Nr. 4 - Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.v.
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teln, besonders auch dem religiösen Wissen aller farbenfrohen<br />
und auch dunklen Religionen. Aber es sind<br />
die Bruchstücke, nicht die verstandenen Zusammenhänge,<br />
die das innere Chaos bewirken. Je mehr Teilwissen<br />
wir haben, desto mehr Splitter haben die<br />
Möglichkeit die seelische Ganzheit zu zerstören.<br />
Allerdings entstehen diese Splitter der seelischen Zer-<br />
störung auch durch das Abbrechen von bisher Halt<br />
gebenden Lebenssituationen wie Scheidung (aus<br />
heiterem Himmel), Arbeitsplatzverlust (über Nacht)<br />
und das Verlassen von Familien aus vielerlei Gründen,<br />
wie Studium, Ausbildung an anderen Orten sowie<br />
andere, neue Lebensabschnitte.<br />
Schatten, die auf unser Leben fallen, sind nichts andere als ein sicheres Zeichen dafür, dass es irgendwo ein<br />
Licht geben muss, das es sich lohnt zu suchen.<br />
Wenn über die ängstigenden Gedanken, die durch<br />
diese Lebens-Meilen-Steinen aus dem Inneren auftauchen,<br />
nicht gesprochen werden kann und wenn es bei<br />
Versuchen zu abweisenden Reaktionen der angesprochenen<br />
Menschen kommt , wird es mit großer Sicherheit<br />
zu Lebenssituationen kommen, die als psychische<br />
Krise, Nervenzusammenbruch oder Ausnahmezust and<br />
beschrieben und bezeichnet werden. In diesen Lebensabschnitten<br />
ist es wichtig die inneren Belastungen, die<br />
belastenden Gedanken nach außen zu bringen<br />
und dort auch Aufnahme, Annahme und Gehör zu<br />
finden. Es ist wichtig Kontakt zu Menschen zu haben.<br />
Menschen, die Verständnis für diese Gefühle haben,<br />
das die Seele und manchmal auch den Körper aus dem<br />
Gleichgewicht bringt . Wenn sie, die angesprochen<br />
Menschen, es verstehen ist es sogar noch einfacher,<br />
denn dann habe sie diese Erfahrungen auch schon<br />
gemacht und bewältigt. Das bedeutet die Empathie,<br />
das Mit-Fühlen-Können, das Einfühlen in den anderen<br />
Menschen.<br />
Es ist gut, mit alten Bäumen zu reden, aber wir sollten es auch öfter mit den Menschen versuchen.<br />
Wenn sie Verständnis haben, können sie Sympathie<br />
entgegenbringen. Das zugewandt sein, verbunden mit<br />
der Achtung des Problems,<br />
das die Unruhe<br />
verursacht und die Bereitschaft<br />
sich einzulassen<br />
ist hilfreich. Wenig hilfreich<br />
dagegen sind<br />
Ratschläge ohne „Nachhalt<br />
igkeit“, z. B.: Ach das<br />
wird schon - Zeit heilt<br />
alle Wunden – Ich hab<br />
das auch überstanden.<br />
Das Wetter ist so schön,<br />
geh’ spazieren, da<br />
kommst du auf andere<br />
Gedanken.<br />
Dadurch wird die Trauer über die momentane soziale<br />
Situation weder verstanden noch zugelassen. Es werden<br />
den Gedanken keine Möglichkeiten zur Veränderung<br />
gegeben. Es wird die Krise nur vertiefen, denn es<br />
gibt kein „aus der Krise kommen“, sondern nur noch<br />
mehr Beweise für die persönliche Unfähigkeit. Es gibt<br />
keine Möglichkeit aus der Krise heraus an Veränderungen<br />
denken zu können. Die Krise soll weg, das<br />
betrachten der Krise wird nicht angestrebt. Wer über<br />
die Krise, die Wirkungen rund um die Krise, vorher<br />
und nachher sprechen und denken möchte, wird daran<br />
gehindert. Er soll einsehen, dass es nicht so ist, wie er<br />
es sieht und er nur dann wieder in die Gesellschaft<br />
entlassen werden kann, wenn er das auch eingesehen<br />
hat. Das Einsehen-müssen ist alles andere als hilfreich.<br />
Ein Mensch in einer Krise oder einer seelischen Ausnahmesituation<br />
muss nichts einsehen. Es ist so, wie er<br />
es empfindet, erlebt und äußert. Für ihn ist es so.<br />
Andere Menschen aus seinem Umfeld müssen, dürfen<br />
und sollten sich das ansehen. Sie müssen, sollten sich<br />
bemühen; ihn und seine<br />
Situation anzusehen. Sie<br />
sollen die Zusammenhänge<br />
so erkennen<br />
wie er sie auch erkennt.<br />
Das heißt nicht, dass sie<br />
auch in seine Krise gehen<br />
müssen (Meistens bekommen<br />
sie eine andere,<br />
ihre eigene). Sie sollen nur<br />
die Situation und die Zusammenhänge<br />
ansehen.<br />
Auswege sollten gemeinsam<br />
auf der Basis der<br />
moment anen Fähigkeit en<br />
der betroffenen Person erarbeitet werden. Erst danach<br />
kommen auch die Fähigkeiten wieder zum Einsatz, die<br />
in der Krise brach lagen. Für die Bewältigung einer<br />
Krise ist es wichtig, dass die Krise auch als Folge von<br />
kränkenden und belastenden Ereignissen ihren Sinn<br />
und ihre Aufgabe hat.<br />
Die Krise ist der Höhepunkt einer Entwicklung. Wenn<br />
der Höhepunkt mit dem Verlust des seelischen<br />
Gleichgewichts, einem absoluten Ausnahmezustand<br />
verbunden ist, soll es die Möglichkeit geben, die kränkenden<br />
Faktoren ansehen und (v)erarbeiten zu können.<br />
Krankengeld bekommt ein Mensch ja auch um an<br />
seiner Genesung zu arbeiten. Sich auf seine Gesundung<br />
zu konzentrieren ist wirklich harte Arbeit! Sie ist<br />
sogar mir Schmerzen an der Seele und manchmal auch<br />
vielen Kopfschmerzen verbunden. Es geht auch um<br />
das bewusste Verlernen von immer so gemachten, aber<br />
nicht gesunden und heilsamen Handlungen.