Leseprobe Bohlweg-Zeiten - Verlag Andreas Reiffer
Leseprobe Bohlweg-Zeiten - Verlag Andreas Reiffer Leseprobe Bohlweg-Zeiten - Verlag Andreas Reiffer
- Seite 3 und 4: Axel Klingenberg, Wenke Lange, Ole
- Seite 5: Frank Schäfer: Unleashed in Ostfal
- Seite 8 und 9: ihren Partys mit. Hockeyspieler war
- Seite 10 und 11: Daily Terror Sweaty Feet New Connec
- Seite 12 und 13: Frank Behnsen
- Seite 14: Braunschweiger Flohmarkt einmal pro
Axel Klingenberg, Wenke Lange, Ole Schulz-Weber (Hg.)<br />
<strong>Bohlweg</strong>-<strong>Zeiten</strong> – Die 80er in Braunschweig<br />
Covergestaltung, Satz und Layout: Wenke Lange<br />
1. Auflage, 2012, Originalausgabe<br />
Alle Rechte des Gesamtwerkes beim<br />
<strong>Verlag</strong> <strong>Andreas</strong> <strong>Reiffer</strong><br />
Alle Rechte an den Einzelwerken bei den Autor/innen,<br />
den Fotograf/innen und Zeichner/innen<br />
ISBN 978-3-934896-75-8<br />
<strong>Verlag</strong> <strong>Andreas</strong> <strong>Reiffer</strong><br />
Hauptstraße 16b<br />
D-38527 Meine<br />
www.verlag-reiffer.de<br />
www.facebook.com/verlagreiffer
Inhaltsverzeichnis<br />
Das waren noch <strong>Bohlweg</strong>-<strong>Zeiten</strong>! Vorweg gesagt ................................................................................................. 9<br />
Gerald Fricke: Im Volksporsche auf der Autobahn ................................................................................................... 13<br />
Interview mit Ulrich Schwanke: »Abends waren wir im Panopticum auf der Tanzfläche« ................................... 19<br />
Stephan Mäusel: Man wollte selbst was auf die Beine stellen ........................................................................... 23<br />
Karsten Weyershausen: Zwei alte Säcke ................................................................................................................. 28<br />
Stefan Maiwald: Zwischen Bruce Lee und Debussy ............................................................................................... 29<br />
Interview mit Natali Reich: »Die schönste Zeit meines Lebens« ...................................................................... 32<br />
Attik Kargar: First Time at Jolly Joker ....................................................................................................................... 34<br />
Vera Kargar: Ziemlich klein und spießig .................................................................................................................... 40<br />
Harald Duin: Noch kein Gefühl für das Maß ............................................................................................................ 43<br />
Ulli Meyer-Degering: Im angesagtesten und coolsten Schuppen der Stadt .......................................................... 48<br />
Matthias Heine: Dem Zeitgeist entsprechend waren wir nicht zimperlich ............................................................ 53<br />
Interview mit Olaf Stelter: »Kalkuliert wurde hinterher« .................................................................................... 59<br />
Jens Müller und Stefan Schrader: C-83 – Seltsame Klenge aus dem Kassetten-Underground ........................ 68<br />
Matthias Heine: 123 Legenden .................................................................................................................................... 74<br />
Interview mit Tom Ruhstorfer: »Das Gefühl der totalen Freiheit« .................................................................... 81<br />
Jan-Heie Erchinger: Übergeschnappt und funky ................................................................................................... 87<br />
Interview mit Christian Eitner: »Damals war man Zonenrandgebiet« ............................................................... 97
Frank Schäfer: Unleashed in Ostfalen .................................................................................................................... 102<br />
Interview mit Claus Hartisch: »Ich habe zufälligerweise immer die Siegerbands gemischt« ......................... 107<br />
Frank Behnsen: Fred Banana ................................................................................................................................... 110<br />
Matthias Heine: Gewissensprüfung im FBZ ........................................................................................................... 111<br />
Peter Vaihinger: FreiBiZe-Files – Tagebuch eines Veranstalters ............................................................................ 117<br />
Lars Dobbertin: Bernd Buchheister – Leistungssportler und Lebemann .............................................................. 129<br />
Holger Reichard: Rubrik 23: Mitteilungen .............................................................................................................. 133<br />
Michael Kaps: Ein Opfer pro Tag .............................................................................................................................. 139<br />
Axel Klingenberg: Heidberger Nächte sind lang ................................................................................................. 140<br />
Ole Schulz-Weber: Sie nannten mich »Killing Joke« ............................................................................................ 145<br />
Viten ............................................................................................................................................................................. 152<br />
Glossar ........................................................................................................................................................................ 154<br />
Fotografen, Bildnachweis ...................................................................................................................................... 162<br />
Abbildungen von Attik Kargar auf den Seiten 16, 25, 31, 37, 69, 72, 84, 105, 112, 131, 137 und 149
Stefan Maiwald<br />
Zwischen Bruce Lee und Debussy<br />
Ich hatte eine merkwürdige Jugend, denn einerseits<br />
hatte ich schnell kapiert, dass man seine Chancen bei<br />
den Mädchen gewaltig steigert, wenn man sich eine<br />
intellektuelle Aura zulegt; außerdem sind kulturinteressierte<br />
Teenagerinnen sexuell promisker. Andererseits<br />
war ich als 14-Jähriger in die Fänge einer üblen<br />
Weststadtclique geraten, einer wirklich harten Gang<br />
aus IGS-lern ohne erkennbaren schulischen Ehrgeiz<br />
und anderen Jungen, die überhaupt gar keine Schule<br />
mehr besuchten und zu unseren Cliquentreffen ihre<br />
älteren Brüder mit Vollbart mitbrachten.<br />
Diese Polarität führte dazu, dass ich mit 15 sowohl mit<br />
Klappmesser und Wurfsternen (sogenannten Shuriken,<br />
inzwischen verboten) umgehen als auch Hermann<br />
Hesse zitieren konnte – beides ausgesprochen<br />
nutzlose Fähigkeiten.<br />
Ich war natürlich immer zu feige, in eine ernsthafte<br />
Schlägerei zu geraten oder etwas wirklich Kriminelles<br />
zu tun. Das erste Mal, dass ich so etwas wie gesunde<br />
Wettkampfhärte gezeigt habe, war im Münchner<br />
Hofbräuhaus, mit einem Bierkrug in der Hand, aber<br />
das ist eine andere Geschichte. Mitte der 80er Jahre<br />
hing ich also mit der Weststadtclique auf dem Braunschweiger<br />
Schützenfest akkurat am Autoscooter herum<br />
und blickte abschätzig mit meinen Kumpels aus<br />
allen damals zwischen Harz und Heide verfügbaren<br />
Ethnien auf die vorbeischlendernden Pärchen, die<br />
ihre Schritte beschleunigten, wenn sie uns sahen –<br />
um dann mit der Linie 18 nach Hause Richtung Watenbüttel<br />
zu fahren, Debussy am Klavier zu üben und<br />
die Französisch-Hausaufgaben für Herrn Heidrich am<br />
Martino-Katharineum (MK) zu erledigen.<br />
In etwas sanfteren Cliquenmomenten diskutierten wir<br />
die neuesten Moves von Bruce Lee, dessen Filme ich<br />
auf VHS in einem regelrechten Schrein aufbewahrte.<br />
Für die Internet-Generation, die nichts mehr kennt,<br />
was älter als zwei Tage ist: Bruce Lee war der Einzige,<br />
der es mit Chuck Norris aufnehmen konnte. Und er<br />
war mein Gott. Weil es noch kein Copy & Paste gab,<br />
schrieb ich sein komplettes Buch über den von ihm<br />
entwickelten Kampfstil »Jeet Kune Do« mit Füller und<br />
auf Linienpapier ab – mein erstes schriftstellerisches<br />
Werk. Im Kraftsportcenter Budokan (damals wie heute<br />
Schöppenstedter Straße 20) lernte ich Karate und<br />
schaffte mit Ach und Krach den Gelben Gürtel. Man<br />
kann nicht von einer erfolgreichen Kampfsportkarriere<br />
sprechen.<br />
Kurzum: Ich war der einzige Braunschweiger, den ich<br />
kenne, der seine abendlich/ nächtliche Freizeit exakt<br />
zwischen Atlantis (Weststadtclique) und Jolly (MK)<br />
halbierte. Da ich etwas außerhalb wohnte und den<br />
Abend früh beginnen musste, kam ich sogar immer in<br />
den Genuss der Atlantis-Lasershow um kurz vor neun.<br />
Außerdem kam man früher leichter rein – man durfte<br />
ja offiziell erst ab 16.<br />
Als wäre es nicht genug der Zerrissenheit in ohnehin<br />
fragilen pubertären <strong>Zeiten</strong>, spielten einige Klassenkameraden<br />
von mir Hockey und nahmen mich öfter zu
ihren Partys mit. Hockeyspieler waren eindeutig der<br />
Braunschweiger Teenie-Jetset, begüterte und pickellose<br />
Kinder aus bestem Haus, denen die Welt offenstand.<br />
Die wunderschönen Hockey-Mädchen waren<br />
unerreichbare Göttinnen. Natürlich, nun sind sie gefangen<br />
in ihrem unaufregenden Leben mit ihren Wirtschaftsanwälten<br />
in den Stöckheimer Neubaugebieten.<br />
Ach, was hätte aus mir und ihnen werden können.<br />
Wie es immer ist, erwuchs aus der Unerreichbarkeit<br />
Verachtung. Am untersten Ende der Braunschweiger<br />
Nachtlebenskala lag für mich das Kiwi (Hockeyspielerinnen!).<br />
Den Laden mied ich lange. Nicht ganz freiwillig<br />
übrigens: Ins Kiwi wurde ich lange nicht reingelassen,<br />
was mir bis heute weltweit in fast allen Clubs<br />
widerfährt. Man kann schon von einem Trauma sprechen,<br />
dabei finde ich mich eigentlich ganz ansehnlich.<br />
Es gab da dunkle Erlebnisse in München und London,<br />
deren nähere Beschreibung mein Selbstwertgefühl<br />
zerbröseln lassen würde. Aber Türsteher sind wie<br />
Bluthunde, sie riechen deine Angst. Und je öfter du<br />
abgewiesen wirst, desto stärker schwitzt du. Als ich<br />
endlich rein kam, rächte ich mich auf perfide Weise:<br />
Monatelang gab ich mich, leicht angetrunken, mit einem<br />
Kumpel schon an der Treppe als Türsteher aus<br />
und verlangte die Ausweise der Anstehenden. Viele<br />
fielen darauf rein, manche schickten wir nach Hause;<br />
bei all denen möchte ich mich hier und jetzt entschuldigen.<br />
Irgendwann entdeckte ich das Panopticum für mich.<br />
Das war ein guter Kompromiss, weil man sowohl die<br />
Hockeyspielerinnen abfangen, als auch mit den coolen<br />
Jungs in Lederjacke abhängen konnte. Und kennt<br />
noch jemand das ewig leere Soleil? Dahin konnte man<br />
sich mit seiner Eroberung zurückziehen und sie ungestört<br />
zuquatschen.<br />
Ach ja, und dann gab es den legendären Döner-Imbiss<br />
in der Südstraße, in dem ein Kumpel von mir einmal<br />
Lokalverbot bekam – ein deutschlandweit wohl einzigartiger<br />
Vorgang. Es war gegen drei Uhr nachts, und als<br />
mein Kumpel mit der Bestellung dran war, kam der<br />
Inhaber gerade aus dem Küchenverschlag, mit einer<br />
Zigarette im Mundwinkel. »Nanana, in der Küche wird<br />
aber nicht geraucht«, lallte mein Kumpel, woraufhin<br />
der Inhaber ihm, mit dem langen Dönermesser bewaffnet,<br />
bis zum Bankplatz hinterherjagte.<br />
Der Fixpunkt meiner Braunschweiger Jugend aber<br />
war der sogenannte Zapfhahn, der »Jever-Pub« hieß<br />
und dem es ein literarisches Denkmal zu setzen gilt.<br />
(Der Name Zapfhahn war einem bedauernswerten<br />
Etablissement am Hauptbahnhof vorbehalten – warum<br />
auch der Jever-Pub von allen Zapfhahn genannt<br />
wurde, hat sich schon damals nie so ganz klären lassen.)<br />
Die winzige Kneipe lag in der Breiten Straße, gegenüber<br />
vom MK, und so verbrachten wir Frei- und<br />
Schulstunden dort beim Hausaufgabenkopieren und<br />
Kniffeln. Nachmittags fuhren wir nach Hause, um kurz<br />
die verrauchten Sachen zu wechseln, und fuhren am<br />
Abend umgehend wieder in den Zapfhahn zurück,<br />
zum fantastischen Wirtsehepaar Angelika und Harald,<br />
welcher jeden Satz mit »Verstehste?« beendete. Ein<br />
Freund von mir, der stadtbekannte »Schnuller«, jobte<br />
hinter der Theke und ließ sich den Lohn nicht auszahlen,<br />
sondern legte es in 0,4l-Pils-Gutscheine an.
Gegen Ende der 80er Jahre hatte es sich dann mit der<br />
Rummelplatzclique erledigt, statt Atlantis hieß es bald<br />
nur noch Zapfhahn – Liro Dando – Jolly – Pano. Und<br />
hin und wieder eine Türstehereinlage vor dem Kiwi.<br />
Es war eine großartige Zeit. Und das ist nicht verklärend<br />
gemeint, ich kann da gut differenzieren: Das<br />
anschließende Studium an der TU Braunschweig war<br />
nämlich grauenhaft, langweilig und regelrecht bedrückend.<br />
Viele blicken ja mit rosaroter Brille auf ihre Studienzeit<br />
zurück; ich habe jede Sekunde gehasst. Wir<br />
angehenden Politikwissenschaftler waren im siebten<br />
Stock jenes Hochhauses am Wendenring gegenüber<br />
des Affenfelsens untergebracht, in dem unten ein<br />
Steakhaus lag und in dem ein Jugoslawe mit extrem<br />
buschigem Schnauzbart täuschend echt auf Mexikaner<br />
machte. Ich hatte mir mein Uni-Leben anders vorgestellt,<br />
irgendwie efeuumrankter. Nette Abende im<br />
Eusebia retteten nichts mehr, nach zwei Semestern<br />
hatte ich genug.<br />
Inzwischen hat sich alles gut entwickelt. Ich habe ein<br />
Auskommen als Autor in Italien, in meinem Leben<br />
scheint elf Monate im Jahr die Sonne, und wenn<br />
ich die Augen zumache, höre ich das Rauschen des<br />
Meeres – mehr geht eigentlich nicht. Aber was ich<br />
vermisse (abgesehen von den Hockeyspielerinnen):<br />
Braunschweig war groß genug, einer Jugend alles<br />
zu bieten. Und klein genug, dass man alles, auch das<br />
ganze seltsame Zeug, wirklich mitnehmen konnte.
Daily Terror<br />
Sweaty Feet<br />
New Connection<br />
Der Träumende Mund
Blue Bamboo<br />
Kids<br />
The Art of Love<br />
Genocide
Frank Behnsen
Matthias Heine<br />
Gewissensprüfung im FBZ<br />
Pförtner – das klingt nicht gerade nach einem coolen<br />
Job. Aber die gläserne Eingangsloge im Freizeit- und<br />
Bildungszentrum Bürgerpark war in den 80er Jahren<br />
wohl der begehrteste Ort, an dem man seinen Zivildienst<br />
verbringen konnte – dafür ließ man sogar den<br />
ebenfalls sehr begehrten Job als Fahrer bei der Arbeiterwohlfahrt<br />
sausen, wenn man die Wahl hatte.<br />
Alltags bestand die verantwortungsvolle Aufgabe des<br />
FBZ-Zivildienstleistenden in erster Linie im Rumsitzen,<br />
Karten verkaufen und Schlüssel ausgeben. Das FBZ<br />
war ja nicht nur ein Ort für öffentliche Veranstaltungen<br />
wie Konzerte und Theateraufführungen, sondern<br />
seine Räume wurden auch von zahlreichen weniger<br />
auffälligen Gästen genutzt. In Wirklichkeit sind wahrscheinlich<br />
die meisten Menschen dorthin gekommen,<br />
um Schach zu spielen. Das galt für die älteren Herren<br />
in der Cafeteria, die sehr genervt reagierten, wenn<br />
der Zivi nicht pünktlich ab 10 Uhr in der Loge saß, um<br />
ihnen ihre Bretter auszuhändigen, genau wie für die<br />
jüngeren Vereinsspieler, die sich im großen Raum im<br />
1. Stock zum Training trafen. Letztere blieben gerne<br />
länger als bis 23 Uhr, was die Zivis nervte, die Feierabend<br />
machen wollten und anschließend noch die<br />
Tische aufräumen mussten. Gefürchtet war dieser Teil<br />
des Dienstes auch, weil mindestens einer der Schachcracks<br />
so unfassbar bestialisch nach Schweiß stank,<br />
dass man den Raum erst mal eine Viertelstunde lang<br />
durchlüften musste.<br />
Die meisten Zivis hatten sich übrigens ebenfalls im<br />
FBZ für ihre Gewissensprüfung – das Wort ist zum<br />
Glück mit dem Verfahren untergegangen – vorbereiten<br />
lassen. Einmal in der Woche empfing in der Caféteria<br />
die Deutsche Friedensgesellschaft angehende Kriegsdienstverweigerer<br />
und klärte sie im Schnellverfahren<br />
über Theorien der Sozialen Verteidigung und über<br />
die richtige Antwort auf die berüchtigte Frage »Was<br />
würden sie tun, wenn nachts im Wald ein Rocker ihre<br />
Freundin vergewaltigen wollte und sie ein Gewehr in<br />
der Hand hätten?« auf.<br />
Zu den Aktivitäten rund um das FBZ gehörten aber<br />
solche damals als extrem uncool geltenden Sachen<br />
wie Bauchtanz- und Töpferkurse für die Frauen und<br />
Briefmarkenbörsen für ältere Männer und kleine<br />
Jungs (wie mich). In den 70er Jahren gab es dort<br />
auch einmal wöchentlich eine Teenager-Disco für alle,<br />
die keinen Zutritt zu den ähnlichen Veranstaltungen<br />
in den Tanzschulen Haeusler und Heise hatten. Mein<br />
Schulkamerad Frank schleppte dort wöchentlich eine<br />
andere Prolette ab, worum ich ihn sehr beneidet<br />
habe. Derselbe Frank ging im FBZ – wenn ich mich<br />
recht erinnere – auch zum Einweisungskurs für die<br />
Jugendweihe (ob die eigentliche Veranstaltung auch<br />
dort oder in der Stadthalle abgehalten wurde, weiß<br />
ich nicht mehr). Er hatte sich für dieses heute eher mit<br />
Ostdeutschland verbundene Ritual entschieden, weil<br />
die Vorbereitung nur wenige Wochen dauerte – im Gegensatz<br />
zum zweijährigen für fast alle anderen damals<br />
noch selbstverständlichen Konfirmandenunterricht.<br />
Fast vergessen ist heute auch, dass der erste große
Braunschweiger Flohmarkt einmal pro Monat um das<br />
FBZ herum stattfand, bevor in den 80er Jahren dann<br />
andere Veranstalter erkannten, dass sich mit solchen<br />
Veranstaltungen auf dem Platz vor der Eishalle oder<br />
dem Harz-und-Heide-Gelände richtig Geld verdienen<br />
ließ<br />
Dennoch wird das FBZ (den Namen »FreiBiZe« fand<br />
ich persönlich immer bescheuert) heute bei vielen<br />
80er Jahre-Nostalgikern vor allem mit den Konzerten,<br />
die dort stattfanden, in Verbindung gebracht: Einerseits<br />
gelang es dem damals fürs Musikprogramm<br />
verantwortlichen Sozialarbeiter Peter Vaihinger Bands<br />
wie Alien Sex Fiend, Gun Club, die Pixies oder Soundgarden<br />
in die Stadt zu locken – der Dollar stand günstig<br />
und anders als private Veranstalter konnte Peter<br />
auch ein bisschen öffentliches Geld zuschießen. Andererseits<br />
war ein Auftritt im Bürgerpark oder gar ein<br />
Sieg beim jährlichen Amateurband-Wettbewerb das<br />
Größte, was man als lokale Braunschweiger Band erreichen<br />
konnte.<br />
Aber das alles ist nun längst Geschichte. Das FBZ wird<br />
trotzdem noch ein paar Jahrzehnte in den Erinnerungen<br />
fast aller vor 1980 geborenen Braunschweiger<br />
weiterleben. Mein ganz persönliches schönstes Souvenir<br />
sind jene Abende, an denen wieder eine von den<br />
großen Bands im Bürgerpark gastierte. Dann mussten<br />
die Zivis nicht nur vor und nach den Konzerten beim<br />
Auf- und Abbau helfen und durften spät am Abend<br />
wegfressen, was vom Catering übrig geblieben war<br />
– Haribo war immer dabei. Ich selbst hatte auch noch<br />
den besonderen Vertrauensjob des Kassierers. Im<br />
leicht zugigen Seiteneingangsbereich des FBZ, wo einen<br />
gelegentlich mal ein Schein aus der viel zu kleinen<br />
Geldkassette geweht wurde, saß ich, beneidet von<br />
manchem, mit meiner Lederjacke im James Dean-Stil<br />
(gekauft bei Ran 7) und konnte mir einen Abend lang<br />
einbilden, Teil des internationalen Rock-Business zu<br />
sein. Es war eine herrliche Zeit.
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