Nr. 4 - Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.v.
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„Beipackzettel“ zum DGPPN-Plakat des BPE 17<br />
(s. Titelseite)<br />
von Kalle Pehe<br />
Glaubt man der veröffentlichten Meinung zu seelischen<br />
Störungen, so können diese heute beherrscht<br />
werden, indem sich Menschen frühzeitig in psychiatrische<br />
Behandlung begeben, rechtzeitig die neuen so<br />
genannten atypischen Neuroleptika einnehmen, die<br />
zwar sehr teuer, dafür aber lediglich geringe (vertretbare)<br />
Nebenwirkungen haben sollen. Demnach haben<br />
wir die Wahl zwischen verschiedenen guten Produkten<br />
und somit die Option zu einer individuell abgestimmten<br />
Basistherapie, die als Schlüssel im Kampf<br />
gegen “schwere Erkrankungen“ gepriesen werden, die<br />
ansonsten unbehandelt Menschen nach und nach<br />
zerstören.<br />
Im BPE organisieren sich Menschen, die in der <strong>Psychiatrie</strong><br />
behandelt wurden und aufgrund schlechter<br />
Erfahrungen nach alternativen Konzept en suchen, z.<br />
T. abseits der <strong>Psychiatrie</strong>n, mit<br />
denen nicht wenige traumatische<br />
Erfahrungen verknüpfen.<br />
Zum Teil streben sie auch Reformen<br />
im Trialog mit psychiatrischen<br />
Institutionen an, deren<br />
Konzept e sich bisher so<br />
oder so nicht überzeugt haben.<br />
Für uns ergibt sich ein anderes<br />
Bild von <strong>Psychiatrie</strong>:<br />
Zu diesem Bild gehören Menschen,<br />
die durch eine langjährige<br />
Neuroleptikabehandlung z.<br />
T. irreversiblen Schaden genommen<br />
haben, die man ihnen<br />
jahrelang als einzigen Weg zur<br />
Beherrschung seelischer Störungen<br />
angepriesen hat. Auf<br />
der anderen Seite gibt es bei<br />
uns inzwischen nicht wenige,<br />
die abseits der Institutionen und<br />
im Widerspruch zu deren Konzepten<br />
eigene, bessere Lösungen<br />
für sich gefunden haben, die nachhaltig und attraktiv<br />
sind, und das spricht sich herum. Selbst wenn es<br />
sich um Ausnahmen von der Regel handelt, so fragen<br />
sich inzwischen viele bei uns, ob sie denn in den psychiatrischen<br />
Institutionen wirklich optimal beraten<br />
werden oder möglicherweise in die „Behandlungsfalle“<br />
geraten, an deren Ende eine dauerhaft geminderte<br />
Lebensqualität und/oder Chronizität als Folge<br />
veralteter Behandlungskonzepte drohen.<br />
Auch fragen sich viele bei uns, welche Gründe es dafür<br />
gibt, dass alternative und erfolgreiche Behandlungsformen<br />
(wie Soteria) seit Jahren so gut wie keine<br />
Chancen bekommen, weil sie nicht in den Mainst reem<br />
passen, der von mächtigen kommerziellen Anbietern<br />
Sponsoren des DGPPN-Kongresses waren:<br />
AstraZeneca GmbH<br />
Bay er Vital GmbH<br />
Biermann Verlag GmbH<br />
Bristol Myers Sqibb<br />
GFI Gesellschaft für medizinische Information mbH<br />
Glax oSmithKline GmbH & Co. KG<br />
Hex al AG<br />
Janssen-Cilag GmbH<br />
Lundbeck GmbH<br />
Lilly Deutschland GmbH<br />
Merz Pharmaceuticals GmbH<br />
Novartis Pharma GmbH<br />
Otsuka Pharma GmbH<br />
Pfizer GmbH<br />
Pfizer / EISAI<br />
S. Karger AG<br />
W. Kohlhammer GmbH<br />
Wyeth<br />
am Gesundheitsmarkt maßgeblich bestimmt und als<br />
besonders fortschrittlich ausgegeben wird. Damit habe<br />
ich den Erfahrungshintergrund skizziert, auf dem das<br />
polemische Plakat für den DGPPN-Kongress entstanden<br />
ist. Die Initiatoren sehen gute Gründe, das veröffentlichte<br />
Bild von seelischen Störungen und deren<br />
Behandlung mit einem dicken FRAGEZEICHEN zu<br />
versehen und insbesondere eine Diskussion über die<br />
Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren einer Behandlungskonzeption<br />
anzustoßen/zu provozieren, in deren<br />
Mittelpunkt der Einsatz von Psychopharmaka steht,<br />
die tief und schwerwiegend in das seelische Erleben<br />
von Menschen eingreifen und ihre Identität massiv<br />
verändern können.<br />
Wir wollen also diese Diskussion und halten sie für<br />
unverzichtbar. Da die we-<br />
nigsten von uns vor einer<br />
entsprechenden Behandlung<br />
über Neuroleptika aufgeklärt<br />
wurden, tragen wir mit unseren<br />
Aktionen lediglich<br />
dazu bei, dass die gesetzliche<br />
Verpflichtung zur Information<br />
der Patienten über<br />
ihre Behandlung endlich<br />
realisiert wird, der die<br />
meisten Behandler heute<br />
immer noch unzureichend<br />
nachkommen. Man kann<br />
deshalb unser T ransparent<br />
als polemischen Beipackzettel<br />
des BPE betrachten,<br />
der den ungebremsten und<br />
oft voreiligen Einsatz von<br />
Neuroleptika gegen alle<br />
möglichen Störungen als<br />
Standardintervention problematisieren<br />
soll.<br />
(…) Ich halte das für eine unserer wichtigen Aufgaben,<br />
da wir ansonsten damit rechnen müssen, dass<br />
eine fehlinformierte Öffentlichkeit billigend in Kauf<br />
nimmt, dass Menschen demnächst ganz selbstverst<br />
ändlich (so wie ein Diabet iker Insulin braucht, diesen<br />
irreführenden Vergleich liest man bei allen Neuroleptika-Anbietern!)<br />
Neuroleptikachips implantiert<br />
werden, und dies als großer technologischer Fortschritt<br />
in der Behandlung von Menschen mit abweichendem<br />
seelischen Erleben gepriesen wird. Davon<br />
unberührt ist die freiwillige Option zur Einnahme solcher<br />
Produkte, wenn ein Mensch keine andere und<br />
bessere Lösung für sich findet. Auch das sollte im<br />
BPE dann akzeptiert werden, meine ich.