Oberschwäbische Seitenblicke - Bodo
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Bad Wurzach<br />
Leutkirch Aichstetten Marstetten-Aitrach Tannheim (Württ.) Memmingen<br />
Aulendorf Bad Waldsee Alttann Wolfegg Kißlegg Wangen (Allgäu) Hergatz<br />
Aulendorf 1<br />
Blühende Residenzstadt im Schussental<br />
Reise in die Vergangenheit. Wir befinden uns im Jahr<br />
20.000 vor unserer Zeitrechnung. Kraftvoll hat der Rheingletscher<br />
das spätere Schussental ausgeschürft. Das dabei<br />
gewonnene Gesteinsmaterial schiebt er als Moräne vor sich<br />
her und lagert es als Wall an seiner Stirn ab. Nach seinem<br />
Zurückweichen wird diese girlandenähnliche Endmoräne<br />
jedoch an manchen Stellen von Flüssen durchbrochen. Ein<br />
Beispiel für ein solches „Gletschertor“ ist das Durchbruchstal<br />
der Schussen südlich von Aulendorf, die spätere Leitlinie<br />
für die Südbahn.<br />
Nicht nur die Eiszeittopographie, auch die Funktion als<br />
„kleine Residenzstadt“ einer der oberschwäbischen Adelsstämme,<br />
der Grafen zu Königsegg-Aulendorf, hat zur Entstehung<br />
als Verkehrsdrehscheibe beigetragen. Vor allem<br />
aber die Lage an wichtigen Verbindungsstraßen zwischen<br />
den oberschwäbischen Städten. Nach der Eröffnung der<br />
Bahnlinie Biberach – Aulendorf – Ravensburg (1849, Lückenschluss<br />
der Südbahn nach Ulm 1850), einem Teil der<br />
„schwäbischen Eisenbahn“, später nach dem Bau der Zollern-<br />
und Allgäubahn wurde die Stadt Eisenbahnknotenpunkt.<br />
Bis heute wird dies an der Größe des Bahnhofsareals<br />
und der nahe gelegenen Eisenbahnersiedlung sichtbar.<br />
Wie stark die Eisenbahn Aulendorf geprägt hat, zeigt die<br />
stattliche Bahnhofstraße, die mit ihren dreigeschossigen<br />
verschindelten Bahnhäusern dem beschaulichem Dorf zu<br />
Beginn des 20. Jahrhunderts ein städtisches Gepräge gab.<br />
Und auch die ersten „Lutherischen“, gemeint sind evan-<br />
Blick auf den Bahnhof Aulendorf<br />
gelische Gläubige, im ursprünglich katholischen Milieu der<br />
Stadt waren – Eisenbahnarbeiter.<br />
Unter den Betriebsgebäuden der Bahn finden sich archihistorische<br />
Holzhäuser, gebaut aus einem der wichtigsten<br />
Rohstoffe der Region (vgl. Station 4). Über allen Gebäuden<br />
thront das stattliche Empfangsgebäude, das 1868 eingeweiht<br />
wurde. Im württembergischen Landhausstil errichtet,<br />
zeigt es mit seiner starken Gliederung der Baumassen,<br />
seinen Vorsprüngen, wechselnden Gebäudebreiten und<br />
Auskragungen eine Lockerheit, die ganz im Gegensatz<br />
steht zum massiven Kubismus der bayerischen Staatsbahnen.<br />
Auch beim Empfangsgebäude dominieren Baustoffe<br />
aus dem „Ländle“: Die Ziegel sind aus eiszeitlichem Ton<br />
gebrannt, der zwischenzeitlich unter Putz verschwundene<br />
Muschelsandstein stammt aus Sießen bei Bad Saulgau.<br />
Heute sichtbar ist leider nur noch der grünliche Rorschacher<br />
Sandstein und das nur an Stellen mit abblätterndem Putz.<br />
Regionales Holz findet sich im Fachwerk, in Verschindelungen<br />
aber auch in Bretterverkleidungen. Diese Elemente<br />
tragen zu einer wichtigen Funktion des Bahnhofs Aulendorf<br />
bei, die ausnahmsweise nichts mit dem Verkehr zu tun hat:<br />
Für die Einheimischen ist es ein wichtiges Stück Heimat.<br />
Seitenblick<br />
Hinter dem Abzweig führt die Bahntrasse durch das Moorgebiet<br />
Tann. Fluch und Segen für die Bahn: So musste der<br />
Bahndamm beim Bau auf geflochtene Schachtruten geschüttet<br />
werden, von denen 11.000 Stück spurlos im Moor<br />
versanken. Gleichzeitig lieferte das Moor jedoch einen für<br />
das kohlearme Württemberg wichtigen Rohstoff zum Betreiben<br />
der Dampfloks: Torf. Bei Bahn-km 32,98 sind noch<br />
Geländespuren der ehemaligen Torfverladestelle Herdtle<br />
zu sehen. Von dort aus kam der Torf in riesige hölzerne<br />
Torfschuppen am Bahnhof von Aulendorf. Warum Torf so<br />
wichtig war und was davon heute noch zu erleben ist: Das<br />
erfahren Sie an den Stationen der Bad Wurzach Bahn.<br />
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