22.11.2013 Aufrufe

Migräne: Gewitter im Kopf - Springer GuP

Migräne: Gewitter im Kopf - Springer GuP

Migräne: Gewitter im Kopf - Springer GuP

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

t i t e l t h e m a <<br />

G e w i<br />

<strong>im</strong> <strong>Kopf</strong><br />

Allein in Deutschland leben Millionen von <strong>Migräne</strong>patienten; insgesamt sechs<br />

bis acht Prozent aller Männer und zwölf bis 14 Prozent aller Frauen sind betroffen.<br />

Ihnen kann mit den heutigen Möglichkeiten der <strong>Kopf</strong>schmerzmedizin<br />

sehr gut geholfen werden. Hierzu gehören Medikamente zur Akutmedikation<br />

und Prophylaxe der akuten <strong>Migräne</strong>attacke sowie unterstützend wirksame<br />

Allgemeinmaßnahmen.<br />

ie <strong>Migräne</strong> ist eine chronische <strong>Kopf</strong>schmerzkrankheit,<br />

deren Symptome sich als akute <strong>Migräne</strong>attacken äußern.<br />

Für die Krankheitsursachen gibt es bisher keine befriedigende<br />

Erklärung. Deutlich höher ist der Wissensstand um das Krankheitsgeschehen<br />

während der akuten <strong>Migräne</strong>attacke. Hierzu<br />

ist schon vieles, wenn auch längst noch nicht alles, bekannt.<br />

Fest steht, dass Hirnhautgefäße erweitert sind. In deren Gefäßwänden<br />

kommt es zu Entzündungen und folglich zu einer<br />

erhöhten Schmerzempfindlichkeit. Darüber hinaus ist die Nervenaktivität<br />

des <strong>Migräne</strong>generators (s. Kasten S. 12) erhöht.<br />

Triptane greifen gezielt in die aufgeführten Pathomechanismen<br />

ein. Triptane und andere akut wirksame Medikamente<br />

bilden die Schwerpunkte dieser zertifizierten Fortbildung,<br />

ebenso die Möglichkeiten der medikamentösen und nicht medikamentösen<br />

<strong>Migräne</strong>prophylaxe.<br />

© Carlos Gotay / getty<strong>im</strong>ages.de<br />

10 > DAS PTA MAGAZIN -- 1 0 / 2 0 1 0 -- Heft 10


t t e r<br />

[ von Dr. Ute Koch ]<br />

Hämmernder <strong>Kopf</strong>schmerz und Begleitsymptome<br />

Der <strong>Migräne</strong>kopfschmerz äußert sich pulsierend und pochend.<br />

Er beginnt plötzlich und anfallartig, wobei er binnen kurzer<br />

Zeit eine mittelstarke bis starke (zumeist unerträgliche)<br />

Schmerzintensität erreicht. Durch körperliche Bewegung wie<br />

Treppensteigen und Bücken kann er verstärkt werden. Typisch<br />

ist auch sein meist einseitiges Auftreten. Zusätzlich treten migränetypische<br />

Begleitsymptomen auf: am häufigsten Übelkeit<br />

(bei 90 % der <strong>Kopf</strong>schmerzattacken) und Erbrechen (bei 60 %<br />

der <strong>Kopf</strong>schmerzattacken) sowie Licht-, Lärm- und Geruchsüberempfindlichkeit<br />

(in genannter Reihenfolge bei 60 %, 40 %<br />

bzw. 10 % der <strong>Kopf</strong>schmerzattacken). Am Ende der <strong>Kopf</strong>schmerzphase<br />

fallen viele Patienten in den Schlaf, wobei eine<br />

deutliche Linderung der Symptome eintritt. <strong>Kopf</strong>schmerzen<br />

und Begleitsymptome können vier bis 72 Stunden anhalten.<br />

<strong>Migräne</strong> mit Aura<br />

Etwa zehn bis 15 Prozent aller <strong>Migräne</strong>attacken gehen mit einer<br />

Aura einher. Unter dem Begriff <strong>Migräne</strong>aura (Aura = Vorphase<br />

einer Erkrankung) werden verschiedene neurologische<br />

Störungen zusammengefasst. Am häufigsten und bekanntesten<br />

ist die visuelle Aura, bei der Sehstörungen auftreten: beispielsweise<br />

Fl<strong>im</strong>mersehen oder der Ausfall von ganzen Sehfeldern.<br />

Weitere Aurasymptome sind Sprachstörungen, Parästhesien<br />

(Missempfindungen, z. B. Kribbeln, Taubheitsgefühl) und in<br />

seltenen Fällen sogar Lähmungen. Lähmungen treten bei der<br />

ererbten familiären hemiplegischen <strong>Migräne</strong> auf, einer sehr<br />

schweren Verlaufsform (Hemiplegie = halbseitige Lähmung).<br />

Eine Aura dauert meist 30 bis 60 Minuten. Die Aura ist nicht<br />

bis schweren <strong>Migräne</strong>attacken und das Mutterkornalkaloid<br />

Ergotamin das Mittel der zweiten Wahl. Die Wirksamkeit der<br />

Akutmedikation kann durch Allgemeinmaßnahmen unterstützt<br />

werden: unter anderem durch den Rückzug in ein ruhiges und<br />

abgedunkeltes Z<strong>im</strong>mer sowie durch körperliche Ruhe und<br />

Kühlen der Stirn. Cave! Bei der gehäuften Anwendung akut<br />

wirksamer <strong>Migräne</strong>mittel besteht das Risiko des medikamenteninduzierten<br />

Dauerkopfschmerzes. Dieses ist bei <strong>Migräne</strong>patienten<br />

sogar besonders hoch. Alle <strong>Migräne</strong>mittel, ob NSAR,<br />

Analgetika, Triptane oder Mutterkornalkaloide, dürfen nicht<br />

länger als drei Tage in Folge und nicht häufiger als zehn Tage<br />

<strong>im</strong> Monat angewendet werden. Mit anderen Worten: 20 Tage<br />

<strong>im</strong> Monat muss der Patient ohne auskommen. Kann er dies<br />

nicht, besteht eine dringende Indikation für eine medikamentöse<br />

<strong>Migräne</strong>prophylaxe (s. u.).<br />

NSAR und Analgetika<br />

Zu den in der <strong>Migräne</strong>therapie einsetzbaren NSAR gehören<br />

Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen. Sie<br />

lindern Schmerzen und hemmen Entzündungen. Ihr Wirkmechanismus<br />

beruht auf einer Blockade der Cyclooxygenasen.<br />

Metamizol (verschreibungspflichtig) und Phenazon, beide zu<br />

den Pyrazolonen gehörend, wirken ebenfalls schmerzlindernd<br />

und entzündungshemmend. Das Anilin-Derivat Paracetamol<br />

ist nur vergleichbar schwach schmerzlindernd und in therapeutischen<br />

Dosen nicht entzündungshemmend. Die Wirkmechanismen<br />

von Metamizol, Paracetamol und Phenazon konnten<br />

bisher nicht befriedigend geklärt werden. Entgegen früherer<br />

Richtlinien ist auch eine koffeinhaltige fixe Kombination mit<br />

Die <strong>Migräne</strong>aura fasst verschiedene neurologische Störungen zusammen.<br />

Hierzu zählen zum Beispiel Seh- und Sprachstörungen<br />

sowie Missempfindungen wie Taubheitsgefühl und Kribbeln.<br />

mit der Prodromalphase zu verwechseln, die etwa die Hälfte<br />

der <strong>Migräne</strong>patienten erlebt. Dabei handelt es sich um Ankündigungssymptome<br />

(z. B. Heißhunger, Nackensteifigkeit)<br />

Stunden bis Tage vor Einsetzen der <strong>Migräne</strong>attacke.<br />

Medikation der <strong>Migräne</strong>attacke: akut und<br />

prophylaktisch<br />

Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) und Analgetika werden<br />

bei leichten bis mittelschweren <strong>Migräne</strong>attacken empfohlen.<br />

Triptane sind die Mittel der ersten Wahl bei mittelschweren<br />

Paracetamol und Acetylsalicylsäure empfehlenswert. Einige<br />

Darreichungsformen wie schnell freisetzende Tabletten oder<br />

Brausetabletten beschleunigen den Wirkeintritt. Es versteht<br />

sich von selbst, dass die Selbstmedikation nur mit rezeptfreien<br />

Wirkstoffen bzw. Dosierungen erfolgen darf.<br />

Antiemetika als Zusatzmedikation<br />

Prokinetika wie Domperidon und Metoclopramid (beide rezeptpflichtig)<br />

steigern die Magen-Darm-Motilität, woraus<br />

zwei Effekte resultieren: Zum einen werden Übelkeit und<br />

Erbrechen gelindert und zum anderen wird der Wirkeintritt<br />

> DAS PTA MAGAZIN -- 1 0 / 2 0 1 0 -- Heft 10 < 11


t i t e l t h e m a <<br />

<strong>Migräne</strong>generator <strong>im</strong> Hirnstamm<br />

Während der akuten <strong>Migräne</strong>attacke weist ein Areal <strong>im</strong> Hirnstamm (<strong>Migräne</strong>generator)<br />

eine erhöhte Nervenaktivität auf. Diese lässt sich mittels Positronenemissionstomografie<br />

(PET) darstellen. Die vom <strong>Migräne</strong>generator ausgehenden Impulse<br />

werden für den Beginn und den Erhalt der akuten <strong>Migräne</strong>attacke verantwortlich<br />

gemacht. St<strong>im</strong>uliert wird er durch äußere und innere Einflüsse, die als Triggerfaktoren<br />

oder <strong>Migräne</strong>trigger bezeichnet werden. Darunter fallen Änderungen des<br />

Schlaf-Wach-Rhythmus, Alkohol, extreme Sinnesreize (z. B. grelles Licht, intensive<br />

Gerüche), Geschmacksverstärker in Lebensmitteln, Hunger, hormonelle Schwankungen<br />

und vieles mehr.<br />

Wiederkehrkopfschmerz<br />

Bei lang anhaltenden <strong>Migräne</strong>attacken kann zum Ende der<br />

Wirkung eines <strong>Migräne</strong>mittels der <strong>Kopf</strong>schmerz nach komoraler<br />

<strong>Migräne</strong>mittel beschleunigt. Prokinetika sollten rund<br />

15 Minuten vor dem NSAR oder dem Analgetikum appliziert<br />

werden. Rezeptfreie Alternativen sind Antihistaminika (Diphenhydramin,<br />

D<strong>im</strong>enhydrinat). Diese können Übelkeit und<br />

Erbrechen lindern, jedoch nicht den Wirkeintritt von <strong>Migräne</strong>mitteln<br />

beschleunigen.<br />

Triptane mit kausalem Wirkprinzip<br />

Triptane sind die derzeit effektivsten Mittel zur Behandlung der<br />

akuten <strong>Migräne</strong>attacke. Sie lindern den <strong>Migräne</strong>kopfschmerz<br />

und die Begleitsymptome. Mit Ausnahme eines Naratriptanpräparates<br />

sind alle auf dem deutschen Markt befindlichen Triptane<br />

rezeptpflichtig (Stand: August 2010). Triptane sind chemisch<br />

verwandt mit dem Neurotransmitter Serotonin (5-Hydroxytryptamin,<br />

5-HT). Sie fungieren als Agonisten am Serotoninrezeptor<br />

(5-HT-Rezeptor) und zwar selektiv an den migränerelevanten<br />

Subtypen 5-HT1B und 5-HT1D <strong>im</strong> Gehirn. Daher<br />

Cave bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

Subtypen des Serotoninrezeptors sind auch an Blutgefäßen<br />

außerhalb des Gehirns lokalisiert. So können Triptane in geringem<br />

Maße Blutgefäße verengen, die nicht zum <strong>Migräne</strong>geschehen<br />

gehören. Aus diesem Grund gehören kardiovaskuläre<br />

Erkrankungen – zum Beispiel Bluthochdruck sowie<br />

Durchblutungsstörungen des Herzens oder des Gehirns – zu<br />

den Kontraindikationen. Dies gilt auch für das rezeptfreie Naratriptanpräparat.<br />

Insgesamt betrachtet, sind Triptane jedoch<br />

sehr gut verträgliche <strong>Migräne</strong>mittel, was nunmehr fast 20 Jahre<br />

Therapieerfahrungen und Millionen Anwendungen belegen.<br />

Kein „bestes“ Triptan<br />

In Deutschland sind sieben Wirkstoffe zugelassen. Je nach<br />

Substanz, deren Dosierung und Darreichungsform unterscheiden<br />

sich diese in vier Hauptkriterien: Wirkstärke, Verträglichkeit,<br />

Wirkeintritt und Wirkdauer. Es gibt kein Triptan,<br />

das bei allen vier Kriterien an der Spitze steht. Vielmehr entscheidet<br />

der Arzt anhand der individuellen Bedürfnisse des<br />

Patienten, welches Triptan für diesen am besten geeignet ist.<br />

Die unterschiedlichen Wirkprofile erlauben maßgeschneiderte<br />

<strong>Migräne</strong>therapien. Am schnellsten und stärksten wirksam ist<br />

die subkutane Injektion von Sumatriptan (mittels Pen). Die<br />

längste Wirkdauer erzielen Frovatriptan und Naratriptan. Darüber<br />

hinaus zeichnen sich diese beiden Triptane durch eine<br />

hervorragende Verträglichkeit aus. Das große Mittelfeld mit<br />

Triptane sind Serotoninagonisten und als solche spezifische<br />

<strong>Migräne</strong>mittel. Sie sind mit wenigen Ausnahmen bei anderen<br />

<strong>Kopf</strong>schmerzformen unwirksam.<br />

werden Triptane auch als selektive 5-HT1B/1D-Agonisten bezeichnet.<br />

Die Rolle des Serotonins in der Pathogenese der <strong>Migräne</strong><br />

ist noch nicht vollständig geklärt. Fest steht jedoch, dass<br />

während einer akuten <strong>Migräne</strong>attacke ein Serotoninmangel <strong>im</strong><br />

Gehirn vorliegt. Triptane sind spezifische <strong>Migräne</strong>mittel und bei<br />

anderen <strong>Kopf</strong>schmerzformen bis auf wenige Ausnahmen (z. B.<br />

Sumatriptan bei Clusterkopfschmerz) nicht wirksam.<br />

einem ausgeglichenen Wirkprofil zwischen Wirkstärke und<br />

Verträglichkeit sowie Wirkeintritt und Wirkdauer bilden alle<br />

anderen Triptane (s. Tabelle S. 14).<br />

© Sebastian Kaulitzki / shutterstock.com<br />

12 > DAS PTA MAGAZIN -- 1 0 / 2 0 1 0 -- Heft 10


t i t e l t h e m a <<br />

<strong>Kopf</strong>schmerzmittel rasch anwenden<br />

Viele <strong>Kopf</strong>schmerzpatienten zögern den Gebrauch der Akutmedikation<br />

unnötig lange hinaus und/oder nehmen eine zu<br />

niedrige Dosis. Diese Vorsicht ist bei einer <strong>Migräne</strong>attacke ein<br />

Fehler, weil NSAR und Analgetika den schnell ansteigenden,<br />

heftigen <strong>Migräne</strong>kopfschmerz nur dann erfolgreich unterpletter<br />

Schmerzfreiheit erneut<br />

auftreten oder sich nach einer<br />

anfänglichen Linderung wieder<br />

verstärken. Ist dies binnen<br />

zwei bis 24 Stunden der Fall,<br />

spricht die Medizin von Wiederkehrkopfschmerz<br />

oder auch von<br />

(Headache)Recurrence. Da der<br />

Wiederkehrkopfschmerz einen<br />

wiederholten Gebrauch des <strong>Migräne</strong>mittels<br />

erforderlich macht,<br />

sollten die betroffenen Patienten<br />

bevorzugt ein Triptan mit langer<br />

Halbwertszeit erhalten. Unter<br />

diesem Gesichtspunkt ist Frovatriptan das Mittel der ersten<br />

Wahl. Es hat unter den Triptanen mit 26 Stunden die längste<br />

Halbwertszeit. So können die meisten Frovatriptanverwender<br />

ihre <strong>Migräne</strong>attacken mit nur einer Tablette erfolgreich<br />

behandeln. Für Patienten mit ausgeprägten Wiederkehrkopfschmerzen<br />

(multiple „recurrences“) ist das Mutterkornalkaloid<br />

Ergotamin eine Alternative.<br />

ergotamin nach wie vor von Nutzen<br />

Das einzige in Deutschland zugelassene Mutterkornalkaloid<br />

(Ergotalkaloid) ist ein Präparat mit Ergotamintartrat (rezeptpflichtig).<br />

Dieses ist indiziert, wenn eine Triptantherapie nicht<br />

zum gewünschten Ziel führt. Auch kann eine Ergotamintherapie<br />

fortgeführt werden, wenn der Patient schon seit Jahren<br />

erfolgreich und problemlos damit behandelt wird.<br />

akutmedikation bei Kindern<br />

Die <strong>Migräne</strong>häufigkeit vor der Pubertät liegt bei vier bis<br />

fünf Prozent. Ein Unterschied zwischen Jungen und Mädchen<br />

besteht nicht. Kinder erleiden <strong>im</strong> Allgemeinen kürzere<br />

<strong>Migräne</strong>attacken als Erwachsene. Außerdem können dabei<br />

die <strong>Kopf</strong>schmerzen fehlen und lediglich Übelkeit, Erbrechen<br />

und Schwindel auftreten. Für die Behandlung von Kindern<br />

liegen eigenständige Leitlinien vor. Demnach sind die Akutmedikationen<br />

der ersten Wahl Ibuprofen und Paracetamol.<br />

Acetylsalicylsäure wird erst ab dem 14. Lebensjahr empfohlen.<br />

Sind diese Analgetika nicht wirksam, kann der Arzt ein Triptan<br />

verordnen. Allerdings ist in Deutschland nur Sumatriptan<br />

Nasenspray (10 mg) für Kinder ab zwölf Jahren zugelassen.<br />

<strong>Migräne</strong>patienten sollten Schmerzmittel schnell und ausreichend hoch dosiert einsetzen<br />

Prinzipiell scheinen Kinder unter zwölf Jahren schlechter auf<br />

Triptane anzusprechen als andere Altersgruppen. Bei den Antiemetika<br />

ist Domperidon für Kinder ab zehn Jahren zugelassen,<br />

Metoclopramid für Kinder ab 14 Jahren.<br />

akutmedikation in der Schwangerschaft<br />

Während der Schwangerschaft besteht zumeist die erfreuliche<br />

Situation, dass in dieser Zeit die <strong>Migräne</strong> verschwindet oder<br />

sich zumindest deutlich bessert. Treten dennoch therapiebedürftige<br />

<strong>Migräne</strong>attacken auf, sind die Behandlungsmöglichkeiten<br />

stark begrenzt. Paracetamol ist der einzige Wirkstoff,<br />

der während der gesamten neun Monate angewendet werden<br />

darf. Im zweiten Tr<strong>im</strong>enon sind zusätzlich Ibuprofen, Acetylsalicylsäure,<br />

Metamizol, Diclofenac oder Naproxen einsetzbar,<br />

des Weiteren <strong>im</strong> zweiten und dritten Tr<strong>im</strong>enon eine fixe Kombination<br />

aus Paracetamol und Metoclopramid (rezeptpflichtig).<br />

Triptane sind aus Sicherheitsgründen kontraindiziert. Jedoch<br />

gibt es bisher keine Hinweise hinsichtlich Fehlbildungen oder<br />

anderer Komplikationen. So werden sie in Ausnahmesituationen<br />

für Schwangere empfohlen, beispielsweise bei starker<br />

Gefährdung des Ungeborenen durch starkes Erbrechen der<br />

Mutter während der <strong>Migräne</strong>attacke.<br />

r. o. © Yuri Arcurs / shutterstock.com; l. u. © FWStupidio / shutterstock.com<br />

in Deutschland zugelassene triptane (Stand: august 2010)<br />

Almotriptan Almogran® Filmtabletten<br />

Eletriptan* Relpax® Filmtabletten<br />

Frovatriptan Allegro® Filmtabletten<br />

Naratriptan Formigran®**, Naramig® Filmtabletten<br />

Sumatriptan* Imigran®, diverse Generika Filmtabletten, Nasenspray, Pen (s. c.), Zäpfchen<br />

Rizatriptan* Maxalt® Tabletten, Schmelztabletten<br />

Zolmitriptan* AscoTop® Filmtabletten, Schmelztabletten, Nasenspray<br />

*in unterschiedlichen Dosierungen erhältlich; **rezeptfrei<br />

14 > DAS PTA MAGAZIN -- 1 0 / 2 0 1 0 -- Heft 10


t i t e l t h e m a <<br />

drücken, wenn sie sofort mit Einsetzen der <strong>Kopf</strong>schmerzen<br />

angewendet und ausreichend hoch dosiert werden. Triptane<br />

sind hingegen in jeder Phase der <strong>Migräne</strong>attacke wirksam.<br />

Allerdings ist auch deren Wirksamkeit umso besser, je früher<br />

sie in der <strong>Kopf</strong>schmerzphase eingesetzt werden. Während der<br />

Aura sind Triptane <strong>im</strong> Gegensatz zu NSAR und Analgetika<br />

kontraindiziert. Bleibt die Erstanwendung eines Triptans wirkungslos,<br />

ist während der betreffenden Attacke auf eine zweite<br />

Anwendung zu verzichten. Einzige Ausnahme: Die erste Dosis<br />

wurde erbrochen.<br />

indikationen für eine medikamentöse<br />

Prophylaxe<br />

Der Stellenwert der medikamentösen <strong>Migräne</strong>prophylaxe<br />

hat sich mit Einführung der Triptane<br />

geändert. In den Jahren zuvor war diese häufig<br />

notwendig, weil stark wirksame und gleichzeitig<br />

gut verträgliche Medikamente zur Akutbehandlung<br />

fehlten. So waren für die meisten Patienten<br />

die Nebenwirkungen der <strong>Migräne</strong>prophylaxe<br />

weniger problematisch als die der Akutmedikation.<br />

Die heutigen Hauptindikationen umfassen<br />

unter anderem vorliegende Kontraindikationen<br />

gegen über Triptanen (z. B. koronare Herzkrankheit),<br />

fehlendes Ansprechen auf Triptane und Attacken<br />

mit einer stark beeinträchtigenden Aura<br />

(z. B. familiäre hemiplegische <strong>Migräne</strong>). Ebenso<br />

gehört das Risiko für einen medikamenteninduzierten<br />

Dauerkopfschmerz dazu. Ein solches liegt<br />

vor, wenn monatlich mehr als sieben <strong>Migräne</strong>tage<br />

auftreten: Unabhängig davon, ob sich diese durch<br />

häufige und/oder sehr lang anhaltende <strong>Migräne</strong>attacken<br />

summieren.<br />

auf einen Blick<br />

Immer eine Dauertherapie Keine der empfohlenen Substanzen<br />

ist in der Lage, <strong>Migräne</strong>attacken komplett zu unterdrücken.<br />

Sie können lediglich deren Häufigkeit mindern. Zum Aufbau<br />

einer nachhaltigen Wirkung werden Behandlungszeiträume<br />

von mindestens sechs bis neun Monaten empfohlen. Dafür<br />

benötigt der Patient ein hohes Maß an Geduld und Motivation.<br />

Zum Beurteilen der Wirksamkeit ist das Führen eines <strong>Kopf</strong>schmerzkalenders<br />

ein Muss. Merkliche Therapieerfolge sind<br />

jedoch frühestens nach zwei bis acht Wochen zu erwarten. Da<br />

alle zur <strong>Migräne</strong>prophylaxe eingesetzten Medikamente Nebenwirkungen<br />

haben, sollten vor deren Anwendung die Möglichkeiten<br />

migräneprophylaktisch wirksamer Allgemeinmaßnahmen<br />

ausgeschöpft werden. Und nicht zuletzt: Der Erfolg<br />

der <strong>Migräne</strong>prophylaxe ist am größten, wenn medikamentöse<br />

und nicht medikamentöse Maßnahmen kombiniert werden.<br />

» Die Hauptphasen der <strong>Migräne</strong>attacke bestehen aus Prodromalphase, Aura sowie<br />

<strong>Kopf</strong>schmerzphase mit migränetypischen Begleitsymptomen.<br />

» Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) und Analgetika werden bei leichten bis<br />

mittelschweren <strong>Migräne</strong>attacken empfohlen.<br />

» Triptane sind die Mittel der ersten Wahl bei mittelschweren bis schweren <strong>Migräne</strong>attacken,<br />

das Mutterkornalkaloid Ergotamin ist das Mittel der zweiten Wahl.<br />

Triptane sind die derzeit effektivsten <strong>Migräne</strong>mittel.<br />

» Alle akut wirksamen <strong>Migräne</strong>mittel dürfen nicht länger als drei Tage in Folge und<br />

nicht häufiger als zehn Tage <strong>im</strong> Monat angewendet werden.<br />

» Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Kontraindikationen für eine Triptantherapie.<br />

» Wiederkehrkopfschmerz nach bereits erfolgreichem Gebrauch eines <strong>Migräne</strong>mittels<br />

ist das Problem sehr lang anhaltender <strong>Migräne</strong>attacken.<br />

» Zur medikamentösen <strong>Migräne</strong>prophylaxe sind verschiedene Wirkstoffe verfügbar,<br />

die aus den unterschiedlichsten Indikationen kommen. Eine Hauptrolle spielen<br />

blutdrucksenkende Medikamente.<br />

» Eine <strong>Migräne</strong>prophylaxe, die aus medikamentösen und nicht medikamentösen<br />

Maßnahmen besteht, verspricht den größten Therapieerfolg.<br />

© Diego Cervo / shutterstock.com<br />

16 > DAS PTA MAGAZIN -- 1 0 / 2 0 1 0 -- Heft 10


t i t e l t h e m a <<br />

Ein möglichst gleichmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus trägt zur <strong>Migräne</strong>prophylaxe bei<br />

Wirkstoffpalette zur Prophylaxe<br />

Zur Prophylaxe der akuten <strong>Migräne</strong>attacke stehen eine Vielzahl<br />

von Wirkstoffen bereit. Diese kommen aus den verschiedensten<br />

Indikationsgebieten. Nur die wenigsten davon haben<br />

eine Zulassung für die <strong>Migräne</strong>prophylaxe, weshalb sie zumeist<br />

<strong>im</strong> Rahmen des Off-Label-Uses eingesetzt werden. Im Sinne der<br />

Compliance erfordert diese Vorgehensweise eine eingehende<br />

Aufklärung des Patienten. Insbesondere dann, wenn es sich um<br />

Medikamente handelt, die bei weiten Teilen der Bevölkerung<br />

ohnehin auf Ablehnung stoßen (z. B. Antidepressiva, Antikonvulsiva).<br />

Nennenswert ist auch, dass die Dosierung bei der <strong>Migräne</strong>prophylaxe<br />

von der bei der eigentlichen Indikation nach<br />

oben oder nach unten abweichen kann. Über die Mechanismen,<br />

mit denen die empfohlenen Wirkstoffe die <strong>Migräne</strong>häufigkeit<br />

reduzieren, ist wenig bekannt. Zu den Mitteln der ersten Wahl<br />

gehören die beiden Betarezeptorenblocker Metoprolol und<br />

Propranolol, der Calciumantagonist Flunarizin sowie die Antiepileptika<br />

(Antikonvulsiva) Topiramat und Valproinsäure (alle<br />

rezeptpflichtig). Mittel der zweiten Wahl sind der Betarezeptorenblocker<br />

Bisoprolol, das Antidepressivum Amitriptylin, der<br />

ACE-Hemmer Lisinopril, der AT1-Blocker Candesartan und<br />

das Antiepileptikum Gabapentin (alle rezeptpflichtig). Darüber<br />

hinaus gehören einige rezeptfreie Wirkstoffe zu den Mitteln der<br />

zweiten Wahl: die nicht steroidalen Antirheumatika Naproxen<br />

und Acetylsalicylsäure, außerdem Vitamin B2, Pestwurz-Extrakt,<br />

Magnesium sowie Coenzym Q10. Doch Vorsicht vor einer unkritischen<br />

Selbstmedikation! Für die rezeptfreien Wirkstoffe gilt<br />

das Gleiche wie für die rezeptpflichtigen: Sie haben <strong>im</strong> Rahmen<br />

der Dauertherapie Nebenwirkungen und werden in von der<br />

eigentlichen Indikation abweichenden Dosierungen eingesetzt.<br />

Nachweislich gute Erfahrungen in der Selbstmedikation gibt es<br />

mit Pestwurzextrakt, der in Deutschland nicht mehr verfügbar<br />

ist, jedoch über Großbritannien bezogen werden kann.<br />

Nicht medikamentöse <strong>Kopf</strong>schmerzprophylaxe<br />

Für <strong>Migräne</strong>patienten ist ein möglichst gleichmäßiger Schlaf-<br />

Wach-Rhythmus unverzichtbar. Er beinhaltet, möglichst jeden<br />

Tag zur gleichen Zeit aufzustehen und schlafen zu gehen, auch<br />

an arbeitsfreien Tagen (Verzicht auf Ausschlafen am Wochenende).<br />

Damit eng verknüpft sind eine regelmäßige Nahrungsund<br />

Flüssigkeitsaufnahme und in jedem Fall das Vermeiden<br />

von Hungerzuständen. Auch das Meiden der persönlichen<br />

<strong>Migräne</strong>trigger, sofern diese bekannt sind, gehört dazu.<br />

Des Weiteren können moderater und regelmäßiger Ausdauersport,<br />

progressive Muskelentspannung nach Jacobson und<br />

Biofeedback-Methoden nachweislich die <strong>Migräne</strong>häufigkeit<br />

reduzieren. Empfehlenswerte Sportarten sind Gymnastik,<br />

Schw<strong>im</strong>men, Nordic Walking, Rad fahren und Joggen. Die<br />

progressive Muskelentspannung, als gezielte Entspannungsmethode,<br />

hat sich in der Schmerztherapie, so auch in der<br />

<strong>Migräne</strong>therapie, besonders bewährt. Mittels computergesteuerter<br />

Biofeedback-Methoden lassen sich die Fähigkeiten<br />

zur Entspannung unterstützen. Auch für die Akupunktur sind<br />

gute Erfolge bekannt, allerdings hängen diese laut der Deutschen<br />

<strong>Migräne</strong> und <strong>Kopf</strong>schmerzgesellschaft von der Einstellung<br />

des Patienten zu diesem Therapieverfahren ab. In<br />

vielen Fällen notwendig sind psychologische Behandlungsprogramme,<br />

die überwiegend auf verhaltenstherapeutischen<br />

Verfahren beruhen. Hintergrund für diese Maßnahmen ist<br />

die Behandlung von Depressionen und Ängsten, die häufige<br />

Komorbiditäten der <strong>Migräne</strong> sind und deren lauf negativ<br />

Verbeeinflussen.<br />

infomaterial | Broschüren<br />

Sammeln Sie<br />

Fortbildungspunkte!<br />

Auf Seite 84 finden Sie 10 Fortbildungsfragen zu diesem<br />

Beitrag. Bei zu 80 Prozent richtiger Beantwortung können<br />

Sie einen Punkt der Bundesapothekerkammer für Ihr Fortbildungskonto<br />

erhalten! Die richtigen Antworten finden Sie ab<br />

dem 01.11.2010 unter www.das-pta-magazin.de/migraene<br />

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in unserem<br />

Serviceteil auf Seite 114 in der Rubrik Broschüren.<br />

S. o. © Yuri Arcurs / shutterstock.com; S. u. © photos.com PLUS<br />

18 > DAS PTA MAGAZIN -- 1 0 / 2 0 1 0 -- Heft 10

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!