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Oberschwäbische Seitenblicke - Bodo

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Wangen 6<br />

Wo die Seele mit Allgäuer Käse schmeckt<br />

Hätten Sie es gewusst? Ein Oberschwabe hat zeitweise<br />

zwei Seelen! Doch nur eine davon wohnt in seiner Brust.<br />

Die andere isst er auf und das auch noch mit Genuss! Kein<br />

Wunder, handelt es sich doch dabei um eine wunderbar<br />

schmeckende, in ihrer Urform aus Dinkelmehl gebackene<br />

und mit Kümmel bestreute oberschwäbische Spezialität.<br />

Ein „Muss“ für jede oberschwäbische Bäckerei, vor allem<br />

hier in Wangen. Der Belag dazu kam früher auch von hier,<br />

hatte doch, neben anderen Käsereien, auch das Adler-<br />

Käsewerk sein Werksgelände direkt am Bahnhof. Bereits<br />

1892 gründeten die Gebrüder Wiedmann dieses Werk als<br />

Käse- und Buttergroßhandlung. Stetig wurde das Sortiment<br />

erweitert: Ab 1896 wurden Weichkäse und Emmentaler<br />

hergestellt. 1922 wurde gar der erste deutsche Schmelzkäse<br />

hier erfunden, die „Adler-Edelcreme“! Dass diese Spezialitäten<br />

auch gerne am Stuttgarter Hof genossen wurden,<br />

beweist die Ernennung der innovativen Unternehmer 1905<br />

zu „königlich württembergischen Hoflieferanten“. Doch<br />

der Käse ging in viele Regionen Europas, schließlich konnte<br />

per Bahn ein großer Markt erschlossen werden. Dieses Beispiel<br />

zeigt: Nicht zuletzt dank der Bahn wurde die Allgäuer<br />

Milchwirtschaft, verbunden mit einer „Vergrünlandung“<br />

des früher stellenweise „blauen“ Allgäus, zur wichtigsten<br />

Säule der hiesigen Landwirtschaft. Doch die Globalisierung<br />

machte auch vor dem Adlerwerk nicht halt. 1989 wurde die<br />

zwischenzeitlich in „Adler Allgäu“ umbenannte Käsefabrik<br />

durch das französische Unternehmen „Bel“ übernommen<br />

und zu „Bel-Adler Allgäu“ umbenannt. 2006 schließlich<br />

musste das Werk schließen. Doch keine Angst! Auch heute<br />

noch können die berühmten Wangener Seelen mit bestem<br />

Allgäuer Käse genossen werden. Zum Beispiel auf der<br />

Westallgäuer Käsestraße.<br />

Übrigens:<br />

Ein für die Bahn weiterer wichtiger Industriezweig war die<br />

Wangener Zellstofffabrik, basierend auf dem Rohstoff Holz.<br />

Doch der Reichtum der früheren Reichsstadt Wangen kam<br />

aus anderen Einnahmequellen.<br />

Eisenbahnnostalgie<br />

Der Bahnhof Wangen war ursprünglich als Endbahnhof<br />

konzipiert. Schließlich war eine „grenzüberschreitende“ Linie<br />

zu Bayern lange Zeit undenkbar, obwohl die Wangener<br />

alles dafür taten. Dafür wurden sie jedoch fast in die Nähe<br />

von Landesverrätern gerückt: „Ein Bezirk, der mit dem<br />

Ausland (=Bayern) konspiriert, geht des Rechtes auf eine<br />

Eisenbahn verlustig“, lautete die Stellungnahme aus Stuttgart.<br />

Als die Beharrlichkeit, manche sagen Dickschädeligkeit,<br />

der Wangener dann 1890 mit dem Weiterbau der Strecke<br />

nach Hergatz schließlich doch noch erfolgreich war, gab<br />

es bei der Umwandlung zum Durchgangsbahnhof erhebliche<br />

technische Probleme: Ein scharfer Knick nach Süden<br />

musste angelegt und die Trasse auf einem riesigen Damm<br />

geführt werden, schließlich war das Tal der Oberen Argen<br />

Argenbrücke bei Wangen<br />

zu queren. Noch heute stecken das 16 m hohe Schüttgerüst<br />

sowie die Leiche eines Wangener Bürgers darin, wie dessen<br />

Mörder auf seinem Totenbett gestanden haben soll. Aufgrund<br />

der eiszeitlichen Kuppenlandschaft musste das hinter<br />

dem Gehrenberg abzweigende Industriegleis zur Zellstofffabrik<br />

ebenfalls auf einem hohen Damm geführt werden.<br />

Heute befindet sich hier ein beliebter Spazierweg, ganz<br />

in der Nähe der Grenze zu Bayern (Landesgrenze Bayern<br />

km 15,57 ab Kißlegg). Der Damm der Hauptstrecke geht<br />

über in die längste Eisenbahnbrücke Oberschwabens, die<br />

hier in 17 m Höhe und auf 117 m Länge die Obere Argen<br />

überspannt. Wie das frühere Ratzenrieder Viadukt über die<br />

Untere Argen, war auch diese Brücke bei Kriegsende von<br />

deutschen Truppen gesprengt worden. Wangen war damit<br />

eisenbahntechnisch einige Zeit lang von der Umwelt abgeschnitten.<br />

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