Subkategorisierung und thematische Rollen

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Subkategorisierung und thematische
Rollen
Claudia Kunze
Seminar für Computerlinguistik
Universität Heidelberg
kunze@cl.uni-heidelberg.de
07.12.2006
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1 Zusammenfassung
Im Mittelpunkt dieser Einheit stehen
• Prädikate und Argumente
• Argumentstruktur
• lexikalische Struktur
• thematische Rollen
• Subkategorisierungsrahmen
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2 Verschiedene Arten der Satzanalyse
(1) The child chased the dog.
• funktionale Analyse
– “The child” = Subjekt
– “chased” = Prädikat
– “the dog” = direktes Objekt
• formale Analyse (Baum- oder Klammerrepräsentation der
Konstituentenstruktur):
[s[np [d The][n child]][vp [v chased][np[d the][n dog]]]]
• thematische Analyse
(2) [np The child][v chased][np the dog].
(3) [np The dog][v chased][np the child].
– die gleichen Wörter, aber unterschiedliche Satzbedeutungen
– die gleichen Kategorien
– verschiedene thematishe Rollen (Chaser vs. Chasee)
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3 Prädikate und Argumente
• Argument: ein Partizipant in einer Proposition (der vom Satz ausgedrückten Situation oder
Handlung)
• Prädikat: Element, das die Spezifikation von Partizipanten in der ausgedrückten
Proposition fordert
• Argumente von Verben sind obligatorisch:
(4) *Chased the dog.
(5) *The dog chased.
• verschiedene Typen von Prädikaten
(6)[Peter]cried.
(7)[The Secret Service]observed [the spy].
(8)[Dave]showed [Kim][his new car].
(9)[Sue]translated [the novel][from English][to Spanish]
• Unterscheidung der Prädikate nach ihrer Stelligkeit
– einstellige (monadische) Prädikate (’one-place predicates’) fordern ein Argument
– zweistellige (dyadische) Prädikate (’two-place predicates’) fordern zwei Argumente
– dreistellige (triadische) Prädikate (’three-place predicates’) fordern drei Argumente
– vierstellige Prädikate (’four-place predicates’) fordern vier Argumente
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4 Stelligkeit und Transitivität
Es gibt Entsprechungen zwischen der (semantischen) Stelligkeit von Prädikaten und den
(syntaktischen) Transitivitätseigenschaften von Verben
• einstelliges Prädikat → intransitives Verb
Beispiel: cry
• zweistelliges Prädikat → (mono)transitives Verb
Beispiel: chase
• dreistelliges Prädikat → ditransitives Verb
Beispiel: show
Formale Notation aus der Prädikatenlogik: semantische Prädikate werden durch einzelne
Großbuchstaben dargestellt, Argumente duch einzelne Kleinbuchstaben in Klammern:
• C (p)
• O (s,s)
• S (d,k,c)
• T (s,n,e,s)
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• enthält kategoriale Information
5 Die Argumentstruktur
• passt besser zu syntaktischen Beschreibungen
• spezifiziert
– Kategorie des Prädikats
– Anzahl der Argumente und ihrer Kategorien
– externe Argumente (werden durch Unterstreichen oder Kursivsetzen markiert)
– Argumente, die implizit bleiben können (werden in Klammern gesetzt), z.B.translate:
Martha translates the novel (from English to Spanish).
Beispiele für Argumentstrukturen:
(6’)cry (verb)
[1]
(7’)observe (verb)
[1, 2].
(8’)show (verb)
[1, 2, 3]
(9’)translate (verb)
[1, 2, (3), (4)]
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6 Prädikate anderer Kategorien
• nominales Prädikat
– Kim’s study of computational linguistics
• adjektivisches Prädikat
– Peter is proud of his son.
• präpositionales Prädikat
– Bill is inside the living-room.
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• Agent (Agens)
7 Thematische Rollen
– der Handelnde oder Ausführende einer vom Prädikat denotierten Aktion
• Patient (Patiens)
– der einer vom Prädikat denotierten Handlung/Ereignis Ausgesetzte, von der
Handlung Betroffene (’undergoer’)
• Thema (Theme)
– bezeichnet die Entität, die in einem vom Prädikat ausgedrückten Ereignis
bewegt wird.
• Experiencer
– bezeichnet die lebende Entität, welche das vom Prädikat denotierte Ereignis
(meist über Sinneseindrücke) erfährt/erlebt.
• Nutznießer, Benefaktiv (Benefactive)
– die Entität, welche von dem Ereignis, welches das Prädikat denotiert,
profitiert
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• Instrument
– bezeichnet das Medium, mit dem das vom Prädikat ausgedrückte Ereignis
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• Goal
ausgeführt wird
– die Lokation oder Entität in der Richtung, in welche sich etwas in dem vom
Prädikat ausgedrückten Ereignis bewegt
• Source
– Lokation oder Entität, von der aus sich etwas bewegt
• Lokativ (Locative)
– Lokation, an welcher Aktion oder Ereignis stattfindet
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8 Bestimmung thematischer Rollen: Übung
Bestimmen Sie die thematischen Rollen der Argumente in Klammern.
• 1. [Sue]gave [Kim][a book].
• 2. [Kim]smelled [the sweet fruits].
• 3. [We]put [the wine][on the table].
• 4. [Kim ]threw [herself][onto the bed].
• 5. [Kim]comes [from England].
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9 Probleme bei der Bestimmung thematischer Rollen
• Rollen der Subjekte
– Rolle für Kim in Satz 2: Experiencer
∗ typisch für Subjekte von Perzeptionsverben wie see, taste, smell, hear, notice
∗ Problem: es gibt auch eine aktive Lesart von smell, vgl.: Smell this fish!
– Rolle für Kim in Satz 5: Thema, aber passender wäre eine neue Rolle wie topic (über
das prädiziert wird)
• Rollen der Objekte
– Rolle für a book in Satz 1, the wine in Satz 3, herself in Satz 4: Thema oder Patient?
∗ jeweilig: der Handlung ausgesetzt und bewegt werdend
∗ werden häufig zu einer einer generelleren Rolle (die dann auch theme genannt wird)
zusammengefasst
– Rolle für the sweet fruits in Satz 2: Patient?
∗ passt eigentlich nicht, denn das Objekt wird ja nicht von der Riech-Handlung affiziert
∗ eigentlich wäre hier eine neue Rolle angemessen, wie phenomenon
– Rolle für on the table in Satz 3: Goal/Locative: zugleich Spezifikation der Richtung, in die
etwas bewegt wird und des Ortes, an dem die Handlung situiert ist.
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10 Thematische Rollen in der Diskussion
Mitunter ist es schwierig, eine passende thematische Rolle für ein Argument zu
finden. Man kann verschiedene Strategien anwenden:
• Beschränkung
– auf den Gebrauch eines kleinen Inventars thematischer Rollen
– vage Rollendefinitionen und grobe Zuordnungen sind erlaubt
• Generalisierung
– Auswahl möglich abstrakter Thetarollen
– Wissen über Elemente, die in einem gegebenen Satz eine thematische Rolle
aufweisen (müssen)
– z.B. Anwendung des Theta-Kriteriums aus der Syntax (Chomsky(1981))
• Verfeinerung des Rollenbegriffs
– Definition neuer und genauerer thematischer Rollen
– Berücksichtigung semantisch orientierter Ansätze wie FrameNet
(http://www.icsi.berkeley.edu/framenet/)
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11 Theta-Kriterium
Grundannahme: Jedes Prädikat spezifiziert die Anzahl der Argumente, mit denen
es zusammen auftritt, und ihre jeweiligen thematischen Rollen.
• Each argument is assigned one and only one theta role.
• Each theta role is assigned one and only one argument.
Beispiel:
seem (verb) believe (verb) cry (verb)
[1] [1, 2] [1]
(Un-)Grammatikalität folgender Sätze resultiert aus Verletzung des
Theta-Kriteriums:
(10) It (expl.) seems that Peter is crying.
(10’) *Bill seems that Peter is crying.
(11) Bill believes that Peter is crying.
(11’) *It (expl.) believes that Peter is crying.
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12 Thematische Struktur (’Thematic Grid’)
Unter der thematischen Struktur verstehen wir die mit thematischer Information angereicherte
Argumentstruktur.
Beispiele für thematische Strukturen:
(6”)cry (verb)
[1]
(7”)observe (verb)
[1, 2].
(8”)show (verb)
[1, 2, 3]
(9”)translate (verb)
[1, 2, (3), (4)]
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13 Keine Thetarollenzuweisung an Nicht-Argumente
• Expletive Konstruktionen: keine Thetarollen
– It never snows in California. (’weather it’)
– There were three ladies sitting at the table. (’existenzielles ’there’)
• Referenzielles it und lokatives there tragen Thetarollen:
– Have a look at this child. It is always complaining.
– Do you take the book over there?
• Modifizierende Kategorien und Adjunkte: keine Thetarollen
– Yesterday, the Secret Service observed the spy excessively.
observe (verb)
Thetastruktur:
[1, 2].
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14 Selektionsrestriktionen
Manche Sätze sind aufgrund semantischer Verstöße nicht wohlgeformt:
(12) The cup observed the spy.
(13) The Secret Service observed her stream of consciousness.
• Syntaktischer Ansatz: Prädikaten und Argumenten werden semantische Merkmale
zugeordnet
– observe fordert ein [+ animate]Subjekt, aber cup ist [- animate]
– observe fordert ein [+ concrete]Objekt, doch stream of consciousness ist [- concrete]
• Thematischer Ansatz
– Merkmale sind thematischen Rollen zugeordnet, z.B. [+ animate]an die Agensrolle
– durch thematische Rollen sind Selektionsrestriktionen voraussagbar
– thematische Struktur von observe
observe (verb)
[1, 2].
Cup als Subjekt von observe verletzt die zugrundeliegende Regel, dass Agensrollenträger
typischerweise [+ animate]sind.
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15 Subkategorisierungsrahmen als Vorläufer der
Argumentstruktur
Unter Subkategorisierungsrahmen verstehen wir eine Repräsentation von
Prädikaten mit den folgenden Annahmen:
• Alle Verben haben ein Subjekt.
• Verben unterscheiden sich hinsichtlich der Anzahl und Kategorie ihrer internen
Argumente
• Verben subkategorisieren ihre Komplemente, d.h. fordern in syntaktischer
Hinsicht die Realisierung der Komplemente
• Begriff des Subkategorisierungsrahmen (Subkat-Rahmen, subcat frame,
subcategorisation frame)
observe, (verb)[ NP]
mit dem Eintrag, der Kategorie des Prädikats, dem Platzhalter für das interne
Argument (innerhalb der Klammer) und der Kategorie des internen Arguments
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16 Drei Beschreibungsebenen
• funktionale Ebene (syntaktischer Begriff)
• formbezogene Ebene (syntaktischer Begriff)
• thematische Ebene (semantischer Begriff)
(1) The child chased the dog
Funktion Subjekt Prädikat direktes Objekt
Form [s[np [d The][n child]] [vp [v chased] [np[d the][n dog]]]]
Theta Agent Predicate Patient
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17 Repräsentationsebenen für Prädikate
(6) Peter cried
Prädikatenlogik
C(p)
Subkategorisierungsrahmen cry, (verb)[ ]
Argumentstruktur [1]
Thematische Struktur [1]
(7) The Secret Service observed the spy.
Prädikatenlogik
O(s,s)
Subkategorisierungsrahmen observe, (verb)[ NP]
Argumentstruktur [1, 2]
Thematische Struktur [1, 2]
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