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Editorial<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
„Es geht zwischendurch immer wieder ein bisschen besser, aber insgesamt und langfristig<br />
geht es natürlich nur bergab“. Diese Bemerkung eines Wuppertaler Wirtschaftswissenschaftlers<br />
habe ich mir gemerkt, und sie stimmt sicherlich, soweit es unsere Endlichkeit<br />
und unsere Ressourcen betrifft.<br />
Dem gegenüber stehen andere Aspekte – man sieht, wir können andere Aspekte wählen<br />
– wie „Sorge nicht für den morgigen Tag …“, und das ist nicht nur eine religiöse Aussage,<br />
sondern auch eine bodenständige, vernünftige und hilfreiche. Wir haben immer nur<br />
die Gegenwart, die wir zwar auch nur als Projektion erleben, aber nicht so gespenstisch<br />
geträumt wie Vergangenheit und Zukunft.<br />
Und wir haben noch etwas: unser Leben. In dieser Zeit erscheint es mir besonders heftig<br />
zu knospen und zu blühen, es reckt sich auf. Unabhängig von jeder offiziellen Lesart<br />
und von jeder Wirtschaftskrise. Wenn ich über ein paar vergangene Tage blicke, sehe<br />
ich Dutzende von mitreißenden Initiativen und bewegenden Augenblicken – Theater,<br />
Musik, Geschriebenes und Vorgetragenes, eindringliche Gemälde, Stunden, in denen<br />
Menschen in berührenden Augenblicken im gemeinsamen Impuls zusammenkamen;<br />
die Trauerfeier für den polternden Menschenfreund und Kämpfer für behinderte Mitmenschen,<br />
Peter Hansen von der FÄRBEREI, die Vorstellung der neuen, sympathischen<br />
Intendantin, Frank Beckers pfiffige Theaterrezensionen, die von seiner Liebe für die<br />
Theaterszene zeugen, Zellers Gedichte in der City-Kirche; und sehr viel davon in der<br />
heutigen Nummer der BESTEN ZEIT, in der sich, wie sonst nirgendwo, das Wuppertaler<br />
Kulturleben abbildet:<br />
Die unübertroffenen kuratorischen Leistungen des Wuppertaler Museums unter Gerhard<br />
Finckh, der magische Bereich des Skulpturenparks mit seinen Veranstaltungen,<br />
geschaffen von Tony Cragg, die Texte der Wuppertaler Literatinnen Friederike Zelesko<br />
und Angelika Zöllner mit ihrer sinnlich-farbigen Lyrik und ihren poetischen Reisebeschreibungen,<br />
die facettenreichen Rezensionen des unermüdlichen Heiner Bontrup, die<br />
klugen Betrachtungen von Marlene Baum. Ganz wichtig: die gründliche Analyse des<br />
Bankiers Eduard von der Heydt durch Eberhard Illner. Wer bisher nur voreilige Meinungen<br />
über den Banker kannte, findet hier eine Fülle von aufschlussreichen Tatsachen,<br />
gesehen in einer ausgeglichenen Betrachtungsweise.<br />
Dies alles, was uns hier in Fülle entgegen tritt, lehrt mich, dass das Leben mehr ist als<br />
unsere Ansichten darüber.<br />
Was sich hier abbildet, schwingt ein in den Impuls, der zurzeit die Stadt bewegt,<br />
nämlich, sich zu bewegen und zu zeigen, dass die Lebenskraft der Bürger, die nicht nur<br />
die Schwebebahn bauten, sondern auch einen Ort mächtiger religiöser, aufklärerischer,<br />
künstlerischer und sozialer Impulse, sich immer neue Wege sucht; ja, dass eine neue<br />
Jugend und hellwache Zuzügler hinzugekommen sind, die unserer Stadt immer wieder<br />
ein neues Gesicht geben werden. Die Aufgaben von heute heißen, der Stadt ein lebendiges<br />
Theater- und Kulturleben zu erhalten und es zu bejahen. Das Theater wird immer<br />
das Herz einer Stadt bleiben.<br />
Wacher sind wir geworden für die Einbeziehung von Einwanderern, Behinderten und<br />
Senioren. Da ist noch viel zu tun, aber es ist eine stolze Aufgabe, die denen Kraft gibt,<br />
die sich ihr widmen. Dies wird geschehen, weil die Menschen leben wollen, genau, wie<br />
sie es nach 1945 wollten, als sie inmitten ihrer Trümmerhaufen wieder in die Sonne<br />
blinzelten.<br />
Ihnen wünsche ich einstweilen viel Vergnügen bei der Lektüre von DIE BESTE ZEIT,<br />
es lohnt sich.<br />
Ihr Karl Otto Mühl<br />
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