Dr. Horst Neumann Der erste Brief des Apostels Paulus an die ...

Vers 3 warnt vor einer gefährlichen
Sicherheit. Denn die Unkenntnis über
den Zeitpunkt kann sehr schnell dessen
unverhoffte Nähe vergessen lassen.
Hinter der Formulierung des
griechischen Textes „Friede und Sicherheit“
steht die alttestamentliche
Auseinandersetzung mit den Falschprophetien
(vgl. z. B. Jeremia Kap. 6,
Vers 14; Kap. 8, Vers 11). „Es ist denkbar,
daß die vorliegende Wendung in
Aufnahme der biblisch bezeugten
Falschprophetie als Anspielung an
einen politischen Slogan römischer
Propaganda formuliert wurde (‘pax et
securitas’ = ‘Friede und Sicherheit’)“
(Reinmuth, S. 150)
Das plötzliche Kommen des Verderbens
wird mit dem Kommen der Wehen
über eine Schwangere verglichen.
Plötzlichkeit und Unentrinnbarkeit
kennzeichnen sein Eintreffen.
Das Bild hat ebenfalls alttestamentlichen
Hintergrund (vgl. z.B. Jesaja
Kap. 13, Verse 6 - 8; Kap. 26, Verse 16 -
19). Es mahnt zur Wachsamkeit. Paulus
will damit die Gemeinde davor
schützen, von dem angekündigten
Verderben unheilvoll - weil unvorbereitet
- überrascht zu werden.
Vers 4: Paulus ermahnt jedoch nicht
nur, sondern bestätigt der Gemeinde
ihr neues Sein in Christus und bestärkt
sie darin. Damit wird deutlich,
wozu die Ermahnung dient. Sie will
die Gemeinde dort halten, wo sie
durch und in Jesus Christus ist. Das
nimmt der Ermahnung die Schärfe
moralistischer Belehrung. Leider hat
sich die Ermahnung in der Geschichte
der Gemeinde Jesu Christi oft verselbständigt
und dadurch einen drohenden
Beigeschmack erhalten. Das
ist auch heute gegen jede fromme Gesetzlichkeit
anzumerken.
Die Gemeinde lebt im Licht des Christus
und nicht mehr in der Finsternis
der gottfernen Welt. Deshalb hat sie
den Durchblick. Sie tappt nicht im
Dunkeln. Da sie im Licht der göttlichen
Erkenntnis lebt, vermag sie der plötzlich
hereinbrechende Tag des Herrn
nicht unvorbereitet wie eine Katastrophe
zu überraschen und zu überfallen.
Dazu gehört auch, sich vor einer
falschen, lebensgefährlichen Sicherheit
zu hüten. Ihr Erkenntnisstand bestätigt
somit die Warnung des Apostels.
Da sie den Herrn ja mit sehnender
Freude schon lange erwartet,
kann sie von seiner Ankunft nicht total
überrascht sein! Obgleich der Tag
des Herrn noch nicht gekommen ist,
ist es für die an Christus Glaubenden
schon Tag. Deshalb bezeichnet Jesus
sie als „Licht der Welt“ (Matthäusevangelium
Kap. 5, Vers 14). Sie sind schon
vorab von dem kommenden Christustag
angestrahlt und strahlen daher in
die dunkle Welt hinein.
Vers 5 begründet die Aussage von
Vers 4. Alle Glieder der Gemeinde
sind „Söhne des Lichts, Söhne des
Tags“. „Licht“ und „Tag“ sind für damalige
Verhältnisse geradezu austauschbare
Begriffe. Entsprechend
steht die Nacht für Dunkelheit. Erst in
34der Neuzeit kann die Nacht zum hel-