Die Sprache der Bilder - enostopos
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<strong>Die</strong><br />
<strong>Sprache</strong><br />
<strong>der</strong><br />
Bil<strong>der</strong><br />
von<br />
Ludwig Dinzinger<br />
Impressum<br />
In die Innenseiten <strong>der</strong><br />
Umschlagdeckel können<br />
Abbildungen von Herold, 1551,<br />
abgedruckt werden. Bildtafeln mit<br />
Sammlungen von Abbildungen aus<br />
dem Horapollo - in: Volkmann L.,<br />
Bil<strong>der</strong>schrift <strong>der</strong> Renaissance,<br />
Leipzig, 1923, S. 78.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Sprache</strong> <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>
Inhalt<br />
Einleitung<br />
Säugetiere<br />
Vögel<br />
Insekten, Reptilien, Fische<br />
1. Das Rind<br />
2. Das Pferd<br />
3. Der Löwe<br />
4. Der Wal<br />
5. Der Leopard, <strong>der</strong> Panther<br />
6. Das Schaf<br />
7. Der Elefant<br />
8. <strong>Die</strong> Hyäne<br />
9. Der Wolf<br />
10. Der Hund<br />
11. Der Hirsch<br />
12. Der Bär<br />
13. <strong>Die</strong> Fle<strong>der</strong>maus<br />
14. Das Schwein<br />
15. Der Esel<br />
16. Der Hase<br />
17. <strong>Die</strong> Henne, <strong>der</strong> Hahn<br />
18. <strong>Die</strong> Taube<br />
19. Der Falke<br />
20. <strong>Die</strong> Schwalbe<br />
21. Der Würger<br />
22. Der Pelikan<br />
23. Der Geier<br />
24. <strong>Die</strong> Drossel<br />
25. Uhu, Eule, Kauz<br />
26. <strong>Die</strong> Krähe, <strong>der</strong> Rabe<br />
27. Der Storch<br />
28. Der Pfau<br />
29. Der Reiher<br />
30. Der Wiedehopf<br />
31. Das Rebhuhn<br />
32. Der Adler<br />
33. <strong>Die</strong> Fliege<br />
34. Heuschrecke, Grille, Zikade<br />
35. <strong>Die</strong> Ameise<br />
36. <strong>Die</strong> Biene<br />
37. Der Skorpion<br />
38. Der Frosch<br />
39. Der Salaman<strong>der</strong><br />
40. Der Wurm<br />
41. <strong>Die</strong> Schlange<br />
42. Der Waran<br />
43. Das Krokodil<br />
44. <strong>Die</strong> Schildkröte<br />
45. Der Krebs<br />
46. <strong>Die</strong> Muschel<br />
47. Der Fisch<br />
48. Der Aal<br />
Volkmann, L., Bil<strong>der</strong>schrift <strong>der</strong><br />
Renaissance, Leipzig, 1923, S. 39 -<br />
Valeriano, 1575<br />
"A Wir werden geboren. B Wir<br />
werden alt. C Wir leben. D Wir<br />
sterben. E <strong>Die</strong> Natur ist<br />
zwiespältig."<br />
Bild
Pflanzen<br />
Erden, Metalle, Geräte<br />
Weissagungen<br />
49. <strong>Die</strong> Lilie<br />
50. <strong>Die</strong> Platane<br />
51. <strong>Die</strong> Zwiebel<br />
52. Der Ölbaum<br />
53. Der Efeu<br />
54. Schilf, Gras<br />
55. Der Feigenbaum<br />
56. Der Lattich<br />
57. <strong>Die</strong> Stechpalme<br />
58. <strong>Die</strong> Esche<br />
59. Der Keuschbaum<br />
60. Das Eisenkraut<br />
61. <strong>Die</strong> Eiche, die Buche<br />
62. Der Farn<br />
63. Das Vogelkraut<br />
64. Der Sellerie<br />
65. Der Stein<br />
66. Der Lehm, <strong>der</strong> Ton<br />
67. Der Asbest<br />
68. Das Eisen<br />
69. <strong>Die</strong> Bronze<br />
70. Das Kupfer<br />
71. Das Silber<br />
72. Das Gold<br />
73. Das Schwert, <strong>der</strong> Bogen<br />
74. <strong>Die</strong> Waage<br />
75. <strong>Die</strong> Lampe<br />
76. Das Haus<br />
77. <strong>Die</strong> Farben<br />
78. <strong>Die</strong> Elemente<br />
79. Winde, Richtungen des Himmels<br />
80. <strong>Die</strong> Landschaft<br />
81. Der Traum des Pharao<br />
82. Der Traum des Nebukadnezzar<br />
83. <strong>Die</strong> Vision des Daniel<br />
84. <strong>Die</strong> Schau <strong>der</strong> Hildegard von<br />
Bingen<br />
85. <strong>Die</strong> fünf Reiter<br />
86. Das Gedicht des Nostradamus<br />
Bild <br />
aus Henkel/Schöne, Emblemata, S.<br />
59, Emblem Berg - Saavedra, 1659.<br />
"Nahe Jupiter und den Blitz"
Einleitung<br />
lehren,/<br />
die Fische des Meeres<br />
erzählen es dir."<br />
Ijob, 12, 7 - 8.<br />
"Nun fand er überall<br />
Bekanntes wie<strong>der</strong>, nur<br />
wun<strong>der</strong>lich gemischt, gepaart,<br />
und also ordneten sich selbst<br />
in ihm oft seltsame Dinge. Er<br />
merkte bald auf die<br />
Verbindungen in allem, auf<br />
Begegnungen,<br />
Zusammentreffungen. Nun sah<br />
er bald nichts mehr allein. - In<br />
große, bunte Bil<strong>der</strong> drängten<br />
sich die Wahrnehmungen<br />
seiner Sinne: er hörte, sah,<br />
tastete und dachte zugleich. Er<br />
freute sich, Fremdlinge<br />
zusammen zu bringen. Bald<br />
waren ihm die Sterne<br />
Menschen, bald die Menschen<br />
Sterne, die Steine Tiere, die<br />
Wolken Pflanzen, er spielte mit<br />
den Kräften und<br />
Erscheinungen, er wußte, wo<br />
er dieses und jenes finden und<br />
erscheinen lassen konnte, und<br />
er griff selbst in den Saiten<br />
nach Tönen und Gängen<br />
umher."<br />
Novalis, <strong>Die</strong> Lehrlinge zu Sais<br />
Eine "<strong>Sprache</strong> <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>" eröffnet<br />
Möglichkeiten <strong>der</strong> Vielfalt, schenkt<br />
Dimensionen an Freiheit. Neben<br />
poetischen Metaphern kann das<br />
Gleichnis <strong>der</strong> Bibel stehen,<br />
Schöpfungen von Malern und<br />
Bildhauern können sich zu<br />
Fotografie, Fabel und Allegorie<br />
fügen. Naturkunde und Wissenschaft<br />
<strong>der</strong> Embleme können sich<br />
austauschen, und die antiken Werke,<br />
die die ägyptischen Hieroglyphen zu<br />
deuten suchten, ergänzen.<br />
"Das Geheimnis <strong>der</strong> Welt<br />
eröffnet sich überall dort, wo<br />
es uns gelingt, das Universum<br />
transparent zu sehen."<br />
Teilhard de Chardin<br />
In eine "<strong>Sprache</strong> <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>" können<br />
alle Formen eingehen, die die<br />
Metaphorik <strong>der</strong> westlichen Kultur<br />
prägen: sie münden für unsere<br />
Gegenwart in die "Pansophie" <strong>der</strong><br />
rudolfinischen Epoche, in die Mystik<br />
des Jakob Böhme, in die<br />
aufbrechende Bil<strong>der</strong>welt des<br />
Barock. Und danach geht die<br />
Bewegung viel weiter, und auch die<br />
mo<strong>der</strong>ne Kunst lebt gewiss nicht nur<br />
in distanzierten Zitaten davon.<br />
Es sind pralle Bil<strong>der</strong> voll prächtiger<br />
Vitalität. Sie schenken Ahnungen<br />
von Weite und Stufe, Eindrücke von<br />
Licht und von Klarheit.<br />
In ihnen "webt" das Geheimnis <strong>der</strong><br />
Erscheinungen <strong>der</strong> Welt.<br />
"Frag nur die Tiere, sie lehren<br />
es dich,/<br />
die Vögel des Himmels, sie<br />
künden es dir.<br />
Rede zur Erde, sie wird dich<br />
80 Bil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Metaphern dieses<br />
Buches "bekleiden" ebenso viele<br />
Begriffe: zuerst kommen jeweils 16<br />
Symbole aus dem Reich <strong>der</strong><br />
Säugetiere, <strong>der</strong> Vögel, <strong>der</strong> Reptilien,<br />
<strong>der</strong> Pflanzen, <strong>der</strong> Erden und Metalle<br />
u. a. m.. In ihnen soll eine<br />
polyvalente Vorstellung <strong>der</strong><br />
möglichen Bedeutungen und <strong>der</strong><br />
bildlichen und kommunikativen<br />
Weiterungen entworfen werden.<br />
Das in dieser Weise entwickelte<br />
"Verstehen" soll helfen, sechs<br />
Weissagungen zu folgen: Träumen<br />
des Pharao, des Nebukadnezzar,<br />
Visionen des Daniel, <strong>der</strong> Schau <strong>der</strong><br />
Hildegard von Bingen, des<br />
Johannes, einem Gedicht des Michel<br />
Nostradamus.<br />
"Poesie ist die Muttersprache<br />
des menschlichen<br />
Geschlechts . Sieben Tage im<br />
Stillschweigen des Nachsinns<br />
o<strong>der</strong> Erstaunens saßen sie; - -<br />
und thaten ihren Mund auf - zu<br />
geflügelten Sprüchen. Sinne<br />
und Leidenschaften verstehen<br />
nichts als Bil<strong>der</strong>. In Bil<strong>der</strong>n<br />
besteht <strong>der</strong> ganze Schatz<br />
menschlicher Erkenntniß und<br />
Glückseeligkeit."<br />
Johann Georg Hamann, Aesthetica<br />
in nuce
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Henkel, A., Schöne, A.: Emblemata,<br />
Stuttgart, 1967. S. 369, Tiere<br />
allgemein<br />
rechts<br />
Der Garten Eden, mittelalterliche<br />
Tafelmalerei, viele Tiere, Pflanzen,<br />
Adam und Eva
Stier erliegen – er ist zum Tod<br />
verurteilt.<br />
Das Rind<br />
Und gebrochen geht <strong>der</strong> Stier in den<br />
Sternenhimmel ein: das<br />
Tierkreiszeichen Taurus zeigt das<br />
halbe Tier in seinem vor<strong>der</strong>en Teil,<br />
<strong>der</strong> geknickt ist: die hintere Hälfte<br />
mit den Zeugungsorganen ist am<br />
Himmel nicht vorhanden.<br />
"Das goldene Kalb<br />
Doppelflöten, Hörner, Geigen<br />
Spielen auf zum Götzenreigen,<br />
Und es tanzen Jakobs Töchter<br />
Um das goldne Kalb herum -<br />
- Brumm - Brumm - Brumm<br />
Paukenschläge und Gelächter.<br />
Hochgeschürzt bis zu den<br />
Lenden<br />
Und sich fassend an den<br />
Händen,<br />
Jungfraun edelster<br />
Geschlechter<br />
Kreisen wie ein Wirbelwind<br />
Um das Rind -<br />
Paukenschläge und Gelächter.<br />
Aron selbst wird fortgezogen<br />
Von des Tanzes<br />
Wahnsinnswogen,<br />
Und er selbst, <strong>der</strong><br />
Glaubenswächter,<br />
Tanzt im Hohenpriesterrock,<br />
Wie ein Bock -<br />
Paukenschläge und<br />
Gelächter."<br />
Heinrich Heine<br />
Der Stier war in Ägypten dem<br />
Sonnengott geweiht. In Memphis<br />
suchten die Priester einen durch<br />
körperliche und seelische<br />
Eigenschaften ausgezeichneten<br />
Stier: fand er sich, wurde er als<br />
Epiphanie des Gottes umjubelt. Man<br />
ließ ihn durch die Fel<strong>der</strong> schweifen;<br />
von daher auch sein Name "hpj" -<br />
"<strong>der</strong> Eilende". Sein Umherstreifen<br />
sollte reiche Frucht bringen.<br />
Der Tanz <strong>der</strong> Israeliten um das<br />
goldene Kalb war geradezu die<br />
Beschwörung des alten<br />
Wohlergehens (2 Mose, 32).<br />
Abends ging die Sonne in den Leib<br />
<strong>der</strong> Himmelskuh (Hathor) ein - am<br />
nächsten Tag wurde sie wie<strong>der</strong> aus<br />
ihr geboren. So stand <strong>der</strong> natürliche<br />
Kreislauf im bildlichen<br />
Zusammenhang des Rindes.<br />
In <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Kultur des Westens<br />
wird die Kuh zum Symbol des<br />
Mütterlichen. Als Vertreterin <strong>der</strong><br />
ersten Nahrung kann das Spiel mit<br />
einer Kuh zur tiefenpsychologischen<br />
Signatur früher Erfahrungen<br />
werden, weist auf Urvertrauen und<br />
frühe Weisen seelischer Stabilität.<br />
Selbst die Tötung des Stieres kann<br />
zur Chiffre des Lebens werden. Im<br />
Kult des Mithras, eines in <strong>der</strong> Antike<br />
weit verbreiteten iranischen<br />
Mysterienkultes, stand im Zentrum<br />
des Rituals die Enthüllung des<br />
sakramentalen Bildes, auf dem<br />
Mithras das Tier tötet: damit aus<br />
seinem Leib und Samen die Tierund<br />
Pflanzenwelt neu erstehen kann.<br />
In Assoziation dazu stehen die<br />
Stierkämpfe Iberiens. Der<br />
gewaffneten Kraft und dem präzisen<br />
Geschick des Menschen wird <strong>der</strong><br />
"Ein Mensch, durch Unglück<br />
gemäßigt<br />
Wenn sie einen Menschen<br />
zeigen wollen, <strong>der</strong> durch<br />
zurückliegendes Unglück<br />
gemäßigt wurde, zeichnen sie<br />
einen mit wilden Feigen<br />
bekränzten Stier. Denn wenn<br />
<strong>der</strong> Stier in Rage gerät, geht er<br />
unter die wilden Feigen und<br />
beruhigt sich."<br />
Horapollo II, 77<br />
Das Tierkreiszeichen Stier hat in <strong>der</strong><br />
Astrologie die Bedeutung <strong>der</strong><br />
"Erhöhung des Mondes". Das<br />
bedeutet: in diesem<br />
Tierkreisabschnitt sind die Kräfte<br />
des Wachsens und Gedeihens<br />
"erhöht". <strong>Die</strong> Sonne durchläuft<br />
dieses Zeichen im April: in die<br />
Knospen schießt Saft, und sie<br />
grünen, die Obstbäume stehen in<br />
Pracht, und eine riesige Blumenfülle<br />
sprießt.<br />
Analogien des Mondes sind: das<br />
Feuchte, das Weibliche, <strong>der</strong><br />
Intellekt, die Mathematik, die Musik,<br />
das Volk, die Nacht. Alles diese<br />
Aspekte stehen in enger Verbindung<br />
zur Natur, zu den Sinnen, zur Ratio.<br />
"Wird dir <strong>der</strong> Wildstier dienen<br />
wollen,/ bleibt er an deiner<br />
Krippe zur Nacht?<br />
Hältst du am Seil ihn in <strong>der</strong><br />
Furche,/ pflügt er die Täler<br />
hinter dir her?<br />
Traust du ihm, weil er so stark<br />
ist?/ Überläßt du ihm deine
Arbeit?"<br />
Ijob 39, 9 - 11<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Säugetiere<br />
Hieroglyphe "Apis-Stier", "hp",<br />
aus: Betro, M. C., Heilige Zeichen,<br />
Wiesbaden, 2003, S. 90<br />
Kuh aus dem Sceno-Test<br />
rechts<br />
Hathor, die Himmelskuh. Lurker,<br />
Lexikon <strong>der</strong> Götter und Symbole <strong>der</strong><br />
alten Ägypter, S. 123.<br />
Mithras tötet den Stier<br />
Pablo Picasso, Stier, 2. Fassung,<br />
Druckgraphik, Staatsgalerie<br />
Stuttgart<br />
HS (Henkel/Schöne), S. 528: Ochse,<br />
Rollenhagen, 1613 - so geduldig<br />
arbeitet <strong>der</strong> Ochse sich vorwärts.<br />
"Schritt für Schritt"
Schlachtgeschrei."<br />
Ijob 39 19 - 25<br />
Das Pferd<br />
Es ist ein „Schärfe“ im Bild des<br />
Pferdes angesprochen, des Denkens,<br />
des Urteils. <strong>Die</strong>ses entspricht<br />
astrologisch dem Symbol des Mars:<br />
nach <strong>der</strong> Lehre <strong>der</strong> Entsprechungen<br />
gehören die stechenden Insekten,<br />
ebenso dornenbewehrte Äste, auch<br />
alle Nesselpflanzen zum Gestirn<br />
dieses antiken Gottes des Krieges.<br />
<strong>Die</strong>se Dimension geht nahtlos über<br />
in die kriegerische Welt <strong>der</strong><br />
mittelalterlichen Ritter.<br />
"Wenn sie Wespen bezeichnen<br />
wollen, zeichnen sie ein totes<br />
Pferd. Denn aus toten Pferden<br />
entstehen viele Wespen."<br />
"Gabst du dem Ross die<br />
Heldenstärke, / kleidest du mit<br />
einer Mähne seinen Hals?<br />
Lässt du es wie Heuschrecken<br />
springen? / Furchtbar ist sein<br />
stolzes Wiehern.<br />
Es scharrt im Tal und freut<br />
sich, / zieht mit Macht dem<br />
Kampf entgegen.<br />
Es spottet <strong>der</strong> Furcht und<br />
kennt keine Angst / und kehrt<br />
nicht um vor dem Schwert.<br />
Über ihm klirrt <strong>der</strong> Köcher, /<br />
Speer und Sichelschwert<br />
blitzen.<br />
Mit Donnerbeben wirbelt es<br />
den Staub auf, / steht nicht still<br />
beim Klang des Horns.<br />
Sooft das Horn hallt, wiehert<br />
es "hui" / und wittert den<br />
Kampf schon von weitem, /<br />
<strong>der</strong> Anführer Lärm und das<br />
Über Jahrtausende zogen Pferde die<br />
Streitwägen <strong>der</strong> Fürsten; verheerend<br />
brachen die gepanzerten Gespanne<br />
in die Reihen <strong>der</strong> Soldaten. Spät erst<br />
ritten die Privilegierten <strong>der</strong><br />
ständischen Gesellschaft auf<br />
Pferden; im Mittelalter hießen sie<br />
"Ritter".<br />
Den Griechen und Römern galt das<br />
Pferd als schlimmes und<br />
unheilkündendes Vorzeichen. Vergil<br />
lässt den aus Troja vertriebenen<br />
König Anchises, <strong>der</strong> auf seiner<br />
Irrfahrt eine Insel erkundet und<br />
plötzlich weidende Pferde erblickt,<br />
ausrufen:<br />
"Krieg bringst du, o gastliches<br />
Land uns/ Kriegsdienst<br />
waffnet das Roß, Krieg droht<br />
die weidende Herde!"<br />
In verwandte Bedeutung weisen die<br />
vier Reiter <strong>der</strong> Geheimen<br />
Offenbarung: dort wird ein weißes<br />
Pferd verbunden mit "Sieg", ein<br />
rotes mit "Friedlosigkeit, Schlacht<br />
und Schwert", ein schwarzes mit<br />
"Teuerung", und ein fahles Pferd mit<br />
"Schwert, Hunger und Tod" (Offb, 6,<br />
1 - 8). Auch ein fünftes Pferd und<br />
ein fünfter Reiter (19, 11) wird in<br />
Begriffen, die an das<br />
Kriegshandwerk anklingen,<br />
charakterisiert; bei ihm kommt<br />
jedoch "das scharfe Schwert aus<br />
seinem Mund". Sein Name ist "Das<br />
Wort Gottes".<br />
Horapollo, II, 44<br />
Nach antiker Meinung entstanden<br />
manche Insekten und Würmer aus<br />
verwesenden Tieren. Aus <strong>der</strong><br />
Kombination von „Pferd und<br />
Wespe“ kann man deuten: aus<br />
„herumliegenden Leichnamen“<br />
entstehen Gifte, reißende Stacheln,<br />
Wunden als Erben des Konfliktes.<br />
Aus unbearbeiteten Überresten von<br />
Trauma und Streit ergeben sich<br />
"fliegende", "verwundende",<br />
"brennende" Stachelwesen einer<br />
nächsten Generation.<br />
In <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Welt hat das Pferd<br />
einen ganz an<strong>der</strong>en Sinn gewonnen.<br />
Was bedeutet es wohl, wenn das<br />
Tier heute ein Gegenstand <strong>der</strong><br />
heftigen Zuneigung weiblicher<br />
Teenager ist? Sie schätzen wohl<br />
jenes hoch, was in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />
Kultur "Wert" besitzt: Feuer,<br />
Durchsetzung, Schärfe. Das sich<br />
bäumende Pferd begleitet das<br />
Röhren <strong>der</strong> Motoren, <strong>der</strong>en Kraft in<br />
"Pferdestärken" gemessen wird.<br />
Heute kann jede und je<strong>der</strong> bestehen,<br />
kann „Adel“ erringen, wenn auch<br />
meist nur in <strong>der</strong> Phantasie und im<br />
Tagtraum. Um die „Idee des<br />
Pferdes“ zu realisieren, bedarf es<br />
hoher Konzentration, langer Übung:<br />
Aspekte des Geistes, die die<br />
Kampfkunst trainiert.<br />
Konzentrierte und zugespitzte<br />
sportliche Höchstleistung ist die
Dressur, als Versammlung des<br />
Flüchtigen, als Zusammenführung<br />
des Wi<strong>der</strong>streitenden, als Bändigung<br />
des Unbändigen.<br />
Foto aus <strong>der</strong> Spanischen Reitschule<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Säugetiere<br />
Hieroglyphe "Pferd", "susim" -<br />
Betro 93. Es war im alten Orient<br />
unter <strong>der</strong> Würde, ein Pferd zu reiten<br />
- man ließ sich in repräsentativen<br />
Wägen ziehen; erst in<br />
hellenistischer Zeit saßen Könige zu<br />
Pferd.<br />
rechts<br />
HS, S. 506: Gutes Bild vom<br />
Bukephalos, dem Pferd Alexan<strong>der</strong>s -<br />
gepanzertes Pferd, in: La Perriere,<br />
1539.<br />
Sebastian Brant, Das Narrenschiff,<br />
Stuttgart, 1964, S. 374.<br />
Speichelleckerei und Liebedienerei -<br />
"den falben Hengst streicheln" -<br />
wird kaum vergolten.<br />
"Jetzt kannst den falben<br />
Hengst du streichen,<br />
Doch Milde wirst du nicht<br />
erreichen:<br />
Das große Tier wird dir nicht<br />
weichen."<br />
"In dieser Nacht hatte ich eine<br />
Vision: Ich sah einen Mann auf<br />
einem rotbraunen Pferd. Er<br />
stand zwischen den<br />
Myrtenbäumen in <strong>der</strong> Tiefe,<br />
und hinter ihm waren<br />
rotbraune, blutrote und weiße<br />
Pferde. Ich fragte: Herr, was<br />
bedeuten diese Pferde? Und<br />
<strong>der</strong> Engel, <strong>der</strong> mit mir redete,<br />
sprach: Ich will dich sehen<br />
lassen, was sie bedeuten. Da<br />
ergriff <strong>der</strong> Mann, <strong>der</strong> zwischen<br />
den Myrtenbäumen stand, das
Wort und sagte: Der Herr hat<br />
diese Pferde gesandt, damit<br />
sie die Erde durchziehen. Und<br />
sie antworteten dem Engel des<br />
Herrn, <strong>der</strong> zwischen den<br />
Myrtenbäumen stand: Wir<br />
haben die Erde durchzogen -<br />
die ganze Erde ruht und liegt<br />
still."<br />
Sacharja 1, 8 - 11<br />
"Stärke<br />
Um Stärke zu zeigen, zeichnen<br />
sie Teile des Löwen, denn in<br />
ihnen lebt die ganze Kraft des<br />
Löwenkörpers."<br />
Horapollo I, 18.<br />
"Der Kaiser war enttäuscht.<br />
Der Löwe gehorchte ihm nicht,<br />
son<strong>der</strong>n seinem Opfer. "Du<br />
Elen<strong>der</strong>, dich <strong>der</strong>art fangen zu<br />
lassen", murmelte er vor sich<br />
hin. Der Löwe war nämlich,<br />
ohne zu wissen, wie ihm das<br />
geschah, überwältigt worden.<br />
Der Kaiser hätte den<br />
machtvollen Schwächling<br />
totpeitschen lassen mögen.<br />
Erbarmen zu haben, welche<br />
Alltäglichkeit! Der Löwe war<br />
ganz schlapp. <strong>Die</strong> Sanfte hatte<br />
eine entsetzliche Angst, im<br />
Löwen könne das Tier wie<strong>der</strong><br />
erwachen. Der Löwe bebte<br />
unter höheren Einflüssen. Das<br />
Mädchen fürchtete, ihre Macht<br />
möchte zu zart sein. Aber die<br />
Zartheit übte die stärkste<br />
Macht aus. <strong>Die</strong> Löwenseele<br />
war gebändigt."<br />
R. Walser, Der Löwe und die<br />
Christin<br />
Der Löwe<br />
Der Löwe galt als "König <strong>der</strong><br />
Tiere". Der Tierkreisabschnitt Löwe,<br />
dem dieses Tier entspricht, ist <strong>der</strong><br />
Himmelsort, an dem auch<br />
Zeus/Jupiter Wohnung haben soll.<br />
Wenn die Sonne in diesem Zeichen<br />
steht, im Juli und August, ist ihre<br />
Kraft am höchsten. Sie brennt mit<br />
feuriger Kraft vom Himmel: "im<br />
Löwen glüht die Sonne", so spricht<br />
Seneca.<br />
<strong>Die</strong> Sonne, körperlich gefasst, ist<br />
ein Analogon des Herzens,<br />
übertragen des "beherzten Mutes".<br />
Alles sehr Bedeutende, die höchsten<br />
Würden wurden mit diesem Bild<br />
signifiziert. Der Löwe ist Bestandteil<br />
<strong>der</strong> Heraldik des Herrschers, und<br />
Teile des Löwenkörpers wurden zu<br />
Würdeformen in <strong>der</strong> bildenden<br />
Kunst .<br />
Der Physiologus (1) schreibt<br />
ausführlich zum Löwen. Sein erstes<br />
Charakteristikum sei, eigene Spuren<br />
mit dem Schwanz zu verwischen; er<br />
übe so List. Und das zweite: wenn er<br />
in seiner Höhle schlafe, habe er die<br />
Augen offen; das bedeute<br />
Konzentration und höchste<br />
Wachsamkeit. Und weiter:<br />
"Wenn die Löwin das Junge<br />
gebiert, so gebiert sie es tot<br />
und wacht bei <strong>der</strong> Leiche, bis<br />
<strong>der</strong> Vater kommt am dritten<br />
Tag, ihm ins Gesicht bläst und<br />
es so weckt. So hat auch unser<br />
Gott, <strong>der</strong> Allherrscher, <strong>der</strong><br />
Vater aller, am dritten Tag<br />
seinen erstgeborenen Sohn,<br />
<strong>der</strong> vor aller Schöpfung war,<br />
unseren Herrn Jesus Christus<br />
auferweckt."<br />
Danach spricht <strong>der</strong> Physiologus von<br />
<strong>der</strong> verschlingenden Seite des<br />
Löwen. Wenn er hungrig sei,<br />
markiere er mit seinem Schwanz<br />
einen Kreis, dann lege er sich an<br />
den Anfang dieses Kreises. <strong>Die</strong><br />
umrissenen Tiere suchten nun einen<br />
Ausweg, sie liefen <strong>der</strong> Spur entlang;<br />
voller Angst drängten sie sich<br />
zusammen, kämen dem Löwen<br />
immer näher - "da erhebt er sich,<br />
schlägt sie und frisst sie auf."<br />
Petrus mahnt in seinem ersten Brief<br />
die Gemeinde: "Seid nüchtern und<br />
wachsam! Euer Wi<strong>der</strong>sacher, <strong>der</strong><br />
Teufel, geht wie ein brüllen<strong>der</strong> Löwe<br />
umher und sucht, wen er<br />
verschlingen kann" (5, 8). In<br />
späteren Darstellungen wird <strong>der</strong><br />
Rache des Löwen oft als das Tor <strong>der</strong><br />
Hölledargestellt. Der sozialkritische<br />
Aspekt dieser Bil<strong>der</strong> ist beträchtlich:<br />
die größten Gefährdungen des<br />
Menschen entstehen aus<br />
militärischer Gewalt und<br />
fürchterlicher Gier <strong>der</strong> "Fürsten <strong>der</strong><br />
Welt" (Joh 12, 31).<br />
Der Löwe ist ein Bild des<br />
Schreckens: <strong>der</strong> Mensch, <strong>der</strong> ihn<br />
auftauchen sieht, erstarrt<br />
(Horapollo 20).<br />
"Wie sie Mut, Zorn und Raserei<br />
kennzeichnen<br />
Wenn sie Mut Zorn Raserei<br />
Zeigen wollen malen sie den<br />
Löwen<br />
Er hat einen großen Kopf und<br />
ein großes Herz<br />
Und die Pupille seiner Augen
fliegt im Feuer<br />
Sein Körper ist vollendet seine<br />
Mähne<br />
Sträubt sich wie die Strahlen<br />
<strong>der</strong> Sonne<br />
Verleihen ihm den Ausdruck<br />
riesiger Stärke<br />
Um zu zeigen daß er allem<br />
über ist<br />
Und tief im Süden findet man<br />
den Begriff<br />
Seine Analogie mit <strong>der</strong> Sonne<br />
besser zu verstehen."<br />
Horapollo I, 17; (in <strong>der</strong> Bearbeitung<br />
des Michel Nostradamus) n. 17<br />
Der afrikanische Löwe fürchtet<br />
nichts als die<br />
flammende Fackel, seine<br />
grausige Grobheit weicht.<br />
Sein wildes Herz kommt zur<br />
Ruhe vor lichtem Glanz<br />
himmlischer Weisheit,<br />
fürchterlicher Strafe."<br />
Löwe als Satan, romanische Plastik,<br />
aus Champeaux - Sterckx, Abb. 101.<br />
In romanischer Ikonographie<br />
bedeutet "Löwe" - "Körper", polar<br />
dazu "Adler" - "Seele".<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Säugetiere<br />
Hieroglyphe "Löwe" - "rw", Betro<br />
98<br />
Hieroglyphe "Vor<strong>der</strong>teil, Herz" -<br />
"hzty". Herz als Sitz <strong>der</strong> Gefühle,<br />
<strong>der</strong> Gedanken und des Willens.<br />
rechts<br />
Skulptur Löwe, früheste Plastik <strong>der</strong><br />
Kulturgeschichte, 40 000 v. Chr.,<br />
Württembergisches Landesmuseum<br />
Stuttgart<br />
Löwe, Druckgrafik, HS, 381,<br />
Emblem Löwe, Junius, 1511, nach<br />
Horapollo II, 75.<br />
"Philosophie bändigt Wildheit
"Da ist das Meer, so groß und<br />
weit,<br />
darin ein Gewimmel ohne Zahl:<br />
kleine und große Tiere.<br />
Dort ziehen die Schiffe dahin,<br />
auch <strong>der</strong> Leviatan, den du<br />
geformt hast, um mit ihm zu<br />
spielen."<br />
Ps 104, 25 - 26<br />
"Da! Da! Da! ... Da bläst er!<br />
Da! ... Da-a-a blä-ä-ä-st er!"<br />
"Wo?"<br />
"Leewärts dwars ab, ungefähr<br />
zwei Meilen! Eine ganze<br />
Schar!"<br />
Im Nu war alles auf den<br />
Beinen.<br />
Herman Melville, Moby Dick<br />
"... Für innre Schäden kommt<br />
nichts auf <strong>der</strong> Welt dem<br />
Walratöle gleich."<br />
William Shakespeare, König<br />
Heinrich IV.<br />
Der Wal<br />
Der Wal ist ein Säugetier. Das<br />
größte Tier <strong>der</strong> Erde, <strong>der</strong> Blauwal,<br />
kann bereits bei <strong>der</strong> Geburt zwei<br />
Tonnen wiegen; das ausgewachsene<br />
Tier wird bis zu dreißig Meter lang,<br />
bis zu 130 Tonnen schwer.<br />
Wenn <strong>der</strong> Pottwal zweitausend<br />
Meter in die Tiefe <strong>der</strong> Ozeane<br />
taucht, hält er ungeheuerlichen<br />
Drucken stand. Von ihm kommt das<br />
so lange rätselhafte und so kostbare<br />
Ambra, ein Rohstoff zur Herstellung<br />
feiner Düfte. Man findet dieses<br />
grauweiße Stoffwechselprodukt aus<br />
dem Darm des Tieres in<br />
zentnerschweren Stücken im Meer<br />
o<strong>der</strong> an Küsten. Der alten Medizin<br />
galt dieser Stoff als starkes<br />
Heilmittel, er war teurer als Gold!<br />
Ambra, in kleinen Dosen genossen,<br />
soll "erwärmende, stärkende,<br />
erquickende Kraft" gezeigt haben.<br />
Es wirkte nach <strong>der</strong> Mitteilung <strong>der</strong><br />
alten Ärzte auf Haupt, Herz und<br />
Bauch: es war damit ein Heilmittel,<br />
das "aufs Ganze ging". Ambra<br />
"macht munter und fröhlich, mehrt<br />
den Samen, wi<strong>der</strong>steht dem Gift,<br />
erhält gesund, schenkt ein langes<br />
Leben, reiniget die Brust, bewahret<br />
das Gedächtnis, ist gut lahmen<br />
Glie<strong>der</strong>n, erfrischt die<br />
Lebensgeister, weckt die<br />
Ohnmächtigen" (Zedler).<br />
In <strong>der</strong> Zeit des Barock wurde <strong>der</strong><br />
Wal Sinnbild eines Menschen, <strong>der</strong><br />
sich selbst ins Unglück bringt. Oft<br />
stranden Wale an flachen Ufern.<br />
<strong>Die</strong>ses Verhalten ist bis jetzt<br />
ungeklärt - will das "Säugetier ohne<br />
Hinterbeine" (Georges Cuvier)<br />
zurück an Land?<br />
Zudem war <strong>der</strong> Wal ein Sinnbild<br />
eines Menschen, <strong>der</strong> ob eitler Dinge<br />
sein wahres Wohl versäumt. <strong>Die</strong>ses<br />
entstand aus <strong>der</strong> Legende, man<br />
könne den Wal, <strong>der</strong> ein Schiff<br />
bedrohe, ablenken, indem man ihm<br />
eine Tonne vorwerfe - dann spiele er<br />
lieber mit ihr, statt das Schiff zu<br />
verfolgen.<br />
Der Prophet Jona flieht "weit weg<br />
vom Herrn" (Jona 1, 3), nachdem<br />
ihn dieser aufgefor<strong>der</strong>t hat, <strong>der</strong><br />
Stadt Ninive seinen Zorn<br />
anzukündigen. Jona legt sich in den<br />
untersten Raum eines Schiffes... -<br />
um zu schlafen! Schließlich, als ihn<br />
die Seeleute verantwortlich für den<br />
Orkan ermitteln, fragen sie nach<br />
dem Grund <strong>der</strong> Flucht: "Warum hast<br />
du das getan?" Der Prophet gibt<br />
keine Antwort. Und sie werfen ihn in<br />
die See, und er gerät in den Bauch<br />
des "großen Fisches", drei Tage<br />
lang. Wie<strong>der</strong> ausgespien, beginnt er<br />
das ihm Aufgetragene.<br />
<strong>Die</strong> Theologen diskutierten viele<br />
Jahrhun<strong>der</strong>te, welcher Fisch Jona<br />
verschlungen haben könnte. Denn<br />
im hebräischen Urtext steht "großer<br />
Fisch", erst die lateinische<br />
Septuaginta spricht vom "Wal".<br />
Viele plädierten damals für den<br />
Seehund, denn man machte sich<br />
sagenhafte Vorstellungen von seiner<br />
Größe. Denn bald schon war klar<br />
geworden, dass <strong>der</strong> Schlund eines<br />
Wales zu klein war, einen Menschen<br />
durchzulassen - war er doch kaum<br />
größer als eine starke Faust. Das<br />
schlagkräftigste Argument für den<br />
Wal wurde schließlich, dass Jesus<br />
selbst von einem "Wal" gesprochen<br />
hat (Matth 12, 40).
Oft wurde die Bedeutung "Wal" mit<br />
dem "Leviatan" gleichgesetzt.<br />
Wichtiger Meilenstein dieser<br />
Tradition war Thomas Hobbes<br />
(1588 - 1679), in seinem Buch<br />
"Leviathan": darin stellt er die<br />
Auffassung eines Staates vor, <strong>der</strong> die<br />
Welt ohne Rücksicht auf das<br />
Individuum in absoluter und<br />
erbarmungsloser Weise strukturiert<br />
und ordnet.<br />
Nach <strong>der</strong> Lehre des Talmud (I, 16)<br />
wird, wenn <strong>der</strong> Erzengel Michael<br />
mit Gottes Hilfe den Leviatan, den<br />
"Tod", gefangen hat, aus ihm den<br />
Gerechten eine Speise bereitet.<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Säugetiere<br />
Der Fang des Leviathan, aus<br />
Schmidt/Schmidt S. 62.<br />
rechts<br />
Alte Darstellung von Walen: HS, S.<br />
680. Schiffer retten sich, indem sie<br />
dem Wal ihre Ladung vorwerfen.<br />
Camerarius, 1604.<br />
Bild aus dem Film "Moby Dick":<br />
Kapitän Ahab jagt den weißen Wal.
"Wie sie einen Menschen<br />
kennzeichnen, <strong>der</strong> seine<br />
Schlechtigkeit verbirgt<br />
Einen Menschen <strong>der</strong> in<br />
Schlupfwinkeln versteckt<br />
Geheim hält seine verborgene<br />
Schlechtigkeit<br />
Signifizieren sie um es ans<br />
Licht zu bringen<br />
Mit dem Bild eines Leoparden<br />
<strong>der</strong> mit Schärfe<br />
An<strong>der</strong>e Tier anspringt und<br />
verfolgt<br />
Er verheimlicht seine<br />
Gewandtheit<br />
Verbirgt seine Ver<strong>der</strong>blichkeit<br />
Weit bekannt sei´s dass er<br />
spurlos jagt<br />
Weil er Wahrheit verachtet<br />
Angreift aus Trieb und<br />
Leidenschaft."<br />
Horapollo II, 90; (in <strong>der</strong><br />
Bearbeitung des Michel<br />
Nostradamus) n. 154<br />
Leopard,<br />
Panther<br />
Im Gegensatz zum Löwen gehört <strong>der</strong><br />
Leopard zum nächtlichen Licht, dem<br />
Mond. <strong>Die</strong> Alten glaubten, <strong>der</strong><br />
Leopard besitze einen Fleck, <strong>der</strong> mit<br />
dem Mond wachse und abnehme.<br />
Osiris wurde mit einem<br />
Leopardenfell dargestellt. <strong>Die</strong><br />
gleiche Bekleidung erhielten nach<br />
dem Talmud Adam und Eva nach<br />
dem Sündenfall. Und<br />
bezeichnen<strong>der</strong>weise trägt auch <strong>der</strong><br />
Gott des Weines und des Rausches,<br />
Dionysos, diese Hülle.<br />
Horapollo greift die "sündige"<br />
Dimension im Bild <strong>der</strong> nächtlich<br />
lauernden Großkatze auf.<br />
Das apokalyptische Tier aus dem<br />
Meer (Offb 13, 2) gleicht "einem<br />
Panther, seine Füße waren wie die<br />
Tatzen eines Bären und sein Maul<br />
wie das Maul eines Löwen". Umso<br />
erstaunlicher ist, dass <strong>der</strong> Leopard,<br />
als Panther, im „Physiologus<br />
positive Bedeutung erlangt.<br />
"Vom Panther<br />
Er ist von allen Tieren das<br />
freundlichste, ein Feind nur<br />
<strong>der</strong> Schlange. Ganz bunt ist er<br />
wie <strong>der</strong> Rock Josephs und<br />
hübsch, friedfertig und ganz<br />
sanft. Wenn er gefressen hat<br />
und satt ist, ruht er in seiner<br />
Höhle, und am dritten Tag<br />
erhebt er sich vom Schlaf und<br />
brüllt sehr laut. Alle Tiere nah<br />
und fern hören seine Stimme.<br />
Von seiner Stimme geht ein<br />
Wohlgeruch aus, und die Tiere<br />
folgen dem Wohlgeruch <strong>der</strong><br />
Pantherstimme und kommen<br />
ihm ganz nahe.<br />
So hat auch unser Herr Jesus<br />
Christus, <strong>der</strong> am dritten Tage<br />
von den Toten auferstanden<br />
ist, gerufen: "Heute ist <strong>der</strong><br />
Welt Heil wi<strong>der</strong>fahren, <strong>der</strong><br />
sichtbaren und unsichtbaren",<br />
und er ist uns zu einem<br />
vollkommenen Wohlgeruch<br />
geworden, denen in <strong>der</strong> Nähe<br />
und den Fernen, und zum<br />
Frieden, wie <strong>der</strong> Apostel sagt.<br />
Ganz bunt ist die geistliche<br />
Weisheit Gottes, wie in den<br />
Psalmen gesagt wird: "<strong>Die</strong><br />
Braut steht zu deiner Rechten<br />
in eitel köstlichem Gold."<br />
Aber ein Feind ist er <strong>der</strong><br />
abgefallenen Schlange im<br />
Wasser. Ganz bunt ist<br />
Christus, <strong>der</strong> selbst ist<br />
Jungfräulichkeit, Reinheit,<br />
Erbarmen, Glaube, Tugend,<br />
Eintracht, Frieden, Großmut.<br />
Schön spricht <strong>der</strong> Physiologus<br />
über den Panther."<br />
Physiologus, 16<br />
Resignation sieht Rainer Maria<br />
Rilke bei einem Panther im Zoo.
Der Panther<br />
Im Jardin des Plantes, Paris<br />
Sein Blick ist vom<br />
Vorübergehn <strong>der</strong> Stäbe<br />
so müd geworden, dass er<br />
nichts mehr hält.<br />
Ihm ist, als ob es tausend<br />
Stäbe gäbe<br />
und hinter tausend Stäben<br />
keine Welt.<br />
Der weiche Gang geschmeidig<br />
starker Schritte,<br />
<strong>der</strong> sich im allerkleinsten<br />
Kreise dreht,<br />
ist wie ein Tanz von Kraft um<br />
eine Mitte,<br />
in <strong>der</strong> betäubt ein großer Wille<br />
steht.<br />
Nur manchmal schiebt <strong>der</strong><br />
Vorhang <strong>der</strong> Pupille<br />
sich lautlos auf -. Dann geht<br />
ein Blick hinein,<br />
geht durch <strong>der</strong> Glie<strong>der</strong><br />
angespannte Stille -<br />
und hört im Herzen auf zu<br />
sein.<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Säugetiere<br />
Foto Leopard<br />
rechts<br />
Ganze Seite - Franz Marc: Der<br />
Panther
daß ich ihn nicht<br />
vom Regen unterscheide.<br />
Will es ein Ziel,<br />
so ist nichts anzufangen,<br />
Kopfstoßend starr<br />
durchstemmt es sein<br />
Verlangen,<br />
Dann blökt es<br />
seiner Mutter zu, <strong>der</strong> bangen.<br />
Lamm Gottes, das<br />
<strong>der</strong> Menschen Heil beginnt,<br />
Lamm Gottes, das uns zählt<br />
und kennt und findt,<br />
Lamm Gottes, sieh, erbarm<br />
dich dessen, was wir sind.<br />
Gib uns den Frieden,<br />
nicht den Krieg bescher,<br />
Lamm, schrecklich<br />
in des rechten Zornes Wehr,<br />
O du, einziges Lamm,<br />
Gott und Gottvaters Einziger."<br />
Paul Verlaine (in <strong>der</strong> Übersetzung<br />
von Rainer Maria Rilke)<br />
Das Schaf<br />
7). <strong>Die</strong>ses Bild führt Johannes <strong>der</strong><br />
Täufer weiter: "Seht das Lamm<br />
Gottes, das die Sünden <strong>der</strong> Welt<br />
hinwegnimmt" (Joh 1, 29). <strong>Die</strong><br />
Geheime Offenbarung spricht<br />
schließlich vom Sieg, von <strong>der</strong><br />
"Hochzeit des Lammes" (Offb, 19,<br />
17).<br />
Wie kein an<strong>der</strong>es Tier steht das<br />
Lamm für Güte. <strong>Die</strong><br />
freundschaftliche Versammlung <strong>der</strong><br />
Menschen, die "guten Willens" sind,<br />
geschieht im Zeichen dieses Bildes.<br />
Wi<strong>der</strong>christliche und zerstörerische<br />
Kräfte werden im Ausbau dieses<br />
Bildes zu Raubtieren - Löwen,<br />
Wölfen, Monstern und Bestien - die<br />
in "die Herde" brechen. Wer diesen<br />
Raub begünstigt, übel Regierende,<br />
sind "schlechte Hirten"; es sind<br />
"Mietlinge", die fliehen, wenn das<br />
Böse anklopft.<br />
Welche Qualitäten "besitzt" dieses<br />
Tier, um so menschlich profunde<br />
Bedeutungen zu gewinnen? Welche<br />
Gefühle lösen diese Wesen aus? <strong>Die</strong><br />
neugeborenen Lämmer in <strong>der</strong><br />
frischen Frühlingsluft auf den<br />
Weiden - sie ruhen wollig-rund im<br />
hohen Gras - dann treiben große<br />
Herden durch die Wachol<strong>der</strong>. Im<br />
Winter verarbeiteten Frauen und<br />
Kin<strong>der</strong> die Wolle, die im Frühjahr<br />
geschoren war, sie reinigen sie,<br />
zupfen sie, spinnen, weben.<br />
Wie kaum ein zweites Tier eröffnet<br />
das Lamm Ahnungen von <strong>der</strong><br />
utopischen Horizonten eines<br />
Reiches Gottes.<br />
"Agnus dei<br />
Es sucht das Lamm<br />
die Bitterkeit <strong>der</strong> Heide,<br />
Zieht Salz dem Zucker vor<br />
auf seiner Weide,<br />
Sein Schritt wird laut im Staub,<br />
Das Symbol Schaf hat die<br />
Dimensionen Lamm und Wid<strong>der</strong>.<br />
Der Wid<strong>der</strong> steht bei Horapollo für<br />
"Narretei und Unmäßigkeit" (II,<br />
85); <strong>der</strong> Schafbock gehört jedoch<br />
nicht zu den Tierkreiszeichen - <strong>der</strong><br />
"Wid<strong>der</strong>" dort ist ein Rammbock, ein<br />
Kriegsgerät <strong>der</strong> Antike.<br />
Völlig an<strong>der</strong>e Bedeutung gewinnt<br />
das Lamm als zentrales christliches<br />
Symbol; es ist das älteste und<br />
verbreitetste Zeichen für Christus.<br />
Schon <strong>der</strong> Prophet Jesaja schaut ein<br />
"Lamm, das zur Schlachtbank<br />
geführt wird..., denn <strong>der</strong> Herr warf<br />
unser aller Sünden auf ihn" (Jes 53,<br />
"Dann wohnt <strong>der</strong> Wolf beim<br />
Lamm, <strong>der</strong> Panther liegt beim<br />
Böcklein. Kalb und Löwe<br />
weiden zusammen, ein kleiner<br />
Knabe kann sie hüten. Kuh<br />
und Bärin freunden sich an,<br />
ihre Jungen liegen<br />
beieinan<strong>der</strong>. Der Löwe frißt<br />
Stroh wie das Rind. Der<br />
Säugling spielt vor dem<br />
Schlupfloch <strong>der</strong> Natter, das<br />
Kind streckt seine Hand in die<br />
Höhle <strong>der</strong> Schlange."<br />
Jesaja 11, 6 - 8
Das Lamm steht für einen Zustand<br />
<strong>der</strong> Welt, in dem alles versöhnt ist.<br />
Es wird "Skulptur" einer erneuerten<br />
Welt, einer unglaublichen höheren<br />
Realität. <strong>Die</strong>ses Zeichen begleitet<br />
"einen neuen Himmel und eine neue<br />
Erde".<br />
Mosaik Rom, San Clemente, Apsis<br />
Brant, Narrenschiff, S. 178. Narren,<br />
gefangen von <strong>der</strong> Dirne "Wolllust".<br />
"Einen Tempel sah ich nicht in<br />
dieser Stadt. Denn <strong>der</strong> Herr, ihr<br />
Gott, <strong>der</strong> Herrscher über die<br />
ganze Schöpfung, ist ihr<br />
Tempel, er und das Lamm. <strong>Die</strong><br />
Stadt braucht we<strong>der</strong> Sonne<br />
noch Mond, die ihr leuchten.<br />
Denn die Herrlichkeit Gottes<br />
erleuchtet sie, und ihre<br />
Leuchte ist das Lamm."<br />
Bild einer Krippe, umgeben von<br />
Schafen<br />
Offb 21, 22 - 23<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Säugetiere<br />
Schreibweise des Gottes Chnum, ein<br />
Wid<strong>der</strong>, Betro S. 84.<br />
rechts<br />
Mosaik Ravenna, Christuslamm auf<br />
Sternengrund
erreicht die Zitzen, um zu trinken.<br />
Während <strong>der</strong> Geburt schützt sie <strong>der</strong><br />
Bulle vor <strong>der</strong> Schlange; wenn er<br />
eine sieht, zertrampelt er sie sofort.<br />
Der Physiologus vergleicht die<br />
Geschlechtlichkeit des Elefanten mit<br />
dem ursprünglichen Zustand <strong>der</strong><br />
ersten Menschen. Als Eva den Apfel<br />
nahm, "geistliche Mandragora-<br />
Früchte" aß, erkannte sie Adam,<br />
und sie gebar Kain "auf den<br />
verruchten Wassern".<br />
Eine weitere Geschichte des<br />
Physiologus führt noch mehr über<br />
die Gegnerschaft zwischen dem<br />
Rüsseltier und <strong>der</strong> Schlange aus.<br />
Wenn die Riesenschlange sich an<br />
<strong>der</strong> Schlaga<strong>der</strong> des Elefanten<br />
festsauge, lasse er sich stracks<br />
umfallen, um mit seinem Gewicht<br />
die Schlange zu zerquetschen, und<br />
beide stürben gemeinsam.<br />
"<strong>Die</strong> Eigenart des Elefanten ist<br />
diese. Wenn du seine Haare<br />
o<strong>der</strong> Knochen in einem Haus<br />
verbrennst, wird we<strong>der</strong> ein<br />
böser Geist noch eine<br />
Schlange noch irgend etwas<br />
Böses hineingehen."<br />
Physiologus, 43<br />
<strong>Die</strong> antike Naturkunde betont, <strong>der</strong><br />
Elefant fliehe vor dem Anblick eines<br />
Wid<strong>der</strong>s. Das Gewahrwerden des<br />
männlichen Schafes wäre ihm so<br />
"antipathisch", daß er die Flucht<br />
ergreife. - Das Sinnbild <strong>der</strong><br />
"närrischer Unmäßigkeit" trifft hier<br />
auf ein Symbol <strong>der</strong> "Keuschheit";<br />
o<strong>der</strong> das Analogon des Opfers des<br />
Selbst trifft, wie noch zu zeigen sein<br />
wird, ein Bild <strong>der</strong> in sich<br />
verschränkten Ichhaftigkeit. -<br />
Zur Konnotation "Egoismus" ging<br />
man vom Rüssel des Elefanten aus.<br />
Man deutete ihn "physiognomisch".<br />
Der Elefant<br />
Der Elefant hat nach dem<br />
Physiologus keinen<br />
Geschlechtstrieb. Wenn er Junge<br />
zeugen will, zieht er sich in den<br />
Osten zurück, in die Nähe des<br />
Paradieses. Dort findet er die<br />
Mandragora-Wurzel, ein<br />
Aphrodisiakum, das sein Geschlecht<br />
aufregt. Er frisst sie und vereinigt<br />
sich einmal mit <strong>der</strong> Kuh.<br />
<strong>Die</strong>se gebiert bis zur Brust im<br />
Wasser stehend; sofort steigt das<br />
Kind an ihren Schenkeln hoch,<br />
Der Rüssel ist ein sehr komplexes<br />
Greif- und Tastorgan. Es besteht aus<br />
über 30 000 Muskeln. <strong>Die</strong><br />
Koordination feinster Bewegung<br />
bedarf eines außerordentlichen<br />
Nervensystems - allein das Gehirn<br />
des riesigen Tieres wiegt fünf<br />
Kilogramm. Lange müssen die<br />
jungen Elefanten die koordinativen<br />
Schemata üben, ihn zu nutzen. <strong>Die</strong><br />
hohe Vielfalt an Bewegungs- und<br />
Sinnesmodalitäten entspricht einer<br />
hohen Anzahl neuronaler und<br />
kognitiver Repräsentationen, darin<br />
einer möglichen intellektuelle<br />
Potenz, <strong>der</strong> sich das sprichwörtliche<br />
"Elefantengedächtnis" nähert.<br />
Hinzu kommt auch, dass Elefanten<br />
über ein ausgeprägtes System von
Kommunikationen verfügen.<br />
rechts<br />
"Wie sie einen starken<br />
Menschen kennzeichnen <strong>der</strong><br />
nach ihm nützlichen Sachen<br />
forscht<br />
Wenn sie einen starken<br />
Menschen kennzeichnen<br />
Der nach ihm vorteilhaften<br />
Sachen sucht<br />
Zeichnen sie einen Elefanten<br />
<strong>Die</strong>ser ergänzt seinen Vorrat<br />
beständig<br />
Leicht steuert er<br />
Seinen Bedarf nach Gefühl<br />
Und führt es aus sei es noch<br />
so schwierig<br />
Auf alles achtsam was er sich<br />
einverleiben kann."<br />
Elefant und Mandragora-Wurzel,<br />
aus Bie<strong>der</strong>mann<br />
(Druckgraphik Elefant: HS, S. 413,<br />
aus Zincgreff, 1591.<br />
"Ich lasse mich nicht stechen<br />
Der Mücken los Geschmeiß<br />
den Elefant anfallen<br />
verletzen ihn doch nicht<br />
er fragt nicht nach ihn´<br />
allen...")<br />
Horapollo II, 84; n. 148<br />
Der antiken Naturkunde galt <strong>der</strong><br />
Elefant als gutmütig und leicht<br />
zähmbar; alle Tiere dieser Qualität<br />
gehörten astrologisch zu Jupiter.<br />
<strong>Die</strong>ses Zeichen steht - analog zu den<br />
Qualitäten des Göttervaters -<br />
astrologisch in Verknüpfung mit<br />
Charakterzügen von"Ehrenhaften,<br />
Hochherzigen, Ausgezeichneten,<br />
Klugen, solchen, die sich selbst sehr<br />
lieben, Religiösen".<br />
Elefant mit Obelisk, aus Volkmann,<br />
L., Bil<strong>der</strong>schrift <strong>der</strong> Renaissance, S.<br />
14; weiteres Bild Elefant und Lamm,<br />
Valeriano, 1575, ebd. S. 37.<br />
Elefant vor S. Maria sopra Minerva,<br />
von Bernini.<br />
Elefant und Lamm, HS, S. 414.<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Säugetiere<br />
Hieroglyphe Elefant "zbw", Betro<br />
99.<br />
Foto Elefant
überragende Kraft zu. Der mit ihm<br />
bekleidete Krieger sollte unverletzt<br />
durch die Schlachtreihe <strong>der</strong> Feinde<br />
dringen - gefeit gegen alle Hiebe.<br />
Das Fell <strong>der</strong> Hyäne soll, wenn es<br />
zusammen mit einem Leopardenfell<br />
aufgehängt wurde, die Haare des<br />
Letzteren zum Ausfallen bringen<br />
(Horapollo II, 72 und II, 70). So<br />
kann die Darstellung zweier Felle<br />
zur Hieroglyphe des Sieges eines<br />
schwachen Menschen über einen<br />
starken werden.<br />
"Von <strong>der</strong> Hyäne<br />
Das Gesetz sagt: "Iß nicht die<br />
Hyäne und nichts, was ihr<br />
gleicht." Der Physiologus sagt<br />
von <strong>der</strong> Hyäne, dass sie<br />
mannweiblich ist. Bald ist sie<br />
männlich, bald weiblich. Ein<br />
ganz unreines Tier ist sie, weil<br />
sie ihre Natur verän<strong>der</strong>t.<br />
Deswegen sagt auch Jeremia:<br />
"Nicht ist die Höhle <strong>der</strong> Hyäne<br />
mir zum Erbteil geworden."<br />
Gleiche nun auch du nicht <strong>der</strong><br />
Hyäne dadurch, daß du bald<br />
die männliche, bald die<br />
weibliche Natur liebhast. <strong>Die</strong>se<br />
Leute hat schon <strong>der</strong> göttliche<br />
Apostel verworfen und gesagt:<br />
"Männer haben mit Männern<br />
Schande getrieben."<br />
Schön spricht <strong>der</strong> Physiologus<br />
über die Hyäne."<br />
Physiologus 24<br />
<strong>Die</strong> Hyäne<br />
<strong>Die</strong> symbolischen Vorstellungen<br />
über die Hyäne sind sehr alt; sie<br />
wurden bereits in <strong>der</strong><br />
"Naturgeschichte <strong>der</strong> Tiere" von<br />
Aristoteles (384 - 322 v. Chr.)<br />
bestritten.<br />
Man schrieb dem Fell <strong>der</strong> Hyäne<br />
<strong>Die</strong> heute noch gängigen Metaphern<br />
über die Hyäne - "feige,<br />
hinterhältig" - hängen wohl auch<br />
mit dem eigenartigen Bewegungsstil<br />
des Tieres zusammen. Der<br />
vermeintliche Aasfresser scheint<br />
plump zu laufen, seine hinteren<br />
Extremitäten wirken wie<br />
eingeklemmt und mitgeschleift.<br />
Während <strong>der</strong> frühe Physiologus und<br />
<strong>der</strong> Urtext des Horapollo (II, 69)<br />
vor allem die instabile<br />
Zweigeschlechtlichkeit <strong>der</strong> Hyäne<br />
herausstellen, bereitet die<br />
Bearbeitung <strong>der</strong> Renaissance mit<br />
mehreren seelischen Qualitäten auf<br />
die neueren Attributionen vor. Das<br />
Tiere wäre "wechselhaft und nie<br />
dauerhaft gleich, stark und schwach<br />
auf einmal, kühn und furchtsam, mal<br />
männlich, mal weiblich" - und so<br />
das Sinnbild "eines haltlosen<br />
Menschen".<br />
Astronomisch weist das Wandelbare,<br />
Wechselhafte immer auf<br />
Zusammenhänge <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>en<br />
Sphären, des Mondes und des<br />
Merkur, im geozentrischen Weltbild.<br />
<strong>Die</strong> Hyäne wurden dem Mond<br />
zugeordnet; sein fortwährendes<br />
Verän<strong>der</strong>n seiner Gestalt war die<br />
Grundlage <strong>der</strong> Metapher.<br />
Eine an<strong>der</strong>e Entsprechung des<br />
Mondes war das Chamäleon.<br />
Das Unentschiedene,<br />
"Hermaphroditische" <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>en<br />
Himmelskreise - an die sich auch die<br />
Symbolik des Hundes schließt -<br />
scheint leitendes Moment des<br />
Symbols. Man muss für ein weiteres<br />
Verständnis wohl ergänzen, man<br />
glaubte, die Seele nehme im Laufe<br />
des Lebens höhere Qualitäten an,
"steige durch die Sphären auf".<br />
So drückte polar zur nie<strong>der</strong>sten<br />
gerade die oberste Sphäre des<br />
Saturn Stabilität, Festigkeit und<br />
Unentwegtheit aus: sie galt dem<br />
Himmel, seiner Klarheit und <strong>der</strong><br />
„Kristallinität“ am nächsten. <strong>Die</strong><br />
"natürlichen" unteren Sphären<br />
überstiegen das Elementarische<br />
kaum. Ebendarum stand "Hyäne"<br />
auch für Unterlegenheit.<br />
<strong>Die</strong> Mo<strong>der</strong>ne hat eine an<strong>der</strong>e Sicht<br />
dieses Tieres. <strong>Die</strong> Hyäne ist kein<br />
Aasfresser, auch wenn sie sogar<br />
Skelette verwertet; sie hat das<br />
stärkste Gebiss aller Tiere, und kann<br />
mit ihm sogar Elefantenknochen<br />
zermalmen. Ihr soziales Verhalten<br />
ist gut ausgeprägt, sie bildet<br />
Gruppen und sogar Gemeinschaften<br />
dieser Gruppen, "Clans", und führt<br />
Kriege zwischen diesen sozialen<br />
Korporationen, fast wie <strong>der</strong><br />
Mensch: dabei fallen die<br />
Beißhemmungen weg, und es gibt<br />
wegen des fürchterlichen Gebisses<br />
viele Tote.<br />
Hyäne, arabisch, in: Salmen, B.,<br />
Der Almanach <strong>der</strong> blauer Reiter,<br />
1998, S. 149<br />
rechts<br />
Foto Hyäne<br />
Emblem Hyäne/Hund - aus<br />
Horapollo<br />
Von beson<strong>der</strong>em Interesse für die<br />
Antike war auch das "weissagende"<br />
Verhalten <strong>der</strong> Hyäne im Kampf.<br />
Schaute sie nach rechts, war sie<br />
ihrem Gegner überlegen; schaute<br />
sie nach links, zeigte bereits diese<br />
Wendung vor aller<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzung ihre<br />
Unterlegenheit an. Nach rechts<br />
laufe sie zum Triumph, nach links<br />
aber stürze sie in die eigene<br />
Vernichtung (Horapollo II, 70).<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Säugetiere
euch umher in Schaffellen,<br />
inwendig aber sind sie<br />
reissende Wölfe."<br />
"Vor Gier nach fremden<br />
Schätzen glüht er als ein<br />
gewalttätiger Räuber: Wölfen<br />
ähnlich wirst du ihn heißen.<br />
Wild und unruhig übt er seine<br />
Zunge in Zänkereien: du magst<br />
ihn mit einem Hund<br />
vergleichen. Als heimlicher<br />
Fallensteller freut er sich,<br />
geraubt zu haben: den<br />
Füchsen kann man ihn<br />
gleichstellen. Er knirscht ohne<br />
Herrschaft über seinen Zorn:<br />
man mag glauben, er trägt den<br />
Charakter eines Löwen in sich.<br />
Ängstlich und furchtsam<br />
schau<strong>der</strong>t er vor Dingen, die<br />
man nicht zu fürchten braucht:<br />
als den Hirschen ähnlich soll<br />
er gelten. Träge und dumm<br />
döst er dahin: er führt das<br />
Leben eines Esels.<br />
Leichtsinnig und unbeständig<br />
wechselt er beständig seine<br />
Beschäftigungen: er<br />
unterscheidet sich nicht von<br />
den Vögeln. Er versinkt in<br />
scheußlichen und unsauberen<br />
Begierden: er läßt sich<br />
festhalten von <strong>der</strong> Lust eines<br />
schmutzigen Schweins. Wer<br />
die Rechtschaffenheit verlässt,<br />
geht nicht in göttlichen Stand<br />
über, son<strong>der</strong>n hört auf ein<br />
Mensch zu sein und<br />
verwandelt sich in ein Tier."<br />
Boethius (~ 480 - 524 n. Chr.), Trost<br />
<strong>der</strong> Philosophie, IV, 3<br />
"Wolf und Fuchs vor dem<br />
Gericht des Affen<br />
Der Wolf beschuldigte den<br />
Fuchs, er habe ihm etwas<br />
gestohlen, <strong>der</strong> Fuchs bestritt<br />
dieses beredt und eifrig.<br />
Da riefen sie einen Affen als<br />
Richter an, und brachten ihm<br />
den Streitfall vor. Schließlich<br />
sprach <strong>der</strong> Affe Recht:<br />
"Dir, Wolf, wurde das, was du<br />
hier for<strong>der</strong>st, gar nicht<br />
gestohlen - und du Fuchs,<br />
leugnest geschickt, was du<br />
gewiss weggenommen hast.<br />
- Aesop sagt: Wer sich mit<br />
ehrenrührigem Betrug auch<br />
nur einmal befleckt, dem<br />
glaubt man nicht mehr, selbst<br />
wenn er hun<strong>der</strong>t Mal die<br />
Wahrheit spricht."<br />
Phaedrus (~15 v. Chr. - ~50 n. Chr.)<br />
Der Wolf<br />
"Hütet euch vor den falschen<br />
Propheten. Sie gehen unter<br />
Matthäus 7, 15<br />
Gott teilt Ezechiel mit, Israels<br />
Fürsten seien "brüllende Löwen".<br />
Und seine "Beamten" seien "Wölfe,<br />
die auf Beute aus sind". Beide<br />
"vergießen Blut und richten<br />
Menschenleben zu Grunde, um<br />
Gewinn zu machen" (22, 24 - 27).<br />
Der Wolf ist ein Signum des<br />
vernichtenden Krieges. Das Tier<br />
gedieh vor allem in Kriegszeiten,<br />
wenn ganze Landstriche verödeten.<br />
Dann kam seine Zeit: als guter<br />
Läufer, <strong>der</strong> schnell riesige Reviere<br />
einnimmt, brach er aus seinen<br />
Rückzugsgebieten hervor und<br />
vermehrte sich auf "verbrannter<br />
Erde" gewaltig.<br />
Unsere Urgroßeltern glaubten noch,<br />
<strong>der</strong> Wolf könne sein eigenes<br />
Körpergewicht drei mal<br />
verschlingen. Neben <strong>der</strong><br />
Unersättlichkeit - abgebildet auch in<br />
sieben verschlungenen Geißlein,<br />
ersetzt durch Wackersteine - ist ein<br />
weiterer wesentlicher Zug die<br />
Charakterisierung als "listig"; sie<br />
ist heute vielfach auf den Fuchs<br />
übergegangen. Im Märchen lockt<br />
<strong>der</strong> Wolf verführend vom Weg ab, er<br />
verstellt die Stimme, "frisst Kreide",<br />
bestreut sich die Pfote mit Mehl.<br />
"Eine Eigenart des Wolfes ist,<br />
wenn er einen Menschen trifft,<br />
sich lahm zu stellen, obwohl er<br />
keinen Schaden an seinem<br />
Fuß hat. Sein Herz aber ist voll<br />
List und Raub.<br />
Der heilige Basilius sagt: so<br />
sind die listigen und<br />
tückischen Menschen. Treffen<br />
sie auf gute Leute, stellen sie<br />
sich, als ob sie ganz<br />
unschuldig lebten und nichts<br />
Schlechtes an sich hätten,<br />
aber ihr Herz strotzt vor<br />
Bitterkeit und List."
Physiologus, 60<br />
Glyphe Säugetiere<br />
Wie alle an<strong>der</strong>en reißenden und<br />
knochenbrechenden Tiere gehört <strong>der</strong><br />
Wolf zu den martialischen<br />
Gestirnen, zu Mars und Sonne.<br />
Martialische Tiere sind nach antiker<br />
Lehre mit Feuerbränden zu<br />
bändigen; dieses war bereits beim<br />
Symbol des Löwen zu sehen.<br />
<strong>Die</strong> Analogie legt nahe, diese Tiere<br />
fürchten nicht nur das Feuer,<br />
son<strong>der</strong>n auch jenen, <strong>der</strong> es gelernt<br />
hat, es zu zähmen. Der, <strong>der</strong> die<br />
brennende und lo<strong>der</strong>nde Wesensart<br />
beherrschen gelernt hat, ist dem<br />
Raubtier überlegen. <strong>Die</strong>se<br />
Korrespondenz betrifft wohl auch<br />
geistige "Leuchten" - sie sind dem<br />
Wölfischen zuwi<strong>der</strong>.<br />
Druckgrafik Wolf - in Uther, Fabeln,<br />
S. 10<br />
rechts<br />
Franz Marc, Wölfe, ganze Seite<br />
<strong>Die</strong> Wölfe vermeiden nach alter<br />
Meinung panisch, von einem Stein<br />
getroffen zu werden. Wenn sie sehen,<br />
daß ein Mensch ein solches<br />
Wurfgeschoss aufhebt, fliehen sie.<br />
Dabei sollen sie aber weniger die<br />
Gewalt des Aufpralles, und den<br />
Schmerz <strong>der</strong> Verletzung fürchten,<br />
son<strong>der</strong>n viel mehr die in diesen<br />
Wunden wachsenden Würmer<br />
(Horapollo II, 74).<br />
Langwierig verlaufenden<br />
Geschwüre gehören zu Begleitungen<br />
des Mondes. Astrologisch ist Mars<br />
im Krebs, dem Himmelsort des<br />
Mondes, "im Fall". <strong>Die</strong> Symbolik<br />
verdeutlicht, dass es im Sieg über<br />
Wölfe nicht auf brachiale Gewalt<br />
und Vergeltung mit Gleichem<br />
ankommt. Umstände des Nächtigen,<br />
des Naiven, des Musikalischen u. a.<br />
m. schaffen Bedingungen, in denen<br />
die Selbstverletzungen, die die<br />
Aggression mit sich bringt, zu<br />
todbringenden Wunden ausarten<br />
kann.<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links
Der Hund<br />
"Ein Gewimmel von Schakalen<br />
um mich her; in mattem Golde<br />
erglänzende, verlöschende<br />
Augen; schlanke Leiber, wie<br />
unter einer Peitsche<br />
gesetzmäßig und flink bewegt.<br />
Einer kam von rückwärts,<br />
drängte sich, unter meinem<br />
Arm durch, eng an mich, als<br />
brauche er meine Wärme...<br />
"Herr, du sollst den Streit<br />
beenden, <strong>der</strong> die Welt<br />
entzweit... Frieden müssen wir<br />
haben von den Arabern;<br />
atembare Luft; gereinigt von<br />
ihnen den Ausblick rund am<br />
Horizont; kein Klagegeschrei<br />
eines Hammels, den <strong>der</strong><br />
Araber absticht; ruhig soll das<br />
Getier krepieren; ungestört<br />
soll es von uns leergetrunken<br />
und bis auf die Knochen<br />
gereinigt werden. Reinheit,<br />
nichts als Reinheit wollen wir...<br />
Wie erträgst nur du es in<br />
dieser Welt, du edles Herz und<br />
süßes Eingeweide? Schmutz<br />
ist ihr Weiß, Schmutz ist ihr<br />
Schwarz; ein Grauen ist ihr<br />
Bart, speien muss man beim<br />
Anblick ihrer Augenwinkel;<br />
und heben sie den Arm, tut<br />
sich in <strong>der</strong> Achselhöhle die<br />
Hölle auf. Darum, o Herr,<br />
darum, o teuerer Herr, mit Hilfe<br />
deiner allesvermögenden<br />
Hände, mit Hilfe deiner<br />
allesvermögenden Hände<br />
schneide ihnen... die Hälse<br />
durch."<br />
F. Kafka, Schakale und Araber<br />
Im alten Ägypten genossen die<br />
Hunde hohes Ansehen. <strong>Die</strong><br />
beginnende Nilschwelle, angezeigt<br />
durch den wie<strong>der</strong> sichtbaren<br />
"Hundsstern", Sirius, wurde mit<br />
einem Fest gefeiert, an dem die<br />
Hunde mit ihren Herren speisen<br />
durften. <strong>Die</strong>ser Stern kündigte<br />
zugleich die 50 heißesten,<br />
trockensten Tage des Jahres, die Zeit<br />
Seths, an. Von daher hatte <strong>der</strong><br />
Höllenhund ursprünglich 50 Köpfe.<br />
Göttliche Schakale zogen die<br />
Sonnenbarke durch das nächtige<br />
Jenseits: Toten- und Kriegsgötter.<br />
Der hundsgestaltige Gott Anubis<br />
gehörte zu den wohlwollenden<br />
Mächten, die über die Toten<br />
wachten. <strong>Die</strong> Kunst <strong>der</strong><br />
Einbalsamierung war Aufgabe<br />
seiner Priester, gab Anubis den<br />
Beinamen: "den Geheimnissen<br />
vorstehend". Bei dieser vertrat ein<br />
Priester mit <strong>der</strong> Maske eines<br />
Schakals den Gott.<br />
Horapollo (II, 39) bringt eine<br />
Beobachtung: wenn ein Hund sich<br />
im Tempel befinde, blicke und<br />
horche er ständig nach den<br />
Götterbil<strong>der</strong>n, als vernähme er, was<br />
dort, im verhüllten Allerheiligsten,<br />
gesprochen werde. <strong>Die</strong> Bearbeitung<br />
<strong>der</strong> Renaissance überhöhte diese<br />
Zusammenhänge zu "spiritueller<br />
Weisheit" (n. 38).<br />
"Wie sie den heiligen<br />
Schreiber kennzeichnen<br />
Wenn sie den heiligen<br />
Schreiber<br />
Den Seher o<strong>der</strong> Propheten<br />
Einen Richter Niesen rechtes<br />
Lachen<br />
Auch den Fürsten und das<br />
gute Riechen darstellen wollen<br />
Zeichnen sie den Hund <strong>der</strong><br />
keine Ruhe sich gönnt<br />
Denn ein Schreiber <strong>der</strong> perfekt<br />
werden will<br />
Muss viel denken<br />
Muss jeden anbellen und zu
jedem zärtlich sein<br />
Niemanden schön tun und<br />
trotzdem allen nützlich sein<br />
Nicht zu mild und nicht zu<br />
menschlich sein<br />
son<strong>der</strong>n immer unterwegs wie<br />
ein Hund <strong>der</strong> niemandem ins<br />
Gesicht schaut"<br />
links<br />
Glyphe Säugetiere<br />
Hier versammeln sich im Bild des<br />
Hundes manche merkurialische<br />
Züge: Indifferenz, "quecksilbrige"<br />
Ruhelosigkeit, "viel Denken",<br />
eilendes Schreiben.<br />
In <strong>der</strong> griechischen Mythologie gab<br />
es den dreiköpfigen Höllenhund<br />
Kerberos, einen Sohn des<br />
schrecklichsten aller Ungeheuer, des<br />
Typhon. Er hatte drei Köpfe, aus<br />
denen Schlangen hervorwuchsen,<br />
und bellte "mit bronzener Stimme".<br />
Seine Aufgabe war, die Schemen <strong>der</strong><br />
Verstorbenen zu bewachen,<br />
niemanden aus <strong>der</strong> Unterwelt<br />
entkommen zu lassen.<br />
Im mittelalterlichen Deutschland<br />
gab es eine Strafe: "den Hund<br />
tragen". Der Kaiser ließ sie auch an<br />
hohen Würdenträgern vollziehen,<br />
um zu zeigen, sie hätten "schlimmer<br />
als Hunde" gehandelt. Dabei<br />
mussten die Übeltäter Hunde, die<br />
ihnen auf den Rücken geschnallt<br />
wurden , öffentlich herumtragen, oft<br />
weite Strecken.<br />
<strong>Die</strong> Bibel beobachtet, <strong>der</strong> Hund<br />
kehre zu seinem Erbrochenen zurück<br />
(Spr 25, 11). Am Schluss <strong>der</strong><br />
Offenbarung wird über das neue<br />
Jerusalem versichert, "Hunde und<br />
Zauberer, Unzüchtige und Mör<strong>der</strong>,<br />
Götzendiener und Lügner" kämen<br />
nicht hinein (22, 15).<br />
<strong>Die</strong> westliche Welt sieht im Hund<br />
gerne den "treuesten Freund" des<br />
Menschen. Eine eigenartige<br />
Sympathie, <strong>der</strong> nachzusinnen<br />
Erkenntnis bedeuten kann.<br />
"szb" - "Schakal", Betro 78. Der<br />
Schakal gehörte in <strong>der</strong> ägyptischen<br />
Mythologie zum Westen; Schakale<br />
zogen die Sonnenbarke durch die<br />
nächtige Unterwelt.<br />
rechts<br />
Hund mit Stola, aus Boas, S. 77;<br />
bedeutet nach Horapollo eine<br />
Amtsperson o<strong>der</strong> einen Richter.<br />
HS, S. 559, Hund, Zincgreff, 1614,<br />
2.<br />
"Ein Hund wacker/ stark / groß<br />
von Mut<br />
Vor dem Wolf hält die Herd´<br />
in Hut<br />
Gleiche Tugend einem Fürsten<br />
ziemt<br />
Der sich des Volks<br />
mit Ernst annimmt."<br />
Ägyptische Plastik, Gott mit<br />
Hundekopf, s. Betro 77; o<strong>der</strong> Lurker,<br />
M., Lexikon Götter..., S. 44.<br />
Bil<strong>der</strong>
Der Hirsch<br />
Häufig finden sich Darstellungen<br />
von Hirsche in den frühen<br />
Baptisterien.<br />
Wie <strong>der</strong> Hirsch lechzt nach<br />
frischem Wasser,<br />
so lechzt meine Seele, Gott,<br />
nach dir."<br />
Psalm 42, 2<br />
"Vom Fuchs<br />
Der Physiologus sagt vom<br />
Fuchs, er sei ein listiges Tier.<br />
Wenn er hungrig ist und keine<br />
Beute zum Fressen findet,<br />
sucht er heißen und sandigen<br />
Boden. Dort wirft er sich auf<br />
den Rücken, hält den Atem an<br />
und röchelt. <strong>Die</strong> Vögel glauben<br />
nun, er sei tot und setzen sich<br />
auf ihn, um von ihm zu<br />
fressen. Da springt er auf,<br />
packt sie und verschlingt sie.<br />
Deutung: Auch <strong>der</strong> Teufel<br />
handelt so hinterlistig. Wer<br />
von seinem Fleisch zehren<br />
will, muss sterben. Sein<br />
Fleisch aber ist: Lust, Hurerei,<br />
Geiz und Mord. Daher wird<br />
auch Herodes dem Fuchs<br />
verglichen. Und <strong>der</strong><br />
Schriftgelehrte bekommt vom<br />
Heiland zu hören: "<strong>Die</strong> Füchse<br />
haben ihre Höhlen und die<br />
Vögel ihre Nester." Und im<br />
Lied Salomos steht: "Fangt<br />
uns die Füchse, die kleinen<br />
Füchse! Sie verwüsten die<br />
Weinberge, unsre blühenden<br />
Reben." Und bei David in den<br />
Psalmen: "Sie werden den<br />
Füchsen zu Teil werden."<br />
Physiologus 15<br />
"Der Physiologus sagt vom<br />
Hirschen, daß er <strong>der</strong> Schlange<br />
feind ist. Wenn die Schlange<br />
vor dem Hirsch in die Spalten<br />
<strong>der</strong> Erde flüchtet, kommt <strong>der</strong><br />
Hirsch und füllt seinen Mund<br />
mit Quellwasser und speit es<br />
in die Erdritzen und schwemmt<br />
die Schlange heraus, zertritt<br />
sie und bringt sie um...<br />
Der Herr kam und verfolgte die<br />
geistliche Schlange mit den<br />
himmlischen Wassern. Es<br />
hatte sich verborgen in den<br />
innersten Tiefen <strong>der</strong> Erde <strong>der</strong><br />
Teufel. Und <strong>der</strong> Herr goss aus<br />
seiner Seite Blut und Wasser.<br />
Er machte zunichte alle unter<br />
uns verborgene teuflische<br />
Gewalt durch das Bad <strong>der</strong><br />
Wie<strong>der</strong>geburt."<br />
Physiologus, 30.<br />
Im frühen Christentum war <strong>der</strong><br />
Hirsch Sinnbild <strong>der</strong> erlösten Seele.<br />
Astrologisch gehört <strong>der</strong> Hirsch zu<br />
Jupiter. Jupiter ist <strong>der</strong> Signifikator<br />
<strong>der</strong> Herrschaft, <strong>der</strong> Religion, des<br />
Guten, <strong>der</strong> Weite, des Glückes,<br />
zugleich auch <strong>der</strong> Verstiegenheit,<br />
des Egoismus, <strong>der</strong> Dummheit.<br />
Im Horapollo (II, 91) wird ein<br />
Hirsch zur Metapher des Menschen,<br />
<strong>der</strong> durch Schmeichelei getäuscht<br />
ist. <strong>Die</strong> Ägypter sollen dafür einen<br />
Hirsch und einen Flötenspieler<br />
gezeichnet haben:<br />
"Denn <strong>der</strong> Hirsch, wenn er<br />
süße Klänge von Musik hört,<br />
wird gefangen, wie schwach<br />
vor Vergnügen."<br />
Beson<strong>der</strong>e Qualität scheint das<br />
Horn des Tieres, das "Geweih". zu<br />
haben. Albert <strong>der</strong> Große berichtet,<br />
man finde nur das rechte Horn des<br />
Tieres; das linke verscharre er, weil<br />
er dem Menschen die hohe Heilkraft<br />
nicht gönne. In <strong>der</strong> chinesischen<br />
Medizin wird heute noch<br />
gemahlenes Hirschhorn verwendet.<br />
Es gibt vorgeschichtliche
Darstellungen von Menschen, die<br />
ein Hirschgeweih tragen: dieses<br />
können Schamanen o<strong>der</strong> Anführer<br />
sein. Ein Gott des alten Gallien,<br />
Cernunnos, hat auf dem Kopf ein<br />
Hirschgeweih. In <strong>der</strong> rechten Hand<br />
kann er einen Ring tragen, in <strong>der</strong><br />
linken eine Schlange - er ist<br />
umgeben von allerlei Tieren.<br />
Auch <strong>der</strong> germanische Gott Odin,<br />
Wotan, wird gehörnt dargestellt.<br />
Eines seiner Attribute ist Draupnir,<br />
<strong>der</strong> Reichtum mehrende Ring.<br />
Es gibt Übergänge dieser Bildwelt<br />
in den Physiologus (30). Darin wird<br />
beschrieben, wie <strong>der</strong> Hirsch sein<br />
Leben verlängert.<br />
sicherlich Sinnbild einer<br />
Sehnsucht... nach was?<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links/rechts<br />
Glyphe Säugetiere<br />
Cernunnos, Darstellung in<br />
Kopenhagen, aus Gottschalk,<br />
Mythologie<br />
"Der Hirsch lebt fünfzig Jahre,<br />
und danach läuft er wie ein<br />
guter Läufer durch die<br />
Waldgründe und die<br />
Schluchten <strong>der</strong> Gebirge und<br />
schnuppert nach den Löchern<br />
<strong>der</strong> Schlangen, und wo eine<br />
Schlange ist, die sich dreimal<br />
gehäutet hat, erkennt er sie<br />
durch seine gute Nase, und<br />
sofort läßt er dreimal seinen<br />
lauten, wilden Ruf erschallen<br />
und legt seine Schnauze an<br />
die Öffnung des<br />
Schlangenloches und haucht<br />
seinen Atem hinein, und wie<br />
tief die Schlange liegt, sie wird<br />
in die Kehle des Hirsches<br />
hinauf gezogen, und so<br />
verschluckt er sie. Mit <strong>der</strong><br />
Schlange im Magen läuft er zu<br />
<strong>der</strong> Wasserquelle. Denn wenn<br />
er drei Stunden nach dem<br />
Verschlucken <strong>der</strong> Schlange<br />
nicht Wasser trinken kann,<br />
muss er sterben. Wenn er aber<br />
trinken kann, wird er weitere<br />
fünfzig Jahre leben."<br />
rechts/links<br />
HS, S. 470, Camerarius, 1545.<br />
Grafik.<br />
Dort auch: "Einzige Rettung" - <strong>der</strong><br />
von Schlangen bedeckte Hirsch<br />
sucht die Quelle lebendigen<br />
Wassers.<br />
Röhren<strong>der</strong> Hirsch am Wasser,<br />
Volkskunst.<br />
Foto: Hirsch.<br />
Der Hirsch – im Stuttgarter<br />
Schlossgarten; das „Hirschbad“ als<br />
Stuttgarter Symbol.<br />
Der Hirsch ist das edelste Wild des<br />
Waldes. Kühe und Hirsche leben die<br />
längste Zeit des Jahres getrennt, in<br />
Rudeln von 10 - 20 Tieren. Im<br />
Herbst zieht <strong>der</strong> männliche Hirsch<br />
zu seiner Herde, und meldet röhrend<br />
seinen Anspruch. <strong>Die</strong>ses Bild hängt<br />
in unendlicher Zahl in vielen<br />
Wohnungen in Deutschland –<br />
„Hiischhöendle“
Ingeborg Bachmann<br />
Der Bär<br />
"Anrufung des großen Bären<br />
Großer Bär, komm herab,<br />
zottige Nacht,<br />
Wolkenpelztier mit den alten<br />
Augen,<br />
Sternenaugen,<br />
durch das Dickicht brechen<br />
schimmernd<br />
deine Pfoten mit den Krallen,<br />
Sternenkrallen,<br />
wachsam halten wir die<br />
Herden,<br />
doch gebannt von dir, und<br />
misstrauen<br />
deinen müden Flanken und<br />
den scharfen<br />
halbentblößten Zähnen,<br />
alter Bär.<br />
Ein Zapfen: eure Welt.<br />
Ihr: die Schuppen dran.<br />
Ich treib sie, roll sie<br />
von den Tannen im Anfang<br />
zu den Tannen am Ende,<br />
schnaub sie an, prüf sie im<br />
Maul<br />
und pack zu mit den Tatzen.<br />
Fürchtet euch o<strong>der</strong> fürchtet<br />
euch nicht!<br />
Zahlt in den Klingelbeutel und<br />
gebt<br />
dem blinden Mann ein gutes<br />
Wort,<br />
daß er den Bären an <strong>der</strong> Leine<br />
hält.<br />
Und würzt die Lämmer gut.<br />
s´ könnt sein, daß dieser Bär<br />
sich losreißt, nicht mehr droht<br />
uns alle Zapfen jagt, die von<br />
den Tannen<br />
gefallen sind, den großen,<br />
geflügelten,<br />
die aus dem Paradiese<br />
stürzten."<br />
<strong>Die</strong> metaphorischen Beziehungen<br />
zwischen Mensch und Bär sind eng.<br />
Das Grimmsche Märchen vom<br />
Bärenhäuter gibt Aufschluss: ein<br />
Mann verfällt <strong>der</strong> Wildheit, er<br />
rasiert sich nicht, seine Nägel<br />
wachsen, seine Haare decken den<br />
ganzen Leib, sein Kleid besteht aus<br />
speckigem Le<strong>der</strong>.<br />
Das Wi<strong>der</strong>borstige und Gepanzerte<br />
steht für erste Schritte auf dem Weg<br />
zum Humanen. Vor <strong>der</strong> sozialen<br />
Kooperation kommt grimmig<br />
Brummiges.<br />
<strong>Die</strong> Hieroglyphen des Horapollo (II,<br />
83) lenken den Blick auf die Welt<br />
des Krüppels (n. 147); sie folgen<br />
Ovid.<br />
"Wie sie einen bei <strong>der</strong> Geburt<br />
Missgebildeten kennzeichnen<br />
Wenn Sie einen Menschen <strong>der</strong><br />
verkrüppelt geboren ist<br />
Wenig später aber Schönheit<br />
erlangt<br />
Zeigen wollen zeichnen sie<br />
recht lebendig<br />
Eine trächtige Bärin<br />
Sie gebiert ein schieres Stück<br />
Blut und Fleisch<br />
Um es umzuformen netzt sie<br />
es mit Speichel<br />
Daut es an macht es lebendig<br />
und formt es<br />
Und gibt ihm mit ihrer Zunge<br />
vollendete Gestalt."<br />
Der Bärenmutter wird eine<br />
schöpferische Kraft zugeschrieben,<br />
die ein "missgebildetes Wesen"<br />
nachträglich heilt. Erst durch
Zuneigung und Zungenfertigkeit<br />
wird <strong>der</strong> Bär „gebildet“ - die<br />
Analogie zum Werden des Menschen<br />
liegt nahe, und gibt <strong>der</strong> Metapher<br />
unvermutete Tiefe, beschreibt den zu<br />
überbrückenden Abgrund zwischen<br />
„polymorph pervers“ und<br />
„genital“.<br />
Eine Anspielung auf diesen<br />
Wandlungsprozess könnte <strong>der</strong> Grund<br />
sein, warum heute jedes Kind einen<br />
Bären besitzt. Der Bär verbildlicht<br />
die Aufgabe <strong>der</strong> Metamorphose des<br />
Animalischen, die Sublimation des<br />
Triebhaften. Doch das Tier steht<br />
auch für ein Scheitern auf diesem<br />
Wege.<br />
Sprichwörtlich ist die Analogie<br />
Russlands und Berlins mit dem<br />
Bären. <strong>Die</strong>ses kann bedingt sein<br />
durch die nördliche Lage <strong>der</strong><br />
Sternbil<strong>der</strong> des "Großen" und des<br />
"Kleinen Bären".<br />
Im Griechischen bedeuten "Bär"<br />
und "Norden" das Gleiche: "arktos".<br />
Das Sternbild Großer Bär ist<br />
eigentlich eine Bärin, und viel<br />
größer, wie sie heute üblich in den<br />
Lichtern des "Großen Wagens"<br />
vorgestellt wird. Es soll die an den<br />
Himmel versetzte Nymphe Kallisto<br />
("die Schönste") zeigen. Zeus rettete<br />
sie vor <strong>der</strong> Rache seiner Gemahlin<br />
Hera, indem er sie an den Himmel<br />
versetzte. <strong>Die</strong> Sternenfigur nahebei,<br />
<strong>der</strong> "Bärenhüter", ist <strong>der</strong> aus <strong>der</strong><br />
Verbindung von Zeus und Kallisto<br />
entstandene Stammvater <strong>der</strong><br />
Arkadier, Arkas.<br />
Von beson<strong>der</strong>er Bedeutung im Bild<br />
des Bären ist sein Fell. Der Pelz<br />
trägt das fast auf ihn allein<br />
zugeschnittene Adjektiv "zottig": es<br />
umschreibt einen reichen,<br />
wuchernden und verfilzten Wuchs<br />
seines Körperhaares. Wenn<br />
Germanen auf <strong>der</strong> "Bärenhaut"<br />
lagen, spricht das weniger für<br />
„haute cuisine“ und abgespreizte<br />
kleine Finger, als mehr für<br />
raubauzige Großspurigkeit und<br />
Besoffenheit zum Nie<strong>der</strong>sinken.<br />
Zumindest glaubt man manchmal in<br />
sich Reminiszenzen solcher<br />
Kollektivitäten zu irrlichtern zu<br />
fühlen. O<strong>der</strong> sind das Stereotype<br />
über deutsche Geschichte?<br />
Bil<strong>der</strong><br />
Links<br />
Glyphe Säugetiere<br />
Sternbild Großer Bär und<br />
Bärenhüter, mit Umrissen<br />
Rechts<br />
Foto Bär<br />
"Ein grollen<strong>der</strong> Löwe, ein<br />
gieriger Bär - ein frevelhafter<br />
Herrscher über ein schwaches<br />
Volk."<br />
Sprichwörter 28, 15<br />
Druckgrafik Bär: HS, S. 447, Bruck,<br />
1615; Bär, mit Bärenführer:<br />
"Den Starken zwingt stärkere<br />
Kraft."
Handeln und wi<strong>der</strong>natürlicher<br />
Leistung..."<br />
Manilius, Astronomica 5, 693 f,<br />
<strong>Die</strong><br />
Fle<strong>der</strong>maus<br />
<strong>Die</strong> antiken Metaphern zur<br />
Fle<strong>der</strong>maus entwerfen<br />
überraschende Bedeutungen.<br />
Vormals scheint man den heute so<br />
verbreiteten "Abscheu" vor dem<br />
nächtlichen Tier nicht gekannt zu<br />
haben. Vielleicht haben an dieser<br />
Stelle die ebenso abstrusen wie<br />
bildkräftigen Filme über den Grafen<br />
Dracula das Bewusstsein geprägt.<br />
An<strong>der</strong>erseits kennt die Mo<strong>der</strong>ne<br />
auch einen positiven Helden -<br />
"Batman", den "Fle<strong>der</strong>mausmann" -<br />
<strong>der</strong> geradezu übermenschlich die<br />
Welt vor verschiedensten<br />
abgründigen Bösewichten rettet.<br />
"Wenn nach Umrundung des<br />
Pols mit den ersten Sternen<br />
die Bärin<br />
zu ihrer Fährte die<br />
ununterbrochenen Schritte<br />
zurückträgt,<br />
niemals von Wasser benetzt,<br />
doch immer geschmeidig<br />
durchs Kreisen,<br />
zeigen die wilden Tiere dem<br />
dann geborenen Menschen<br />
kein feindlich<br />
klaffendes Maul; <strong>der</strong> Umgang<br />
mit ihnen macht Tierarten<br />
friedlich,<br />
Jener kann mit <strong>der</strong> Hand den<br />
riesigen Löwen dressieren,<br />
Wölfe streicheln, mit<br />
eingefangenen Panthern gar<br />
spielen,<br />
flieht auch die kräftigen<br />
Bärinnen nicht, die<br />
Verwandten des Sternbilds,<br />
bringt sie zu menschlichem<br />
"Wie sie eine stillende und<br />
nährende Mutter signifizieren<br />
Wenn sie eine Frau zeigen<br />
wollen<br />
<strong>Die</strong> zärtlich ihr Kind stillt<br />
Und bildet mit ihrer Milch eine<br />
Seele<br />
<strong>Die</strong> mit <strong>der</strong> Geburt entstanden<br />
ist<br />
Und nun sorgsam aufgezogen<br />
wird<br />
Malen sie freihändig die<br />
Fle<strong>der</strong>maus<br />
Sie steht über allen die fliegen<br />
weil sie milde Milch gibt<br />
Herabsteigend erfährt sie<br />
durch Gewisse Tod und Mord."<br />
Horapollo II, 53; n. 118
<strong>Die</strong> Fle<strong>der</strong>maus ist das "höchste"<br />
geflügelte Tier: diese alte<br />
Attribution muss man sich<br />
vergegenwärtigen, wenn man<br />
inneren Gehalten <strong>der</strong> Metapher<br />
nahe kommen will. <strong>Die</strong> Tiere <strong>der</strong><br />
Luft, die Vögel, legen Eier, und sie<br />
füttern ihre Jungen - die oft<br />
überraschend schnell aus dem Nest<br />
flüchten - sofort mit <strong>der</strong> alltäglichen<br />
Nahrung <strong>der</strong> Erwachsenen.<br />
Vogelküken können zuweilen auch<br />
ohne mütterlichen Schutz überleben.<br />
Im Bild <strong>der</strong> Fle<strong>der</strong>maus dagegen<br />
werden ganz an<strong>der</strong>e Züge betont:<br />
man bezeichnet sie als "zärtlich,<br />
sorgsam, Seele bildend, milde,<br />
stillend": als Säugetier soll sie<br />
einzigartig unter den Flugwesen,<br />
und über diesen stehen.<br />
<strong>Die</strong> Fle<strong>der</strong>maus hat um und um<br />
"Haut" - sie hat keine starren<br />
Fe<strong>der</strong>n, fe<strong>der</strong>leicht und<br />
stromlinienförmig, um in die Luft zu<br />
tragen. An <strong>der</strong> Fle<strong>der</strong>maus ist alles<br />
feine Membran.<br />
<strong>Die</strong>ses drückt sich auch in ihrem<br />
Orientierungsvermögen aus. Sie<br />
fliegt weniger nach Gesicht<br />
("Welt"), als nach Gehör ("Wort").<br />
Sie stößt Schreie im<br />
Ultraschallbereich aus, und ist im<br />
Stande, <strong>der</strong>en Echo zu vernehmen,<br />
und sich so "durch die Welt" zu<br />
finden. In China hält man die<br />
Fle<strong>der</strong>maus für positiv, ganz in<br />
diesem Sinne, bestärkt auch durch<br />
den Gleichklang ihres Namens mit<br />
„Glück“.<br />
Der alten Literatur - Plinius,<br />
Dioskurides, Aelianus u. dgl. - war<br />
die Fle<strong>der</strong>maus ein gefährliches<br />
Tier. Und so schützten bei ihnen die<br />
Störche ihre Jungen vor den<br />
Fle<strong>der</strong>mäusen, indem sie<br />
Platanenblätter in ihre Nester<br />
flochten. <strong>Die</strong> Platane sollte nämlich<br />
diesen Tieren höchlich zuwi<strong>der</strong>,<br />
sollte ihnen „antipathisch“ sein.<br />
Der Renaissance war dann die<br />
Ungefährlichkeit <strong>der</strong> Fle<strong>der</strong>mäuse<br />
bekannt, und so widmete man diese<br />
Symbolik auf die Eule um.<br />
"<strong>Die</strong> Störche sorgen vielfach<br />
für ihre Jungen; aber sie<br />
fürchten die heimlichen<br />
Überfälle bei Nacht. Wenn die<br />
Eule kommt, um die Jungen zu<br />
holen, erschrickt sie vor <strong>der</strong><br />
Platane - denn die Platane ist<br />
unfruchtbar, und passt so<br />
nicht zum Nachtvogel Eule.<br />
Denn die Nacht selbst ist<br />
fruchtbar, denn in ihr werden<br />
die Kin<strong>der</strong> erzeugt."<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Säugetiere<br />
Foto Fle<strong>der</strong>maus<br />
Bild Fle<strong>der</strong>maus<br />
rechts<br />
HS, S. 902, Fle<strong>der</strong>maus, Bruck,<br />
1615. Ruhm aus getreuer<br />
Pflichterfüllung.<br />
"Licht aus Finsternissen".<br />
HS, S. 247 - <strong>der</strong> Storch legt zum<br />
Schutz vor Eulen die Platanenblätter<br />
in sein Nest!<br />
An<strong>der</strong>e Bil<strong>der</strong> - Ausschnitt aus<br />
Dürers "Melencolia" - die<br />
Fle<strong>der</strong>maus als saturnines Tier.
Symbolistisches Bild, Gruseln durch<br />
Fel<strong>der</strong>mäuse<br />
Batman, Popart<br />
Überaus schädlich ist sein<br />
Wirken<br />
<strong>Die</strong>ser Mensch ist gefährlich<br />
und böse<br />
Wie Schweinefleisch im Bauch<br />
Und seine Innereien noch<br />
mehr."<br />
Horapollo II, 37; (in <strong>der</strong><br />
Bearbeitung des Michel<br />
Nostradamus) n. 102<br />
Das Schwein<br />
In <strong>der</strong> ägyptischen Mythologie galt<br />
das Schwein als Gefolgstier des<br />
Seth, des Wi<strong>der</strong>sachers. Im Bild des<br />
Ebers hatte dieser Horus<br />
angegriffen, sein Auge verletzt.<br />
"Gebt das Heilige nicht den<br />
Hunden, und werft eure Perlen<br />
nicht den Schweinen vor, denn<br />
sie könnten sie mit ihren<br />
Füßen zertreten und sich<br />
umwenden und euch<br />
zerreißen."<br />
Matthäus 7, 6<br />
"Was sie mit einem Schwein<br />
kennzeichnen<br />
Wenn sie einen ver<strong>der</strong>blichen<br />
Menschen<br />
Bedeuten wollen mit ihren<br />
Symbolen<br />
Malen sie das rasende<br />
Schwein<br />
Lebendig und naturgetreu<br />
Auch die Hieroglyphen des<br />
Horapollo geben dem Schwein<br />
Bedeutungen ähnlicher Valenz: das<br />
Bild bedeute einen "ver<strong>der</strong>blichen<br />
Menschen". In die zitierte<br />
Bearbeitung <strong>der</strong> Renaissance sind<br />
deutlich jüdische Elemente<br />
eingegangen, in <strong>der</strong> Betonung <strong>der</strong><br />
"Unreinheit" des Tieres. Michel<br />
Nostradamus Urgroßvater war<br />
vierzig Jahre vor <strong>der</strong> Geburt des<br />
Sehers zum Christentum<br />
übergetreten, und offensichtlich hielt<br />
man sich in <strong>der</strong> Familie auch<br />
danach noch an Vorschriften <strong>der</strong><br />
Thora, die den Verzehr von<br />
Schweinefleisch untersagt (3 Mose<br />
11, 7).<br />
"Schwein haben", unsere<br />
Redewendung für beson<strong>der</strong>es Glück,<br />
weist zurück auf keltische Sitten.<br />
Comics, über wildschweinjagende<br />
und wildschweinvertilgende Gallier,<br />
greifen den gleichen Zusammenhang<br />
auf. <strong>Die</strong> Kelten betonten die Stärke<br />
und Kraft, die wirbelnde Dynamik<br />
des Tieres. Cerridwen, die keltische<br />
Muttergöttin, trug<br />
Ehrenbezeichnungen wie "alte<br />
Bache" o<strong>der</strong> "Saugöttin".<br />
Schweinebraten galt diesem Stamm
als das Synonym <strong>der</strong><br />
Gastfreundschaft. Der Tapferste <strong>der</strong><br />
Runde erhielt das beste Stück, und<br />
war die Vergabe strittig, entschied<br />
ein Zweikampf über Leben und Tod,<br />
wer das sogenannte "Heldenteil"<br />
erhalten sollte. Der Sieger "hatte<br />
Schwein".<br />
In <strong>der</strong> astrologischen Tradition des<br />
Hellenismus gehörte die Muttersau<br />
zu den Entsprechungen des Mondes.<br />
<strong>Die</strong>se Einordnung war veranlasst<br />
durch die Fruchtbarkeit des Tiere,<br />
die Saftigkeit des Fleisches, die<br />
laute Vorliebe für schlammige<br />
Pfützen und Suhlen.<br />
Für den Israeliten bedeutete das<br />
Hüten von Schweinen Erniedrigung.<br />
Schwerlich konnte ein "verlorener<br />
Sohn" noch tiefer sinken, als wenn<br />
er sich das Schweinefutter erträumte<br />
(Lk 15, 15). Damit kontrastiert das<br />
Fest <strong>der</strong> Rückkehr zum Vater<br />
maximal.<br />
Für das griechisch-römische Gebiet<br />
<strong>der</strong> Dekapolis ist im neuen<br />
Testament eine große<br />
Schweineherde erwähnt. <strong>Die</strong><br />
Dämonen zweier Besessener bitten,<br />
in die Säue gehen zu dürfen - Jesus<br />
schickt sie dorthin, und schon<br />
stürzen sie in diesen einen Abhang<br />
hinunter in den See (Mt 8, 30).<br />
Nach solchen Horizonten wird das<br />
Schwein zum Symbol <strong>der</strong> Todsünde<br />
<strong>der</strong> Unkeuschheit, <strong>der</strong> Unmäßigkeit.<br />
"Wie sie einen König<br />
kennzeichnen, <strong>der</strong> seinen<br />
Spötter flieht<br />
und flieht."<br />
Horapollo, n. 150<br />
Wollte man die Symboliken von<br />
Elefant und Schwein zusammen<br />
bringen, könnte man übersetzen:<br />
das eigenliebige und auf seine<br />
Vorteile bedachte Rüsseltier kann<br />
unsauber lärmige „Wahrheiten“<br />
seiner Kritiker nicht verknusen, und<br />
entzieht sich dem nach seiner<br />
Auffassung „viehischem Gegrunze“<br />
eiligst und naserümpfend.<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Säugetiere<br />
Seth - "sth"; Hieroglyphe des Gottes<br />
mit Menschenkörper und Tierkopf.<br />
Der Kopf ist <strong>der</strong> Kopf des<br />
sogenannten Sethtieres. Betro 75.<br />
rechts<br />
Seth - Variante des Namens. Betro<br />
75. Das Sethtier war das Erdferkel,<br />
<strong>der</strong> alten Biologie zu den Schweinen<br />
gerechnet; heute eine Gattung, mit<br />
nur einer Art („Röhrenzähner“).<br />
Einen König <strong>der</strong> einen Spötter<br />
O<strong>der</strong> einen Mann voll Hohn<br />
flieht<br />
Weil er seine närrischen<br />
Träumereien hasst<br />
Kennzeichnen sie mit diesem<br />
phantasievollen Erfindung<br />
Sie malen einen Elefanten und<br />
ein quiekendes Schwein<br />
Denn <strong>der</strong> Elefant wenn es<br />
unversehens hört<br />
Das Grunzen eines Schweines<br />
und seine Quiekerei<br />
Rennt er auf einen Schlag los<br />
Emblem: HS, S. 549, Schwein,<br />
Camerarius, 1545, 50.<br />
"Schwein und Rose passen<br />
nicht zusammen."
HS, 1107, Rollenhagen, Jahr?<br />
"Entwe<strong>der</strong> Tod o<strong>der</strong><br />
ehrenvolles Leben!"<br />
Asterix und Obelix auf<br />
Wildschweinjagd<br />
Brant, Narrenschiff, Stuttgart, 1964,<br />
S. 260. Das Schwein als Sinnbild<br />
des "Grobians" - dieses Wort prägt<br />
Brant hier:<br />
"Ein Narr <strong>der</strong> fest die Sauglock<br />
´ schüttelt,<br />
An guten Sitten, roh und<br />
unvermittelt,<br />
Mit Schimpf und wüstem<br />
Worte rüttelt."<br />
<strong>der</strong> Städte getrieben. Auch gab<br />
es den frommen Brauch, das<br />
typhonische Tier von einem<br />
Felsen hinabzustürzen - eben<br />
eine Todesart, welcher <strong>der</strong> in<br />
einen Esel verwandelte Lucius<br />
in Apulejus Roman kaum<br />
entgeht: <strong>Die</strong> Räuber bedrohen<br />
ihn mit `katakremnezesthai´. Er<br />
wird übrigens für sein<br />
Eselsgeschrei verprügelt, ganz<br />
wie Sancho Pansa, und<br />
bekommt überhaupt, solange<br />
er Esel ist, unausgesetzt<br />
Prügel: zählt man die Fälle,<br />
sind es vierzehn."<br />
Thomas Mann, Meerfahrt mit Don<br />
Quijote<br />
Der Esel<br />
Jesus ist nicht auf einem Pferd in<br />
Jerusalem eingeritten, son<strong>der</strong>n auf<br />
einem Esel (Joh 12, 14).<br />
"Der Esel spielt in <strong>der</strong><br />
griechisch-orientalischen<br />
religiösen Vorstellungswelt<br />
eine beson<strong>der</strong>e Rolle. Er ist<br />
das Tier des Typhon-Set, des<br />
bösen Osirisbru<strong>der</strong>s, des<br />
`Roten´, und <strong>der</strong> mythische<br />
Haß auf ihn reicht so weit ins<br />
Mittelalter, daß die<br />
rabbinischen<br />
Bibelkommentare Esau, den<br />
roten Bru<strong>der</strong> Jakobs, einen<br />
`wilden Esel´ nennen. Der<br />
Prügelbegriff war eng und<br />
heilig mit diesem Wesen<br />
verbunden. <strong>Die</strong> Redensart `den<br />
Esel schlagen´ hat kultische<br />
Färbung. Ganze Eselsherden<br />
wurden zeremoniellerweise<br />
unter Prügeln um die Mauern<br />
"Fürchte dich nicht, Tochter<br />
Zion! Siehe, dein König<br />
kommt; er sitzt auf dem Fohlen<br />
einer Eselin."<br />
Jesaja 40, 9<br />
In <strong>der</strong> heidnischen Antike war die<br />
Dummheit und Bockbeinigkeit des<br />
Esels sprichwörtlich. <strong>Die</strong> römischen<br />
Priester unterstellten den frühen<br />
Christen einen Eselskult. Noch die<br />
heilige Brigitta weiß darum, daß<br />
Christus o<strong>der</strong> das christliche Volk<br />
"Esel" genannt wurden.<br />
<strong>Die</strong>ses Symbol musste in einer<br />
christlichen Bedeutungswelt<br />
wesentlich erweitert werden. In die<br />
neue Richtung wies <strong>der</strong> Esel eines<br />
Magiers, <strong>der</strong> himmlischen<br />
Anwesenheiten offener war als<br />
Bileam selbst (4 Mose 22).
Fortsetzungen scheinen sich auch in<br />
<strong>der</strong> Präsenz von "Ochs und Esel" an<br />
<strong>der</strong> Krippe auszudrücken - sie<br />
begann schon in frühester Zeit des<br />
Christentums. Origenes (185 - ~254<br />
n. Chr.) deutete als Erster die<br />
Bibelstelle aus Jesaja (1, 2 - 3): und<br />
öffnete den Weg zu "Geduld" und<br />
"Demut" des Tieres.<br />
Bei den Ägyptern war <strong>der</strong> Esel<br />
Sinnbild <strong>der</strong> wi<strong>der</strong>göttlichen<br />
Mächte. 77 Esel stellen sich <strong>der</strong><br />
Sonne entgegen, um ihrem<br />
morgendlichen Aufgang zu wehren.<br />
Der Esel war ein Tier Seths, des<br />
Wi<strong>der</strong>sachers des Osiris. Osiris<br />
steht für den Nil, Seth aber ist <strong>der</strong><br />
Gott <strong>der</strong> Wüste, <strong>der</strong> Metalle, des<br />
Meeres, <strong>der</strong> nichtägyptischen<br />
Völker. Mit <strong>der</strong> wachsenden<br />
Verfemung des Seth wird sein Tier<br />
zum Sündenbock; bei Osirisfesten<br />
können Esel mit Lanzen<br />
nie<strong>der</strong>gestochen werden. Eselsbil<strong>der</strong><br />
wurden auch auf Opferbroten<br />
angebracht.<br />
Um die "chtonische" Macht dieses<br />
Tieres unschädlich zu machen,<br />
wurde die Hieroglyphe "Esel" mit<br />
einem Messer im Rücken abgebildet.<br />
In <strong>der</strong> Hieroglyphenschrift geht dem<br />
Bild des Esels oft das Zeichen des<br />
Phallus voraus: die Ägypter gaben<br />
dem Stier sexuelle Potenz, dem Esel<br />
aber die negative Bedeutung von<br />
"sexueller Ausschweifung". <strong>Die</strong>se<br />
Konnotation hielt sich auch in <strong>der</strong><br />
griechischen und römischen Welt.<br />
Solchen Metaphern ausweichend<br />
berichtet <strong>der</strong> Physiologus (9)<br />
Erstaunliches. Der Wildesel sei ein<br />
"freies" Tier (Hiob, 39, 5) - er beiße<br />
seinen männlichen Nachkommen die<br />
Hoden ab. <strong>Die</strong> frühe christliche<br />
Schrift - wohl schon um 150 nach<br />
Christus entstanden - sieht im Esel<br />
ein Symbol <strong>der</strong> "Enthaltung und<br />
Selbstbeherrschung", verurteilt aber<br />
das Verschnitten-werden. Im neuen<br />
Zustand <strong>der</strong> Welt seien "geistliche<br />
Kin<strong>der</strong>" zu zeugen, <strong>Die</strong> Apostel<br />
übten "Askese, in dem sie nach<br />
himmlischem Samen strebten."<br />
Nach <strong>der</strong> Gestirnkunde gehört <strong>der</strong><br />
Esel zu Saturn, dem friedlichen Gott<br />
<strong>der</strong> Saaten. Zu diesem Gestirn<br />
gehört auch Israel<br />
<strong>Die</strong> Bedeutungen <strong>der</strong> saturninen<br />
Mühe, Tiefe und Gründlichkeit<br />
scheint das Märchen <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong><br />
Grimm aufzugreifen:<br />
"Der Zweite Sohn war zu<br />
einem Müller gegangen, als er<br />
ausgelernt hatte, gab ihm<br />
dieser den Esel Bricklebrit<br />
zum Geschenk, so oft man zu<br />
ihm sagte `Bricklebrit!´ so fing<br />
er an Ducaten auszuspeien<br />
hinten und vorn... das<br />
Goldeselein."<br />
Was sind die etymologischen<br />
Hintergründe von "Bricklebrit"?<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Säugetiere<br />
Hieroglyphe "Esel" - "z"; Betro 94.<br />
rechts<br />
Foto Esel<br />
"Hört, ihr Himmel! Erde, horch<br />
auf!/<br />
Denn <strong>der</strong> Herr spricht:<br />
Ich habe Söhne großgezogen<br />
und emporgebracht,/<br />
doch sie sind von mir<br />
abgefallen.<br />
Der Ochse kennt seinen<br />
Besitzer/<br />
und <strong>der</strong> Esel die Krippe seines<br />
Herrn;<br />
Israel aber hat keine
Erkenntnis,/<br />
mein Volk hat keine Einsicht."<br />
Jesaja, 1, 2 - 3<br />
Ochs und Esel, Relief aus<br />
Schmidt/Schmidt, S. ?<br />
Druckgraphik: HS, S. 512: Esel<br />
trägt Bild <strong>der</strong> Isis, und glaubt, die<br />
Verehrung gelte ihm; Alciatus, 1531,<br />
7.<br />
Illustration aus Sebastian Brandt,<br />
das Narrenschiff, Stuttgart, 1964, S.<br />
287:<br />
"Viel Narren sind gedrückt<br />
zum Bücken,<br />
Und Tore sind´s,<br />
in vielen Stücken:<br />
Der Esel sitzt ihnen<br />
auf dem Rücken."<br />
dann noch schneller hoppelte,<br />
war Alice mit einem Satz auf<br />
den Beinen, denn ihr wurde<br />
klar, dass sie noch niemals ein<br />
Kaninchen mit Westentasche<br />
und Taschenuhr gesehen<br />
hatte. Außer sich vor Neugier<br />
jagte sie ihm quer über die<br />
Wiese nach und konnte<br />
glücklicherweise gerade noch<br />
sehen, wie es unter <strong>der</strong> Hecke<br />
in einem großen Erdloch<br />
verschwand.<br />
Blitzschnell sprang ihm Alice<br />
hinterdrein, ohne einen<br />
Gedanken daran zu<br />
verschwenden, wie sie jemals<br />
wie<strong>der</strong> herausfinden sollte."<br />
Lewis Caroll, Alice im Wun<strong>der</strong>land<br />
Der Hase<br />
"Dann überlegte sie weiter -<br />
ein wenig zerstreut, denn die<br />
Hitze machte sie schläfrig - ob<br />
es ihr trotz <strong>der</strong> damit<br />
verbundenen Anstrengung<br />
wohl Spaß machen würde,<br />
aufzustehen, Gänseblumen zu<br />
pflücken und sich einen Kranz<br />
daraus zu winden, als plötzlich<br />
ein weißes Kaninchen mit rosa<br />
Augen dicht an ihr<br />
vorbeihoppelte.<br />
Das war eigentlich noch kein<br />
aufregendes Ereignis. Auch<br />
daß das Kaninchen zu sich<br />
sagte: `Ach du meine Güte! ich<br />
komm´ ja zu spät!´,<br />
verwun<strong>der</strong>te Alice nicht<br />
übermäßig... Doch als das<br />
Kaninchen tatsächlich eine<br />
Uhr aus <strong>der</strong> Westentasche zog,<br />
einen Blick darauf warf und<br />
Ob Lewis Caroll wusste, daß die<br />
ägyptische Hieroglyphe "Hase",<br />
"wn", "öffnen" bedeutet? Und in<br />
dieser Bedeutung über Jahrtausende<br />
richtig überliefert war? Mit keinem<br />
an<strong>der</strong>en Tier, keiner an<strong>der</strong>en<br />
Metapher, hätte er den langen<br />
Traum von Alice sinnvoller "eröffnen"<br />
können.<br />
"Wie sie etwas Offenes<br />
kennzeichnen<br />
Wenn sie zeigen wollen<br />
Wie eine Sache offen steht<br />
o<strong>der</strong> eine weite Öffnung<br />
Malen sie den Hasen <strong>der</strong><br />
gewöhnlich<br />
Seiner Natur gemäß die Augen<br />
offen hält."<br />
Horapollo I, 26; n. 27
<strong>Die</strong> mo<strong>der</strong>ne Ägyptologie hat<br />
ermittelt, daß "wn" auch noch<br />
an<strong>der</strong>e Bedeutungen hat, etwa<br />
"rennen" und "existieren". Der<br />
Mythos des Sonnengottes Ra führt<br />
weiter: dieser konnte am Morgen,<br />
in seinem Aspekt <strong>der</strong> Dämmerung,<br />
<strong>der</strong> Eröffnung, des Neuanfanges, die<br />
Gestalt des Hasen annehmen.<br />
Man könnte so kühn sein, zu<br />
behaupten, <strong>der</strong> "Osterhase" wäre<br />
eine Erinnerung an die Ideogramme<br />
<strong>der</strong> Ägypter: das Jahr beginnt, es<br />
wird im Symbol eines Hasen<br />
"eröffnet". <strong>Die</strong> Tagundnachtgleiche<br />
im März hat bis heute den Aspekt<br />
<strong>der</strong> Eröffnung des Jahres. Das<br />
Osterfest findet jeweils eine Woche<br />
nach dem ersten Vollmond im<br />
Frühling statt, wenn die Sonne im<br />
Wid<strong>der</strong> steht.<br />
Bezeichnen<strong>der</strong>weise werden die<br />
ersten Hinweise auf das Symbol des<br />
Osterhasen um etwa 1630 gegeben -<br />
im Ausgang jener Zeit <strong>der</strong><br />
Renaissance, in <strong>der</strong> die Schrift des<br />
Horapollo große Beachtung fand.<br />
Der Physiologus findet im Hasen<br />
Eigenarten des Gläubigen; dabei ist<br />
zu erwähnen, daß heutigentags in<br />
<strong>der</strong> angesprochenen Stelle mit<br />
Klippdachs (Ps 104, 18) übersetzt<br />
wird.<br />
Leben <strong>der</strong> Menschen in Besitz<br />
zu nehmen. Wenn er sieht, daß<br />
<strong>der</strong> Mensch bergab läuft und<br />
die irdischen und alltäglichen<br />
Dinge dieses Lebens im<br />
Herzen hat, dann kommt er<br />
ihm eifriger nach... Wenn er<br />
aber sieht, daß er im Willen<br />
Gottes läuft und den<br />
wahrhaften Felsen, unseren<br />
Herrn Jesus Christus, sucht<br />
und auf die Gipfel <strong>der</strong> Tugend<br />
steigt, wendet sich <strong>der</strong><br />
Hund..."<br />
Physiologus, 56.<br />
Nach indianischer Vorstellung ist<br />
<strong>der</strong> Schöpfer <strong>der</strong> Welt ein Hase;<br />
Manebozho, <strong>der</strong> "Große Hase" o<strong>der</strong><br />
das "Große Licht": er stürzte vom<br />
Mond zur Erde und wurde Ahnherr<br />
<strong>der</strong> Indianer.<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Säugetiere<br />
"Vom Hasen<br />
Von ihnen hat David gesagt:<br />
`Ein Fels ist die Zuflucht dem<br />
Hasen.´ Der Physiologus sagt<br />
vom Hasen, daß er, wenn er<br />
gejagt wird, in die Felsen flieht<br />
und den Berg hinauf und sich<br />
so rettet. Wenn er aber den<br />
Berg hinabläuft, kann er nicht<br />
rennen, deswegen, weil seine<br />
Vor<strong>der</strong>läufe nur wie Stummel<br />
sind. Dann fasst ihn schnell<br />
<strong>der</strong> Hund, und deswegen<br />
sucht er den Weg bergauf.<br />
Der heilige Basilius hat<br />
gesagt: Suche auch du,<br />
Mensch, den Felsen, wenn du<br />
verfolgt wirst vom bösen<br />
Hunde, dem Dämon, <strong>der</strong> Tag<br />
und Nacht versucht, das<br />
Hieroglyphe "Hase", "öffnen" -<br />
"wn", Betro 101.<br />
rechts<br />
"Der Hase", das Bild Albrecht<br />
Dürers<br />
Joseph Beuys, Der Freiheitshase,<br />
Staatsgalerie Stuttgart - ein<br />
"Friedenshase", hergestellt aus<br />
einer umgeschmolzenen Krone<br />
Iwans des Schrecklichen.
Der Hase aus dem Struwelpeter,<br />
eine bezeichnende Umkehrung des<br />
Hasenwesens in einer<br />
militaristischen Epoche.<br />
Schlangeneier , und sie legte<br />
sie mit großer Freude und<br />
Sorgfalt ins Nest, um sie<br />
auszubrüten. Sie malte sich<br />
aus, welche Freude sie an<br />
ihren Küken haben würde; sie<br />
stellte sich vor, wie sie ihnen<br />
Futter aufscharren würde, wie<br />
sie auf ihr Rufen herbei eilen<br />
würden; sie wollte ihnen das<br />
Picken lehren - schon sah sie<br />
sie groß, stark, schön und<br />
gehorsam vor sich.<br />
Da kam eine Schwalbe vorbei,<br />
bemerkte ihre Träumerei und<br />
mahnte: `Du Törin, du willst<br />
eine Brut erziehen, welche dir<br />
die Mühe mit dem Tod lohnt!´<br />
- Erziehst du einen Raben, wird<br />
er dir zum Dank aufs Auge<br />
hacken. -"<br />
Aisopos (~ 600 v. Chr.)<br />
<strong>Die</strong> Henne, <strong>der</strong><br />
Hahn<br />
Hähne folgten <strong>der</strong> griechischen<br />
Vegetationsgöttin Persephone, wenn<br />
sie nach ihrem winterlichen<br />
Aufenthalt in <strong>der</strong> Unterwelt zu ihrer<br />
Mutter Demeter zurückkehrte. Der<br />
Hahn, das wehrhafte und beherzte<br />
Tier, galt dem Römer Oppianus als<br />
<strong>der</strong> "streitbarste Vogel". Dem<br />
antiken Reisenden galt <strong>der</strong><br />
Hahnenschrei am Morgen als<br />
glückverheißend und ermutigend.<br />
Der gellende Ruf sollte gar den<br />
König <strong>der</strong> Tiere, den Löwen,<br />
vertreiben können.<br />
"<strong>Die</strong> Henne und die Schwalbe<br />
Eine Henne fand<br />
Aelian erörtert ausführlich, warum<br />
sich ein Hahn immer bücke, wenn er<br />
durch eine Türe trete: dieser Vogel<br />
halte sich wegen seines blutvoll<br />
roten und prahlerischen Kammes für<br />
immens groß, und so komme er zu<br />
<strong>der</strong> Geste, sich unter vermeintlichen<br />
Hin<strong>der</strong>nissen zu ducken.
Ganz an<strong>der</strong>s <strong>der</strong> weibliche Aspekt<br />
des Geflügels. Sprichwörtlich ist,<br />
dass jemand zur "Glucke" werden<br />
kann. <strong>Die</strong> Stimme <strong>der</strong> Henne wird<br />
tief und sorgend-zärtlich, wenn sie<br />
brütet. Heimlich sitzt sie auf ihren<br />
Eiern, duldet keine Störung,<br />
verteidigt die geschlüpften Küken<br />
(Mt 23, 37). <strong>Die</strong> Eier, die sie legt,<br />
sind metaphorische Bil<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Fruchtbarkeit.<br />
Hahn und Henne sind im<br />
"Physiologus" und bei "Horapollo"<br />
nicht erwähnt. Ist das vielleicht ein<br />
Hinweis auf jene Hypothese, sie<br />
wären erst ab 500 v. Chr. allmählich<br />
im Mittelmeerraum verbreitet<br />
worden? Ursprüngliche Heimat des<br />
Geflügels war Indien - die Perser<br />
sollen es zuerst nach Griechenland<br />
gebracht haben.<br />
Noch um die Zeitenwende bestimmte<br />
man die Tageszeit nach dem<br />
Hahnenschrei (Matth 26, 34). Und<br />
das Mittelalter glaubte, Gott habe in<br />
diesem Tier den armen Landleute<br />
eine Art Uhr geschenkt.<br />
Frankreichs, wohl aus keltischen<br />
Wurzeln: das Attribut des<br />
vormaligen Nationalgottes Sucellos<br />
war <strong>der</strong> Hahn. Unklar ist, ob und<br />
welcher Zusammenhang zwischen<br />
dem lateinischen "gallus", "Hahn",<br />
und dem römischen Begriff<br />
"Gallien" besteht.<br />
"Wer verlieh dem Ibis<br />
Weisheit,/<br />
o<strong>der</strong> wer gab Einsicht dem<br />
Hahn?"<br />
Ijob 38, 36<br />
Über die Herkunft des Krähens gab<br />
es zu dieser Zeit interessante<br />
Vorstellungen: man glaubte, dieses<br />
hänge mit den nächtlichen<br />
Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Luft zusammen,<br />
dafür sei <strong>der</strong> Vogel viel<br />
empfindlicher als <strong>der</strong> Mensch.<br />
Solche "Metamorphose" des luftigen<br />
Elementes werde am deutlichsten,<br />
wenn die Sonne um Mitternacht<br />
direkt "unter dem Erdboden" wäre.<br />
Da setze das Rufen ein, und werde<br />
stärker und immer häufiger.<br />
Es wun<strong>der</strong>t nicht, dass <strong>der</strong> Hahn so<br />
zum Begleiter Phöbus Apollons auf<br />
dem Sonnenwagen wurde. Er war<br />
sein Attribut.<br />
Der Barockzeit war <strong>der</strong> Hahn ein<br />
Sinnbild <strong>der</strong> "Andacht, Dankbarkeit,<br />
Kühnheit, Freundlichkeit,<br />
Wirtlichkeit, Wachsamkeit,<br />
Tapferkeit". In <strong>der</strong> Heraldik steht<br />
<strong>der</strong> Hahn für soldatischen Mut,<br />
kriegerischen Ruhm, auch für<br />
religiösen Eifer. <strong>Die</strong> militärische<br />
Seite des Bildes würdigte die Antike<br />
als Symboltier des Mars.<br />
Der Hahn ist auch Personifikation<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Vögel<br />
romanische Plastik - Hahn - bspw.<br />
Schmidt/Schmidt<br />
rechts<br />
Uhr mit Hahn, Württ.<br />
Landesmuseum Stuttgart<br />
HS, S. 851, Henne, Isselburg, 1640.<br />
"Nährt und schützt."
Hahn, Gemälde von Otto Dix<br />
Der Hühnerhof, ein Genrebild und<br />
Abbild <strong>der</strong> trauten Familie<br />
gegen seinen Wohltäter<br />
Signifizieren wollen malen sie<br />
die Taube<br />
Wenn das Männchen Stärke<br />
erlangt<br />
Vertreibt es seinen Vater und<br />
kommt über seine Mutter<br />
<strong>Die</strong>ses Tier ist gesund sauber<br />
und fleckenlos rein<br />
Wenn die Pest irgendwo<br />
auftritt<br />
Werden alle krank nur die<br />
Taube und <strong>der</strong> sie nutzt als<br />
Fleisch und Nahrung<br />
Wird von dem Übel nicht<br />
erreicht<br />
Deswegen gab man dem König<br />
oft nichts an<strong>der</strong>es zum Essen<br />
Als Tauben über lange Zeit zu<br />
seiner Mahlzeit<br />
Genauso den <strong>Die</strong>nern <strong>der</strong><br />
Götter<br />
Man sagt außerdem dieses<br />
Tier habe keine Galle."<br />
Horapollo I, 57; n. 56<br />
<strong>Die</strong> Taube<br />
Der Taube wird nach biblischem<br />
Wort die Eigenschaft zugeschrieben,<br />
"ohne Falsch" zu sein (Matth 10,<br />
16). Der "Physiologus" erläutert,<br />
selbst wenn ihr Herr die Jungen aus<br />
dem Nest genommen habe, so denke<br />
sie nicht böse; sie bemühe sich ein<br />
neues Nest zu bauen, und neue<br />
Junge zu hecken. Und er rät dem<br />
wahren Christen, dem, <strong>der</strong> ihm<br />
etwas raube, um "<strong>der</strong> Liebe Christi<br />
willen auch den Rest zu lassen"<br />
(35).<br />
"Wie sie einen Undankbaren<br />
gegenüber Wohltätern<br />
zeichnen<br />
Wenn sie den Undankbaren<br />
Noch viel weiter geht "Horapollo".<br />
Das Buch entwirft eine ungeahnte<br />
Bedeutungstiefe: die Taube sei ein<br />
"reines" Tier, sie bleibe gesund, und<br />
könne sogar den, <strong>der</strong> sie verzehre<br />
unter schlimmsten Bedingungen<br />
gesund erhalten. Sie steigt auf zur<br />
vorzüglichen Nahrung <strong>der</strong> Könige.<br />
Das zugesprochene Wesen kann
verständlich machen, wieso die<br />
Taube in <strong>der</strong> christlichen Religion<br />
einen Aspekt <strong>der</strong> Gottheit<br />
„signifizieren“ konnte: den Geist<br />
Gottes, den „heiligen Geist“.<br />
"Wie sie einen Menschen<br />
kennzeichnen <strong>der</strong> von Natur<br />
aus selbst keinen Zorn hat<br />
aber von an<strong>der</strong>en bewegt wird<br />
Wenn sie einen Menschen<br />
ohne Zorn<br />
Aber von an<strong>der</strong>en dazu<br />
getrieben<br />
Zeigen wollen zeichnen und<br />
bilden sie<br />
Eine Taube schön ausgeführt<br />
in vollem Umriss<br />
Den Schwanz hat sie hoch<br />
nach oben gestreckt<br />
Denn sie hat in hinteren<br />
Partien<br />
Galle und Zorn wie viele zu<br />
sehen meinen<br />
So zeigen sie menschliche Wut<br />
die von außen kommt."<br />
anzudeuten - die Möglichkeit, sich<br />
zu wehren, selbst wenn man<br />
wesenhaft "Taube" ist.<br />
<strong>Die</strong> Taube galt als Tier <strong>der</strong><br />
Liebesgöttin Venus. Tauben ziehen<br />
den Wagen des Cupido, des Sohnes<br />
<strong>der</strong> Venus.<br />
<strong>Die</strong> Taube besaß nach antiker<br />
Ansicht das Wissen, sich und ihre<br />
Jungen mit Lorbeerblättern zu<br />
heilen. "Horapollo" übersetzt dabei<br />
das Symbol des Lorbeerblattes,<br />
deutet es als Attribut <strong>der</strong><br />
Weissagekunst, und spricht davon,<br />
die Taube könne sich auch durch ein<br />
Orakel heilen (Horapollo II, 46).<br />
Der Physiologus bringt eine völlig<br />
eigenständige Erzählung über die<br />
"rote Taube": sie allein wäre im<br />
Stande, alle Tauben in den Schlag<br />
zurückzuführen. Und sie sei ein<br />
Sinnbild Christi: er leite alle<br />
an<strong>der</strong>sfarbigen Tauben -<br />
"starenfarbige, schwarze,<br />
goldfarbige, völlig weiße,<br />
feuerfarbene Zuchttauben". <strong>Die</strong>se<br />
Tauben aber sind - die Propheten.<br />
Horapollo II, 48; n. 113<br />
Jemand, <strong>der</strong> keine Galle hatte,<br />
konnte nach den alten medizinischen<br />
Vorstellungen nicht zornig werden.<br />
Er wurde nicht "cholerisch": das<br />
Wort kommt vom griechischen<br />
"cholä", "Galle". Ohne Galle kann<br />
jemand kein "Choleriker" werden:<br />
das sind Reste <strong>der</strong> Säftelehre <strong>der</strong><br />
Antike („Humoralpathologie“) in<br />
unserer Umgangssprache. <strong>Die</strong><br />
Taube war demnach ein absolut<br />
friedliches Wesen: selbst die<br />
politische <strong>Sprache</strong> unterscheidet in<br />
diesem Sinn heute "Tauben" und<br />
"Falken".<br />
Michel Nostradamus wendet diese<br />
Metapher noch einmal: er erläutert<br />
eine Eigenschaft einer Person, die<br />
vollkommen friedlich ist, und doch<br />
„wütende“ Auswirkungen zeitigen<br />
kann: wenn<br />
Umgebungsbedingungen Reize<br />
senden – die dann „von Außen<br />
kommen“, damit außerhalb <strong>der</strong><br />
Verantwortung dieses Charakters<br />
liegen. <strong>Die</strong>ses scheint ihm <strong>der</strong><br />
gefächerte Schwanz <strong>der</strong> Taube zu<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Vögel<br />
HS, S. 861, Ringeltaube, Alciatus<br />
1531. "Kin<strong>der</strong>liebe". <strong>Die</strong><br />
Ringeltaube polstert ihr Nest mit<br />
den eigenen Fe<strong>der</strong>n.-<br />
Rechts<br />
Foto, Mosaik <strong>der</strong> Apsis von San<br />
Clemente in Rom, Kreuz mit Tauben,<br />
Schwalben, Hirschen, Ibissen,<br />
Gänsen, Pfauen, Schlangen, Blüten.<br />
Z. B. Champeaux/Sterckx, S. 74.
Farbig.<br />
Rene Magritte, Taube fliegt in<br />
Wolken auf.<br />
P. Picasso, <strong>Die</strong> Friedentaube.<br />
„Kevin alleine in New York“ – und<br />
die Symbolik <strong>der</strong> Taube und <strong>der</strong><br />
Taubenfrau im Central-Park.<br />
etwas Erhabenes, o<strong>der</strong><br />
Niedriges, Überlegenheit, Sieg,<br />
Mars o<strong>der</strong> Venus, zeichnen sie<br />
ein Falken. Einen Gott, weil er<br />
fruchtbar und langlebig ist.<br />
Auch, weil er eine Analogie <strong>der</strong><br />
Sonne ist, und besser als alle<br />
an<strong>der</strong>en Vögel sieht, wegen<br />
<strong>der</strong> Strahlen seiner Augen...<br />
Erhabenes, weil die an<strong>der</strong>en<br />
Vögel nur in einer Kurve<br />
aufwärts fliegen können, sie<br />
kommen nicht in gera<strong>der</strong> Linie<br />
aufwärts. Nur <strong>der</strong> Falke fliegt<br />
geradewegs nach oben.<br />
Niedrigkeit, weil die an<strong>der</strong>en<br />
Vögel nicht direkt abwärts<br />
fliegen, son<strong>der</strong>n immer in einer<br />
Kurve. Der Falke aber ist<br />
kerzengerade abwärts<br />
geboren. Überlegenheit, weil er<br />
allen an<strong>der</strong>en Vögeln über ist.<br />
Blut, weil man sagt, dieser<br />
Vogel trinke kein Wasser,<br />
son<strong>der</strong>n Blut. Schließlich Sieg,<br />
weil dieser Vogel alle zu<br />
besiegen scheint."<br />
Horapollo I, 6<br />
Der Falke<br />
Auch Plutarch überliefert in "Isis<br />
und Osiris" <strong>der</strong> Falke sei ein<br />
Symbol Gottes. Zu seiner Zeit diente<br />
das Bild des Falken schon mehrere<br />
Jahrtausende als Zeichen für<br />
"Gottheit".<br />
"Was ein Falke bedeutet<br />
Wenn sie Gott symbolisieren,<br />
Bei den Ägyptern war <strong>der</strong> Falke <strong>der</strong><br />
Vogel des Horus, des Sohnes des<br />
Osiris; dieser Gott beschützte mit<br />
seinen Fittichen die Erde. (Horus<br />
wie<strong>der</strong>um soll <strong>der</strong> sagenhafte<br />
Verfasser <strong>der</strong> hier oft zitierten<br />
"Hieroglyphen" sein; in<br />
hellenistischer Zeit erhielt er auch<br />
den Beinamen Apollo, weil seine<br />
Bedeutungen denen des<br />
griechischen Gott entsprachen -<br />
"Horapollo".)
Im ägyptischen Reich war das<br />
Horusauge eines <strong>der</strong> bedeutsamsten<br />
und wirkmächtigsten Symbole. Nach<br />
dem Mythos riss <strong>der</strong> rivalisierende<br />
Gott Seth Horus das rechte Auge<br />
aus; aber <strong>der</strong> Mondgott Toth,<br />
Schutzgott <strong>der</strong> Wissenschaften und<br />
<strong>der</strong> Schreibkunst, setzte es akribisch<br />
wie<strong>der</strong> zusammen, und heilte es.<br />
In <strong>der</strong> magischen Anwendung dieses<br />
Mythos brachte man überall, wo ein<br />
Zustand <strong>der</strong> Schwäche und <strong>der</strong><br />
Störung <strong>der</strong> natürlichen Ordnung<br />
eingetreten war, dieses Symbol an.<br />
Es diente vor allem zu Amuletten: es<br />
sollte als Symbol des Glückes in<br />
magischer Weise schützen,<br />
universelle Harmonie herbeirufen,<br />
den ewigen Kreislauf des Werdens<br />
unterstützen. So bedeutete es auch<br />
das zyklische Zu- und Abnehmen des<br />
Mondes, ja die Wachstumskräfte und<br />
den Mond selbst.<br />
Auf die Pharaonen bezogen<br />
bedeutete das die uneingeschränkte<br />
Dauer und die ewige Erneuerung<br />
ihres Königtums. <strong>Die</strong> Himmelfahrt<br />
eines Pharao wurde oft als Flug<br />
eines Falken dargestellt; damit<br />
ergaben sich metaphorische<br />
Weiterungen zwischen dem Bild des<br />
Raubvogels und dem Ba-Vogel,<br />
einem Vogel, <strong>der</strong> die Seele des<br />
Menschen darstellen sollte.<br />
Daran knüpft wie<strong>der</strong>um Horapollo,<br />
und überliefert richtig die<br />
entsprechenden Worte <strong>der</strong><br />
altägyptischen <strong>Sprache</strong>. Da die<br />
Aussprache bis heute nicht bekannt<br />
ist - das Ägyptische war wie das<br />
Jüdische eine reine<br />
Konsonantenschrift, und die Reste<br />
im Koptischen haben sich im Laufe<br />
<strong>der</strong> Jahrtausende stark gewandelt -<br />
könnte an dieser Stelle sogar ein<br />
Hinweis auf die alte, zumindest<br />
frühere, lautliche Formung <strong>der</strong><br />
Wörter gegeben sein.<br />
"<strong>Die</strong> Seele<br />
den Ägyptern baieth. Teilt man<br />
dieses Wort, bedeutet es<br />
`Seele´ und `Herz´, den bai<br />
heißt Seele und eth heißt Herz.<br />
Nach den Ägyptern enthält das<br />
Herz die Seele. Das<br />
kombinierte Wort bedeutet<br />
also so viel wie `Seele-im-Herz<br />
´. Darum trinkt <strong>der</strong> Falke, weil<br />
er den selben Charakter wie<br />
die Seele hat, niemals Wasser,<br />
son<strong>der</strong>n Blut, das wie<strong>der</strong>um<br />
die Seele nährt."<br />
Horapollo I, 7.<br />
<strong>Die</strong> Vorstellung "Ba" hat wenig mit<br />
dem christlichen Seelenbegriff zu<br />
tun. Gemeint sind physische und<br />
psychische Lebenskräfte, recht<br />
ähnlich dem Seelenbegriff <strong>der</strong><br />
mo<strong>der</strong>nen Naturwissenschaft.<br />
Der "Physiologus" erwähnt<br />
bezeichnen<strong>der</strong>weise den Falken<br />
nicht. Auch in <strong>der</strong> Bibel sind<br />
Metaphern dieses Vogels vermieden:<br />
wohl wegen seiner überstarken<br />
Bezüge ins Niltal, und seiner engen<br />
Verbindung zur Ideologie des<br />
Pharao. Damit gibt es keinen<br />
Übergang dieses Symboles in die<br />
westliche Bil<strong>der</strong>welt.<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Vögel<br />
Pharao, mit Falkenhaube,<br />
ägyptische Plastik.<br />
Warum <strong>der</strong> Falke ein Symbol<br />
<strong>der</strong> Seele ist, geht aus <strong>der</strong><br />
Deutung seines Namens<br />
hervor. Denn Falke heißt bei<br />
rechts<br />
Hieroglyphe liegen<strong>der</strong> o<strong>der</strong>
mumifizierter Falke, "hmw",<br />
Bedeutung: "göttliches Bild, Idol" -<br />
Betro, 90<br />
Hieroglyphe "Falke", "bik", Betro<br />
72.<br />
Hieroglyphe "Horus", "hrw", Betro<br />
72. Horus bedeutet vermutlich "<strong>der</strong><br />
Ferne".<br />
Das Horusauge, "wdzt", "das heile<br />
Auge", Betro, 55.<br />
Hieroglyphe "Herz", Betro, 122.<br />
Das Herz als Zentrum des Lebens<br />
von leib, Seele und Geist: "Das Herz<br />
spricht in den Blutgefäßen aller<br />
Glie<strong>der</strong>", Papyrus Ebers, 16. Jhdt. v.<br />
Chr.:<br />
"das Herz holt sich von den<br />
Sinnen jedes Urteil, und die<br />
Zunge spricht aus, was das<br />
Herz gedacht hat."<br />
Herzreliquiar<br />
"Es ist die Schwalbe ein<br />
braves Vögelchen und sehr<br />
schnell. Sie verbringt die eine<br />
Hälfte des Jahres in <strong>der</strong> Wüste<br />
und die an<strong>der</strong>e Hälfte in <strong>der</strong><br />
Ebene nahe den Menschen,<br />
und sie zeugt Kin<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />
Wüste und in <strong>der</strong> Ebene und<br />
macht ihr Nest in den Häusern<br />
<strong>der</strong> Menschen. Und wenn sie<br />
Junge hat, fliegen beide Eltern<br />
und holen Nahrung und füttern<br />
sie. Oft wird eines <strong>der</strong> Jungen<br />
blind, dann fliegt das<br />
Weibchen sofort in die Wüste<br />
und holt ein Kraut und legt es<br />
auf die Augen des kranken<br />
Kindes. Das wird sofort geheilt<br />
und kann wie<strong>der</strong> sehen."<br />
Votivgabe Herz<br />
Physiologus, 33.<br />
Künstliches Herz;<br />
Herztransplantation<br />
Biblische Zitate zum Herzen und<br />
zum Blut<br />
<strong>Die</strong> Schwalbe<br />
Das ägyptische Totenbuch wünscht<br />
dem Toten, in eine Schwalbe<br />
verwandelt zu werden, damit er<br />
"schreite als Sieger im vollen Licht<br />
des Tages". Nach Plutarch<br />
umflatterte Isis als Schwalbe den<br />
Sarg des Osiris. Von daher kommt<br />
vielleicht die Meinung <strong>der</strong> Antike,<br />
<strong>der</strong> Gesang <strong>der</strong> Schwalbe sei<br />
traurig und betrübt.
Pythagoras sprach dagegen, die<br />
Schwalbe im Haus zu dulden. Doch<br />
bereits zu seiner Zeit war man sich<br />
nicht einig, ob er es hygienisch o<strong>der</strong><br />
symbolisch meinte. Denn damals<br />
wurde dieses Tier ein Symbol des<br />
Undankes, weil es das Haus<br />
beschmutzte.<br />
<strong>Die</strong> Schwalbe galt den Römern als<br />
Vogel <strong>der</strong> Venus, wie "alle Tiere, die<br />
ihre Jungen sehr lieben, und alle<br />
üppigen, mutwilligen und<br />
verliebten".<br />
Wie viele an<strong>der</strong>e Tiere verstand sich<br />
die Schwalbe auch auf die<br />
Heilkunst, wie <strong>der</strong> "Physiologus"<br />
berichtet. Es ist aber nicht sicher, ob<br />
das Schellkraut, auf das <strong>der</strong> Vogel<br />
aufmerksam gemacht haben soll,<br />
und das dann in die Augenheilkunde<br />
<strong>der</strong> Menschen Eingang fand, auch<br />
in <strong>der</strong> Antike dafür verwendet<br />
wurde.<br />
Über die Pflanze gibt es auch noch<br />
die Meinung, es wäre <strong>der</strong> Sellerie<br />
o<strong>der</strong> Eppich gewesen, eine schon<br />
Dioskurides bekannte Heilpflanze.<br />
Sie war von großer Bedeutung im<br />
Totenkult <strong>der</strong> Griechen, denn sie<br />
streuten seine Blätter üppig in die<br />
ausgehobenen Gräber.<br />
Der frühchristliche "Physiologus"<br />
deutet das von <strong>der</strong> Schwalbe geholte<br />
Kraut als "Reue"; es wird <strong>der</strong><br />
Krankheit „Gottlosigkeit“<br />
aufgelegt. Und noch zwei weitere<br />
Bedeutung schreibt <strong>der</strong><br />
"Physiologus" <strong>der</strong> Schwalbe zu.<br />
Erstens: sie erscheine im Frühjahr,<br />
und rufe täglich die Schläfer zur<br />
Arbeit - diese Mahnung zur rechten<br />
Zeit wird belegt mit dem Bibelwort:<br />
"Wache auf, <strong>der</strong> du schläfst, und<br />
stehe auf von den Toten, so wird<br />
dich Christus erleuchten" (Eph 5,<br />
14). Und zweitens: die Schwalbe<br />
zeuge nur einmal - "ein Gott, ein<br />
Glaube, eine Taufe, ein Vater aller"<br />
(Eph 4, 5).<br />
Lange hielt sich eine Vorstellung<br />
über die gemeinschaftliche Hilfe <strong>der</strong><br />
Schwalben beim Flüggewerden <strong>der</strong><br />
Jungen. Wenn es soweit sei,<br />
informierten die Eltern alle ihre<br />
Verwandten. <strong>Die</strong>se kämen, setzten<br />
sich um das Nest, und ermutigten<br />
die Jungen, ihren ersten Ausflug zu<br />
wagen. Sie mahnten, sicherten Hilfe<br />
zu, appellierten an den großen, so<br />
wichtigen Entschluss - und halfen so<br />
<strong>der</strong> Brut in vereinten Kräften, den<br />
Sprung in ihr eigentliches Element<br />
zu tun.<br />
"Was bedeuten Schwalben?<br />
Wenn sie anzeigen wollen, daß<br />
Eltern ihren ungeteilten<br />
Wohlstand ihren Kin<strong>der</strong>n<br />
hinterlassen, zeichnen sie eine<br />
Schwalbe. Denn, selbst noch<br />
kurz vor ihrem Tod wälzt sich<br />
die Schwalbe im Dreck, um ein<br />
Nest für ihre Jungen zu<br />
bauen."<br />
Horapollo, II, 31.<br />
Schwalben verwenden zum Nestbau<br />
Kot und Schmutz, den sie von den<br />
Straßen und dem Rand <strong>der</strong> Pfützen<br />
herbeitragen. <strong>Die</strong>ser unedle<br />
Gegenstand trifft auch die<br />
metaphorische Ebene, die nach <strong>der</strong><br />
alten Bildsprache Besitz und<br />
Reichtum versinnbildlichen soll.<br />
In <strong>der</strong> Barockzeit gab man <strong>der</strong><br />
Schwalbe schwankende Bedeutung:<br />
Gewissenhaftigkeit auf <strong>der</strong> einen<br />
Seite, Mittelmäßigkeit auf <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en. <strong>Die</strong> erste Eigenschaft<br />
wurde ihr zugeschrieben, weil sie<br />
ihr Nest so sauber hielt, und die<br />
zweite, weil sie so kurze, kaum<br />
sichtbare Füße hatte.<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Vögel<br />
Hieroglyphe "Schwalbe", ein<br />
Lautzeichen, "wr" - Betro, 120
echts<br />
Foto Schwalbe<br />
Abbildung Sellerie, Eppich<br />
In <strong>der</strong> folgenden Stelle aus Tobit 2,<br />
9 - 10 wurde früher statt Sperling<br />
auch Schwalbe übersetzt.<br />
"Als ich ihn begraben hatte,<br />
und in <strong>der</strong> Nacht nach Hause<br />
kam, legte ich mich an <strong>der</strong><br />
Hofmauer zum Schlafen<br />
nie<strong>der</strong>, weil ich unrein<br />
geworden war. Mein Gesicht<br />
ließ ich unbedeckt, ohne auf<br />
die Sperlinge zu achten, die in<br />
<strong>der</strong> Mauer nisteten. Da ließen<br />
die Sperlinge ihren warmen<br />
Kot in meine Augen fallen, und<br />
es bildeten sich weiße Flecken<br />
in meinen Augen. Ich ging zu<br />
den Ärzten, doch sie konnten<br />
mir nicht helfen."<br />
An<strong>der</strong>e Embleme zur Schwalbe, z. B.<br />
bei Alciatus u. dgl. m.<br />
<strong>der</strong>en Gipffel sie sitzen, und<br />
aller Vögel Geschrey<br />
nachmachen, um selbige zu<br />
betrügen und herbei zu<br />
locken. Sie pflegen die Vögel,<br />
so sie fangen, am Kopffe nach<br />
dem Gehirne anzufressen...<br />
<strong>Die</strong> kleinere Art... macht nicht<br />
nur das Geschrey son<strong>der</strong>n<br />
auch die Gesänge aller<br />
an<strong>der</strong>en Vögel<br />
Verwun<strong>der</strong>ungswürdig nach,<br />
daß sie alle Augenblicke die<br />
Vögel betrügen: Denn diese<br />
begehren vor denen<br />
Neuntödtern nicht zu fliehen,<br />
als welche sie vor keine so<br />
fürchterlichen Feinde<br />
ansehen, daß sie vor ihnen<br />
ausreißen sollten. Denn sie<br />
haben keine Habichts-Gestalt,<br />
eilen auch denen<br />
auffliegenden Vögeln nicht so<br />
schnell nach wie ein Habicht,<br />
son<strong>der</strong>n nur wie Vögel, die<br />
schertzen und die an<strong>der</strong>n in<br />
die Luft jagen wollen. Es<br />
geschiehet dahero öffters, daß<br />
<strong>der</strong>jenige Vogel, den <strong>der</strong><br />
Neuntödter verfolget, zumal<br />
wenn er höher als <strong>der</strong><br />
Neuntödter in <strong>der</strong> Lufft ist,<br />
selbst auf diesen herunter<br />
stösset, und ihn zu jagen<br />
vermeynet, da denn dieser<br />
auch ein wenig fliehet, und<br />
sich anstellet, als ob er sich<br />
fürchte, ehe man sich es aber<br />
versiehet, hat er den Vogel,<br />
<strong>der</strong> ihm leichtlich entgehen<br />
hätte können, bey dem<br />
Kragen, und fället mit ihm in<br />
die nächste Staude.“<br />
Zedler, Universallexikon, 1741.<br />
„Der Neuntödter o<strong>der</strong><br />
Dorndreher o<strong>der</strong> Dorntreter ist<br />
ein Raub-Vogel... sie fangen<br />
nicht mit denen Klauen, auch<br />
selten in <strong>der</strong> Lufft, wie die<br />
Habichte, son<strong>der</strong>n mit dem<br />
Schnabel mitten in denen<br />
Bäumen und Stauden, auf<br />
Der Würger<br />
Der Würger (lanius) lebt in vier<br />
Arten in Europa. Am bekanntesten<br />
ist <strong>der</strong> Neuntöter o<strong>der</strong> rotrückige<br />
Würger. - Bereits <strong>der</strong> Name
„Neuntöter“ verweist auf alte<br />
Naturkunde: man war <strong>der</strong> Ansicht,<br />
dieser Vogel fange erst zu fressen<br />
an, es sei denn, er habe „neunerlei“<br />
Beute gemacht. -<br />
Vormals wurde <strong>der</strong> Würger zu den<br />
Raubvögeln gerechnet, heute wird er<br />
als Unterart <strong>der</strong> Singvögel gezählt.<br />
Er ist ein Zugvogel, überwintert in<br />
Nordafrika, bevorzugt in Libyen.<br />
Trotzdem erinnert sein Verhalten in<br />
vielen Teilen an einen Greifvogel,<br />
beispielsweise durch Nahrung<br />
(größere Insekten, kleine<br />
Wirbeltiere, Eidechsen, Jungvögel,<br />
junge Mäuse), durch Ansitz- und<br />
Pirschjagdjagd, durch Rüttelflug<br />
wie <strong>der</strong> Falke. Es fällt in diesem<br />
Zusammenhang auch auf, dass <strong>der</strong><br />
Vogel den Kopf zum Schlafen nie<br />
unter sein Gefie<strong>der</strong> steckt.<br />
Der Würger tötet seine Beute nicht<br />
mit den Fängen, wie die an<strong>der</strong>en<br />
Raubvögel, son<strong>der</strong>n mit dem<br />
Schnabel. <strong>Die</strong>sen weiß er sehr<br />
geschickt zu gebrauchen, z. B.<br />
indem er bei stachelbewehrten<br />
Insekten den Giftstachel entfernt,<br />
o<strong>der</strong> indem er beim Fressen oft<br />
zuerst mit dem Gehirn beginnt.<br />
Selbst in <strong>der</strong> neueren Literatur wird<br />
sein Verhalten als „listig“<br />
beschrieben, wenn er sich seinen<br />
Opfern scheinbar desinteressiert<br />
nähert.<br />
Der Würger bevorzugt buschreiche<br />
Landschaft, er meidet den Wald.<br />
Gerne sucht er Dornensträucher<br />
auf: dort spießt er seine erbeutete<br />
Nahrung an Stacheln und Dornen<br />
auf, o<strong>der</strong> klemmt sie in Astgabeln.<br />
<strong>Die</strong> Opfer hat er zuvor oft in<br />
kleinere Teile zerlegt.<br />
So bringt ihn die später zu<br />
zitierende symbolische Mitteilung<br />
zwar zu den Raubvögeln, aber nicht<br />
zu jenen, die beherrschenden<br />
Charakter o<strong>der</strong> hohe metaphorische<br />
Bedeutung gewinnen: <strong>der</strong> Würger<br />
bleibt unter diesem Rang, und<br />
dementsprechend gestalten sich die<br />
Auswirkungen seiner (zeitweisen)<br />
„Herrschaft in <strong>der</strong> Natur“,<br />
natürlich in metaphorischem Sinne.<br />
Damit sind die möglichen<br />
symbolischen Dimensionen<br />
angesprochen: das Tier sieht aus<br />
wie ein Singvogel; jedoch ist sein<br />
Verhalten an<strong>der</strong>s, und so lebt er eine<br />
Konnotation von „Täuschung“:<br />
diese führt dazu, sein räuberisches<br />
Verhaltensrepertoire auszugestalten,<br />
in den beschriebenen<br />
Charakteristiken seines bis zum<br />
Zerteilen <strong>der</strong> Beute und ihrer<br />
stückweisen Aufbewahrung. Hinzu<br />
kommt die alte Beobachtung, er<br />
„drehe“ diese Stücke an den<br />
Dornen herum („Dorndreher“).<br />
In dem später zu besprechenden Text<br />
aus dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t wird <strong>der</strong><br />
Würger wohl als <strong>der</strong> kleinste<br />
Raubvogel verstanden; es wird<br />
angespielt auf eine Weise <strong>der</strong><br />
Irreführung in seinem Verhalten und<br />
auf seine letztlich doch geringe<br />
Macht. Und solche ambivalenten<br />
Bil<strong>der</strong> sind oftmals von<br />
weittragen<strong>der</strong>er Bedeutung als<br />
eineindeutige Symbole: das<br />
Verhaltensspektrum wirkt<br />
grauenvoller, weil es in solcher<br />
Ausführlichkeit und Zuspitzung<br />
nicht erwartet wird.<br />
Trotzdem er auch Insekten jagt,<br />
können in seinem Revier – er ist<br />
sehr standorttreu - „Ungeziefer und<br />
Läuse“ gedeihen, wie ein späterer<br />
Text zeigen wird. <strong>Die</strong>ses kann man<br />
sich durch die unbeachtliche Größe<br />
dieser Tiere und auch durch des<br />
Würgers Sammlung von Aas<br />
begünstigt vorstellen. Hier klingt<br />
eine Erinnerung an die<br />
„Unsauberkeit“ des Wiedehopfes<br />
an, die zu gewissen Weiterungen <strong>der</strong><br />
Meinung über ihn führte.<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Vögel
echts<br />
Foto: Neuntöter<br />
Foto: Sammlung von Nahrung<br />
Allegorien und Emblemata zu<br />
diesem Tier sind bis dato nicht<br />
bekannt. Michel Nostradamus kann<br />
<strong>der</strong> erste sein, <strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />
Renaissance diese Konnotationen<br />
herausgearbeitet hat.<br />
"Wie sie einen dummen<br />
Menschen signifizieren<br />
Zeigend einen simplen<br />
stumpfen und dummen<br />
Menschen zeichnen sie den<br />
Pelikan des Meeres<br />
Er könnte sein Nest möglichst<br />
hoch<br />
An einem verborgenen Ort<br />
sicher machen<br />
Macht aber eine Grube die<br />
allen leicht zugänglich ist<br />
Und legt seine Eier hinein <strong>der</strong><br />
Vogelfänger<br />
Richtet nun rundum trockenen<br />
Rin<strong>der</strong>mist<br />
Und zündet ihn an es raucht<br />
ein wenig<br />
Der Pelikan sieht die Flammen<br />
hochschlagen<br />
Und will mit seinen Flügeln<br />
das Feuer ersticken<br />
<strong>Die</strong> Lohe aber verbrennt seine<br />
Fe<strong>der</strong>n<br />
Und in dieser Torheit wird er<br />
gefangen."<br />
Horapollo I, 54 (53)<br />
Der Pelikan<br />
<strong>Die</strong> ägyptische Metapher vom<br />
Pelikan - mit <strong>der</strong> auch Artemidorus
übereinstimmt - scheint sehr alt.<br />
<strong>Die</strong>ses Symbol, wie später auch die<br />
bildhafte Deutung des Fisches,<br />
zeigen sich noch völlig unbeeinflusst<br />
von christlichen Auffassungen.<br />
<strong>Die</strong>ses könnte ein Hinweis sein, das<br />
Buch des "Horapollo" sei,<br />
zumindest in Teilen, doch älter als<br />
angenommen.<br />
Im Gegensatz dazu wird im<br />
westlichen Kulturkreis <strong>der</strong> Pelikan<br />
außerordentlich hochgeschätzt: die<br />
selbstlose Liebe, die man ihm<br />
zuschrieb, ließ ihn zum Symbol für<br />
Christus selbst werden. <strong>Die</strong>se<br />
Entwicklung steht aber im krassen<br />
Gegensatz zu den Auffassungen <strong>der</strong><br />
Ägypter.<br />
Der "Physiologus" (4) bringt<br />
ausführliche Parallelen des<br />
Pelikans mit Christus. Dabei nennt<br />
die neuere Übersetzung in dem<br />
folgenden Zitat (Ps 102, 7) die<br />
Dohle.<br />
"Es sagt David: `Ich bin gleich<br />
dem Pelikan in <strong>der</strong> Einöde.´<br />
<strong>Die</strong>ser Pelikan ist ein Vogel,<br />
die Schlange ist seinen<br />
Jungen sehr feind. Was macht<br />
nun <strong>der</strong> Pelikan? Er befestigt<br />
sein Nest in <strong>der</strong> Höhe und<br />
macht darum einen Zaun von<br />
allen Seiten wegen <strong>der</strong><br />
Schlange. Was tut nun die<br />
hinterlistige Schlange? Sie<br />
beobachtet nach allen Seiten,<br />
woher <strong>der</strong> Wind weht, und von<br />
da her bläst sie den Jungen ihr<br />
Gift zu, und sie sterben sofort.<br />
Da kommt <strong>der</strong> Pelikan und<br />
sieht, daß seine Kin<strong>der</strong> tot<br />
sind, und er sieht eine Wolke<br />
und fliegt in die Höhe. Mit<br />
seinen Flügeln schlägt er<br />
seine Seiten, und das Blut<br />
tropft heraus, und durch die<br />
Wolke hindurch tropft das Blut<br />
auf seine Kin<strong>der</strong>, und sie<br />
werden zum Leben erweckt."<br />
Der Physiologus erläutert weiter:<br />
Jesus sei <strong>der</strong> metaphorische<br />
Pelikan, seine Jungen die<br />
Menschen. Und die Wolke wäre <strong>der</strong><br />
heilige Geist.<br />
In einer an<strong>der</strong>en Erzählung des<br />
Physiologus schlagen die Jungen<br />
den Pelikaneltern ins Gesicht. <strong>Die</strong>se<br />
züchtigen die Kin<strong>der</strong> und töten sie.<br />
Bald aber reut sie das Geschehen:<br />
da reißt sich die Mutter die Brust<br />
auf, und das herausquellende Blut<br />
erweckt die Leichen zum Leben.<br />
Interessant ist nun, wie Michel<br />
Nostradamus (1503 - 1566) die<br />
nach dem Wie<strong>der</strong>bekanntwerden <strong>der</strong><br />
"Hieroglyphen" entstandene<br />
Unvereinbarkeit im Bild "Pelikan"<br />
auflöst. Er erweitert er den Text um<br />
eine Überschrift und neue sinnhafte<br />
Dimensionen:<br />
"<strong>Die</strong> Kontroverse <strong>der</strong> Ägypter<br />
über den Pelikan<br />
Weil er sich in so großes<br />
Unheil stürzt<br />
Wegen seiner Kin<strong>der</strong> war es<br />
Priestern<br />
Nicht erlaubt ihn zu halten<br />
o<strong>der</strong> essen<br />
Auch immer wenn es jemand<br />
erlauben wollte<br />
Aßen sie ihn nicht weil er sein<br />
Leben<br />
In den Tod gibt ohne List und<br />
ohne Berechnung<br />
Nur aus Liebe, aus<br />
Frömmigkeit<br />
Übt er in allem sein Werk <strong>der</strong><br />
Liebe."<br />
An diesem Beispiel wird deutlich,<br />
wie "Multiplikatoren" neue<br />
Metaphern bilden. <strong>Die</strong> Bedeutungen<br />
von Tieren stehen dann weniger im<br />
Zusammenhang einer<br />
"wissenschaftlichen" Betrachtung,<br />
son<strong>der</strong>n hinweisend auf<br />
Institutionen menschlicher Kultur,<br />
die man bestimmten Bil<strong>der</strong>n<br />
anheftet, und selbst kulturstiftende<br />
Identiät mitteilen können.<br />
Bil<strong>der</strong>
links<br />
Glyphe Vögel<br />
Foto Pelikan<br />
rechts<br />
Pelikan, aus Boschius,<br />
Symbolographia, 1701.<br />
"Tod ich werde dein Tod sein."<br />
Darstellung des Pelikans in <strong>der</strong><br />
barocken Kunst; Teil einer Stukkatur<br />
HS, S. 813, Pelikan, (... welche<br />
Quelle?) <strong>Die</strong> Kin<strong>der</strong>liebe des Tieres<br />
im Gegensatz zur menschlichen<br />
Kin<strong>der</strong>mör<strong>der</strong>in.<br />
Pelikanfüller - Werbung!<br />
"Im Sternenlicht schwebten<br />
die Geier, mit stumpfen Krallen<br />
und zerfetzten Flügeln, und<br />
müde ließen sie sich nie<strong>der</strong> auf<br />
dem Baum, den sie nicht<br />
besiegt hatten. Der Baum<br />
zitterte unter <strong>der</strong> schweren<br />
Last. Von <strong>der</strong> Mitternacht nur<br />
bis zum ersten Hahnenschrei<br />
saßen die Geier auf ihm und<br />
hielten, kummervoll stöhnend<br />
im Schlaf, mit ehernen Krallen<br />
seine blühenden Zweige<br />
umfaßt; denn sie träumten, <strong>der</strong><br />
Baum sei unsterblich. Aber in<br />
<strong>der</strong> Frühe flogen sie mit<br />
schweren Flügelschlägen auf,<br />
und in dem milden Licht <strong>der</strong><br />
Dämmerung erblickten sie aus<br />
<strong>der</strong> Höhe den Baum wie einen<br />
gespenstigen Spuk, schwarz<br />
und verdorrt: Er war nachts<br />
gestorben."<br />
B. Brecht, Der Geierbaum
Der Geier<br />
Der Geier war das Wappentier<br />
Oberägyptens, und wurde so auch<br />
Bestandteil pharaonischer Zeichen.<br />
In <strong>der</strong> ägyptischen Spätzeit war <strong>der</strong><br />
Geier Symbol des weiblichen<br />
Prinzips - er stand dem Skarabäus<br />
als Symbol des Männlichen<br />
gegenüber. Selbst noch im<br />
"Physiologus" weist das Bild<br />
"Geier" in den Bedeutungshorizont<br />
<strong>der</strong> Mutterschaft.<br />
"Der Physiologus hat vom<br />
Geier gesagt, daß er in den<br />
höchsten Orten und Gipfeln<br />
wohnt und schläft auf den<br />
hohen Felsen und auf den<br />
Zinnen <strong>der</strong> Berge. Wenn er nun<br />
schwanger ist, fliegt er nach<br />
Indien und holt den<br />
Gebärstein. Der Stein hat die<br />
Gestalt einer Nuß. Wenn man<br />
ihn schüttelt, springt darin ein<br />
zweiter Stein wie eine<br />
klappernde und klingende<br />
Schelle. Wenn das Weibchen<br />
Wehen hat, nimmt es den<br />
Stein, setzt sich darauf und<br />
gebiert ohne Qual.<br />
So nimm auch du, Mensch, <strong>der</strong><br />
du schwanger bist mit dem<br />
Heiligen Geist, den geistlichen<br />
Gebärstein, den die Bauleute<br />
verworfen haben, und gebäre<br />
auf ihm sitzend den Geist des<br />
Heiles."<br />
Physiologus, 19.<br />
Horapollo (I, 11) bringt zu diesem<br />
Tier die längste Darstellung<br />
überhaupt; sie war schon durch<br />
Basilius (~330 - 379 n. Chr.;<br />
Hexameron, VIII, 6) in die<br />
christliche Welt eingeführt worden.<br />
Ein Geier bedeute "Mutter, Sehen,<br />
Grenzen, Vorauswissen, das Jahr,<br />
die Himmel, Erbarmen, Athene,<br />
Hera." Alle diese Attribuierungen<br />
werden dann ausführlich durch<br />
„Naturbeobachtungen“ belegt, etwa<br />
„Vorauswissen“ durch die<br />
Beobachtung des Geierfluges an<br />
künftigen Schlachtfel<strong>der</strong>n: die Geier<br />
blickten dorthin, wo die meisten<br />
Leichen künftig zu liegen kämen.<br />
Und <strong>der</strong> Geier bedeute „Himmel“,<br />
weil diese von den Ägyptern als<br />
weiblich vorgestellt wurden, und<br />
unter ihnen beherrschte „Hera“ die<br />
unteren Sphären, „Athene“ die<br />
oberen.<br />
Geier segeln in enormen Höhen und<br />
ihren scharfen Augen entgeht nichts:<br />
und sie beobachten sehr genau die<br />
Reaktionen ihrer Artgenossen. So<br />
finden sich bei Kadavern schnell<br />
große Gruppen zusammen.<br />
Im Umgang mit Eiern hat <strong>der</strong> Geier<br />
ein riesiges Verhaltensrepertoire, bis<br />
hin zur Nutzung von Werkzeugen:<br />
kleine und mittlere Eier nimmt er in<br />
den Schnabel und lässt sie fallen,<br />
Straußeneier bewirft er mit Steinen<br />
aus dem Schnabel, in oftmaligen<br />
Versuchen. (Ähnlichen<br />
Werkzeuggebrauch gibt es auch bei<br />
an<strong>der</strong>en Vögeln, z. B. Spechten).<br />
Der Magen <strong>der</strong> Geier produziert<br />
Verdauungssäfte, die Faulgifte<br />
unschädlich machen.<br />
Romulus soll vor <strong>der</strong> Erbauung <strong>der</strong><br />
Stadt Rom 12 Geier kreisen gesehen<br />
haben, was ihn freudig ans Werk<br />
gehen ließ; Remus, <strong>der</strong> nur sechs<br />
gesehen hatte, folgte ihm etwas<br />
skeptisch, und übersprang spottend<br />
den ersten Mauerring - worauf ihn<br />
sein Zwillingsbru<strong>der</strong> tötete. Auch<br />
Herakles schaute bei allen seinen<br />
Taten zuerst nach den Geiern.<br />
Dem Barock war <strong>der</strong> Geier Sinnbild<br />
eines Schmarotzers, <strong>der</strong> im Schaden<br />
an<strong>der</strong>er seinen Vorteil findet.<br />
"Überall, wo ein Aas ist, da<br />
sammeln sich die Geier."<br />
Matthäus 24, 28
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Vögel<br />
Hieroglyphe Geier, mwt,<br />
"Gänsegeier", Betro, 103<br />
Hieroglyphe "Mutter", Sbordone, 26<br />
rechts<br />
Hieroglyphe Mut, Gänsegeier mit<br />
Geißel, Betro 80<br />
Geiergöttin Nechbet, Lurker, S. 74.<br />
"<strong>Die</strong> Nachtigall<br />
HS, S. 789, Geier; Montana, 1571.<br />
Foto Geier<br />
Karl May, Unter Geiern<br />
Foto aus dem alten Film „<strong>Die</strong><br />
Geierwalli“<br />
Das macht, es hat<br />
die Nachtigall<br />
<strong>Die</strong> ganze Nacht gesungen;<br />
Da sind von ihrem<br />
süßen Schall,<br />
Da sind in Hall und Wi<strong>der</strong>hall<br />
<strong>Die</strong> Rosen aufgesprungen.<br />
Sie war doch sonst ein<br />
wildes Kind;<br />
Nun geht sie tief in Sinnen,<br />
Trägt in <strong>der</strong> Hand<br />
den Sommerhut<br />
Und duldet still <strong>der</strong> Sonne Glut<br />
Und weiß nicht, was beginnen.<br />
Das macht, es hat<br />
die Nachtigall<br />
<strong>Die</strong> ganze Nacht gesungen;<br />
Da sind von ihrem<br />
süßen Schall,<br />
Da sind in Hall und Wi<strong>der</strong>hall<br />
<strong>Die</strong> Rosen aufgesprungen."<br />
Theodor Storm
<strong>Die</strong> Drossel<br />
Zu <strong>der</strong> Familie <strong>der</strong> Drosseln<br />
gehören die Amsel, die Singdrossel,<br />
die Nachtigall, das Rotkehlchen. Sie<br />
sind die auffallendsten Sänger in<br />
unseren Breiten.<br />
Zeus hatte Philomela, die Tochter<br />
<strong>der</strong> Unterweltsgöttin, in eine<br />
Nachtigall verwandelt. Und bei dem<br />
Heiligtum des begnadeten Sängers<br />
Orpheus, dessen Gesang die ganze<br />
Welt, die Tiere, sogar den<br />
Höllenhund verzaubert hatte,<br />
sangen die Nachtigallen beson<strong>der</strong>s<br />
schön.<br />
Alle guten Sänger unter den Vögeln<br />
gehören nach alter Meinung zu<br />
Hermes (Merkur). Offensichtlich<br />
hielt man diese Tiere für<br />
"musikalisch, mitteilungsfreudig,<br />
poetisch", und brachte das mit den<br />
Taten und Eigenschaften des<br />
Götterboten in Zusammenklang: er<br />
hatte die Leier erfunden, er war <strong>der</strong><br />
Führer <strong>der</strong> Musen, <strong>der</strong> Patron <strong>der</strong><br />
schönen Künste.<br />
"Philomele<br />
Dich hat Amor gewiß, o<br />
Sängerin, fütternd erzogen;<br />
Kindisch reichte <strong>der</strong> Gott dir<br />
mit dem Pfeile die Kost.<br />
So, durchdrungen von Gift die<br />
harmlos atmende Kehle,<br />
Trifft mit <strong>der</strong> Liebe Gewalt nun<br />
Philomele das Herz."<br />
Johann Wolfgang von Goethe<br />
So steht die Drossel für die<br />
poetische "Gewalt" <strong>der</strong> Liebe: ihr<br />
Lied scheint das gleiche "Gift" zu<br />
enthalten, mit dem Amor seine<br />
Pfeile tränkte. Puritanischeren<br />
Zeiten wurde die Drossel darum ein<br />
Symbol <strong>der</strong> Laszivität. Man meinte,<br />
wer sich so intensiv und fröhlich<br />
auslassen, wer sich so ungebunden<br />
und "zügellos" Spiel und Gesang<br />
hingeben könne, <strong>der</strong> müsse<br />
"sittenlos" sein.<br />
Aus <strong>der</strong> Zeit des Barock stammt ein<br />
Emblem <strong>der</strong> poetischen<br />
Maßlosigkeit: im Streit um Ruhm<br />
und Sieg im Wettkampf des Dichtens<br />
sängen sich manche <strong>der</strong><br />
Kontrahenten zu Tode.<br />
Sing- und Wachol<strong>der</strong>drosseln waren<br />
vormals beliebte Speisen, Theodor<br />
Fontanes Stechlin gibt Zeugnis. Der<br />
schmackhafte "Krammetsvogel", so<br />
benannt, weil das Tier sich<br />
hauptsächlich von Wachol<strong>der</strong>beeren<br />
("Krammet") nährte, galt als eine<br />
Delikatesse, die guten Häusern<br />
würdig war. Jährlich im Herbst<br />
wurden riesige Mengen gefangen,<br />
wenn sie auf ihrem Zug von Norden<br />
durch Mitteleuropa kamen.<br />
Auch mit einer beliebten<br />
Zerstreuung noch früherer Zeiten<br />
waren diese Singvögel verbunden:<br />
dem Vogelherd. <strong>Die</strong>ses waren ein<br />
großes Stück Land, im Vorfeld mit<br />
Hügeln und kahlen Ruhebäumen,<br />
von denen man in das eigentliche<br />
Areal hineinsehen konnte: dort gab<br />
es vielversprechende Fruchtbäume,<br />
meist Ebereschen, dann freie grüne<br />
Grasflächen, mit kleinen Bächlein.<br />
Auf <strong>der</strong> einen Seite umgab den Herd<br />
ein Waldrand mit Fichten, für die<br />
Finkenvögel; auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />
waren Bäume, <strong>der</strong>en Samen die<br />
Vögel gerne fraßen. Auf <strong>der</strong> großen<br />
Wiese in <strong>der</strong> Mitte war Hirse<br />
ausgestreut. Dort befanden sich<br />
auch mehrere längliche Gruben, mit<br />
Netzen überspannt und mit grünen<br />
Zweiglein bestreut: wenn sich die<br />
Vögel dort nie<strong>der</strong> ließen, verfingen<br />
sie sich mit den Füßen o<strong>der</strong> Flügeln<br />
im Netz. Aus einer gut getarnten<br />
Hütte beobachtete dieses <strong>der</strong><br />
Vogelsteller ("Vogler"), kam mit<br />
kleinen Netzen, um die Vögel<br />
einzusammeln.<br />
So konnte dieses Tier auch zum<br />
Symbol <strong>der</strong>er werden, die, verführt<br />
durch Augenlust und nie<strong>der</strong>e Triebe,<br />
dem Natürlichen verfielen. Mozarts<br />
Papageno scheint ganz in diese<br />
Bedeutungen einzugehen
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Vögel<br />
Foto Singdrossel - Nachtigall<br />
rechts<br />
Nachtigall, An<strong>der</strong>sen-Märchen,<br />
Abbildung - Scherenschnitt<br />
HS, S. 871, Nachtigall, La Perriere,<br />
1553. <strong>Die</strong> Nachtigall singt sich im<br />
Wettstreit zu Tode.<br />
Mittelalterliches Tafelbild, mit<br />
Nachtigall o<strong>der</strong> Drossel?<br />
HS, 1110, Vogelsteller, mit Vögeln,<br />
Mannich, 1625.<br />
"So schnappt uns <strong>der</strong><br />
stygische Vogelfänger"<br />
Italienischer Vogelmarkt<br />
Bild aus dem „Vogelhändler“ von<br />
Zeller<br />
Mahlzeit mit „Krammetsvögeln“,<br />
Wachol<strong>der</strong>drosseln.<br />
"<strong>Die</strong> Eulen<br />
In schwarzen Bäumen<br />
verborgen<br />
Haben Eulen sich gereiht,<br />
Wie fremden Göttern geweiht<br />
Glüht ihr rotes Auge.<br />
Sie sinnen. Und reglos<br />
sie harren<br />
Auf die Stunde <strong>der</strong> Schwermut,<br />
Wo verstoßen die Sonne ruht,<br />
Und Dunkelheiten sich breiten.<br />
Dem Weisen zeigt ihr Gebaren,<br />
In <strong>der</strong> Welt<br />
muss man sich hüten<br />
Vor Tumult und Gefahren.<br />
Der Mensch, trunken<br />
vom Schatten, <strong>der</strong> vergeht,<br />
Trägt in sich die ewige Strafe,<br />
Er sei<br />
zu An<strong>der</strong>em gesunken."<br />
Charles Baudelaire, <strong>Die</strong> Blumen des<br />
Bösen
Uhu, Eule,<br />
Kauz<br />
<strong>Die</strong> Eule ist <strong>der</strong> einzige Vogel in den<br />
Hieroglyphen <strong>der</strong> Ägypter, <strong>der</strong> nicht<br />
im Profil dargestellt wurde. Ihr Kopf<br />
wendet sich dem Betrachter frontal<br />
zu - ein Motiv <strong>der</strong> Bedrohung.<br />
Eigenartigerweise war allen<br />
mumifizierten Eulen, die man in<br />
Gräbern gefunden hat, <strong>der</strong> Kopf<br />
abgeschnitten!<br />
Das ägyptische Verb "hsk" bedeutet:<br />
"einem Vogel den Hals<br />
abschneiden". <strong>Die</strong>ses Wort wird als<br />
Eule gezeichnet, und dazu das<br />
Zeichen für k, eine Art Messer,<br />
gefügt, das den Körper kreuzt. <strong>Die</strong><br />
Hieroglyphe "Eule" selbst bedeutet<br />
eigentlich nur den Laut "m".<br />
Sollte mit dem symbolischen Töten<br />
von Eulen das Unglück, <strong>der</strong> Tod<br />
überhaupt, von dem Leichnam<br />
fortgewiesen werden? Und haben<br />
sich solche bildhaften Traditionen<br />
bis in unsere Zeit gehalten? Denn<br />
immer noch dräuen unheilvolle und<br />
„tödliche“ Bedeutungen des Tieres.<br />
Das Bild "Eule" umgibt ein Nimbus,<br />
<strong>der</strong> schau<strong>der</strong>n macht.<br />
Der Uhu galt in <strong>der</strong> Vogelschau <strong>der</strong><br />
Alten als jenes Augurium, das<br />
größtes Unglück anzeigte. "Ein<br />
scheuseliger Vogel, <strong>der</strong> Bot´<br />
annahen<strong>der</strong> Trauer,/ ist er, <strong>der</strong><br />
Sterblichen Schreckensprophet,<br />
unrühriger Uhu." Bei Horapollo<br />
wird dieses auch durch Eule o<strong>der</strong><br />
Kauz gemeint (II, 25; n. 90).<br />
"Wie sie den Tod zeigen<br />
Wenn sie den Tod zeigen<br />
wollen<br />
Malen sie lebensnah den Kauz<br />
Wenn die Nacht kommt<br />
verlässt er sein Loch<br />
Und überfällt die kleinen<br />
nistenden Vögel<br />
Um seinen Jungen Nahrung zu<br />
schaffen<br />
Auch wenn uns Menschen <strong>der</strong><br />
Tod anfällt<br />
Geschieht dies meistens bei<br />
Nacht<br />
Um diese Zeit verlässt die<br />
Seele den Körper."<br />
Plinius hält Euleneier für geeignet<br />
zur Kur <strong>der</strong> Trunksüchtigen. Drei<br />
Tage in Wein eingelegt machen sie<br />
dem, <strong>der</strong> dieses Getränk genießt,<br />
den Wein auf Lebenszeit zuwi<strong>der</strong>.<br />
Auch Kin<strong>der</strong>n könne man so<br />
rechtzeitig den Abscheu vor <strong>der</strong><br />
Trunksucht beibringen.<br />
Athene, Lieblingstochter des Zeus,<br />
war mit dem "klügsten" Vogel, <strong>der</strong><br />
Eule verbunden. <strong>Die</strong>se Dimension<br />
begegnet auch heute noch oft:<br />
brillentragende Eulen bedeuten<br />
nächtliche Kopfarbeit, Gelehrtheit,<br />
vielleicht auch Weltfremdheit.<br />
<strong>Die</strong> Barockzeit aber scheint sich in<br />
ihren Bedeutungsprofilen des Bildes<br />
fast nur an den im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
wie<strong>der</strong>entdeckten "Horapollo"<br />
gehalten zu haben. Für sie stand das<br />
Tier für Neid, Geiz, Feindseligkeit,<br />
sogar Unwissenheit.<br />
Hier, anscheinend ganz wie<strong>der</strong> in<br />
"ägyptischem" Sinne, wurde die<br />
Eule vollends zum Boten des Todes,<br />
ja zum Tod selbst, als Entsprechung<br />
des Antichrist. Hier klingt eine<br />
religiöse Dimension des Bildes an:<br />
in ihr entbehrt die Eule, äußerlich<br />
klug, weil in <strong>der</strong> Finsternis <strong>der</strong><br />
Nacht und im "Todesschatten"<br />
sehend, doch völlig <strong>der</strong> lichten und<br />
einfachen Wahrheit des Tages.<br />
<strong>Die</strong> letzte <strong>der</strong> drei Parzen, <strong>der</strong><br />
antiken Schicksalgöttinnen, hat<br />
einen Eulenkopf: sie beendet das<br />
Leben, indem sie den<br />
Schicksalsfaden abbeißt, während<br />
die erste ihn gibt, und die zweite ihn<br />
misst.
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Vögel<br />
Hieroglyphe Eule - Laut "m", Betro<br />
104<br />
rechts<br />
Hellenistische Münze, Pallas Athene<br />
mit ihrem Symbol, <strong>der</strong> Eule<br />
"Der Tod und die Raben<br />
Druckgrafik Uhu: HS, S.899, Uhu,<br />
Montanea, 1619.<br />
"So lebe ich<br />
Gut unterstützt löscht<br />
hier das Licht<br />
Der Uhu<br />
<strong>der</strong> alles Leuchten haßt<br />
Um nachher Öl zu saufen<br />
So glaubt<br />
auch bald <strong>der</strong> Antichrist<br />
Mit Tyrannenhilfe<br />
zu zernichten<br />
Christi Reich<br />
voll Klarheit und voll Leben<br />
Um danach dann<br />
den Sündelosen selbst zu<br />
verschlingen."<br />
<strong>Die</strong> gelehrte Eule, mit Brille, bringt<br />
an<strong>der</strong>en etwas bei, aus einem<br />
Kin<strong>der</strong>buch.<br />
Foto: Eule<br />
Er sitzt am Feldrand.<br />
Und <strong>der</strong> Tag ist heiß,<br />
Der blaue Himmel<br />
überfließt vom Licht.<br />
Er spricht, und wischt den<br />
Schweiß sich vom Gesicht:<br />
Der Wald ist schwarz.<br />
Hier ist es mir zu weiß.<br />
So gar kein Schatten!<br />
flucht er laut und leis.<br />
Doch eh er nun<br />
zum kühlen Tann aufbricht,<br />
Kommen die Raben –<br />
aus dem Flußdickicht,<br />
Vom Dorf, vom Moor,<br />
von weit her, und er weiß:<br />
Sie, die von je<br />
als Henkervögel galten,<br />
Sie sind ihm treu<br />
und sind ihm ganz ergeben,<br />
Und zähln sich heute<br />
noch stolz zu seinem Volke.<br />
Und wie sie still auf<br />
schwarzen Flügeln schweben,<br />
Hoch ihm zu Häupten,<br />
und sich reglos halten,<br />
Sitzt er im Schatten nun<br />
<strong>der</strong> Vogelwolke."
Georg Britting<br />
<strong>Die</strong> Krähe, <strong>der</strong><br />
Rabe<br />
Zwei Krähen können bei den<br />
Ägyptern für "Heirat, Hochzeit"<br />
o<strong>der</strong> "Partnerschaft" stehen, eine<br />
allein für "verwitwet sein"<br />
(Horapollo I, 8 und 9; II, 40).<br />
<strong>Die</strong>ses trifft sich mit <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />
Beobachtung, dass Raben ihren<br />
einmal gewählten Partnern<br />
lebenslang treu bleiben.<br />
<strong>Die</strong>se Signata greift <strong>der</strong><br />
"Physiologus" (27) auf.<br />
"Von <strong>der</strong> Krähe<br />
Schön hat Jeremia über<br />
Jerusalem gesprochen: `Du<br />
sitzt wie eine Krähe, die ganz<br />
allein ist.´ Der Physiologus<br />
sagt von <strong>der</strong> Krähe, daß sie<br />
nur einmal heiratet. Wenn ihr<br />
Gatte stirbt, gesellt sie sich<br />
keinem an<strong>der</strong>en zu, auch nicht<br />
<strong>der</strong> Rabe einem an<strong>der</strong>en<br />
Weibchen. Deutung: Ich hatte<br />
euch nur einem Manne<br />
anvertraut, als eine reine<br />
Jungfrau, nämlich dem Herrn.<br />
Aber sie haben Ehebruch<br />
getrieben mit dem Holz und<br />
den Steinen. Wenn wir den<br />
Ehemann im Herzen haben,<br />
wird <strong>der</strong> ehebrecherische<br />
Teufel nicht eindringen."<br />
Horapollo erwähnt noch an<strong>der</strong>e<br />
Bedeutungen <strong>der</strong> Krähe. Eine tote<br />
Krähe bedeute ein "vollendetes und<br />
langes Leben", vierhun<strong>der</strong>t Jahre!<br />
"Wie sie einen Menschen<br />
signifizieren <strong>der</strong> keine Ruhe<br />
hat und jähzornig ist<br />
Wenn sie einen jähzornigen<br />
Menschen<br />
Zeigen wollen <strong>der</strong> selbst beim<br />
Essen ohne Ruhe ist<br />
Wütend seine Nahrung<br />
einnimmt<br />
Wie wenn er beiße im Groll<br />
Malen sie um das zu<br />
charakterisieren<br />
Eine Krähe die sich in die<br />
Lüfte schwingt<br />
Ihre Jungen beginnen zu<br />
fliegen<br />
Und sie gibt ihnen ihre Speise<br />
im Flug."<br />
Horapollo, II, 97; n. 161.<br />
Der ursprünglich weiße Rabe<br />
erzählt Apollo von <strong>der</strong> Untreue<br />
seiner Geliebten Koronis ("Krähe"),<br />
und <strong>der</strong> Zorn des Gottes färbt ihn<br />
"rabenschwarz". Als die<br />
Olympischen Götter mit den<br />
chaotischen Kräften <strong>der</strong> Urzeit, den<br />
Titanen und Giganten kämpfen,<br />
verwandelt sich Apollo selbst in<br />
einen Raben.<br />
Beson<strong>der</strong>s nördliche Traditionen<br />
geben dem Raben schwerwiegende<br />
Bedeutungen: Huginn und Muninn<br />
sind die beiden Raben Odins, die<br />
ihm über die Welt berichten.<br />
Walküren trinken in Gestalt von<br />
Raben das Blut gefallener Krieger -<br />
und ein Rabe ist <strong>der</strong> König <strong>der</strong><br />
nordischen Unterwelt. Wenn ein<br />
Rabe über dem Kämpfer kreist,<br />
bedeutet das nichts Gutes, und es ist<br />
ein Vorzeichen seines Falls, auch<br />
nach <strong>der</strong> Nibelungensage.<br />
In <strong>der</strong> Bibel ist erstaunlich oft von<br />
Gottes Fürsorge für die<br />
Krähenvögel zu lesen (Ijob 38, 41;<br />
Psalm 147, 9; Lukas, 12, 22 – 25).<br />
Selbst <strong>der</strong> Prophet Elia wird von<br />
ihnen mit Speise versorgt (1 Kön 17,<br />
1 – 6).<br />
Aspekte des Rabenverhaltens<br />
erinnern an Greifvögel: die<br />
Krähenvögel fressen kleine<br />
Säugetiere und auch an<strong>der</strong>e Vögel.<br />
Und Krähen haben ein auffallend<br />
großes Gehirnvolumen.
keinen im Olymp, dem du noch<br />
nichts gestohlen hast!"<br />
Bil<strong>der</strong><br />
HS, S. 883, Camerarius, 1606.<br />
Emblem "Eintracht in <strong>der</strong> Ehe."<br />
Barbrios (200/100 v. Chr.)<br />
links<br />
Glyphe Vögel<br />
Sebastian Brant, Illustration, Rabe,<br />
S. 113. "Cras", lat., bedeutet<br />
"morgen":<br />
"Wer singt cras,<br />
cras gleich wie ein Rab´,<br />
Der bleibt ein Narr<br />
bis hin zum Grab,<br />
Kriegt morgen noch<br />
eine größ´re Kapp´."<br />
rechts<br />
Krähe: Jahrbuch <strong>der</strong><br />
kunsthistorischen Sammlungen, 32,<br />
Wien 1915, darin: Giehlow, K., <strong>Die</strong><br />
Hieroglyphenkunde des<br />
Humanismus, S. 170 - Kopie nach<br />
verlorenen Zeichnungen Dürers -<br />
Dürer hat eine Pirckheimer-<br />
Übersetzung des Horapollo für<br />
Kaiser Maximilian illustriert.<br />
HS, S. 881, Rabe, Covarubbias,<br />
1610.<br />
"Und kehrte nicht zurück.<br />
Der Rabe, den Noah aus <strong>der</strong><br />
Arche entließ, auf daß er<br />
beruhigende Kunde bringe,<br />
vergißt sich draußen, weil er<br />
ein gieriger, gefräßiger und<br />
fleischlüsterner Kerl war."<br />
"Der kranke Rabe<br />
Der Rabe war sehr krank, und<br />
seine Mutter weinte.<br />
"Wein doch nicht!" sagte er,<br />
"bete lieber zu den Göttern,<br />
dass sie mir Gesundheit<br />
schenken!"<br />
"Mein Kind," antwortete sie,<br />
"das tät ich gern. Aber zu wem<br />
soll ich beten? Gibt es doch<br />
"Wie das Herz<br />
Wenn sie das Herz<br />
beschreiben o<strong>der</strong> zeigen<br />
wollen<br />
Machen sie voll Verstand einen<br />
Storch<br />
Als Tier ist dieser Merkur heilig<br />
Herr und Meister des ganzen<br />
Mutes und <strong>der</strong> Vernunft<br />
Der Storch hat ein Herz außer<br />
<strong>der</strong> Regel<br />
Sehr groß und unsymmetrisch<br />
Wie ein Organ das<br />
Überströmendes ballt<br />
Darüber sprachen die alten
Ägypter sehr viel."<br />
Horapollo II, 36; n. 35<br />
Der Storch<br />
Freundliche Bedeutungen werden<br />
auch heute noch dem Storch<br />
zugesprochen. Seine Kin<strong>der</strong>liebe<br />
war sprichwörtlich; er wurde zu<br />
jenem Tier, das die Kin<strong>der</strong> brachte.<br />
In Häusern, wo er nistete, sollte sich<br />
Wohlstand und Überfluss, und<br />
Friede und Harmonie einstellen.<br />
"Es ist <strong>der</strong> Storch ein<br />
hübscher Vogel. Von <strong>der</strong> Mitte<br />
nach vorn ist er weiß, von <strong>der</strong><br />
Mitte nach hinten ist er ganz<br />
dunkel. <strong>Die</strong>ser Storch verläßt<br />
nicht sein Nest, son<strong>der</strong>n es<br />
bewacht, so sagt man, bald<br />
das Männchen, bald das<br />
Weibchen, das Nest... und ihre<br />
Brut lassen sie nicht<br />
umkommen."<br />
Physiologus, 53.<br />
Aber die ursprünglichen Inhalte des<br />
Sinnbildes waren tiefer; man muss<br />
sich vergegenwärtigen, das Bild<br />
"Storch" habe die Signata des "Ibis"<br />
in unsere Kultur übersetzt. Bei den<br />
alten Ägyptern besaß <strong>der</strong> Ibis<br />
religiosa - mit weißem Körper,<br />
schwarzem Kopf und Hals, und<br />
schwarzen Schwungfe<strong>der</strong>spitzen -<br />
beson<strong>der</strong>e Bedeutung. Er galt als<br />
eine Inkarnation des Gottes Thot<br />
(griechisch: Hermes), des<br />
ibisköpfigen Herrn des Mondes.<br />
<strong>Die</strong>ser war <strong>der</strong> Gott <strong>der</strong><br />
Wissenschaft, <strong>der</strong> Schreibkunst, <strong>der</strong><br />
Zauberkünste, <strong>der</strong> Mondphasen.<br />
In den Nekropolen des späteren<br />
Reiches finden sich Hun<strong>der</strong>te von<br />
Ibismumien; und es gibt minuziöse<br />
Aufzeichnungen aus den Tempeln<br />
des Thot über den Kult und die<br />
Pflege <strong>der</strong> heiligen Ibisse. Das<br />
Zeichen Ibis bedeutet in <strong>der</strong><br />
ägyptischen Schrift auch "glänzen",<br />
und in seinen ältesten Bedeutungen<br />
steht dieses Tier so für die<br />
"Verklärtheit" <strong>der</strong> Toten.<br />
In <strong>der</strong> säkular-praktischen Weltsicht<br />
<strong>der</strong> Ägypter standen die materiellen.<br />
physischen und rationalen Kräfte an<br />
erster Stelle. So konnte ihnen die<br />
Metapher "Ibis" einen zentralen<br />
Sinn des Lebens ausdrücken: das<br />
Zentrum des Körpers, die Mitte des<br />
Leibes. Der Vogel hat "ein großes<br />
Herz"; das bedeutet: aus einer<br />
vitalen Mächtigkeit ist er "beherzt",<br />
mutig, selbstbewusst. Seine<br />
lebendige Fülle trägt seine<br />
"Kin<strong>der</strong>", und teilt sich freigebig<br />
seiner Umgebung mit.<br />
<strong>Die</strong>se Attributionen treffen sich mit<br />
den Zusammenhängen früher Mondund<br />
Muttergottheiten. Nach<br />
nordischen Vorstellungen holt <strong>der</strong><br />
Storch die Kin<strong>der</strong> aus dem Brunnen<br />
<strong>der</strong> Frau Holle; und wenn sie im<br />
Frühjahr ausfährt, um den Äckern<br />
Saat und Segen zu bringen, fliegen<br />
die Störche ihrem Wagen voraus.<br />
Hrabanus Maurus (780 - 856 n.<br />
Chr.) sah im Storch ein Sinnbild <strong>der</strong><br />
"wachen und guten <strong>Die</strong>ner Gottes".<br />
Der Storch könne giftige Schlangen<br />
und Frösche fressen, und ihm<br />
schade ihr Gift und ihr Wesen nicht.<br />
<strong>Die</strong>ses griff auch die<br />
Barockemblematik auf: und sie<br />
vereinigte das Bild des Herzens mit<br />
dem des Gewissens, das manches<br />
Negative ertrage und berge.<br />
Um in den Süden zu kommen,<br />
fliegen die Störche zwei Routen,<br />
eine über den Bosporus und Israel,<br />
die an<strong>der</strong>e über Gibraltar. Im<br />
mittleren Osten rechnet man im<br />
September mit dem Durchzug von<br />
einer halben Million weißer Störche.<br />
Für die oft über 7000 Kilometer zu<br />
ihren Winteraufenthalten benötigen<br />
sie drei bis vier Wochen. (<strong>Die</strong><br />
Entsprechung zu den merkurialen<br />
Zeichen – Zwillinge – erscheint<br />
daraus gerechtfertigt.)<br />
Nach vielen Jahren des Rückganges<br />
dieser Art - in Deutschland gab es<br />
1988 nur noch an die 500 Paare –<br />
mehren sich diese Tiere jetzt wie<strong>der</strong>.<br />
Grund dafür ist auch die<br />
Wie<strong>der</strong>anlage von Feuchtgebieten.
107<br />
Hieroglyphe "nfr" - "gut,<br />
vollkommen", Betro 123<br />
Bil<strong>der</strong><br />
Kalif Storch, Bild aus dem Märchen<br />
links<br />
Fotos vom Ibis<br />
Glyphe Vögel<br />
Name des Gottes Toth, "dhwti",<br />
bedeutet auch "hb" - "ibis": Betro<br />
76. Dort auch Variante des Namens<br />
des Gottes unten.<br />
Hieroglyphe Schopfibis: "zh" -<br />
"Geist, leuchtende Kraft" - Betro<br />
129.<br />
rechts<br />
"Vom Pfau<br />
HS, S. 827, Storch trägt seine Eltern<br />
auf dem Rücken. Alciatus, 1531.<br />
Gutes Bild.<br />
HS, S. 793, Ibis verscheucht die<br />
Schlange, Sambucus, 1566.<br />
HS, S. 831, Storch, von Schlange<br />
angegriffen, Schonhovius, 1618.<br />
"Krieg <strong>der</strong> Vernunft mit <strong>der</strong><br />
Leidenschaft".<br />
Ba-Vogel, <strong>der</strong> afrikanische Storch,<br />
<strong>der</strong> Jabiru: "ba" - "Seele", Betro,<br />
Der Pfau ist <strong>der</strong> hübscheste<br />
unter allen Vögeln des<br />
Himmels. <strong>Die</strong>ser Pfau ist von<br />
bunter Farbe und hat schöne<br />
Flügel. Er geht umher, sieht<br />
sich selbst mit Freude an und<br />
schüttelt sein Gefie<strong>der</strong>, spreizt<br />
sich und blickt hochmütig um<br />
sich. Wenn er aber auf seine<br />
Füße sieht, wird er ärgerlich<br />
aufkreischen, denn es<br />
entsprechen seine Füße nicht<br />
seinem sonstigen Aussehen.<br />
So auch du, Christenmensch,<br />
wenn du deine Aufgaben<br />
siehst und das Gute, das du<br />
hast, freue dich von Herzen<br />
und jauchze in deiner Seele.<br />
Wenn du aber deine Füße<br />
siehst, das sind deine Fehler,<br />
rufe klagend zu Gott und<br />
hasse die Ungerechtigkeit wie
<strong>der</strong> Pfau seine Füße, damit du<br />
vor dem Bräutigam gerecht<br />
erscheinst.<br />
Schön spricht <strong>der</strong> Physiologus<br />
über den Pfau."<br />
Physiologus, 51.<br />
Der Pfau<br />
Der Pfau stammt aus Indien. Dort<br />
gilt er als Symbol <strong>der</strong> Sonne, <strong>der</strong><br />
immerwährenden Jugend, <strong>der</strong><br />
Unsterblichkeit. Wohl erst mit dem<br />
Zug Alexan<strong>der</strong>s des Großen nach<br />
Indien (327 - 325 v. Chr.) wurde er<br />
im Mittelmeerraum bekannt.<br />
In Indien gehört <strong>der</strong> Pfau zu den<br />
heiligen Vögeln. Er ist ein Sinnbild<br />
des Gottes Krishna, genießt<br />
vollständigen Schutz.<br />
In China galt er als Feind <strong>der</strong><br />
Schlange. In dieser Linie wurde ihm<br />
die Fähigkeit zugestanden, Gift in<br />
Schönheit, plumpe in feine<br />
Substanzen zu verwandeln.<br />
Io, eine Priesterin <strong>der</strong> Hera, wurde<br />
von Zeus geliebt; um sie <strong>der</strong><br />
Eifersucht seiner Gattin zu<br />
entziehen, verwandelte sie Zeus in<br />
eine Kuh. Hera aber wusste darum,<br />
und verlangte die Kuh als Geschenk.<br />
Sie nahm Io in Empfang, und ließ<br />
sie von dem vieläugigen Argus<br />
bewachen. Hermes aber schläferte<br />
ihn ein und tötete ihn. Jetzt schickte<br />
Hera eine Bremse, die Io lange<br />
quälte, bis sie Ruhe in Ägypten<br />
fand; dem toten Argus aber nahm<br />
die Göttermutter die Augen und<br />
schenkte sie ihrem Vogel, dem Pfau.<br />
Io aber gebar Zeus einen Sohn, den<br />
Epaphos, d. i. <strong>der</strong> Horus - Io<br />
entspricht somit auch <strong>der</strong> Isis.<br />
Der Pfau symbolisierte die<br />
Schönheit <strong>der</strong> Göttermutter. Wie <strong>der</strong><br />
Adler ein Symbol des Zeus/Jupiter<br />
war, so gehört <strong>der</strong> Pfau zu<br />
Juno/Hera; ihr himmlischer Platz<br />
findet sich im Luftzeichen<br />
Wassermann, Löwe gegenüber.<br />
In Rom diente er zum<br />
repräsentativen Schmuck von<br />
Gärten und Palästen. Er wurde ein<br />
Symbol des Frühlings; Plinius<br />
bezeichnet die alljährliche<br />
Erneuerung seines Gefie<strong>der</strong>s als<br />
"Wie<strong>der</strong>geburt".<br />
Aus den Scheiterhaufen, auf dem die<br />
römischen Kaiser verbrannt<br />
wurden, wurde ein Adler zum<br />
Himmel gelassen; aus denen <strong>der</strong><br />
Kaiserin entkam ein Pfau.<br />
Alte Überlieferung war es auch, den<br />
Pfau den Tauben zuzugesellen: mit<br />
diesen verbindet ihn nach antiker<br />
Meinung eine herzliche<br />
Freundschaft. So erschien <strong>der</strong> Pfau<br />
bald an zentralen Orten des<br />
christlichen Kirchenraumes, sitzend<br />
auf Weinranken voller Trauben.<br />
Dem Fleisch des Pfau wurde große<br />
Dauerhaftigkeit zugeschrieben: man<br />
glaubte, es sei unverweslich.<br />
Augustinus erprobte dieses, und<br />
fand das Fleisch nach einem Jahr<br />
noch unverwest - was heute eher<br />
dem trockenen Klima Afrikas<br />
zugeschrieben wird. Doch so war<br />
ein Beitrag zum Symbol <strong>der</strong><br />
Unsterblichkeit und – im<br />
Zusammenhang <strong>der</strong> entwickelten<br />
Dimensionen an Bedeutung - <strong>der</strong><br />
Auferstehung gewonnen.<br />
<strong>Die</strong> unbefangene Bildsprache des<br />
frühen Christentums verliert sich im<br />
Mittelalter, und mehr noch in <strong>der</strong><br />
Mo<strong>der</strong>ne: man zielt nun auf den<br />
moralischen Aspekt, erkennt im Pfau<br />
ein Sinnbild ausbündiger Schönheit,<br />
übermütiger Klei<strong>der</strong>pracht, einen<br />
mahnenden Hinweis auf die<br />
Vergänglichkeit irdischer Freuden,<br />
schließlich ein Zerrbild von Eitelkeit<br />
und Hoffart.<br />
Obwohl sie aus tropischen Zonen<br />
stammen, sind Pfauen äußerst<br />
wi<strong>der</strong>standsfähig. Sie vertragen Eis<br />
und Schnee gut, und begnügen sich<br />
mit Hühnerfutter. Sie sind sehr<br />
wachsam, und warnen die an<strong>der</strong>e<br />
Tiere vor Räubern.<br />
Der Haltung in unseren Breiten<br />
steht oft die Rücksicht auf die<br />
Nachbarschaft entgegen: <strong>der</strong><br />
kreischende Ruf <strong>der</strong> Pfauen<br />
durchdringt Verkehrs- und<br />
Fluglärm, und lässt diesen<br />
erträglicher erscheinen.
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Vögel<br />
HS, S. 809, Pfau, "Erkenne Dich<br />
selbst" - schöne Fe<strong>der</strong>n, hässliche<br />
Füße. Isselburg, 1640.<br />
rechts<br />
Foto, ganze Seite: P. P. Rubens -<br />
Altarbild<br />
"Jetzt kommen die Kraniche!<br />
Und da kamen die grauen, wie<br />
in Dämmerung gekleideten<br />
Vögel, mit langen<br />
Fe<strong>der</strong>büschen und rotem<br />
Schmuck im Nacken. <strong>Die</strong> Vögel<br />
mit ihren langen Beinen, ihren<br />
schlanken Hälsen glitten<br />
herab, drehten sich halb<br />
fliegend, halb tanzend im<br />
Kreise herum... Es war, als<br />
spielten graue Schatten ein<br />
Spiel, dem das Auge kaum zu<br />
folgen vermochte, als hätten<br />
sie von den Nebeln gelernt, die<br />
über die einsamen Moore<br />
hinschwebten.. Alle einen<br />
Drang in sich, ungeheuer hoch<br />
hinaufzusteigen, bis über die<br />
Wolken hinauf, um zu sehen,
was sich darüber befinde. Eine<br />
solche Sehnsucht nach dem<br />
Unerreichbaren, nach dem<br />
hinter dem Leben Verborgenen<br />
fühlten die Tiere nur einmal im<br />
Jahr..."<br />
Selma Lagerlöf, <strong>Die</strong> wun<strong>der</strong>bare<br />
Reise des Nils Holgerson mit den<br />
Wildgänsen<br />
Der Reiher<br />
Der berühmte Phönix war zunächst<br />
eine Bachstelze, später ein Reiher.<br />
Alljährlich kehrten die Fischreiher<br />
(ardea cinerea) mit dem Regelmaß<br />
<strong>der</strong> Nilüberschwemmungen nach<br />
Ägypten zurück - so konnte <strong>der</strong><br />
Reiher auf einem Gestell<br />
"Überschwemmung" bedeuten.<br />
Verbunden mit <strong>der</strong> belebenden Kraft<br />
des Wassers wurde das Tier zum<br />
Sinnbild <strong>der</strong> Erneuerung des<br />
Lebens.<br />
Der Phönix stieg mit <strong>der</strong> Sonne im<br />
Morgengrauen aus dem Wasser auf.<br />
Sein ägyptischer Name „Benu“ kam<br />
aus dem Wortstamm "leuchten". Er<br />
war eine Erscheinungsform des<br />
Osiris, sozusagen sein Herz, seine<br />
Seele (Ba). Sie erstand in seinem<br />
Sohn Re, dem Sonnengott, vom Tod.<br />
Eine große Erneuerung des Kosmos<br />
fand in ägyptischer Mythologie nach<br />
500 (o<strong>der</strong> 1461) Jahren statt. <strong>Die</strong>ses<br />
ging in den "Physiologus" (7) ein:<br />
"Es gibt einen Vogel in Indien,<br />
<strong>der</strong> heißt Phönix, von Gestalt<br />
schöner als <strong>der</strong> Pfau... Und<br />
nach fünfhun<strong>der</strong>t Jahren fliegt<br />
er in die Wäl<strong>der</strong> des Libanon<br />
und füllt seine Flügel mit<br />
Gewürzen. Und er erscheint<br />
dem Priester in Heliopolis im<br />
Neumond Nisan o<strong>der</strong> Adar...<br />
Der Priester, dem er sich<br />
gezeigt hat, geht und füllt den<br />
Altar mit Rebenholz. Der Vogel<br />
kommt nach Heliopolis,<br />
beladen mit Gewürzen, und<br />
steigt auf den Altar, er selbst<br />
entzündet das Feuer und<br />
verbrennt sich. Am nächsten<br />
Morgen sucht <strong>der</strong> Priester den<br />
Altar ab und findet ein<br />
Würmchen in <strong>der</strong> Asche.<br />
Daran mußt du nicht zweifeln,<br />
denn so entstehen auch die<br />
Jungen <strong>der</strong> Bienen, die sich<br />
aus Würmern hervorbilden,<br />
und aus den ganz feuchten<br />
Eiern hast du Flügel, Knochen<br />
und Sehnen <strong>der</strong> Vögel<br />
hervorkommen sehen. Dann<br />
läßt <strong>der</strong> genannte Wurm Flügel<br />
wachsen, und schließlich ist<br />
er, wie er vorher war, und fliegt<br />
in die Höhe und beweist so die<br />
Auferstehung <strong>der</strong> Toten."<br />
In <strong>der</strong> Barockzeit wurde <strong>der</strong> Reiher<br />
zum Sinnbild <strong>der</strong> großmütigen<br />
Verachtung irdischer Dinge. <strong>Die</strong>ses<br />
bezieht sich auch auf die<br />
Kommunikation "Kranich": <strong>der</strong><br />
bedeutet einen "Menschen, <strong>der</strong> die<br />
höheren Dinge versteht", weil das<br />
Tier hoch fliegt, und Wolken und<br />
Nebel meidet (Horapollo II, 98).<br />
"Wie einen Menschen <strong>der</strong> sich<br />
aus Wut selbst verletzt<br />
Für die brennende Wut<br />
In <strong>der</strong> ein Mensch sich selbst<br />
vom Bösen entflammt verletzt<br />
Malen sie als sehr treffendes<br />
Schmähwort<br />
Zwei Reiher am Wasser auf <strong>der</strong><br />
Jagd wenn einer<br />
Einen Fisch packt und <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>e den ihm lassen muss<br />
Neidet es ihm jener <strong>der</strong> am<br />
Ufer nahe bei steht<br />
Und er schlägt sich aus großer<br />
Enttäuschung er wird wild<br />
wenn er bloß ein an<strong>der</strong>es<br />
Vögelchen am Himmel fliegen<br />
sieht<br />
Man sagt auch ein Tier mit<br />
solchem Gefie<strong>der</strong><br />
Hat wahrlich neun Gallen im<br />
Körper."<br />
Horapollo, i. d. Bearbeitung des M.<br />
Nostradamus, eingefügt nach Teil I<br />
<strong>Die</strong>se Raserei, bedingt durch die so<br />
hoch vermehrte "Galligkeit" des<br />
Vogels, kann auch ein Licht auf die<br />
spezielle Dynamik dieser Metapher<br />
werfen: sie ist geradezu das<br />
Gegenbild zur friedfertigen Taube,<br />
die "keine Galle" hat.
Bildtradition - Ibis - Reiher - in<br />
Volkmann, L., Bil<strong>der</strong>schrift <strong>der</strong><br />
Renaissance, Leipzig 1923, S. 85 -<br />
Zeichnung nach Dürer.<br />
Foto: Tanz <strong>der</strong> Kraniche<br />
Foto: Detail Kranichkopf<br />
Bil<strong>der</strong><br />
links<br />
Glyphe Vögel<br />
Hieroglyphe "bnw" (ausgesprochen<br />
"boinu"), "Phönix", Betro 108<br />
rechts<br />
Betro, S. 131 - "hm" - "einen Fisch<br />
fangen"; Reiher packt einen Fisch.<br />
HS, S. 795, Phönix, Camerarius,<br />
1606.<br />
Brant, Narrenschiff, S. 231:<br />
"Viel Aberglauben<br />
man jetzt braut,<br />
Aus Sternen man<br />
die Zukunft schaut:<br />
Ein je<strong>der</strong> Narr<br />
fest darauf baut."