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Die Straßen von Damaskus<br />

Das arabische Auge sieht mich an. Mit<br />

jedem Lidschlag zeigt es mir eine Moschee,<br />

ein Mosaik, eine Einlegearbeit, ein<br />

Haus mit Innenhof, in seiner Mitte einen<br />

plätschernden Brunnen. Die Muezzine<br />

in Damaskus rufen fünfmal am Tag zum<br />

Gebet und das Auge schließt sich für kurze<br />

Zeit, besinnt sich, um erneut den Blick<br />

auf eine der ältesten bewohnten Stadt der<br />

Welt zu richten.<br />

Das Gefäß aus Perlmutt, aus dem ich<br />

täglich trinke, schimmert wie ein Versprechen.<br />

Der Innenhof legt sich schützend<br />

um mich. Der Brunnen entwirft Formen<br />

und Farben. Sie bereiten mich vor auf die<br />

orientalische Begegnung. Eines der sieben<br />

Tore von Damaskus, das Tor Bab Kissan,<br />

erinnert an Saulus. Wie Schuppen fiel die<br />

Blindheit von seinen Augen. Er wurde<br />

sehend. Ich bin trunken von Licht und<br />

Farbe dieser Stadt.<br />

Ein typisches vornehmes Damaszener<br />

Haus: Es liegt mitten in einem Hain von<br />

Palmen, Zedern und Eukalyptusbäumen,<br />

im Rawda Stadtteil der Ärzte- und Anwaltspraxen.<br />

Direkt am Fuß des Hausberges<br />

Qassiun, an dem die Gebäude der<br />

danebenliegenden Viertel hochklettern<br />

wie Ziegen. Hier steht die Zeit still. Ich<br />

höre keine Schreie der Melonenverkäufer<br />

oder Gemüsehändler, die noch mit zweirädrigen<br />

Karren durch die Straßen ziehen,<br />

höre nicht das metallene Klicken der aneinander<br />

stoßenden Gasflaschen auf den<br />

flinken, ständig hupenden Transportern<br />

oder den Ruf des Trinkwasserverkäufers,<br />

wie er täglich im Stadtteil Jaramana zu<br />

hören ist, wo ich vorübergehend wohne.<br />

Im Rawda Viertel kommt das Trinkwasser<br />

aus einer Quelle des Flusses Barada. Es<br />

ist klar und gekühlt so erfrischend wie<br />

verdünnter Granatapfelsaft. Hinter den<br />

dicken Mauern des Hauses reichen die<br />

Türen bis zur Decke. Durch architektonisch<br />

klug entworfene Luftschächte weht<br />

ständig Kühle. Im Empfangsraum sind<br />

die Sofas und Stühle mit weißen Tüchern<br />

abgedeckt. Ein Zeichen eines längeren<br />

Unbewohntseins. Im Midan Viertel<br />

nebenan, wo eine rege Geschäftstätigkeit<br />

herrscht, wo der Geruch des frisch gerösteten<br />

Kaffees in den Ritzen der Häuser<br />

nistet, laden die vielen nebeneinander lie-<br />

genden Läden in den Straßen zum Kaufen<br />

ein. Doch hier ist es still und ruht sich<br />

gut abseits der Hitze der Mittagsglut. Alte<br />

Ventilatoren erzeugen zusätzliche Kühle.<br />

Ihr Surren verscheucht die Stille. Das alte<br />

Haus ächzt vor Vergangenheit. Das Haus<br />

erzählt Geschichten aus einer Damaszener<br />

Kindheit. Fast so wie Rafik Schami in<br />

seinem Buch „Der Fliegenmelker“:<br />

„Und wenn es uns im Sommer heiß<br />

wurde, so bat er Großmutter höflich, sie<br />

möge frischen Wind machen. Großmutter<br />

klopfte an die Wand und ein alter<br />

Propeller an der Decke zauberte geräuschvoll<br />

eine frische Brise hervor. Großvater<br />

lehnte sich mit geschlossenen Augen<br />

zurück. Göttlich, flüsterte er genussvoll<br />

und schlief ein“.<br />

An der Wand des Empfangsraumes<br />

hängt eine Kalligraphie. Die Worte tönen<br />

bildhaft verschlungen, ähnlich dem Laut<br />

der Marktschreier oder dem Murmeln<br />

der Männerrunden in den Suqs, die auf<br />

Plastikstühlen vor den Geschäften sitzen<br />

und süßen Tee schlürfen. Der Kaffee ist<br />

ebenfalls süß und sehr schwarz. Der Kardamomgeschmack<br />

liegt noch lange auf<br />

der Zunge. Meine Zunge tut sich schwer<br />

mit der arabischen Sprache. Der Gruß<br />

marhaba im Teehaus Noufara hat bereits<br />

lange vor mir Platz genommen. Wenn<br />

die traditionelle Wasserpfeife bereitet<br />

wird, die Kohle glüht und Tabakrauch<br />

durch das reinigende Wasser in die Lunge<br />

strömt, werden unzählige Worte gewechselt.<br />

Manchmal schwimmen Eiswürfel<br />

oder eine Zitronenschale im Wasser. Sie<br />

geben dem Raucher zusätzlichen Genuss.<br />

Wenn das Schweigen sich mit dem würzigen,<br />

kühlen Rauch verzieht, ist wieder das<br />

Reden angebracht. Es herrschte in reges<br />

Kommen und Gehen. Männer mit weißen,<br />

arabischen Gewändern, verschleierte<br />

Frauen, Frauen mit oder ohne Kopftuch,<br />

mit dunkel geschminkten Augen, die ihre<br />

Schönheit unterstreichen, werden zuvorkommend<br />

von den Kellnern und einem<br />

Abu Nara bedient, dem Vater des Feuers.<br />

In einem Gefäß schwenkt er die glühende<br />

Kohle. Immer wieder legt er mit einer<br />

Zange frische Glut in die Tabakbehälter,<br />

streift die Asche mit einer schnellen Bewegung<br />

einfach auf den Boden. Während<br />

er die Zange mit dem Daumen, Zeigefinger<br />

und Mittelfinger hält, spreizt er den<br />

Ringfinger und kleinen Finger, so wie die<br />

sandfarbene Damaszener Taube ihre Flügel.<br />

Sie baut auf dem Fenstersims meines<br />

Schlafzimmers im Haus in Jaramana ihr<br />

Nest. Mit ihrem gebogenen Schnabel legt<br />

sie vorsichtig Halm auf Halm. Ein paar<br />

Tage später liegen Eier im Nest. Auch in<br />

der brütenden Mittagshitze sitzen Taube<br />

und Täuberich abwechselnd im Nest. Das<br />

Schlüpfen der Jungen und ihr Flüggewerden<br />

erlebe ich noch, bevor ich Damaskus<br />

verlasse.<br />

Eine Taube entfernt sich nie mehr<br />

als sieben Steinwürfe von einer Oase,<br />

denn sie muss täglich trinken, sagte der<br />

alte Taxifahrer, der mich ins Zentrum<br />

gefahren hatte. Damaskus ist übervoll<br />

mit vogelgelben Taxis, die ständig hupen.<br />

Sie steuern mit untrüglichem Gespür für<br />

einen Abstand von ein paar Millimetern<br />

durch den mörderischen Verkehr. Auch<br />

bei einer Temperatur von fast vierzig<br />

Grad schwitzen die Fahrer nicht. Ihre<br />

Gebetsketten hängen vom Rückspiegel<br />

oder baumeln vom Lenkrad. Unter dem<br />

Lenkrad gibt es eine Abstellplatte für das<br />

Teeglas, das sie bei einem Blitzaufenthalt<br />

am Straßenrand beim Teehändler schnell<br />

auffüllen.<br />

Sie kennen sich alle, die die Straße<br />

bevölkern, von ihr leben. Der schon von<br />

weitem ausbalancierte Strahl aus der Teekanne<br />

in der Hand des eifrigen Händlers<br />

kommt dem Taxi entgegen. Der Taxifahrer<br />

wirft zugleich ein fünfundzwanzig Lirastück<br />

mit hohem Bogen in die Büchse.<br />

Es ist wie ein Spiel, das schon lange geübt<br />

wurde. Das Straßenchaos hat Methode<br />

und folgt dem Gesetz der Bedürfnisse.<br />

Dieses Gesetz ist unergründlich und man<br />

muss hier leben um es zu verstehen.<br />

Die Palmen nicken unbeugsam von<br />

den alten in die neuen Tage.<br />

Friederike Zelesko<br />

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