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Oberschwäbische Seitenblicke - Bodo

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Wolfegg 4<br />

Lebendiges Allroundtalent: Der Weiher<br />

Ein Tag im Spätherbst des Jahres 1723. Schon seit Tagen<br />

fühlt sich Bruder Xaver, Mönch des südlich von Ravensburg<br />

gelegenen Prämonstratenserklosters Weißenau, schlapp<br />

und krank. Schließlich lässt er einen Mitbruder rufen, der<br />

als Medicus des Klosters Erfahrung im Heilen von Krankheiten<br />

hat. Aus einem kleinen Tonbehälter holt dieser einige<br />

längliche kleine Tiere hervor, die er auf die Haut des<br />

Kranken setzt: Blutegel, frisch gefangen aus einem eigens<br />

dafür angelegten, klostereigenen Weiher. So oder so ähnlich<br />

muss man sich eine ärztliche Behandlung zu jener Zeit<br />

vorstellen. Sie zeigt eine wichtige Funktion von Weihern,<br />

aber sicher nicht die einzige.<br />

In der Regel wurden diese Stillgewässer mehrfach genutzt.<br />

So waren vor allem die in ihnen gehaltenen Fische aber<br />

auch Frösche und Wasserschildkröten über Jahrhunderte<br />

hinweg ein gefragtes Luxusgut und Fastenspeise für die<br />

zahlreichen oberschwäbischen Klöster, den wohl wichtigsten<br />

Wissensträgern in Sachen Wasserbau und Weiherwirtschaft.<br />

Wie wichtig diese Klöster waren zeigt der Begriff<br />

„Mönch“, der heute noch für die Wasserablassvorrichtung<br />

von Weihern verwendet wird. Mühlen profitierten von der<br />

Möglichkeit, Wasser in Form von Weihern zu speichern und<br />

kontinuierlich abzugeben, so dass sie selbst in trockeneren<br />

Zeiten mahlen konnten. Auch als Vorratsbehälter für<br />

Brauch- und Löschwasser oder als Bestandteil städtischer<br />

Wehranlagen waren Weiher wertvoll. Daneben hatten Weiher<br />

beim „Rösten“, also Einweichen des Flachses zur Gewinnung<br />

seiner Fasern eine große Bedeutung. Denn Flachs<br />

war zeitweise ein so wichtiges Anbauprodukt, dass man<br />

vom „blauen Allgäu“ sprach, wenngleich das meist mehr<br />

einem subjektiven Farbeindruck als der Größe der Anbaufläche<br />

entsprach.<br />

Mit dem Rückgang des Ansehens des Luxusgutes Fisch im<br />

18. Jh. begann der Niedergang der Weiher. Viele wurden für<br />

immer abgelassen, etliche verlandeten zu Mooren, manche<br />

wurden zu landwirtschaftlichen Nutzflächen umgewandelt.<br />

Die verbliebenen Weiher sind heute beliebte Badeweiher<br />

oder dienen dem Naturschutz – zur Sicherung der Biodiversität,<br />

also der Vielfalt an Arten und Lebensräumen. Allen<br />

Weihern gemeinsam ist ihr wichtigster Unterschied zu<br />

Seen: sie sind menschengemacht. So besitzen die Wörter<br />

„Weiher“ und „Wehr“ gemeinsame Wurzeln, denn mit<br />

Ausnahme des Bibers kann nur der Mensch über die Anlage<br />

eines Wehres Wasser aufstauen, welches er über wasserbauliche<br />

Regelwerke dann nach Bedarf nutzen kann. Ein<br />

Beispiel dafür ist einer der ältesten Weiher Europas: der<br />

Rößler Weiher bei Weingarten, der sein gestautes Wasser<br />

an das „Stille-Bach“-System abgibt.<br />

Im Gegensatz zu den eiszeitlichen oberschwäbischen Seen<br />

weisen also Weiher immer Wehre oder Dämme auf. Ein sicheres<br />

Kennzeichen, denn ansonsten sind sich die beiden<br />

Stillgewässertypen manchmal zum Verwechseln ähnlich!<br />

Dazu kommt, dass es durchaus sein kann, dass ein heutiges<br />

Moor aus einem verlandeten Weiher entstand, der<br />

über einem Vorgängermoor aufgestaut wurde, welches sich<br />

wiederum aus der Verlandung eines eiszeitlich entstandenen<br />

Sees entwickelte. Dass Sie den letzten Satz zweimal<br />

lesen müssen, ist übrigens völlig normal. Er zeigt aber, wie<br />

dynamisch Landschaft sein kann. Und dass Natur auf den<br />

zweiten Blick oft menschengemacht ist ...<br />

Die Möglichkeit, in den eiszeitlichen Mulden auch auf den<br />

Hochflächen von Oberschwaben und dem Westallgäu Weiher<br />

anlegen zu können, war einer der Erfolgsfaktoren für<br />

die Vereinödung. Vereinödung? Diese Geschichte wird auf<br />

der nächsten Seite erzählt ...<br />

Grüner Schwimmer, © Martina Friedl/Pixelio<br />

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