzwischen ist er Doktorand: in Norwegen eine<br />

Vollzeitstelle mit Vierjahresvertrag. Und ja, „alles ziemlich cool hier“,<br />

sagt Ralph. Wenn er 2014 seinen Doktor hat, will er trotzdem zurück<br />

nach Deutschland. Hauptsächlich, weil in Aachen seine Freundin wartet,<br />

aber auch, weil er die Großstadtnähe vermisst. Dabei hat er schon<br />

vor einiger Zeit das wohl meistbeklagte Problem im Tromsøer Studentenleben<br />

gelöst. In seiner WG-Küche steht ein 20-Liter-Bottich. Ralph<br />

und seine Mitbewohner brauen ihr Bier jetzt selbst.<br />

Rund vier Stunden braucht man<br />

mit dem Flugzeug von Hamburg<br />

über Oslo bis nach Tromsø.<br />

TROMSØ<br />

OSLO<br />

HAMBURG<br />

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TECHNIK NICHT AUS.<br />

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I N T E R V I E W : Y O R K P I J A H N<br />

KUNST MIT KNUSPERSCHNITZEL<br />

Auch wenn Mensa-Essen oft schmeckt, als sei es mit Hass gekocht: Wenn Maurice Etoile es in den Händen hatte,<br />

ist es zumindest mit Liebe dekoriert. Seit einem Jahr macht er aus Mampf Kunst. Hunderttausenden gefällt das …<br />

FOTOS: MAURICE ETOILE UND FRIZZI KURKHAUS<br />

Wölfe aus Rinderbraten,<br />

Pacman aus Kartoffelpuffern:<br />

Maurice Etoile stellt seine Kreationen<br />

und die seiner Mitstreiter auf Facebook<br />

(Stichwort „Mensa Battle“) online.<br />

Die besten Gerichte werden prämiert.


Vor einem Jahr haben Sie damit begonnen, Ihr<br />

Mensa-Essen umzudekorieren, abzufotografieren<br />

und auf Facebook zu posten. In manchen Wochen<br />

haben sich 400.000 Leute ihre Mensa-Kunst<br />

angeschaut. Wie hat all das angefangen?<br />

Ein guter Freund war damals von Saarbrücken<br />

nach Berlin gezogen und hat ziemlich rumgepost,<br />

dass dort alles besser sei. Unter anderem das Essen<br />

in der Mensa. Da habe ich dagegengehalten und<br />

angefangen, mein Uni-Mittagessen in Saarbrücken<br />

zu fotografieren und ihm aufs Handy zu schicken –<br />

unter dem Motto: „Vergiss es Mann, unsere Mensa<br />

ist besser.“<br />

Aber daraus wurde dann mehr …<br />

Ja, wir haben die Fotos erst auf unseren Facebook-<br />

Seiten gezeigt und dann kam mir die Idee, die Möglichkeit<br />

einzubauen, die Leute abstimmen zu lassen,<br />

welches Gericht besser aussieht. Daraus wurde dann<br />

das Mensa-Battle und am Ende sogar meine Abschlussarbeit<br />

im Bereich Social-Media-Marketing.<br />

Können Sie sich noch an Ihr erstes Mensa-Gericht<br />

erinnern, das Sie fürs Foto dekoriert haben?<br />

Ja, das war ein Schnitzel. Ich steh da total drauf,<br />

wenn ordentlich Zitronensaft drüber ist. Also habe<br />

ich mir zwei Zitronenscheiben geholt, draufgelegt,<br />

sah aus wie ein Gesicht, fertig. Mittlerweile sind die<br />

Sachen natürlich viel raffinierter. Ich arbeite gern<br />

mit Olivenscheiben, mit denen bekommt man sehr<br />

schöne Augen hin. Eine Kreation dauert etwa 20 Minuten.<br />

Für mich war das Ganze auch ein Experiment,<br />

das die Frage beantworten sollte: Wie viel Aufmerksamkeit<br />

kann man erzeugen?<br />

Offensichtlich einige, schließlich werden Sie ja<br />

gerade interviewt. Wie viele Leute machen denn<br />

beim Mensa-Battle mit?<br />

50 haben Fotos gepostet – viele aus Saarbrücken,<br />

Köln, Mainz. Man kann aber auch mitmachen, wenn<br />

man gerade keine Mensa zur Hand hat. Die Zahl der<br />

Leute, die sich unseren Facebook-Auftritt angesehen<br />

haben, ist allerdings viel höher. Man muss einfach<br />

Anreize schaffen: Man kann zum Beispiel König der<br />

Mensa werden. Das ist ein Titel, den wir monatlich<br />

demjenigen verleihen, der die meisten „Likes“ bekommt.<br />

In der Vergangenheit gab es Kisten mit Bier<br />

zu gewinnen, außerdem Essensgutscheine.<br />

Machen Sie selbst bei den Wettbewerben mit?<br />

Nein, ich laufe außer Konkurrenz.<br />

Ist das Umdekorieren des Essens eigentlich eine<br />

Art Hilfeschrei, weil das Zeug so mies schmeckt?<br />

Überhaupt nicht, das Essen ist hervorragend. Das<br />

sieht man auch auf den Bildern.<br />

Ihr Lieblingsessen?<br />

Knusperschnitzel, gefolgt vom Germknödel.<br />

Erkennen die Leute in der Mensa Sie eigentlich,<br />

wenn Sie fürs Essen anstehen?<br />

Unser Campus hat 18.000 Studenten, ich bin da keine<br />

Berühmtheit. Aber die Mensa-Crew, die Köche,<br />

die kennen mich und freuen sich. Und ich bekomme<br />

immer einen Extra-Teller zum Umbauen.<br />

Essen Sie das Zeug eigentlich am Ende?<br />

Selbstverständlich.


V O N S A R A H M O U S L Y<br />

G E L D FÜR A L L E<br />

Was passiert, wenn tausend Menschen jeden Monat Geld bekommen, ohne dafür zu arbeiten?<br />

Macht solch ein bedingungsloses Grundeinkommen die Menschen faul und abhängig? Oder frei<br />

und fleißig? Diese Frage sollte ein Feldversuch in einem Dorf in Namibia beant worten.<br />

Die Tübinger Ethnologin Dr. Sabine Klocke-Daffa war während des Experimentes vor Ort.<br />

I L L U STR A T I O N : S Y L V I A NEU N ER


Die Idee, dass jeder Mensch ein bedingungsloses Grundeinkommen bekommt,<br />

wird in vielen Ländern diskutiert, auch in Deutschland. Warum fand<br />

das Experiment ausgerech<strong>net</strong> in Namibia statt?<br />

Die Idee kam nicht, wie viele glauben, von der UNO oder einer ausländischen Organisation.<br />

Das Land hat gigantische Bodenschätze, trotzdem lebt die Hälfte der<br />

Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Um etwas gegen die ungleiche Verteilung<br />

zu unternehmen, setzte die Regierung Anfang der 2000er-Jahre eine Steuerkommission<br />

ein. Einer ihrer Vorschläge lautete: ein gleiches Basiseinkommen für alle.<br />

Für alle? Auch für die Reichen?<br />

Namibia hat gerade mal zwei Millionen Einwohner. Ein bürokratischer Apparat,<br />

der die Bedürftigkeit jedes Einzelnen prüft, wäre teurer als einfach jedem Geld<br />

zu geben. Die Evangelisch-Lutherische Kirche Namibias griff die Idee auf. Sie<br />

sammelte Spenden und startete 2008 den Feldversuch im Dorf Otjivero, etwa<br />

eine Autostunde von der Hauptstadt Windhoek entfernt. Zwei Jahre lang bekam<br />

jeder Einwohner monatlich 100 Namibia-Dollar (etwa 10 Euro) ausgezahlt. Eine<br />

Familie mit fünf Kindern kam so auf 700 Dollar: mehr, als ein einfacher Farmarbeiter<br />

im Monat verdient.<br />

Sie haben untersucht, wie das Geld das Leben der Dorf bevölkerung verändert<br />

hat. Wie muss man sich Ihre Arbeit vorstellen?<br />

Man muss wissen, dass in Otjivero zu rund 80 Prozent Damara leben, eine Volksgruppe,<br />

die zu den Khoisan-Völkern gehört. Bei den Khoisan herrscht eine ausgeprägte<br />

Kultur des Schenkens und des Einforderns. Wer etwas übrig hat, egal ob<br />

Essen, Wasser, Geld oder Zeit, gibt anderen etwas ab. Und wer etwas braucht, eine<br />

Tasse Maismehl, ein Stück Seife oder jemanden, der auf die Kinder aufpasst, fragt<br />

bei Angehörigen und Nachbarn. Wir Deutschen definieren uns ja eher über das, was<br />

wir haben: Wenn Sie mit 40 immer noch in einer Studentenbude wohnen, fragt die<br />

Familie, wie es weitergehen soll. Das würden die Khoisan nie tun. Sie definieren<br />

sich darüber, was sie anderen geben. Wer nie etwas abgibt, dessen Status sinkt, und<br />

irgendwann wird er aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Ich war zusammen mit<br />

einer Doktorandin zwei Monate lang vor Ort. Wir befragten 30 Haushalte täglich<br />

nach ihren Einnahmen und Ausgaben. Die Hälfte in Otjivero, die andere Hälfte in<br />

einem nahe gelegenen Vergleichsort, in dem kein Basiseinkommen gezahlt wurde.<br />

Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?<br />

Dass das Projekt ein großer Erfolg war. 100 Dollar sind auch für namibische<br />

Verhältnisse keine riesige Summe. Dafür bekommt man etwas Maismehl, Tee,<br />

Zucker und ab und zu etwas Fleisch. Doch selbst dieser kleine Beitrag machte eine<br />

Menge aus. Es gab so gut wie keine Unterernährung mehr, die Kinder weinten<br />

nachts nicht mehr vor Hunger und konnten sich in der Schule besser konzentrieren.<br />

Auch die Kriminalitätsrate sank: Auf den umliegenden Farmen wurde kaum<br />

noch gewildert. Frauen, die vorher gelegentlich genäht hatten, kurbelten ihr Geschäft<br />

an. Sie reisten nach Windhoek, um auch dort ihre Kleider zu verkaufen.<br />

Zudem konnten die Menschen ihr Ansehen in der Gemeinschaft steigern. Otjivero<br />

ist ein extrem armer Ort – es gibt kaum Vieh und so gut wie keine Arbeit. Viele sind<br />

auf die Unterstützung von Familienmitgliedern aus anderen Dörfern angewiesen.<br />

Nun konnten sie etwas zurückgeben: etwa Geld schicken oder Kinder aus der<br />

Verwandtschaft aufnehmen. So haben sie sich ein soziales Kapital aufgebaut, von<br />

dem sie monate-, wenn nicht jahrelang zehren können.<br />

Dennoch wird kritisiert, es seien zu wenige wirtschaftliche Initiativen gestartet<br />

worden. Die meisten haben im Prinzip so weitergelebt wie vorher, Neugründungen<br />

lassen sich an einer Hand abzählen. Das Geld hatte also kaum einen<br />

nachhaltigen ökonomischen Effekt.<br />

Ich wehre mich dagegen, dass man sagt: „ Die Leute sind zu ungebildet und müssen<br />

erst noch lernen, mit Geld umzugehen.“ Sie können sehr wohl mit Geld umgehen,<br />

aber sie tun das nach ihren eigenen Präferenzen. Mich interessierte vor<br />

allem: Welchen Einfluss hat die Kultur der Menschen darauf, was sie mit dem<br />

zusätzlichen Geld anfangen? Wie ich erwartet hatte, benutzen sie es so, wie es<br />

ihrer eigenen Kultur entspricht – und nicht unserer.<br />

Das scheint der namibischen Regierung nicht zu reichen. Weder unterstützte<br />

sie das Projekt, noch wird es aufs ganze Land ausgeweitet. Warum nicht?<br />

Die größte namibische Volksgruppe sind die Ovambo, die viel interessierter an<br />

Business sind als die Damara. Entsprechend neoliberal ist die Wirtschaftspolitik.<br />

Oft ist zu hören: „Die Damara haben ja nichts aus dem Geld gemacht.“ Aber<br />

erstens reichen 100 namibische Dollar nicht dafür aus, ein ganzes System auf<br />

den Kopf zu stellen. Und zweitens sind die kulturellen Prioritäten der Damara<br />

schlichtweg andere. Wenn sie acht eigene Kinder haben und dazu noch zehn<br />

weitere durchfüttern, machen sie nebenbei kein Geschäft auf. Es ist ein weiteres<br />

Modellprojekt in Planung, das die Ovambo-Bevölkerung einschließen soll. Ich<br />

könnte mir gut denken, dass ein Grundeinkommen dort mehr ökonomische Impulse<br />

setzen würde. Aber das ist nur eine Vermutung, die ich erst beweisen müsste.<br />

In jedem Fall ist davon auszugehen, dass es ganz unterschiedliche, kulturell geprägte<br />

Formen des Umganges mit einem Basiseinkommen geben kann.<br />

Was gefällt Ihnen an der Idee des Grundeinkommens?<br />

Es gibt Menschen die Chance, eine Grundlage für ihr Leben zu schaffen. In vielen<br />

afrikanischen Dörfern versammelt man sich für wichtige Entscheidungen im<br />

Schatten eines großen Baumes. In Otjivero ist es ein Kameldornbaum mitten im<br />

Ort. Unter seiner Krone erfuhr die Bevölkerung vor fünf Jahren erstmals von dem<br />

Geld für alle. Der Baum hat es trotz der ungünstigen klimatischen Bedingungen<br />

aus eigener Kraft geschafft, groß und stark zu werden – weil man ihn hat wachsen<br />

lassen. Ich finde, auch die Menschen sollte man einfach mal machen lassen und<br />

ihnen nur die Unterstützung anbieten, die sie selbst haben wollen.<br />

Was ist mit Befürchtungen, dass dann weniger gearbeitet oder das Geld in<br />

Alkohol umgesetzt wird?<br />

Sie können natürlich nicht verhindern, dass einige Leute weniger Initiative aufbringen,<br />

als wenn sie das Geld nicht bekämen. Man kann auch nicht verhindern,<br />

dass manche Leute mehr trinken. In Otjivero haben gleich mehrere neue Kneipen<br />

aufgemacht, und da war natürlich Highlife. Aber das ist noch kein Grund, das<br />

Grundeinkommen abzulehnen. Es gibt in jeder Gesellschaft solche, die sich nicht<br />

aufraffen können oder die nicht so aktiv sind wie andere. Die müssen mit durchgezogen<br />

werden. Dafür ist Gesellschaft da, überall auf der Welt.<br />

Ist es nicht verständlich, dass diejenigen, die das Geld gespendet haben, es<br />

auch in ihrem Sinne verwendet sehen wollen?<br />

Dann ist es nicht mehr bedingungslos. Ein Grundeinkommen ohne Bedingungen<br />

setzt zwei Dinge voraus: Vertrauen in die Menschen, dass sie selbst am besten<br />

wissen, wofür sie die Mittel verwenden. Und Respekt vor kultureller Vielfalt im<br />

Umgang mit diesen Mitteln. Wenn es den Spendern in erster Linie darum geht, die<br />

Wirtschaft anzukurbeln, dann sollten andere Instrumente zum Einsatz kommen.<br />

Zum Beispiel kann man Mikrokredite für bestimmte Vorhaben vergeben.<br />

Fänden Sie das bedingungslose Grundeinkommen für Deutschland eine gute<br />

Idee?<br />

Als Wissenschaftlerin bin ich natürlich für einen Versuch in Deutschland. Ich<br />

würde zu gern sehen, was passieren würde. Aber mit einer Empfehlung halte ich<br />

mich lieber zurück.<br />

Sie sagen, wir Deutschen definieren uns über das, was wir uns selbst aufbauen.<br />

Heißt das, wir würden weiterarbeiten und uns nicht, wie Skeptiker behaupten,<br />

auf die faule Haut legen?<br />

Ich kann mir nicht vorstellen, dass plötzlich alle ihren Job aufgeben würden. Dazu<br />

definieren wir uns viel zu sehr über unsere Arbeit. Viele würden vielleicht die Arbeitszeit<br />

reduzieren. Dann hätten sie mehr Zeit, sich um sich selbst zu kümmern<br />

und um ihre Familien. Und das würde wieder mehr Jobs generieren.<br />

Mehr Zeit für den Einzelnen und mehr Jobs für alle – klingt nicht übel …<br />

Ja, aber das Grundeinkommen muss ja irgendwoher kommen. Götz Werner, der<br />

Gründer der Drogeriemarktkette dm und prominenter Befürworter der Idee, plädiert<br />

für ein Grundeinkommen von 1.000 Euro. Das würde uns jährlich über 900<br />

Milliarden kosten. 900 Milliarden! Das halte ich nicht für realistisch. Namibia dagegen<br />

könnte sich aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte und der Einnahmen<br />

aus dem Verkauf von Diamanten und Uran ein Grundeinkommen für alle leisten.<br />

Ich fände es gut, wenn sie es dort mal fünf Jahre lang ausprobieren würden. Dann<br />

würde man sehen: Führt die Umverteilung tatsächlich zu mehr Gerechtigkeit und<br />

weniger Armut? Oder ist es volkswirtschaftlich gesehen nichts weiter als eine<br />

schöne Idee?<br />

HOCHSCHUL<br />

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17


AUSGEHEN IN<br />

London<br />

DREI PRODUKTE,<br />

DIE SIE JETZT BRAUCHEN<br />

Klar, man könnte sein Bier in London im angesagten<br />

Shoreditch trinken. Doch während<br />

sich die Hornbrillen- und Schnurrbart-Träger<br />

hier gegenseitig die Show stehlen, geht es im<br />

abgewohnten Camden einfach entspannter<br />

zu. Im Hawley Arms, dessen Wurzeln bis ins<br />

Jahr 1900 zurückgehen, hat schon Amy<br />

Winehouse Bier getrunken (vermutlich mehr<br />

als eines). Der Holzboden knarzt, die Stühle<br />

wackeln, es ist brechend voll – so, wie es in<br />

einem Pub sein muss. Den leckeren Cider<br />

„Bulmers“ gibt’s hier vom Fass, und sonntags<br />

steht für zehn Pfund Sonntagsbraten auf der<br />

Karte. Gleich doppelt lohnt ein Besuch von<br />

Proud Camden: Tagsüber sind in dem ehemaligen<br />

Pferdestall Fotoausstellungen aus den<br />

Bereichen Musik und Popkultur zu sehen.<br />

Abends finden Konzerte und Partys statt, die<br />

von House bis Rock ’n’ Roll reichen. Und auch,<br />

wenn es ein bisschen nach Reiseführer-Gelaber<br />

klingt: Hier sollen manchmal Mark Ronson,<br />

Helena Christensen oder Pete Doherty<br />

auftauchen. Wenn alle Clubs und Pubs in<br />

Camden schließen und man keinen einzigen<br />

Promi zu einem gemeinsamen Handyfoto<br />

nötigen konnte, dann geht es ins Restaurant<br />

Marathon. Der Kebab-Laden sieht abgeschrammelt<br />

aus und hat ganze drei (drei!)<br />

Fans auf Facebook. Und Keith Richards von<br />

den Stones soll hier schon mal ein Bier getrunken<br />

haben. Falls das schon wieder Reiseführer-Gelaber<br />

sein sollte: Das Essen ist in<br />

jedem Fall super.<br />

Der Papp-Gettoblaster<br />

iPods und MP3-Player haben ihn verdrängt, den Kassetten<br />

fressenden, scheppernden Gettoblaster. Der Berliner<br />

Designer Axel Pfaender will das ändern und entwickelte<br />

die „Berlin Boombox“, einen faltbaren Papp-Gettoblaster.<br />

Mit einem 2-mal-5-Watt-Verstärker ausgestattet, klingt die<br />

mit allen mobilen Playern kompatible Boombox zwar nicht<br />

so gut wie ein High-End-Gerät, aber dafür sieht man damit<br />

mindestens so cool aus wie Run DMC in den Achtzigern.<br />

Preis: 65 Euro. berlinboombox.com<br />

AMY WINEHOUSE<br />

TRANK HIER GERN IHR BIER.<br />

Vollbart für alle<br />

Echte Kerle tragen Vollbart und<br />

notfalls: die Attrappe „Beardo“.<br />

Die Idee für diese Mütze mit Bart<br />

stammt von dem kanadischen<br />

Snowboarder Jeff Phillips, dem es<br />

auf der Piste einfach zu kalt war.<br />

Die Beardos sind handgemacht,<br />

aus Acrylfaser und mit schwarzem,<br />

braunem, blondem und rothaarigem<br />

Bart erhältlich. Ab<br />

30 Euro. beardo.bigcartel.com<br />

The Hawley Arms<br />

2 Castlehaven Road, London NW1 8QU<br />

www.thehawleyarms.co.uk<br />

Proud Camden<br />

The Horse Hospital, Stables Market,<br />

Chalk Farm Road, London NW1 8AH<br />

www.proudcamden.com<br />

Marathon Kebab House<br />

87 Chalk Farm Road, London NW1 8AR<br />

www.marathonkebabhouse.co.uk<br />

VON NADINE LISCHICK<br />

Deutsche Promis entlarvt<br />

Wer gern wissen würde, wie es Dieter<br />

Bohlen im Altenheim ergeht oder was Gott<br />

zum Kirchenbeitritt von Nina Hagen zu<br />

sagen hat, braucht dieses Buch: „Frank<br />

Bsirske macht Urlaub auf Krk – Deutsche<br />

Helden privat“. Darin entlarven Oliver<br />

Welke und Dietmar Wischmeyer<br />

die dunkelsten Seiten und die fiesesten<br />

Gedanken von und über 77 deutsche<br />

Helden. 16,95 Euro. amazon.de<br />

FOTOS: PLAINPICTURE, PR<br />

HOCHSCHUL<br />

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18


KUMMERKASTEN<br />

SOPHIE H. VIA MAIL<br />

Im Winter geht meine Stimmung immer in den Keller. Wie komme ich<br />

aus dem Winter-Blues wieder heraus?<br />

ILLUS T R A TIO N: M ATTHIAS S E I FAR T H<br />

Depressionen im Winter gab es schon in der Antike. Neben<br />

vielen individuellen Faktoren gehört auch Lichtmangel zu den<br />

Ursachen. Ich kenne allerdings kaum einen Kollegen, der eine<br />

saisonale Depression diagnostiziert und medikamentös behandelt<br />

hat.<br />

Jeden Tag bei Tageslicht eine Stunde spazieren zu gehen,<br />

kann schon helfen. Ich selbst gehe im Winter immer ins Solarium.<br />

Man kann sich aber auch spezielle Glühbirnen kaufen. Die<br />

verbrauchen zwar viel Strom, wirken aber stimmungsaufhellend.<br />

Johanniskraut bringt unter Umständen auch etwas.<br />

Man muss aber ehrlich sagen: Saisonale Depressionen<br />

sind etwas für Leute, die Zeit dafür haben. Wer 40 Stunden die<br />

Vom Glück auf dem Teller<br />

Diplom-Psychologe<br />

JENS HENDRIK MAIER<br />

Was wäre, wenn es ein Kochbuch gäbe, mit dem man seine Gefühle steuern<br />

kann? In dem es also Gerichte gibt, die einen glücklich oder stolz sein lassen,<br />

einem das Gefühl von Geborgenheit oder Nostalgie geben? Genau diese<br />

Fragen hat sich Christina Bermeitinger gestellt. Auf der Suche nach einer<br />

Antwort ließ die Psychologieprofessorin an der Uni Hildesheim ihre Studierenden<br />

gemeinsam mit Kochauszubildenden eineinhalb Jahre lang mit den<br />

unterschiedlichsten Zutaten, Farben, Gerüchen, Konsistenzen und Präsentationsformen experimentieren.<br />

Herausgekommen ist ein Kochbuch der Gefühle mit 15 Menüvorschlägen – vom<br />

optisch abschreckenden Labskaus plus Wurm-Wackelpudding (Ekel) über edles Lachs-Orangen-Linsen-Tatar<br />

(Stolz) bis hin zu süßem Grießbrei (Nostalgie) und nach Zimt und Vanille<br />

duftendem Bratapfel (Geborgenheit). Und wofür stehen die Hähnchen-Feigen-Spieße an Brokkoli<br />

mit Pfeffer-Käse-Püree? Für nichts anderes als pures Glück. (Verlag Gebrüder Gerstenberg,<br />

19,80 Euro). www.kochbuch-der-gefuehle.de<br />

Woche arbeitet, wird kaum eine Winterdepression be kommen.<br />

Aber wer sowieso viel grübelt und zudem einen Hang zu starker<br />

Melancholie hat, ist natürlich anfällig. Demjenigen kann ich vorbeugend<br />

empfehlen, sein Polster psychischer Gesundheit im<br />

Winter besonders zu pflegen, sprich den Alltag den eigenen<br />

Bedürfnissen entsprechend einzurichten und sich selbst Gutes<br />

zu tun. So werden Belastungen besser abgefedert.<br />

Sozialer Kontakt ist ebenfalls gut. Das lenkt ab, zumindest<br />

wenn man nicht nur über Probleme spricht. Gehen Sie in die<br />

Sauna oder ins Museum.<br />

Sie haben eine Frage? Dann schreiben Sie an:<br />

redaktion­@hochschulanzeiger.de<br />

Die Treppe als Tastatur<br />

Bereits der wackelige Werbefilm, den sich die beiden Studierenden für<br />

ihre Erfindung einfallen lassen haben, ist eine Offenbarung. Ihre Erfindung?<br />

Das ist das sogenannte MaKey MaKey, ein Minibausatz bestehend<br />

aus einer Platine und ein paar Krokodilklemmen. Mit diesem<br />

Bausatz lassen sich die Funktionen der Computertastatur, vor der wir<br />

jeden Tag sitzen, auf jedes Objekt im Haushalt übertragen, das Strom<br />

weiterleitet. Orangen, Pizzastücke, alles. Im Werbefilm rennt das Erfinderduo<br />

verkabelte Treppenstufen hoch und runter und bedient so die<br />

Tastatur seines Computers. Zwei Studierende des MIT Media Lab haben<br />

das MaKey MaKey erfunden. Laut einem Bericht der BBC sollen<br />

sogar Vier jährige den Steckbausatz zusammenfummeln können.<br />

Preis: 49,90 Euro. www.makeymakey.eu<br />

Job & Career Market 2013<br />

Das Zentrum für Recruitment & Qualifizierung<br />

Absolventen<br />

erreichen hier<br />

ihre künftigen<br />

Top-Arbeitgeber.<br />

Mehr Informationen unter<br />

www.hannovermesse.de/de/jcm<br />

NEW TECHNOLOGY FIRST<br />

8.–12. April 2013 · Hannover · Germany<br />

HOCHSCHUL<br />

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19


V O N J E N N Y H O C H<br />

SELFMADE TV<br />

MUSIKFERNSEHEN MIT AUSSICHT<br />

Statt eines Studios gibt es nur das Dach eines Bunkers in der Nähe<br />

der Reeperbahn. Statt einer Kulisse – den wintergrauen Hamburger Himmel.<br />

Bei „Balcony TV“ dürfen kleine und kleinste Bands aus der ganzen Welt<br />

auftreten. Sie bekommen ein paar Minuten Zeit, um sich erst hier<br />

und dann im Inter<strong>net</strong>clip unvergänglich zu machen.<br />

FOTOS: FRANK EGE L


Musiker sind daran gewöhnt, dass der Weg nach<br />

oben sie erst einmal nach unten führt. Auftritte in<br />

Kellerkneipen, Gigs in Souterrainbars, solche Sachen.<br />

Diesmal ist alles anders. Es geht gleich rauf in<br />

luftige Höhen. Telma und Louise sind aus Paris nach<br />

Hamburg gekommen und dort in den fünften Stock<br />

eines riesenhaften Hochbunkers aus dem Zweiten<br />

Weltkrieg geklettert, um ihr Glück zu machen.<br />

Ihre Bühne ist ein zugiger Balkon hoch über der<br />

Stadt, sie ist einzigartig in Deutschland – und sie wird<br />

betrieben von zwei Menschen, die mithilfe einer Mini-Digitalkamera<br />

und eines Inter<strong>net</strong>anschlusses dafür<br />

sorgen, dass die Musik von Telma und Louise<br />

bald in der ganzen Welt gehört werden kann. Seit gut<br />

fünf Jahren machen Johanna Leuschen und Lars<br />

Kaufmann Balcony TV, Fernsehen fürs Inter<strong>net</strong>. Musik<br />

mit Aussicht, so lautet<br />

das Motto von Balcony TV,<br />

Music with a view.<br />

Die Aussicht verschwimmt<br />

an diesem ungemütlichen<br />

Samstagnachmittag<br />

im Hamburger Nebel.<br />

Also stellen sich die beiden<br />

Französinnen vor die Wattewand,<br />

die Augen geschlossen,<br />

den Blick ins Unendliche<br />

gerichtet. Rot gefrorene<br />

Finger mit korallenrot lackierten<br />

Fingernägeln zupfen<br />

die Saiten einer Gitarre.<br />

Zart schweben ihre Stimmen<br />

nach oben in den Winterhimmel.<br />

Für die Länge eines Chansons hält die Welt unter<br />

ihnen den Atem an, alles ist Musik.<br />

Dann ist es vorbei. Telma und Louise dürfen<br />

noch schnell auf Englisch sagen, dass es von ihnen niemals<br />

CDs geben wird, weil sie es besser finden, wenn<br />

man ihre Songs einfach so im Gedächtnis behält. Das<br />

ist ihr Credo: Livemusik ist die einzig wahre Musik.<br />

Dann heißt es „Thank you“ – und die nächste Band<br />

packt die Instrumente für den Soundcheck aus: Mr Richard<br />

aus Groningen, Niederlande.<br />

Das ist auch schon das ganze Konzept von Balcony<br />

TV. Junge, meist noch unbekannte Bands stellen sich<br />

mit einem eigenen Song vor – Coverversionen sind verboten.<br />

Sie dürfen Tourdaten aufsagen und, falls vorhanden,<br />

ihr Album in die Kamera halten. Beim Filmen und<br />

Moderieren wechselt sich das Macherduo ab. Es wird<br />

jeweils nur ein einziger Take gedreht. Etwa dreimal pro<br />

Woche wird ein neuer ungeschnittener Videoclip auf<br />

die Balcony-TV-Seite und auf Youtube gestellt.<br />

In Zeiten auf Hochglanz getrimmter „Event-Movies“,<br />

die eine Bugwelle vor sich herschieben, als würden<br />

sie mindestens das Fernsehen neu erfinden, wirkt<br />

Balcony TV wie ein verwegener Inter<strong>net</strong>-Zwerg, der<br />

sich den Medienriesen todesmutig in den Weg stellt.<br />

Aber das täuscht. Denn tatsächlich sind solche Nischenformate<br />

nicht nur sehr erfolgreich – der Minisender<br />

verzeich<strong>net</strong> seit seiner Gründung rund 32 Millio-<br />

Die Augen geschlossen,<br />

den Blick in die<br />

Unendlichkeit gerichtet.<br />

Für die Länge<br />

eines Chansons hält<br />

die Welt unter ihnen<br />

den Atem an, alles ist<br />

Musik. „Thank you.“<br />

nen Klicks –, sie sind auch Vorboten davon, wie das<br />

Fernsehen in Zukunft aussehen könnte.<br />

Inzwischen hat es sich bis in die Büros der Programmverantwortlichen<br />

herumgesprochen, dass<br />

das Inter<strong>net</strong> dem Fernsehen Konkurrenz macht. Es<br />

ist zwar nicht so, dass weniger ferngesehen wird als<br />

früher – zurzeit verbringen die Deutschen durchschnittlich<br />

mehr als dreieinhalb Stunden vor der<br />

Mattscheibe –, aber vor allem junge Leute sehen immer<br />

seltener ein, warum sie sich von einem starren<br />

Programmschema vorschreiben lassen sollen, wann<br />

sie welche Sendung zu gucken haben.<br />

Als Reaktion darauf haben die öffentlichrechtlichen<br />

Sender Mediatheken auf ihren Inter<strong>net</strong>seiten<br />

eingerichtet, mit denen man die Sendungen<br />

jederzeit streamen kann. Und sie haben einige<br />

Sendungen mit Laufbändern,<br />

Splitscreens und virtuellen<br />

Studiokulissen aufgemöbelt,<br />

damit es aussieht<br />

wie im Inter<strong>net</strong>. Aber das ist<br />

Kosmetik. An den Grundstrukturen<br />

hat sich kaum etwas<br />

geändert. Warum auch?<br />

Ein schwerfälliger Apparat<br />

bewegt sich nicht so leicht.<br />

Er macht lieber Tag für Tag<br />

weiter sein Mainstream-<br />

Programm für ein immer<br />

älter werdendes Publikum.<br />

Hier liegt die Chance von<br />

kleinen, schnellen und individuellen<br />

Formaten wie<br />

Balcony TV.<br />

Statt um Zielgruppen geht es hier um Leidenschaft.<br />

Johanna Leuschen und Lars Kaufmann machen<br />

Balcony TV in ihrer Freizeit, hauptberuflich<br />

arbeiten beide als Fernsehjournalisten beim NDR.<br />

Sie lieben Musik, sie entdecken gern Talente – und<br />

sie wissen genau, was sie tun: „Im Inter<strong>net</strong> zählt eine<br />

coole Idee mehr als Geld, und genau das bringt uns<br />

Aufmerksamkeit“, sagt Johanna Leuschen, die zu<br />

Hause ihre noch unfertige Doktorarbeit über Online-Fernsehen<br />

liegen hat.<br />

Die Idee zu Balcony TV hat die 29-Jährige<br />

aus Dublin mitgebracht, wo sie 2006 ein Auslandsstudienjahr<br />

am Trinity College verbrachte. Sie<br />

lernte dort den Filmemacher Stephen O’Regan<br />

kennen, der Bal cony TV mit zwei Musikerfreunden<br />

erfunden hatte und – mit Medienpreisen überschüttet<br />

– von seinem Balkon im angesagten Viertel<br />

Temple Bar aus betrieb. O’Regan und Leuschen<br />

blieben in Kontakt, und als sie sich ein Jahr später in<br />

Hamburg wiedersahen, entstand der Plan: Warum<br />

nicht dasselbe hier machen?<br />

Am 1. September 2007 ging Balcony TV auf<br />

Sendung, gefilmt wurde auf einem winzigen Vier-<br />

Quadratmeter-Balkon am Spielbudenplatz direkt<br />

auf der Reeperbahn. Moderationserfahrung hatten<br />

weder Johanna Leuschen noch Lars Kaufmann,<br />

Alles eine Frage der Technik? Nein, überhaupt<br />

nicht: Balcony TV dreht und sendet mit Equipment,<br />

das sich jeder kaufen könnte.<br />

HOCHSCHUL<br />

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21


aber das schreckte sie nicht ab. Es wurde an allen<br />

Ecken und Enden improvisiert. Wenn es reg<strong>net</strong>e,<br />

wurde ein Schirm reingehalten, wenn die Polizei der<br />

be nachbarten Davidwache mit Blaulicht und Sirenengeheul<br />

ausrückte, redeten und spielten sie einfach<br />

weiter. Das Unperfekte machte den Charme des<br />

Unternehmens aus. Dass hier etwas Besonderes entstanden<br />

war, sprach sich schnell herum.<br />

Revolverheld spielten auf dem Balkon, die Indie-Rocker<br />

von Ash waren begeistert von der Location.<br />

Gisbert zu Knyphausen stimmte die Gitarre<br />

hoch über dem Kiez, und die Sängerin Oceana war zu<br />

Gast, als noch niemand sie kannte. Das Potenzial von<br />

Balcony TV als Plattform für Newcomer erkannten<br />

schnell auch die Plattenlabels und Promoter. Bis heute<br />

schicken sie gern ihre neuen Acts vorbei. Auch<br />

weltweit expandiert Balcony TV. An die 40 Balkone<br />

gibt es inzwischen. Sie stehen unter anderem in den<br />

USA, in Russland, Indien, Japan und Israel.<br />

Doch dann, vor eineinhalb Jahren, sollte in Hamburg<br />

auf einmal alles vorbei sein: Den Fernsehmachern<br />

wurde gekündigt. Die Stadt wollte das Gebäude<br />

abreißen, um den Kiez noch glatter und touristentauglicher<br />

zu machen. Was tun? Gar nicht so einfach, ohne<br />

Geld – Balcony TV ist komplett eigenfinanziert und<br />

erhält keine Kulturförderung – eine neue Location zu<br />

finden, die zu ihnen passte. Nach längerer Suche landeten<br />

sie im Bunker, einem stadtbekannten Ort, der<br />

unter anderem einen Musikerbedarfsladen und den<br />

Club Terrace Hill beherbergt, auf dessen Balkon sie<br />

seitdem zu Gast sind. Der neue, größere Balkon hat<br />

seine Vorteile: Es ist kein Problem, eine achtköpfige<br />

Band wie Mardi Gras.bb aus Mannheim, die gerade<br />

ihre Blasinstrumente auspackt, einzuladen. Die Herren<br />

in Dreiteilern mit Einstecktuch wirken wie eine<br />

Kreuzung aus Max Raabe und einer Brass-Band aus<br />

dem letzten Jahrhundert. Ihr Song „Bumblebee“<br />

bringt den ganzen Balkon zum Swingen.<br />

An die 1.500 Bands haben Johanna Leuschen<br />

und Lars Kaufmann seit Bestehen von Balcony TV<br />

präsentiert. Macht 1.500 „Take it away“-Rufe vor dem<br />

Auftritt und 1.500 „Woohoo“-Rufe danach. Es sei immer<br />

wieder großartig, zu sehen, wie viele richtig gute<br />

Bands es gibt, sagt Johanna. Bands, die oft nicht von<br />

dem leben können, was sie machen, die aber trotzdem<br />

mit ganzem Herzen dabei sind. Und es sei ein gutes<br />

Gefühl, fügt sie nicht ohne Stolz hinzu, die richtige<br />

Idee zur richtigen Zeit gehabt zu haben.<br />

Auf dem Balkon hat die Kälte das Regiment<br />

übernommen. Und auch die Nebelwand rückt immer<br />

näher. Wie gut, dass das Leipziger Duo The Fuck Hornisschen<br />

Orchestra in seiner Nummer zu einer Art<br />

Tanz-Workout auffordert. Die beiden Jungs tragen<br />

Trachtenjacken und wollen ihren Song als Hommage<br />

an DJ BoBo verstanden wissen. Dann legen sie los. Wo<br />

oben und unten ist, ist jetzt egal. Fest steht nur: Wer auf<br />

Balcony TV zu sehen ist, ist ganz vorn mit dabei.<br />

2<br />

3<br />

1<br />

HOCHSCHUL<br />

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22


4<br />

6<br />

Leidenschaft statt Klingelton-Pop. Euphorie<br />

bei Wetter wie aus der Erkältungs-<br />

Reklame. Und jede Band darf nur einen<br />

Song spielen. Der Effekt: Die Musik, die<br />

später im Netz zu sehen ist, wirkt so live<br />

wie bei einem Konzert bei Freunden.<br />

(1) Soundcheck und Vorgespräch mit Miss<br />

Mary Mack. Gleich wird ihr Song aufgenommen.<br />

Ein Take, dann kurz kreischen, fertig.<br />

(2) Lars Kaufmann und Johanna Leuschen<br />

machen beim NDR Fernsehen und gemeinsam<br />

Balcony TV. (3) Cooler Sound bei null<br />

Grad Celsius in Hamburg: Dad Rocks! aus<br />

Dänemark. (4) Folk aus den Niederlanden:<br />

Mr Richard. (5) Im Aufzug und im Anzug<br />

zum Balkon: Mardi Gras.bb aus Mannheim.<br />

(6) The Fuck Hor nisschen Orchestra aus<br />

Leipzig. Das Duo ist Fan von DJ BoBo.<br />

5<br />

HOCHSCHUL<br />

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23


V O N D A N I E L H A A S<br />

PROFESSOR URKNALL<br />

Zehn Millionen Amerikaner schalten jede Woche ein, wenn eine neue Folge von „Big Bang<br />

Theory“ im Fernsehen kommt – und auch in Deutschland läuft die Sitcom über die beiden<br />

nerdigen Physiker Sheldon und Leonard auf Pro Sieben erfolgreich. Damit jedes Detail stimmt,<br />

wenn das WG-Duo – die Stars der Serie – über schwarze Materie oder Laserstrahlen fachsimpeln,<br />

berät Physikprofessor David Saltzberg das Big-Bang-Team. Wir haben ihn angerufen.<br />

Unser Fazit: Der Mann braucht schnellstens eine eigene Sendung …<br />

COLLAGE: FRIZZI KURKHAUS<br />

Könnte der Sohn von Danny DeVito sein – ist<br />

aber David Saltzberg, Professor für Physik und<br />

Astronomie an der University of California.<br />

Und nebenher: Serienberater.<br />

HOCHSCHUL<br />

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24


FOTOS: PROSIEBENSAT.1 MEDIA AG, GREG GAYNE<br />

Mr. Saltzberg, Sie sind Astrophysiker. Wie wird man zum wissenschaftlichen<br />

Berater einer Sitcom?<br />

Die Schöpfer der Serie wollten die Momente vermeiden, wenn im<br />

Fernsehen einer wissenschaftlich tut und die Fachwelt zuckt schaudernd<br />

zusammen.<br />

Wie sieht Ihre Arbeit genau aus?<br />

Die Autoren schicken mir die erste Drehbuchfassung der betreffenden<br />

Folge. In den Scripts gibt es Leerstellen, da steht dann: „Hier<br />

ein bisschen Physik rein, bitte.“ Zum Beispiel, wenn Sheldon und<br />

Leonard irgendwelche verrückten Experimente planen, wie zum<br />

Beispiel den Mond mit einem Laser zu beschießen.<br />

Die meisten Zuschauer würden sachliche Fehler doch gar nicht<br />

bemerken.<br />

Stimmt, aber es geht auch um die Ehre.<br />

Sie sind also eine Art Drehbuchlektor?<br />

Nein, ich bin auch am Set und dort für die Whiteboards zuständig,<br />

die Tafeln, die die Nerds in ihrem WG-Wohnzimmer oder im Büro<br />

hängen haben. Darauf stehen immer Formeln. Die beziehen sich<br />

meistens auf ein Thema im Dialog, manchmal suche ich mir aktuelle<br />

Fragen der Physik. Meine Kollegen freuen sich dann, wenn ihre<br />

neuesten Forschungsergebnisse im Fernsehen auftauchen.<br />

Alle in der Serie gezeigten Formeln sind korrekt?<br />

Hundertprozentig. Neulich hat mir einer von der NASA einen Fehler<br />

nachweisen wollen, aber da haben wir gleich mal nachgesehen.<br />

Von wegen falsch, die Gleichung war nur ein bisschen schlampig<br />

auf das Board geschrieben worden.<br />

Glauben die Leute nicht sowieso: Die ganzen Wissenschaftszitate<br />

sind zusammenfantasiert?<br />

Klar, aber das ist ja das Beste, wenn dann einer googelt und feststellt,<br />

dass es all diese Dinge wirklich gibt: Suprafluidität, dunkle Materie.<br />

Wir sind sozusagen wissenschaftliche Erzieher, inkognito.<br />

Es gibt regelmäßig Laborszenen in der Serie. Sind Sie da auch<br />

gefragt?<br />

Und wie. Neulich hat mich die Requisitenabteilung angerufen. Es<br />

ging um ein Experiment, das Leonard machen sollte. Die Originalteile<br />

dafür wären sehr teuer gewesen, Vakuumröhren, Sie verstehen.<br />

Ehrlich gesagt …<br />

Na, ja, ich hatte noch eine Menge passendes Zeug zu Hause rumliegen,<br />

das habe ich den Jungs gegeben, und dann haben sie nach<br />

meinen Angaben eine wunderschöne integrierte Ionenfalle gebaut.<br />

Manchmal denke ich, bevor ich Kollegenbesuch bekomme, sollte<br />

ich mir von den Requisiteuren ein paar richtig schicke Sachen basteln<br />

lassen.<br />

Wie hat die wissenschaftliche Szene die Serie aufgenommen?<br />

Viele dachten erst, jetzt werden wir heftig durch den Kakao gezogen.<br />

Mittlerweile sind die meisten begeistert. Ich war vor zwei<br />

Wochen bei einer Tagung, da haben mir einige Studierende gesagt,<br />

aufgrund von „Big Bang Theory“ würden sie jetzt mehr Kurse belegen.<br />

Auch wenn wir Nerds zeigen, richtig irre Typen, sind diese<br />

Leute doch total liebenswürdig.<br />

Viele Ihrer Studierenden träumen sicher davon, mal ans Set zu<br />

kommen.<br />

Und wie. Deshalb gibt es auch den „Geek of the week“. Während<br />

des Semesters nehme ich pro Woche einen Studierenden mit zu den<br />

Dreharbeiten. Das sind meistens Hauptfachstudierende, die besonders<br />

fleißig waren. Und die Macher der Serie kriegen im Gegenzug<br />

noch andere meiner Spezis zu Gesicht. Die sollen ja nicht denken,<br />

alle Physiker sähen so aus wie ich.<br />

Hat Ihre Beratertätigkeit für die Serie Ihre Art zu unterrichten<br />

beeinflusst?<br />

Wenn man eine Dialogszene im Fernsehen sieht, dann wirkt das so<br />

simpel, und man bemerkt nicht, dass Dutzende Profis im Hintergrund<br />

arbeiten, um das hinzukriegen. Eine Vorlesung dagegen ist<br />

eine simple Performance. Da wird man ein bisschen bescheidener<br />

und hält sich nicht mehr für den ganz tollen Hengst.<br />

Sheldon, einer der Seriencharaktere, ist ein extremer Nerd: hochbegabt,<br />

arrogant und nervig. Ist das ein plausibler Charakter?<br />

Neulich waren wir beim Mittagessen, und ich habe die Platzverteilung<br />

so kompliziert gemacht und mich dann auch noch über das<br />

Klima in der Kantine und über das Publikum beschwert, dass ein<br />

Kollege sagte: Mann, du benimmst dich schon wie dieser schräge<br />

Typ aus der Serie.<br />

BIG BANG<br />

THEORY<br />

Die beiden hochbegabten Physiker<br />

Sheldon (2. v. l.) und Leonard (3. v. l.)<br />

teilen sich eine Wohnung, lieben Star<br />

Trek, Videospiele und haben ansonsten?<br />

Vom Leben keine Ahnung. Zum<br />

Glück gibt es die Nachbarin Penny,<br />

Kellnerin und clever in allen Bereichen,<br />

in denen die Geeks hilflos sind. Das<br />

Trio ist befreundet mit dem Ingenieur<br />

Howard (rechts) und einem weiteren<br />

Astrophysiker: Raj (ganz links). 2013<br />

läuft die sechste Staffel auf Pro Sieben.<br />

Die Serie gewann bislang zwei Emmys<br />

und einen Golden Globe.<br />

DIPLOMA Hochschule<br />

Private staatlich anerkannte Hochschule<br />

bundesweite Studienzentren<br />

Bachelor / Master<br />

Präsenzstudium oder berufsbegleitend<br />

mit Samstagsveranstaltungen oder online<br />

akkreditierte Studiengänge<br />

BWL, Recht, Wirtschaftsingenieurwesen/<br />

- informatik,<br />

Design, Medien, Tourismus,<br />

Frühpädagogik,<br />

Medizinalfachberufe<br />

Tel.: 0 57 22 / 28 69 97 32<br />

www.diploma.de<br />

HOCHSCHUL<br />

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25


ARRIERE<br />

Supersatz<br />

„Für jeden,<br />

der gewinnen will,<br />

ist Erfolg eine Droge.<br />

Du willst mehr<br />

und mehr – je schneller,<br />

desto besser.“<br />

SEBAS T IAN V E TTEL, 25,<br />

F O R MEL-1-WELTMEIS T ER<br />

HEADHUNTER-TALK<br />

Richard Fudickar, 64, berät seit mehr als 25 Jahren Unternehmen in<br />

Personalfragen. Als Partner bei Boyden International ist er unter<br />

anderem für die Automobilindustrie zuständig.<br />

E-Mobility, intelligente Netze, Verbrauchsreduktion – das sind die großen Trends, mit denen<br />

sich zukünftige Führungskräfte in der Automobilindustrie beschäftigen müssen. Es ist aber<br />

nicht notwendig, sich von Anfang an auf diese Bereiche zu spezialisieren. Neben fachlichen<br />

Qualifikationen gibt es natürlich auch andere Erfolgsfaktoren.<br />

Viele unterschätzen zum Beispiel, wie sehr die Unternehmenskultur ihre Mitarbeiter prägt.<br />

Es macht einen großen Unterschied, ob ich bei Volkswagen, Opel oder Porsche gearbeitet habe –<br />

nicht nur, weil die Produkte so verschieden sind, sondern weil die Art, mit der das Unternehmen<br />

geführt und Freiraum gewährt wird, jeden Mitarbeiter beeinflusst. Deshalb ist es sehr wichtig,<br />

beim Jobeinstieg ein Unternehmen zu finden, das zu einem passt. Denn als Personalberater wissen<br />

wir natürlich, welche Firmenkulturen sich ähneln, und versuchen, dementsprechend zu vermitteln.<br />

Wie wohl man sich fühlt, ist daher einer der wichtigsten Faktoren für Erfolg.<br />

Wenn man ein passendes Unternehmen gefunden hat, sollte man alle Förderungsmöglichkeiten<br />

wahrnehmen und dort so lange bleiben, bis die Beförderung realisiert ist. Außerdem empfehle<br />

ich, innerhalb der ersten fünf Jahre Auslandserfahrungen zu sammeln. Gerade in der Industrie<br />

sind die Entwicklungschancen im Ausland groß. Weltoffenheit und interkulturelle Erfahrung<br />

sind deshalb unerlässlich; ohne diese Eigenschaften kommt man heute für viele<br />

Spitzenpositionen nicht mehr infrage.<br />

WIE HABEN SIE DAS GEMACHT?<br />

J U R A S TUD I U M<br />

A USL ANDS S E M E S T E R<br />

D OKTOR ARB E I T<br />

W ELT R EIS E<br />

A N W A L T B E I F R E S HFI ELDS<br />

H A M BUR G<br />

CAM B R IDGE<br />

H A M BUR G<br />

Malte Schafstedde, 30, vertritt und verteidigt internationale<br />

Unternehmen – als Anwalt bei Freshfields Bruckhaus Deringer,<br />

einer der weltweit größten Anwaltskanzleien.<br />

Um ehrlich zu sein, hat sich mein Lebensweg ganz natürlich gefügt, ich bin<br />

kein Fan von durchgeplanten Karrieren. Ich habe mein Studium an der Bucerius<br />

Law School angefangen, aber ich hatte mich auch an anderen Unis<br />

beworben, weil das Aufnahmeverfahren von Bucerius aufwendig ist und<br />

jeweils nur 100 Leute zugelassen werden. Die Law School ist sehr schulisch<br />

strukturiert, aber mir hat dieses getaktete Studium zusammen mit hoch motivierten<br />

Leuten viel Spaß gemacht. Ich habe dort nicht nur unheimlich viel<br />

gelernt, sondern vor allem auch gute Freunde gefunden.<br />

An der Law School muss man ein Jahr im Ausland verbringen, dafür<br />

bin ich nach Cambridge gegangen. Das war ein einmaliges Erlebnis für<br />

mich. Dort sitzt man als Studierender allein oder zu zweit mit Professoren<br />

im Kaminzimmer und diskutiert juristische Probleme. Ich glaube,<br />

Auslands erfahrungen bringen jeden weiter, ganz egal, wo man was studiert.<br />

P R O TOKOL L : F R A N Z I S K A B U L B A N<br />

H A M BUR G<br />

Danach habe ich promoviert, um weiter wissenschaftlich zu arbeiten.<br />

Doch irgendwann stand fest, dass ich Anwalt sein will – Jura hat für mich<br />

immer bedeutet, für abstrakte Probleme eine Lösung zu finden, Handlungsanweisungen<br />

zu geben, und das kann man als Anwalt am besten.<br />

Parallel zum Studium habe ich einige Praktika gemacht: bei sieben<br />

verschiedenen Kanzleien, aber auch in einer Bank, um zu sehen, was zu mir<br />

passt. Bei meinem jetzigen Arbeitgeber Freshfields habe ich mich von Anfang<br />

an wohlgefühlt. Ich war in einem entspannten Team und hatte auch<br />

nach meinem Praktikum sporadisch Kontakt zu meinen Kollegen. Deshalb<br />

habe ich mich über die Zusage sehr gefreut. Aber bevor ich angefangen<br />

habe, richtig zu arbeiten, bin ich vier Monate lang um den Globus gereist –<br />

die Welt zu sehen, steht zwar nicht auf dem Lehrplan, aber so eine Erfahrung<br />

würde ich wirklich jedem empfehlen.<br />

F O TOS: A - W A Y, PLAINP I C TUR E, P R I V A T ; I L L U STR A T I O N : M A T THI A S S E I F A R T H<br />

HOCHSCHUL<br />

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30


BEWERBUNGSCOACH<br />

Wie kann man nach einem Praktikum<br />

mit dem Unternehmen in Kontakt bleiben,<br />

ohne aufdringlich zu sein?<br />

Mit dieser Frage offenbart sich ein generelles Problem: Wer sie stellt, glaubt oft, nicht gut genug zu sein;<br />

schämt sich dafür, etwas zu wollen (nämlich einen Job), und empfindet sich als potenzielle Belastung.<br />

Schlimmer noch: Man drängt sich auf. Dabei ist meist das Gegenteil der Fall. Ein Unternehmen hat Interesse<br />

an qualifizierten Mitarbeitern und möchte schon erfahren, worauf sich ehemalige Praktikanten<br />

spezialisieren, wann jemand mit seinem Studium fertig ist und „loslegen“ kann. Kontakte aus einem<br />

Praktikum zu pflegen, ist für beide Seiten von Vorteil. In einem Unternehmen arbeiten zu wollen, ist ein<br />

bisschen wie bei einer Liebesbeziehung: Man muss Vertrauen aufbauen, zeigen, dass man die Bedürfnisse<br />

des anderen kennt, und dann ein bisschen baggern. Wer zu schüchtern ist, wird dabei leicht übersehen.<br />

Also: Nicht zögern, einfach machen. Ein Praktikant, der den Weg seiner Wunsch-Firma verfolgt, weiß<br />

natürlich, welche Projekte in Zukunft anstehen und womit er zum Gelingen eines Projektes beitragen<br />

könnte. Wer sich fachlich informiert zeigt, wird immer ein angenehmer Gesprächspartner für ehemalige<br />

Kollegen und Vorgesetzte sein, die man völlig locker auf Messen, bei Informationsveranstaltungen,<br />

vielleicht ab und zu beim Kantinenessen trifft. Wie wäre es, per E-Mail eine Kurzbeschreibung der<br />

Abschlussarbeit mit einem Dank für die Praktikumsbetreuung an den Teamchef zu schicken? Gute<br />

Kontakte, in die Zeit und Engagement investiert wurden, sind der beste Rückhalt in Bewerbungszeiten.<br />

Aus diesem Netzwerk kommen im entscheidenden Moment wichtige Empfehlungen – dann klappt es<br />

vielleicht sogar mit einem Job bei der Konkurrenz.<br />

Job um 20.15 Uhr<br />

Die endlose Nachfolgersuche<br />

für „Wetten,<br />

dass..?“ hat es<br />

offenbart: Herausragende,<br />

originelle<br />

Moderatorenpersönlichkeiten<br />

sind in<br />

Deutschland schwer<br />

zu finden. Darum<br />

will sich Frank Elstner,<br />

der Erfinder etlicher<br />

großer Samstagabend-Shows,<br />

jetzt persönlich um die Ausbildung<br />

des Moderatoren-Nachwuchses kümmern. Im<br />

Frühjahr beginnen die ersten zehn der unter 1.600<br />

Bewerbern ausgewählten Kandidaten ihr sechsmonatiges<br />

Ausbildungstraining in der „Frank-<br />

Elstner-Masterclass“, bei dem der 70-Jährige persönlich<br />

individuellen Moderationsunterricht geben<br />

wird. www.moderatoren-fuer-morgen.de<br />

MARTINA REHBERG-RECHTENBACH ist Bewerbungscoach mit dem Schwerpunkt Akademikerberatung.<br />

In jeder Ausgabe klärt sie eine der vielen Fragen auf dem Weg zwischen Annonce und Vorstellungsgespräch.<br />

Mehr Gehalt – oder<br />

mehr Freizeit?<br />

Am Freitag um 14 Uhr singend aus dem<br />

Büro tanzen – oder auch am Samstag<br />

arbeiten, dafür aber mehr verdienen?<br />

Was wünschen wir uns? Mehr Freizeit<br />

oder mehr Geld? Eine Befragung des<br />

Statistischen Bundesamtes – die sogenannte<br />

Arbeitskräfteerhebung – kommt<br />

zu einem überraschenden Ergebnis. 3,7<br />

Millionen Menschen in Deutschland<br />

würden gern länger arbeiten – durchschnittlich<br />

11,5 Stunden mehr pro Woche<br />

–, solange sie dafür auch entsprechend<br />

bezahlt werden. Der Wunsch, als<br />

Vollzeitbeschäftigter trotzdem noch<br />

mehr Zeit in der Firma zu verbringen,<br />

wird übrigens vor allem von Männern<br />

geäußert. Hingegen gibt es nur knapp<br />

eine Million Menschen, die ihre Wochenarbeitszeit<br />

reduzieren möchten<br />

und dafür auch auf Gehalt verzichten<br />

würden. Die „Überbeschäftigten“ wären<br />

pro Woche gern 11,7 Stunden weniger<br />

am Arbeitsplatz.<br />

HOCHSCHUL<br />

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31


P R O T O K O L L E :<br />

A I L E E N T I E D E M A N N<br />

ANFÄNGER-<br />

GLÜCK<br />

Die ersten Monate im neuen Job sind häufig super. Und genauso häufig<br />

super anstrengend. Wir haben fünf Ex-Studierende getroffen und<br />

uns von ihren ersten Monaten in der Arbeitswelt berichten lassen.<br />

Alles über Geschäftsessen mit Koreanern, Möbel mit Fettpolstern<br />

und einen Klassenraum mit 30 Kindern lesen Sie hier.<br />

FOT O S : SEBAS T IAN PF Ü TZE, GULLIVER T H EIS<br />

Ich bin Problemlöserin und Entscheidungshelferin.<br />

Wenn eine Firma ein neues Produkt auf den Markt<br />

bringen oder seine Marke schärfer definieren will,<br />

dann entwickle ich mit meinen Kollegen Handlungsempfehlungen.<br />

Für einen Kunden befasse ich mich<br />

zum Beispiel gerade mit dem weltweiten Kaffeemarkt<br />

und erarbeite eine Marktstrategie für seine neuartigen<br />

Produkte, die einen Markt jenseits von Kaffeepads und<br />

-kapseln bedienen sollen. Damit ich weiß, wovon ich<br />

rede, lese ich mich jeden Tag quer durch unterschiedlichste<br />

Blogs, Magazine, wissenschaftliche Studien<br />

und betreibe Marktforschung. Wie man strategisch<br />

dabei vorgeht, die wahren Probleme hervorzubringen,<br />

habe ich während meines Studiums gelernt. Mein Job<br />

gefällt mir sehr gut. Dennoch hatte ich mir alles etwas<br />

aufregender vorgestellt. Ich hatte gedacht, dass ich<br />

viel mehr bewegen kann, als es derzeit der Fall ist. Ein<br />

großer Teil meiner Arbeit besteht darin, mich in die<br />

Welt unserer Auftraggeber und deren Kunden einzufühlen<br />

und Kommunikationskonzepte und Geschäftsmodelle<br />

zu entwickeln, die ihnen dabei helfen, langfristig<br />

erfolgreich zu bleiben. Leider gibt es hin und<br />

wieder Projekte, bei denen Ideen so lange totgeredet<br />

werden, bis am Ende kaum noch etwas von unseren<br />

ursprünglichen Einfällen übrig ist. Wirklich innovative<br />

Konzepte haben es schwer in Deutschland,<br />

weil sich kaum eine Firma traut, etwas ganz Neues<br />

auszuprobieren. Das ist ein Punkt, der mich stört –<br />

gerade weil wir so ein kreatives Team sind und so<br />

viel Potenzial haben. Oft komme ich abends total<br />

erschöpft nach Hause und habe keine Energie mehr,<br />

etwas zu unternehmen –, obwohl ich jetzt das nötige<br />

Geld dazu hätte. In meinem ersten Berufsjahr habe<br />

ich gelernt, dass man nichts geschenkt bekommt.<br />

Man muss seine Rechte selbst einfordern, etwa<br />

wenn es um Gehaltserhöhungen geht, und sich klare<br />

Ziele setzen. Mein nächstes heißt Istanbul. Dort will<br />

ich mich nächstes Jahr selbständig machen – und<br />

einfach mal ausprobieren, was ich aus eigener Kraft<br />

bewegen kann.<br />

HOCHSCHUL<br />

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32


WER?<br />

Deniz Ficicioglu, 29<br />

WAS?<br />

Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikationsstudium<br />

an der Universität der Künste,<br />

Berlin<br />

UND JETZT?<br />

Seit Oktober 2011 Strategin<br />

bei der Innovationsagentur „Nerd<br />

Communications“ in Berlin<br />

Gestatten? Problemlöserin<br />

Deniz Ficicioglu wünscht sich<br />

mehr Mut – und macht sich<br />

bald in Istanbul selbständig.<br />

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33


WER?<br />

Benjamin Renner, 25<br />

WAS?<br />

Wirtschaftsstudium an der HSBA Hamburg<br />

School of Business Administration<br />

UND JETZT?<br />

Seit März 2011<br />

als Vertriebsmitarbeiter beim Handelshaus<br />

C. Illies & Co. in Hamburg<br />

Ab hier nur noch mit Krawatte, bitte:<br />

Benjamin Renner arbeitet in einem<br />

Hamburger Handelshaus und trifft<br />

Kunden aus der ganzen Welt.<br />

Jeden Morgen, wenn ich meinen Anzug anziehe und<br />

mir eine Krawatte umbinde, schlüpfe ich in meine<br />

neue Rolle als Berufstätiger. „Kleiden Sie sich jeden<br />

Tag so, als könnten Sie jederzeit zu einem Termin<br />

ins Hotel Vier Jahreszeiten gehen.“ So lautet das<br />

Motto des Handelshauses, für das ich arbeite. Trotzdem<br />

ist die Stimmung dort viel lockerer als gedacht.<br />

Nach der Arbeit gehe ich oft mit Kollegen zum After-Work-Club,<br />

und letztens waren wir in der Golflounge.<br />

Mein Studium an der HSBA hat mich sehr gut<br />

auf die Anforderungen des Berufslebens vorbereitet,<br />

weil ich die Hälfte der dreijährigen Ausbildung bereits<br />

in verschiedenen Unternehmen verbracht habe.<br />

Schon drei Monate vor Studienende hatte ich die Zusage<br />

für meinen ersten Job in der Tasche – ein sehr<br />

beruhigendes Gefühl. Trotzdem ist es ganz anders,<br />

plötzlich fest in einem Unternehmen zu arbeiten. Ich<br />

möchte nicht mehr so viele Fragen stellen und muss<br />

die Firma repräsentieren. C. Illies & Co. exportiert<br />

Maschinen nach Asien. Viele der Technologien sind<br />

so komplex, dass ich mich genau einlesen muss, bevor<br />

ich mich mit Handelspartnern treffe. Vor allem<br />

bei Terminen mit Geschäftskunden aus dem Ausland<br />

wird mir meine Verantwortung bewusst. Gerade<br />

war ich mit sechs Koreanern in München, die mich<br />

mit Fragen gelöchert haben. „Wie viele Einwohner<br />

hat München? Welche sind die wichtigsten Firmen<br />

hier?“ Da ist es hilfreich, die passenden Antworten<br />

zu haben. Reisen ins Ausland finde ich aufregend<br />

und anstrengend zugleich, weil ich den ganzen Tag<br />

mit den Kunden verbringe und professionell wirken<br />

muss. Man lernt, mit älteren Leuten zu reden, und<br />

übernimmt deren Verhaltensweisen. Oft erwische ich<br />

mich dabei, dass ich mich auch in meinem Privatleben<br />

gewählter ausdrücke. Außerdem bin ich nicht<br />

mehr so spontan wie früher und plane Lunchtermine<br />

mit Freunden zwei Wochen im Voraus. Zum Glück<br />

arbeiten viele meiner Kumpels auch schon. Im Unterschied<br />

zu denen, die noch studieren, sind wir viel<br />

organisierter und auch ein Stück weit abgeklärter.<br />

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34


Sich und seine Ideen gut zu verkaufen, macht 60 Prozent<br />

des Erfolges aus, sagt Produktdesignerin Milena Krais.<br />

Geld ist knapp, aber ihre Stühle und Sessel stehen mittlerweile<br />

schon in Neapel.<br />

WER?<br />

Milena Krais, 26<br />

WAS?<br />

Textilproduktdesign-Studium<br />

an der Hochschule für Angewandte<br />

Wissenschaften, Hamburg<br />

UND JETZT?<br />

Seit einem Jahr freiberuflich<br />

als Produktdesignerin<br />

in Hamburg tätig<br />

Dranbleiben! Das ist die wichtigste Lektion, die<br />

ich in meinem ersten Jahr als freiberufliche Textilproduktdesignerin<br />

gelernt habe. Je mehr Galerien<br />

meine Möbel ausstellen und je mehr ich auf Messen<br />

für meine Produkte werbe, desto besser. Sich gut zu<br />

verkaufen, macht 60 Prozent der Arbeit aus. Die Idee<br />

kann noch so kreativ sein, aber nur wenn man sich<br />

einen Namen macht, kann man 500 Euro für einen<br />

Stuhl verlangen. Gleich nach dem Studium war mir<br />

klar, dass ich eigenständig Ideen entwickeln will. Wie<br />

schwierig das werden würde, hat mir vorher kein Dozent<br />

gesagt. Das Studium an der Hochschule für Angewandte<br />

Wissenschaften in Hamburg ist sehr künstlerisch<br />

orientiert. Hilfestellungen, wie man sich später<br />

auf dem freien Markt behaupten kann, bekommt man<br />

leider nicht. Dabei ist die Konkurrenz riesig und der<br />

deutsche Möbelmarkt relativ klein. Meine erste Kollektion<br />

„Deform“ bestand aus Hockern mit X-Beinen<br />

und Stühlen mit Fettpölsterchen – und es hat einige<br />

Zeit gedauert, bis ich die passenden Käufer gefunden<br />

habe. Eine Italienerin hat meine Möbel in ihrer Galerie<br />

bei Neapel ausgestellt, was für mich eine tolle<br />

Bestätigung war. Generell ist es gar nicht so leicht,<br />

die richtigen Leute kennenzulernen. Auf Märkten für<br />

Hobby-Kreative trifft man sie auf jeden Fall nicht,<br />

sondern eher auf Fachmessen wie der „Maison et<br />

Objet“ in Paris oder auf der DMY in Berlin. Dort<br />

auszustellen kostet leider viel Geld. Das macht es<br />

Newcomern wirklich schwer, in den Markt hineinzukommen.<br />

Bislang übersteigen meine Ausgaben meine<br />

Einnahmen noch, und ich bin auf Sponsoren angewiesen,<br />

wenn ich etwa Material wie Schaumstoff für<br />

neue Prototypen brauche. Ständig bin ich damit beschäftigt,<br />

mich selbst zu vermarkten. Ich muss Flyer<br />

entwerfen und drucken, meine Produkte fotografieren,<br />

Werbetexte schreiben und meine Website auf<br />

dem neuesten Stand halten. Nach dem Erfolg meiner<br />

eher etwas teureren Sitzmöbel habe ich mir für meine<br />

nächste Kollektion vorgenommen, Produkte zu entwerfen,<br />

die einen größeren Markt haben. Man muss<br />

eben vor allem praktisch denken, wenn man endlich<br />

mal Geld verdienen will …<br />

HOCHSCHUL<br />

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35


WER?<br />

Marleen Wöhe, 28<br />

WAS?<br />

Lehramtsstudium an der Universität Potsdam<br />

UND JETZT?<br />

Seit diesem Sommer Lehrerin für Spanisch<br />

und Deutsch an einem Gymnasium<br />

in Berlin-Charlottenburg<br />

Guten Tag, ich bin die Neue: Marleen Wöhe unterrichtet an<br />

einem Berliner Gymnasium, mag den Job, braucht jetzt<br />

aber öfter ein Mittagsschläfchen.<br />

In den ersten Wochen an der Schule sind so viele neue<br />

Eindrücke auf mich eingeströmt, dass ich dachte: Das<br />

schaffe ich nie! Es ist ein Unterschied, ob man sich in<br />

einem Büro einzig und allein auf vier Kollegen einstellen<br />

muss oder auf eine Klasse mit 30 Schülern,<br />

die alle ihre eigenen Probleme mitbringen, auf die<br />

man eingehen muss. Ich habe schnell gemerkt, dass<br />

in der Praxis nicht alles so funktioniert wie in der<br />

Theorie. Letztens haben sich zwei Schüler in der Pause<br />

geprügelt, und danach war kaum noch Unterricht<br />

möglich. Da ist man dann mehr mit Erziehungsarbeit<br />

beschäftigt als mit dem eigentlichen Lehrstoff. In solchen<br />

Momenten ist es wichtig, nicht enttäuscht oder<br />

frustriert zu sein. Man muss seine Erwartungen dann<br />

zum Teil zurückschrauben. Von der Uni habe ich mich<br />

nicht ausreichend auf die Schule vorbereitet gefühlt,<br />

obwohl die Uni Potsdam meines Erachtens schon sehr<br />

praxisorientiert ist. Vieles, was ich dort gelernt habe,<br />

war dennoch viel zu theoretisch. Zum Glück habe ich<br />

schon während des Studiums als Aushilfslehrerin arbeiten<br />

können, sodass der Beginn des Referendariats<br />

für mich keinen Sprung ins eiskalte Wasser bedeutete<br />

– so wie es bei vielen anderen Lehramtsanwärtern<br />

der Fall ist. Viele merken leider zu spät, dass sie sich<br />

für den falschen Job entschieden haben. Perfekt wäre<br />

es, wenn man sein erstes Praktikum schon im ersten<br />

Semester machen müsste und nicht erst im fünften.<br />

Außerdem sollte es eine Art Eingangstest geben, bei<br />

dem geprüft wird, ob jemand das Lehramtsstudium<br />

beginnen darf. Denn nicht jedem liegt die Arbeit mit<br />

Kindern und Jugendlichen. Ich habe schnell gemerkt,<br />

dass der Schulalltag genau mein Ding ist. Ich kann<br />

gut mit Kindern und finde den Beruf sehr menschlich.<br />

Man hat viele soziale Kontakte, und es wird definitiv<br />

nie langweilig. Trotzdem bin ich nach der Arbeit<br />

häufig so erschöpft, dass ich erst mal ein Mittagsschläfchen<br />

machen muss. Seit ich arbeite, gehe ich<br />

abends nicht mehr so viel weg, weil das ungemein<br />

viel Energie kostet. Dennoch sind Auszeiten wichtig.<br />

Wenn ich unzufrieden mit meinem Privatleben bin,<br />

wirkt sich das auch auf den Unterricht aus. Ich bereite<br />

mich lieber mal nicht hundertprozentig vor, als vor<br />

lauter Überarbeitung mit Augenringen und schlechter<br />

Laune vor der Klasse zu stehen. Ich bin gern Lehrerin<br />

und will mir meinen Idealismus nicht nehmen lassen.<br />

Wenn ich spüre, dass bei einem Schüler der Groschen<br />

gefallen ist, dann ist das für mich die schönste Belohnung<br />

für all die Arbeit.<br />

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36


WER?<br />

Konrad Hnatow, 28<br />

WAS?<br />

Studium zum Wirtschaftsingenieur<br />

an der Technischen Universität Darmstadt<br />

UND JETZT?<br />

Seit August 2012 Energieberater<br />

bei Scherbeck Energy in Berlin.<br />

Nebenher: Promotion an der Technischen<br />

Universität Berlin mit einer Arbeit<br />

über die Solarindustrie<br />

Energieberater Konrad Hnatow<br />

konnte sich seinen Job aussuchen,<br />

hat jetzt mehr Freizeit als im Studium – und<br />

macht auch noch das, was er schon immer<br />

tun wollte. Wo gibt’s denn so was?<br />

Bis aufs Wetter also alles super.<br />

Ich empfinde meine Arbeit als sehr erfüllend, weil die<br />

effiziente Nutzung von Energie von hoher Bedeutung<br />

ist. Nicht nur für die Zukunft des Industriestandortes<br />

Deutschland, sondern auch für die Bekämpfung von<br />

Hungersnöten in den ärmsten Regionen der Welt. Seit<br />

ich als Consultant in der Energieberatung arbeite, sauge<br />

ich alle Informationen zu dem Thema auf und genieße<br />

es, mich mit meinen Kollegen auszutauschen.<br />

Zu meinen Aufgaben gehört es, Energieunternehmen<br />

und Energieverbraucher in Wirtschaftsfragen zu<br />

beraten und zum Beispiel mit ihnen zu analysieren,<br />

wie sie Energie einsparen können. Jedes Projekt ist<br />

anders, weshalb es nie langweilig wird. Ich reise<br />

viel, treffe die unterschiedlichsten Menschen – dass<br />

Zufriedenheit im Job einem derart viel Rückenwind<br />

geben kann, hätte ich nicht erwartet. Außerdem habe<br />

ich wirklich das Gefühl, das zu tun, was ich schon<br />

immer machen wollte. Verrückterweise habe ich jetzt<br />

fast mehr Freizeit als während meines Studiums. Ein<br />

Büro hat ja den Vorteil, dass man in der Regel die Arbeit<br />

dort lassen kann. Ich erlebe jetzt erstmals einen<br />

Feierabend ohne das Gefühl, eigentlich noch an etwas<br />

arbeiten zu müssen. Freie Wochenenden waren<br />

für mich während des Studiums eine Seltenheit bis<br />

hin zu undenkbar. Insofern ist mir die Umstellung<br />

vom Studentendasein auf den Arbeitsalltag nicht<br />

allzu schwergefallen. Stattdessen freue ich mich, all<br />

das anwenden zu können, was ich gelernt habe. Es<br />

ist eine schöne Bestätigung, gebraucht und gewollt<br />

zu werden. Gleich nach meinem Abschluss haben mir<br />

mehrere Firmen Jobs angeboten – und ich konnte mir<br />

den heraussuchen, der mir am besten gefällt.<br />

HOCHSCHUL<br />

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37


V O N D A N I E L K A S T N E R<br />

DIE MEILEN-MASCHINE<br />

Das Auto von morgen muss vor allem eines sein: unglaublich sparsam. Das klingt erst mal<br />

sauöde. Dabei ist die Suche nach dem perfekten Antrieb nicht weniger als ein Technik-<br />

Krimi, in dem Studierenden-Teams eine wichtige Rolle spielen. Wir haben eines getroffen.<br />

FOTOS: VOLKER SCHRANK<br />

HOCHSCHUL<br />

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38


Eine Werkshalle, neonhell erleuchtet, Turbinen, Kabel und<br />

Rohre, ein Wasserbecken, ein Mini-Windkanal. Draußen, hinter<br />

Panoramascheibe und Parkplatz, schlummern die ersten<br />

grünen Hügel des Schwarzwaldes im Nebel – drinnen bastelt<br />

Team „Schluckspecht“ am Auto der Zukunft. Vier Studierende<br />

der Hochschule Offenburg – drei Männer, eine Frau – schrauben<br />

die fünf Kilogramm schwere Glasfaser-Carbon-Hülle<br />

vom „Schluckspecht City“ ab.<br />

Der Name führt ein wenig in die Irre: Das windschnittige<br />

,blau und orange lackierte Auto schluckt extrem wenig, hat<br />

schon diverse Preise beim jährlichen Effizienz-Autorennen<br />

„Shell Eco-Marathon“ abgeräumt und hält seit August 2011 den<br />

Weltrekord beim Elektroantrieb: 1.630 Kilometer mit nur einer<br />

Batterieladung – weiter kam noch keiner. Die Batterien, 2.300<br />

Stück, sollen jetzt wieder raus, ein Dieseltank rein. Damit will<br />

Team Schluckspecht beim nächsten Eco-Marathon starten.<br />

„Warte, Sabine, da vorn ist noch eine Schraube drin“, ruft<br />

Teamchef Michael Dold seiner Kommilitonin Sabine Binninger<br />

zu. Sabines Schraubenschlüssel ist zu groß, auch der aus<br />

dem Rollschrank passt nicht. Sie rennt ins Labor, vorbei an der<br />

Vitrine mit den Pokalen, und sucht zwischen Wasserstofftanks<br />

und Laptops nach dem richtigen Werkzeug. Manchmal ist auch<br />

das Auto von morgen mit Problemen von heute konfrontiert.<br />

Beim Eco-Marathon gewinnt nicht, wer als Erster im Ziel ist,<br />

sondern wer mit der geringsten Energie am weitesten kommt – egal<br />

ob mit Batterien oder Solarzellen, mit Wasserstoff oder Diesel.<br />

Zwei Dutzend Teams allein aus Deutschland haben letztes Jahr<br />

teilgenommen. Die Schluckspechte sind seit 1998 dabei; sie siegten<br />

schon in den Kategorien „Diesel“ und „Brennstoffzelle“. Gekämpft<br />

wird um Ehre, Ruhm und Aufmerksamkeit. Das Preisgeld<br />

– etwa 800 Euro für einen ersten Platz – deckt die Herstellungskosten<br />

nicht einmal ansatzweise.<br />

HOCHSCHUL<br />

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39


Technik von gestern fürs Auto von morgen:<br />

Team Schluckspecht montiert einen Radnabenmotor.<br />

Mit so einem Elektroantrieb wird jedes Rad<br />

separat angetrieben.<br />

Leicht, sparsam, effizient und umweltfreundlich – das sind die<br />

Stichworte, unter denen am Auto von morgen geforscht wird: an extrem<br />

sparsamen Antrieben, aerodynamischen Karosserien und neuen<br />

oder längst vergessenen Motoren; in den Laboren und Werkstätten<br />

der großen Autohersteller streng geheim, während die Ingenieure von<br />

morgen öffentlich und mit großer Lust am Experiment an den Hochschulen<br />

tüfteln – in Senftenberg und Trier, in Chemnitz – und eben in<br />

Offenburg. Die Forschung am Auto der Zukunft geht in alle möglichen<br />

Richtungen, nicht nur hin zum Elektroantrieb – trotz des Hypes ist nämlich<br />

längst nicht ausgemacht, dass die<br />

Elektrobatterie der Antrieb der Zukunft<br />

ist. Die Bundesregierung will bis 2020<br />

eine Million Elektroautos auf deutschen<br />

Straßen sehen, das Bildungsministerium<br />

steckt insgesamt 44 Millionen Euro in<br />

ein Fraunhofer-Forschungsprojekt zur<br />

Elektromobilität. Laut „European Automotive<br />

Survey 2011“, einer Umfrage der<br />

Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young,<br />

erwarten Europas Autohersteller und<br />

Zulieferer den Durchbruch des Elektroautos<br />

in den Massenmarkt in durchschnittlich<br />

zehn Jahren – mit deutschen<br />

Unternehmen als Marktführern.<br />

Die TU München stellte im Herbst<br />

2011 auf der Internationalen Automobilausstellung<br />

IAA ihr Elektroauto „MUTE“ vor, das gar nicht mal so anders<br />

aussah als ein heutiger Mittelklassewagen. Einige der beteiligten<br />

Studierenden wurden noch auf der Messe von Headhuntern abgeworben.<br />

Inzwischen hat sich ein Konsortium aus der Industrie auf den<br />

MUTE gestürzt – mit an Bord: Daimler, BMW, Siemens. Plötzlich ist<br />

der MUTE keine studentische Spielerei mehr, sondern ein Betriebsgeheimnis.<br />

„Die Industrie hat natürlich ganz andere Möglichkeiten“, sagt<br />

Professor Ulrich Hochberg, der mehrere Jahre lang das Schluckspecht-<br />

Projekt in Offenburg betreute. „Ein großer Automobilhersteller hat<br />

mehr Entwicklungsingenieure als wir Studierende.“ Das große Ziel in<br />

München ist die Massentauglichkeit, doch jetzt geht es erst einmal darum,<br />

den MUTE zulassungsfähig zu machen.<br />

Den „Schluckspecht“ lässt das Kfz-Zulassungsamt sowieso<br />

nur tageweise auf die Straße – und das auch nur unter strengen Auflagen:<br />

immer mit Begleitfahrzeug, nie bei Regen, nur am Tag. Kein<br />

Wunder: Der Wagen hat weder Scheibenwischer noch Scheinwerfer<br />

und auch keine nennenswerte Knautschzone. In simulierten<br />

Crashtests schützte die leichte Hülle den Fahrer schon bei 30 Kilometern<br />

pro Stunde nicht mehr.<br />

Doch auch die ersten zugelassenen Elektro- und Hybridmodelle<br />

wie der Opel Ampera, der Nissan Leaf und der MiEV von Peugeot<br />

und Mitsubishi tun sich auf dem Markt schwer. Ihre Elektromotoren<br />

erreichen nicht die Energiedichte von Verbrennungsmotoren, das<br />

heißt: Die Autos können längst nicht so schnell und so lange fahren<br />

wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Auch Team Schluckspecht<br />

erreichte seinen Rekord nur, weil der Wagen nie schneller als 50 Kilometer<br />

pro Stunde fuhr und extrem leicht war: „Das Schwerste“, erklärt<br />

Michael Dold, „sind noch die Batterien. 160 Kilogramm wiegen<br />

Fahrgestell, Hülle und Räder, 180 Kilogramm die Batterien.“<br />

Ein Elektro-Kleinwagen kostet zwischen 20.000 und 30.000<br />

Euro und schafft 150 Kilometer mit einer Ladung. Mindestens sechs<br />

Stunden lang hängt er danach an einer ganz normalen Steckdose – Kosten<br />

pro Ladung: etwa sechs Euro. Ein entscheidender Vorteil gegenüber<br />

einem sparsamen Benziner ist das nicht gerade. Ob sich der Batterieantrieb<br />

am Ende durchsetzt, ist also noch gar nicht ausgemacht – solange<br />

die Akkus nicht deutlich leichter, sparsamer und effizienter werden,<br />

ist kein Durchbruch in Sicht. Deshalb denken die Forscher und<br />

Tüftler schon ans Auto von übermorgen, angetrieben zum Beispiel mit<br />

Wasserstoff – aus dem Auspuff entwiche dann nur Wasserdampf. „Der<br />

Betrieb solcher Fahrzeuge ist wesentlich aufwendiger als bei Verbrennungsmotoren“,<br />

sagt Ulrich Hochberg. „Bei Minusgraden friert die<br />

Brennstoffzelle ein, sie muss beheizt werden und, und, und.“ Und das<br />

ist noch das kleinste Hindernis: Für die Herstellung von Wasserstoff<br />

wird viel Energie benötigt. Das brennbare<br />

Gas lässt sich zudem nur unter hohem<br />

Druck transportieren.<br />

Team Schluckspecht lässt sich<br />

von derlei Einwänden nicht entmutigen:<br />

Ein Vorgänger-Prototyp fuhr bereits<br />

mit einem stahlummantelten<br />

Wasserstofftank, kaum größer als eine<br />

Mineralwasserflasche. Für 400 Kilometer<br />

hätte der Tank gereicht. Im alten<br />

„Schluckspecht“, der aussah wie eine<br />

abgeschnittene Zigarre, saß, nein, lag<br />

Sabine Binninger. Sie passte als Einzige<br />

hinein, und selbst sie musste den<br />

Rücken krümmen und die Hände um<br />

das Lenkrad krampfen. „Aber mir<br />

macht das nichts“, sagt sie. „Ich bin<br />

früher Seifenkistenrennen gefahren.“ Mithilfe<br />

eines digitalen Multimeters, das unter anderem<br />

Spannungswerte misst, verkabelt das<br />

Team jetzt im Labor den Star des letzten Eco-<br />

Marathons: einen Radnabenmotor. Dieser<br />

Elektromotor verbirgt sich nicht unter der<br />

Motorhaube, sondern im Rad, hinter der Felge.<br />

Bei vier Rädern macht das bis zu vier Motoren.<br />

„Die lassen sich alle einzeln bedienen<br />

– man kann in Kurven die Motoren auf einer<br />

Seite stärker hochfahren oder mit den übrigen<br />

ausgleichen, wenn ein Rad durchdreht“, erklärt<br />

Michael Dold. Der Witz: Den elektrischen<br />

Radnabenmotor haben nicht etwa die<br />

Schluckspechte erfunden. Ferdinand Porsche<br />

hat ihn bereits auf der Pariser Weltausstellung<br />

vorgestellt – im Jahr 1900.<br />

Warum also hat man das damals nicht<br />

weiterentwickelt, warum knüpfen Studierende<br />

in Offenburg erst 113 Jahre später wieder daran<br />

an? „Öl war im Überfluss vorhanden“, sagt Ulrich<br />

Hochberg beim Chili-Essen in der Mensa.<br />

Heute kommt das Ende des Rohstoffes Öl in<br />

Sicht, die Benzinpreise schmerzen die Autofahrer, und Industrie und<br />

Politik geraten unter Druck. Mit Förderprogrammen und Subventionen<br />

könne sich das Elektroauto tatsächlich durchsetzen, glaubt<br />

Hochberg. „Vor 20 Jahren hätte ich gesagt: Windparks? Blödsinn!<br />

Vor zehn Jahren hätte ich der Fotovoltaik keine große Zukunft gegeben.<br />

Und jedes Mal habe ich mich geirrt.“<br />

Dem Elektroauto traut er dennoch nicht so recht. „In 20 Jahren<br />

werden wir überwiegend sparsame Diesel- und Hybridautos<br />

auf der Straße sehen“, sagt der Universitätsprofessor. „Obwohl,<br />

schreiben Sie lieber zehn. Meine Prognosen sind schon oft genug<br />

widerlegt worden.“<br />

Wovon wird<br />

das Auto von morgen<br />

angetrieben?<br />

Strom?<br />

Wasserstoff?<br />

Manche glauben,<br />

eine fast vergessene<br />

Technik aus<br />

dem frühen<br />

20. Jahrhundert<br />

wird zurückkehren.<br />

HOCHSCHUL<br />

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40


Continental wünscht<br />

ein erfolgreiches neues Jahr!<br />

Are you auto-motivated?<br />

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ARBEITGEBER<br />

2012 STUDENT SURVEY


16 FAKTEN ÜBER DIE IT-BRANCHE<br />

VON CORNELIA STOLZE<br />

Sie ist der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland. Sie liefert uns<br />

Telefone und Ballerspiele und wäre doch vermutlich ohne eine alte<br />

Marine-Reservistin und einen Rechner mit LEGO-Gehäuse nie so<br />

erfolgreich geworden. Willkommen in der IT-Branche!<br />

BOOM-BRANCHE<br />

Mit rund 880.000 Arbeitsplätzen ist die<br />

IT-Branche nach dem Maschinenbau der<br />

zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland. 2011<br />

setzten deutsche Unternehmen mit Produkten<br />

und Diensten aus den Bereichen IT, Telekommunikation<br />

und Unterhaltungselektronik<br />

148 Milliarden Euro um; 2012 werden es<br />

rund 152 Millia rden Euro sein.<br />

Fünf Rechner für alle<br />

Thomas J. Watson, damaliger Chef von IBM, verkündete 1943: „Ich denke,<br />

auf dem Weltmarkt gibt es einen Bedarf für fünf Computer – mehr nicht.“ Ken<br />

Olsen, Gründer von Digital Equipment Corporation, meinte 1977 zu wissen:<br />

„Es gibt für keinen einzigen Menschen einen Grund, zu Hause einen Computer zu<br />

haben.“ Und Microsoft-Gründer Bill Gates war sich 1994 sicher: „Im Inter<strong>net</strong> ist<br />

kein Geld zu verdienen.“<br />

HIER IST NOCH PLATZ<br />

Allein in Deutschland gibt es derzeit 43.000 offene Stellen für IT-Experten<br />

wie Systemadministratoren und Datenbank-, Software- oder Web-Entwickler.<br />

Unternehmen müssen deshalb einiges bieten – vor allem im Süden der<br />

Republik wird gut bezahlt. Das durchschnittliche Jahresgehalt von IT-Leitern<br />

liegt dort bei 115.200 Euro. Gute Zeiten also für Job-Sucher.<br />

2007<br />

2008<br />

2009<br />

DAS JAHRHUNDERT-HANDY<br />

Anteil des iPhones<br />

am Gesamtgewinn<br />

von Apple von<br />

2007 bis 2012<br />

1 %<br />

2010<br />

9 %<br />

2011<br />

22 %<br />

2012<br />

39 % 48 %<br />

53 %<br />

Design: Andreas Bergmann / Quelle: Apple<br />

2007 kam das erste iPhone auf den Markt. Heute ist es die Haupteinnahmequelle<br />

von Apple (siehe Grafik). Der Umsatz mit dem Kulthandy ist größer als<br />

das gesamte Geschäft von Microsoft: Von Juni 2011 bis Juni 2012 brachte das<br />

iPhone Apple 74,3 Milliarden US-Dollar; Microsoft kam nur auf 73 Milliarden<br />

US-Dollar. Das iPhone allein wäre damit groß genug, in die Fortune-500-Liste<br />

der umsatzstärksten Unternehmen der Welt aufgenommen zu werden.<br />

HOCHSCHUL<br />

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42


GOODBYE, COMPUTER<br />

Der PC, vermuten Experten, könnte bald verschwinden.<br />

Cloud Computing, also die Nutzung<br />

extern bereitgestellter Hardware, Software und<br />

Datenspeicher (zum Beispiel über ein Netzwerk wie das<br />

Inter<strong>net</strong>), sowie Mobile Devices wie Tablets und Smartphones<br />

werden seinen Platz einnehmen.<br />

Stein auf Stein<br />

Der erste Server von Google bestand<br />

aus mehreren miteinander verbundenen<br />

PCs. Das improvisierte Rechenzentrum<br />

hatte eine selbst gebastelte<br />

Ummantelung aus LEGO-Steinen.<br />

Alter Finne<br />

1991 entschied sich der damals 22-jährige<br />

Linus Torvalds aus Helsinki dazu, den<br />

Quellcode des von ihm programmierten<br />

Betriebssystems Linux offenzulegen.<br />

Seither geschieht ein kleines Wunder: Das<br />

Programm wird von Freiwilligen auf der<br />

ganzen Welt weiterentwickelt, obwohl kein<br />

Nutzer dafür bezahlt. Die weit über tausend<br />

verfügbaren Linux-Programme, die<br />

fast alle gängigen Anwendungsbereiche<br />

abdecken, sind kostenlos. Dabei stecken<br />

in Linux mittlerweile über 73.000 Personenjahre<br />

Arbeit.<br />

DER RIESE<br />

SAP ist weltweit Marktführer in Sachen<br />

Unternehmenssoftware und laut „Software<br />

Top 100“-Ranking der weltweit viertgrößte<br />

Software hersteller. Das meiste Geld verdient<br />

der Walldorfer Konzern aber nicht mit<br />

der Entwicklung von Software, sondern mit<br />

dem Support.<br />

Friedliches Netz<br />

Für 2010 wurde das World<br />

Wide Web für den Friedensnobelpreis<br />

vorgeschlagen.<br />

Der Preis ging jedoch nicht<br />

an den Informatiker Tim<br />

Berners-Lee, der als Erfinder<br />

des Inter<strong>net</strong>s gilt, sondern<br />

an den chinesischen<br />

Schriftsteller Liu Xiaobo.<br />

Lius Auszeichnung löste in<br />

China eine Welle der Begeisterung<br />

aus, vor allem auf<br />

Renren, der chinesischen<br />

Variante von Facebook.<br />

SINKFLUG<br />

Noch 1981 kostete 1 GB Festplattenspeicher<br />

300.000 US-Dollar. 1994<br />

war dieselbe Speicher kapazität für<br />

1.000 US-Dollar zu haben. Heute gibt<br />

es 1 GB für 0,03 US-Dollar.<br />

DER STAAT<br />

ALS SPION<br />

Jeder hat sein Handy ständig dabei und<br />

in Gebrauch. Das freut die deutschen<br />

Strafverfolgungsbehörden. Mit technischen<br />

Tricks wie „stillen SMS“ und<br />

„IMSI-Catchern“ können sie die Besitzer<br />

über deren Mobil telefone orten und dann<br />

deren Gespräche abhören. Von 2006 bis<br />

2011 verschickten Verfassungsschutz,<br />

Bundeskriminalamt und Zoll nach offiziellen<br />

Angaben 1,7 Millionen stille<br />

SMS. In Wirklichkeit sind es vermutlich<br />

sehr viel mehr. Denn der Bundeswehr-<br />

Nachrichtendienst MAD und die Bundespolizei<br />

legen ihre Zahlen dazu nicht offen.<br />

HOCHSCHUL<br />

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43


DIE PIONIERIN<br />

Frauen und Technik – das soll nicht passen? Die<br />

1906 geborene Amerikanerin Grace Hopper<br />

bewies – wie viele andere Pionierinnen – das<br />

Gegenteil. 1952 entwickelte Hopper den ersten<br />

Compiler, also eine Software, die Programmiersprachen<br />

in Binärcode übersetzt. Bis dahin<br />

mussten Programmierer ihre Kommandos direkt<br />

im Binärcode eingeben, also als Serie von Nullen<br />

und Einsen. Hopper arbeitete als Forscherin<br />

an der Harvard-Universität. Gleichzeitig gehörte<br />

sie ab 1943 der Reserve der US-Marine an. Dass<br />

sie eine Frau war, müssen ihre (männlichen) Kollegen<br />

gelegentlich übersehen haben: 1969 wurde<br />

Hopper der „Man of the Year Award“ der Data<br />

Processing Management Association verliehen<br />

– eine von über 90 Auszeichnungen, die sie in<br />

ihren 86 Lebensjahren erhielt.<br />

DIE HAUT<br />

MERKT SICH ALLES<br />

DNA statt Festplatte: Forschern der<br />

Harvard-Universität ist es gelungen, 700<br />

Terabyte an Daten in einem einzelnen<br />

Kubikmillimeter DNA zu speichern. Damit<br />

konnten sie den bisherigen Rekord<br />

für Speicherdichte um den Faktor 1.000<br />

erhöhen. Die Forscher machten 70 Milliarden<br />

Kopien eines Buches und legten<br />

sie erfolgreich in der DNA ab. Auf diese<br />

Weise könnte man etwa brisante Informationen<br />

vergleichsweise unbemerkt transportieren,<br />

etwa in die Haut integriert.<br />

ATTACKE!!!<br />

Mit mehr als einer Milliarde US-Dollar<br />

Umsatz war es eines der erfolgreichsten<br />

Computerspiele überhaupt: Der<br />

Ego-Shooter „Call of Duty: Black Ops“<br />

verkaufte sich 2010 binnen der ersten<br />

24 Stunden rund 5,6 Millionen Mal.<br />

Jetzt schlug der kalifornische Hersteller<br />

Activision Blizzard alle bisherigen<br />

Rekorde. Im November 2012 brachte er<br />

„Call of Duty: Black Ops II“ auf den<br />

Markt: Binnen der ersten 24 Stunden<br />

setzte der Action-Blockbuster weltweit<br />

500 Millionen US-Dollar um.<br />

WAS<br />

GEHÖRT<br />

WEM?<br />

Ob „Siri“, Schweizer-Bahnhofsuhr-Design oder Touchscreen – Ideen-Klau<br />

ist in der Smartphone-Industrie an der Tagesordnung. Und der Streit darum<br />

auch. Es ist ein Kampf um Patente, in dem (fast) jeder jeden bekriegt.<br />

Apple und Google investieren inzwischen mehr Geld in Patentstreite und<br />

Patentanmeldungen als in Forschung und Entwicklung. Erklärtes Motto<br />

von Apple dabei ist: Alles patentieren, was möglich ist. Auch wenn Apple<br />

gar nicht der Erfinder ist. Insgesamt gab die Smartphone-Industrie in den<br />

letzten zwei Jahren 20 Milliarden US-Dollar für ihren „Patentkrieg“ aus –<br />

das entspricht acht Raumfahrtmissionen mit dem Mars-Roboter Curiosity.<br />

Ob Facebook oder Krankenhaus,<br />

Online-Shop oder Börse – überall<br />

auf der Welt fallen jeden Tag<br />

Tril lionen von Daten an.<br />

Schätzungen zufolge verdoppelt sich das digitale Datenvolumen<br />

heute alle zwei Jahre. Die große Kunst ist es deshalb in<br />

Zukunft, den Datenwust zu filtern und zu analysieren. IT-<br />

Unternehmen wie SAP rüsten sich daher schon jetzt mit<br />

Technologien für die Speicherung, die Verwaltung und vor<br />

allem für die sinnvolle Auswertung riesiger Datenmengen,<br />

im Fachjargon Big Data genannt. Viele Unternehmen sitzen<br />

nämlich inzwischen auf re gelrechten Datenbergen. Das Berliner<br />

Universitätsklinikum Charité zum Beispiel durchsucht<br />

heute rund 80 Milliarden Datensätze pro Sekunde.<br />

HOCHSCHUL<br />

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44


RECRUITING-EVENTS VON JANUAR BIS APRIL 2013<br />

ZUKUNFTSENERGIEN NORDWEST, BREMEN<br />

Jobs mit Zukunft: Knapp 100 Aussteller aus<br />

dem Bereich der erneuerbaren Energien werben<br />

auf der Messe um neue Kräfte.<br />

Wann: 01. und 02.03.2013, 10 bis 17 Uhr (Sa. bis 16 Uhr)<br />

Wo: Messe Bremen, Halle 7<br />

Mehr: www.zukunftsenergien-nordwest.de<br />

ZUKUNFTSENERGIEN<br />

NORDWEST, BREMEN<br />

JOB & C A R E E R M A R K E T,<br />

HANNOVER MESSE<br />

JOB & CAREER MARKET, HANNOVER MESSE<br />

Alles, was angehende Ingenieure brauchen: Aussteller,<br />

Vorträge und ausreichend Anschauungsmaterial.<br />

Der Job & Career Market ist die Pflichtveranstaltung<br />

des Jahres. Regelmäßiges Highlight:<br />

die F. A. Z.-Karriereberatung<br />

für Absolventen und Professionals.<br />

Wann: 08. bis 12.04.2013, 9 bis 18 Uhr<br />

Wo: Hannover Messe, Halle 18<br />

Mehr: www.hannovermesse.de/jcm<br />

www.fazjob.<strong>net</strong>/kb-jcm für die Karriereberatung<br />

CAR-CONNECTS, BOCHUM<br />

Gas geben für die Karriere. Mehr als 100 Unternehmen<br />

aus der Automobilindustrie suchen Nachwuchs.<br />

Eine vorherige Registrierung ist erforderlich.<br />

Wann: 30.01.2013, 10 bis 17 Uhr<br />

Wo: RuhrCongress Bochum<br />

Mehr: www.uni-due.de/connects<br />

CAR-CONNECTS,<br />

BOCHUM<br />

T5 JOBMESSE, STUTTGART<br />

Wieder in Stuttgart: die T5 JobMesse für<br />

Absol venten, die in der Life-Science-<br />

Branche einsteigen möchten.<br />

Wann: 13.03.2013, 10 bis 16 Uhr<br />

Wo: Haus der Wirtschaft, Stuttgart<br />

Mehr: www.t5-interface.de<br />

SUSTAINABILITY CAREER FAIR, MÜNCHEN<br />

Nachhaltigkeit als Karriereperspektive. Veranstaltet<br />

von den Studierenden des Masterstudienganges<br />

Sustain able Resource Management der TU München.<br />

Bietet die Chance zum Netzwerken und Weiterkommen.<br />

Wann: 04.03.2013, 10 bis 16 Uhr<br />

Wo: Campus TU München, Arcisstraße<br />

Mehr: www.scareerfair.com<br />

SUSTAINABILITY<br />

C A R E E R FA I R &<br />

JURACON, MÜNCHEN<br />

T 5 J O B M E S S E ,<br />

STUTTGART<br />

JURACON, MÜNCHEN<br />

Exklusives Recruiting-Event für angehende Juristen.<br />

Unbedingt vorher anmelden und Gesprächstermine mit<br />

Kanzleien und Unternehmen vereinbaren.<br />

Wann: 12.03.2013, 10 bis 17 Uhr<br />

Wo: Hotel Sofitel, München<br />

Mehr: www.iqb.de/events<br />

APPS FÜR JOB UND EXAMEN<br />

ZEUGNISCHECK<br />

(IPHONE, IPAD)<br />

„Er hat sich stets bemüht.“ Wer solche<br />

Formulierungen in seinem Arbeitszeugnis<br />

überprüfen will, kann auf die kostenlose„Zeugnis<br />

check“-App des Rechtsportals janolaw zurückgreifen.<br />

Insgesamt erkennt der Zeugnisauswerter<br />

4.000 Standardformulierungen. Eine<br />

Alternative ist die kostenlose „Zeugnis App“<br />

von Haufe, die nicht nur für das iPhone, sondern<br />

auch für Windows-Handys erhältlich ist.<br />

www.janolaw.de/newsletter/<br />

tipps_und_infos_zeugnisknacker.html<br />

EVERNOTE PEEK (IPAD)<br />

Mit der Gratis-App kann man sein<br />

eigenes Lernmaterial herstellen.<br />

Um es abzufragen, nutzt man das Smart Cover.<br />

Man hebt es an, liest die Frage – und wenn man<br />

das Smart Cover noch weiter anhebt, erhält<br />

man die Antwort. Die Gratis-App ist ideal dafür,<br />

Vokabeln, Begriffsdefinitionen und Formeln<br />

zu lernen.<br />

www.evernote.com/intl/de/peek<br />

NOVA ELEMENTS<br />

(IPAD)<br />

Welche Elemente schwimmen in<br />

einer Tasse Kaffee? Warum sieht das Periodensystem<br />

so aus, wie es aussieht? Solche Fragen<br />

klärt die englischsprachige Gratis-App „NOVA<br />

ELEMENTS“ der amerikanischen Senderkette<br />

PBS. Wer es lieber deutschsprachig mag, dürfte<br />

Gefallen am AK MiniLabor finden, einer kostenlosen<br />

Chemie-App für Android-Handys.<br />

http://itunes.apple.com<br />

www.kappenberg.com<br />

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45


Susanne Öhlmann, 27, und Kind Joshua, * 20.10.2012<br />

Berlin<br />

studiert evangelische Theologie, Humboldt-Uni, Berlin<br />

Mein letztes Mal komplett unabhängig sein<br />

Als ich geboren wurde, hat mein Vater noch studiert. Vielleicht<br />

wollte ich deshalb schon immer im Studium Kinder<br />

bekommen. Da kann man seine Zeit noch flexibler einteilen.<br />

Außerdem würde mein Freund Philipp bald mit seinem Master<br />

fertig sein. Dann hätten wir beides: Zeit und Geld. Also<br />

haben wir losgelegt und kurz vor der Geburt geheiratet.<br />

Trotzdem waren wir wohl eher naiv. Wie aufwändig es<br />

sein würde, auch nur für ein Wochenende bei unseren Eltern<br />

Windeln, den Kinderwagen, Mützen und Jacken einzupacken,<br />

konnte ich mir nicht vorstellen. Aber das war gut so,<br />

sonst hätten wir uns vielleicht zu viele Sorgen gemacht oder<br />

gar nicht versucht, ein Kind zu bekommen.<br />

Erst als der Geburtstermin da war und Joshua nicht kommen<br />

wollte, ist mir plötzlich klar geworden, dass wir vieles<br />

bald nicht mehr machen können. Deshalb haben wir spontan<br />

eine Havelradtour gemacht. Danach hatte ich Philipp mit meinem<br />

bald-geht-das-nicht-mehr-Gerede so angesteckt, dass wir<br />

die nächsten Tage nur noch bei Freunden, auf Parties und im<br />

Kino verbracht haben. Zwei Wochen später war Joshua da.<br />

Ich finde nicht, dass mein Leben jetzt ernster ist. Wir<br />

fahren immer noch zu Big-Band-Wochenenden, treffen<br />

Freunde und ich gehe schwimmen. Aber natürlich ist mit<br />

Kind und ohne Fahrrad alles viel umständlicher und Philipp<br />

und ich müssen uns jetzt immer absprechen. Jeder Termin,<br />

den einer von uns macht, ist auch ein Termin für den anderen,<br />

der dann auf Joshy aufpasst. Zurzeit bleibt er meistens bei<br />

mir. Philipp hat gerade mehr zu tun als ich. Er arbeitet zwei<br />

Tage die Woche und bereitet sich auf die Promotion vor. Mein<br />

Leben ist momentan ja eher geruhsam. Wir haben uns so geeinigt,<br />

dass ich gerade zwei Veranstaltungen an der Uni besuche,<br />

weil ich nur noch einen Schein brauche. In der Zeit passt<br />

Philipp auf Joshua auf. Im Frühjahr fange ich an für mein Examen<br />

in evangelischer Theologie zu lernen. Das dauert in der<br />

Regel ein Jahr. Dann wird es umgekehrt sein und Joshy bleibt<br />

die meiste Zeit bei Philipp.<br />

Länger zu Hause bleiben will ich auf keinen Fall. Ich<br />

brauche mehr geistige Herausforderung als Schnullerdebatten.<br />

Deshalb freue ich mich in der Uni sogar schon über Themen,<br />

die mich früher nie interessiert haben.<br />

Außerdem möchte ich gern wieder etwas zu unserem<br />

Einkommen beitragen. Am Anfang ist es mir schwergefallen,<br />

mir Pullover von „Philipps Geld“ zu kaufen, weil ich meinen<br />

Nebenjob an der Ganztagsschule zum Ferienbeginn aufgegeben<br />

hatte. Jetzt bekomme ich das Elterngeld auf mein Konto.<br />

Das gibt mir das Gefühl, auch etwas beitragen zu können.<br />

Meistens denke ich über all diese Abhängigkeiten aber<br />

gar nicht nach. Ich vermisse nichts, auch wenn ich manchmal<br />

Verabredungen absagen muss. Selbst wenn wir für Joshua<br />

keinen Kitaplatz finden und ich mein Examen noch um ein<br />

halbes Jahr verschieben müsste, wäre das okay für mich. Ein<br />

Leben ohne ihn kann ich mir nämlich nicht mehr vorstellen.<br />

Unglaublich, welch pures Vertrauen mir dieser kleine<br />

Mensch entgegenbringt. Manchmal frage ich mich, womit<br />

ich das verdient habe. Und genieße es, ein Kind zu haben.<br />

P r o t o k o l l : G a b r i e l e M e i s t e r , f o t o : p r i v a t<br />

H O C H S C H U L<br />

A N Z E I G E R<br />

46


Das Leben von Yusuf<br />

oder Rosa oder Sun oder<br />

Ramon oder Li oder Schirin<br />

oder Korash oder Anna oder<br />

Fabio oder Jassem oder<br />

Dana ist in Gefahr.<br />

Ohne Pressefreiheit können wir nur raten.<br />

Aber niemandem helfen.<br />

Spendenkonto: 5667777080<br />

BLZ: 10090000 Berliner Volksbank<br />

www.reporter-ohne-grenzen.de


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Und das mit 62.<br />

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