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eist man lieber nach Mailand oder in<br />
andere Orte, wenn man dort noch Verwandte<br />
oder – im Einzelfall - sogar eine<br />
Wohnung hat. Abschließen mit landesüblichen<br />
Sicherheitsvorkehrungen ist bei den<br />
Holzhäusern nicht möglich; Diebe und<br />
Plünderer werden gefürchtet.<br />
Gabriele, vom handwerklichen Arbeiten<br />
unter freiem Himmel kräftig und braungebrannt,<br />
ist 58 Jahre alt. Das dichte,<br />
graue Haar trägt er praktisch in einem<br />
Schopf zusammengebunden. Ein wahrer<br />
Erzengel scheint er für viele zu sein,<br />
obgleich er kaum die Kirche besucht. Die<br />
Nähe zum Vatikan – ca. eine Autostunde<br />
entfernt – hat eines Tages mächtig sein<br />
Weltbild erschüttert. Da war er extra nach<br />
Rom angereist, um sich eine Statuette<br />
zu kaufen – von seinem Namenspatron,<br />
dem Verkündigungsengel. Meist kennt<br />
man diesen ja nur gemalt. Er wanderte<br />
von Shop zu Shop, um sich schließlich<br />
im Vatikan zu erkundigen: „Gibt es keine<br />
Statuette von Gabriel? Nur vom Drachenkämpfer?<br />
Dem Michael?...“ Einer der<br />
Frommen soll ihn gütig angesehen haben.<br />
Schließlich erklärte man ihm zur Lage:<br />
„Gabriel ist später ja auch dem Mohammed<br />
erschienen….“<br />
So geschah es demnach, dass der Erzengel<br />
Gabriel aus der Mode kam. Aber der<br />
besondere Brunnen in L’Aquila besitzt<br />
99 Mäuler, die einmal Wasser spuckten<br />
– 99 ist auch eine heilige Zahl im Islam,<br />
erklärt Gabriele zähneknirschend und<br />
streicht sich eine vorwitzige Haarsträhne<br />
zurück. Rom und die Abruzzesen mögen<br />
sich nicht wirklich, warum auch immer.<br />
„Dabei gilt der Verkündigungsengel mit<br />
einem Sanctuarium sogar als Heiliger der<br />
Abruzzen…“<br />
Auch der alte Bruno, Gabrieles Vater, hatte<br />
mit 83 Jahren flexibel zu lernen, sich eng<br />
in einer Holzhütte einzurichten. Seine<br />
Frau, krank und ein bisschen dement, wird<br />
liebevoll von ihm behütet. 61 Lebensjahre<br />
ist er schließlich verheiratet. Stolz erzählt<br />
er uns vom Bergbau – als er und seine Frau<br />
neun Jahre in Belgien lebten - seine ‚Madame‘<br />
mit dem Direktor und dem ersten<br />
Ingenieur tanzte - sie für alle wohlschmeckende<br />
Pizza buk, die damals noch kaum<br />
einer kannte. Bruno nimmt uns an einem<br />
Tag im Auto mit, das er noch selbständig<br />
lenkt. Über 30 Kilometer nach L‘Aquila,<br />
um Geld bei der Bank abzuheben. Auf<br />
einem Hügel prangen wieder Berlusconi-<br />
Häuser. Dort wohnt und praktiziert der<br />
‚dottore‘ in Holzwänden in gewohnter<br />
Weise. Auf dem Rückweg biegen wir in<br />
einen schmalen, unbefestigten Weg ab –<br />
wie ein Müllplatz, denken wir. Was mag<br />
Bruno dort abgeben – oder holen? Nein,<br />
der Alte führt uns in eine Kleinstbude -<br />
sein ganz spezielles Lebensmittelgeschäft.<br />
Dort gibt es die besten Salsiccia (Wurst)<br />
von L’Aquila, sagt er und zeigt uns vorzügliche<br />
Käsesorten. Bewaffnet mit viel<br />
zu viel Wurst und verschiedenem Pecorini<br />
(Schafskäse) aus dem nahen Gebirge<br />
machen wir uns auf den Heimweg. Nie<br />
hätten wir als Touristen diesen Laden<br />
gefunden.<br />
In L‘Aquila gibt es Neuerungen am Domplatz.<br />
Holzbuden ermöglichen, dass das<br />
Leben weitergeht. Häkelarbeiten verzieren<br />
Wände und erinnern an die Alte, über<br />
Neunzigjährige, die mit Häkeln das Erdbeben<br />
überlebte. Häkeln scheint zum Motto<br />
geworden. Dieses Jahr steigen zum Jahrestag<br />
309 Luftballons in die Luft für die<br />
Opfer von L‘Aquila, darunter viele junge<br />
Menschen aus einem Studentenheim. Ob<br />
wenigstens die ‚palloncini‘ (Luftballons)<br />
vom Staat finanziert wurden…<br />
Angelika Zöllner<br />
Das „goldene“ Gerüst<br />
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