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DIE BESTE ZEIT<br />
Das Magazin für Lebensart<br />
Wuppertal und Bergisches Land<br />
Ausgabe 21, 2013 - 3,50 Euro<br />
Himmel auf Erden<br />
Sammlung Von der Heydt-Museum<br />
Wuppertal hat ein Buch<br />
Biografie des Eduard von der Heydt<br />
Der Stoff aus dem die Träume sind<br />
Kostümabteilung der Wuppertaler Bühnen<br />
Die Bildhauer<br />
der Düsseldorfer Kunstakademie seit 1945<br />
Wenn die Fahnen flackern…<br />
Der Sprachkosmos der Herta Müller<br />
Wolfgang Tillmans<br />
Ausstellung im K21 Ständehaus Düsseldorf<br />
Besuch der alten Dame<br />
Premiere im Teo Otto-Theater<br />
Dichterlesung<br />
Text von Friederike Zelesko<br />
Dugi Otok<br />
Dalmatien nach demKrieg<br />
ISSN 18695205<br />
1
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„Ihre Gefühle waren und sind einzigartig.<br />
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2<br />
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Editorial<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
„Es geht zwischendurch immer wieder ein bisschen besser, aber insgesamt und langfristig<br />
geht es natürlich nur bergab“. Diese Bemerkung eines Wuppertaler Wirtschaftswissenschaftlers<br />
habe ich mir gemerkt, und sie stimmt sicherlich, soweit es unsere Endlichkeit<br />
und unsere Ressourcen betrifft.<br />
Dem gegenüber stehen andere Aspekte – man sieht, wir können andere Aspekte wählen<br />
– wie „Sorge nicht für den morgigen Tag …“, und das ist nicht nur eine religiöse Aussage,<br />
sondern auch eine bodenständige, vernünftige und hilfreiche. Wir haben immer nur<br />
die Gegenwart, die wir zwar auch nur als Projektion erleben, aber nicht so gespenstisch<br />
geträumt wie Vergangenheit und Zukunft.<br />
Und wir haben noch etwas: unser Leben. In dieser Zeit erscheint es mir besonders heftig<br />
zu knospen und zu blühen, es reckt sich auf. Unabhängig von jeder offiziellen Lesart<br />
und von jeder Wirtschaftskrise. Wenn ich über ein paar vergangene Tage blicke, sehe<br />
ich Dutzende von mitreißenden Initiativen und bewegenden Augenblicken – Theater,<br />
Musik, Geschriebenes und Vorgetragenes, eindringliche Gemälde, Stunden, in denen<br />
Menschen in berührenden Augenblicken im gemeinsamen Impuls zusammenkamen;<br />
die Trauerfeier für den polternden Menschenfreund und Kämpfer für behinderte Mitmenschen,<br />
Peter Hansen von der FÄRBEREI, die Vorstellung der neuen, sympathischen<br />
Intendantin, Frank Beckers pfiffige Theaterrezensionen, die von seiner Liebe für die<br />
Theaterszene zeugen, Zellers Gedichte in der City-Kirche; und sehr viel davon in der<br />
heutigen Nummer der BESTEN ZEIT, in der sich, wie sonst nirgendwo, das Wuppertaler<br />
Kulturleben abbildet:<br />
Die unübertroffenen kuratorischen Leistungen des Wuppertaler Museums unter Gerhard<br />
Finckh, der magische Bereich des Skulpturenparks mit seinen Veranstaltungen,<br />
geschaffen von Tony Cragg, die Texte der Wuppertaler Literatinnen Friederike Zelesko<br />
und Angelika Zöllner mit ihrer sinnlich-farbigen Lyrik und ihren poetischen Reisebeschreibungen,<br />
die facettenreichen Rezensionen des unermüdlichen Heiner Bontrup, die<br />
klugen Betrachtungen von Marlene Baum. Ganz wichtig: die gründliche Analyse des<br />
Bankiers Eduard von der Heydt durch Eberhard Illner. Wer bisher nur voreilige Meinungen<br />
über den Banker kannte, findet hier eine Fülle von aufschlussreichen Tatsachen,<br />
gesehen in einer ausgeglichenen Betrachtungsweise.<br />
Dies alles, was uns hier in Fülle entgegen tritt, lehrt mich, dass das Leben mehr ist als<br />
unsere Ansichten darüber.<br />
Was sich hier abbildet, schwingt ein in den Impuls, der zurzeit die Stadt bewegt,<br />
nämlich, sich zu bewegen und zu zeigen, dass die Lebenskraft der Bürger, die nicht nur<br />
die Schwebebahn bauten, sondern auch einen Ort mächtiger religiöser, aufklärerischer,<br />
künstlerischer und sozialer Impulse, sich immer neue Wege sucht; ja, dass eine neue<br />
Jugend und hellwache Zuzügler hinzugekommen sind, die unserer Stadt immer wieder<br />
ein neues Gesicht geben werden. Die Aufgaben von heute heißen, der Stadt ein lebendiges<br />
Theater- und Kulturleben zu erhalten und es zu bejahen. Das Theater wird immer<br />
das Herz einer Stadt bleiben.<br />
Wacher sind wir geworden für die Einbeziehung von Einwanderern, Behinderten und<br />
Senioren. Da ist noch viel zu tun, aber es ist eine stolze Aufgabe, die denen Kraft gibt,<br />
die sich ihr widmen. Dies wird geschehen, weil die Menschen leben wollen, genau, wie<br />
sie es nach 1945 wollten, als sie inmitten ihrer Trümmerhaufen wieder in die Sonne<br />
blinzelten.<br />
Ihnen wünsche ich einstweilen viel Vergnügen bei der Lektüre von DIE BESTE ZEIT,<br />
es lohnt sich.<br />
Ihr Karl Otto Mühl<br />
3
Mit neuem Wind in die Zukunft:<br />
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Telefon: +49 (0) 202 2 80 96-0<br />
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Impressum<br />
Die Beste Zeit erscheint in Wuppertal und im Bergischen Land<br />
Erscheinungsweise: alle zwei Monate<br />
Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal - Die beste Zeit<br />
Friedrich-Engels-Allee 122, 42285 Wuppertal<br />
Telefon 02 02 - 28 10 40, E-Mail: verlag@hpnackekg.de<br />
V. i. S. d. P.: HansPeter <strong>Nacke</strong><br />
Ständige redaktionelle Mitarbeit: Frank Becker, Thomas Hirsch,<br />
Matthias Dohmen, Susanne Schäfer<br />
Darüber hinaus immer wieder Beiträge von: Marlene Baum,<br />
Heiner Bontrup, Antonia Dinnebiert, Beate Eickhoff, Fritz Gerwinn,<br />
Klaus Göntzsche, Johannes Vesper und weiteren Autoren<br />
Erfüllungsort und Gerichtsstand Wuppertal<br />
Nachdruck - auch auszugsweise - von Beiträgen innerhalb der gesetzl.<br />
Schutzfrist nur mit der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages.<br />
Gastbeiträge durch Autoren spiegeln nicht immer die Meinung des<br />
Verlages und der Herausgeber wider. Für den Inhalt dieser Beiträge<br />
zeichnen die jeweiligen Autoren verantwortlich.<br />
Kürzungen bzw. Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend, liegen<br />
im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Beiträge kann<br />
keine Gewähr übernommen werden.<br />
Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer oder<br />
Unterlassungen keine Haftung übernommen.<br />
Bildnachweise/Textquellen sind unter den Beiträgen vermerkt.<br />
Abbildung Cover, Ausschnitt: Wassily Kandinsky, Riegsee –<br />
Dorfkirche, um 1908, Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />
The art of tool making<br />
4
Inhalt<br />
Ausgabe 21, 5. Jahrgang, Juni 2013<br />
Ausstellung Himmel auf Erden<br />
Im Von der Heydt-Museum. Auszug aus der<br />
Eröffnungsrede von Dr. Gerhard Finckh Seite 6<br />
Die Sammlung<br />
Ausstellung Himmel auf Erden<br />
von Frank Becker Seite 8<br />
Wuppertal hat ein Buch<br />
Biografi e des Eduard von der Heydt<br />
von Marlene Baum Seite 10<br />
Sie wuppen das<br />
die neue Schauspiel-Intendantin Susanne<br />
Abbrederis, von Klaus Göntzsche Seite 17<br />
Don Quichotte in Wuppertal<br />
Oper von Jules Massenet im Wuppertaler<br />
Opernhaus, von Fritz Gerwinn Seite 19<br />
Der Stoff, aus dem die Träume sind<br />
In der Kostümabteilung der Wuppertaler<br />
Bühnen, von Marlene Baum Seite 23<br />
Die Bildhauer<br />
An der Düsseldorfer Kunstakademie tätige<br />
Bildhauer seit 1945. K20 Grabbeplatz Seite 28<br />
Sardinen, Sex und sieben Türen<br />
Boulevardkomödie im TiC-Theater,<br />
von Frank Becker Seite 34<br />
Wenn die Fahnen flackern…<br />
Expediton in den Sprachkosmos der Herta<br />
Müller, von Heiner Bontrup Seite 36<br />
Klänge aus einer anderen Welt<br />
Auftakt der Musikreihe KlangArt im<br />
Skulpturenpark, von Heiner Bontrup Seite 38<br />
Wolfgang Tillmans<br />
Ich mache Bilder, um die Welt zu erkennen<br />
Ausstellung im K21 Ständehaus Düsseldorf Seite 41<br />
Der Besuch der alten Dame<br />
Premiere im Remscheider Teo Otto-Theater<br />
von Frank Becker Seite 45<br />
From Bobby Sox to Stockings<br />
„Hairspray“ im Wuppertaler TiC-Theater<br />
von Frank Becker Seite 51<br />
Im Garten… arbeiten wie der Vogel singt<br />
Ausstellung Werner Schriefers<br />
von Rolf Jessewitsch Seite 53<br />
Dugi Otok<br />
Dalmatien 18 Jahre nach dem<br />
Jugoslawischen Krieg, von Heiner Bontrup Seite 57<br />
Haus- und Nutztiere<br />
von Marianne Ullmann Seite 61<br />
Auf Tuchfühlung mit Mode, Stoff und Stil<br />
in Schloss Lüntenbeck von Stephanie Schäfer Seite 63<br />
Das Leben geht weiter<br />
In den Abruzzen vier Jahre nach dem<br />
Erdbeben, von Angelika Zöllner Seite 66<br />
Unternehmer in Sachen Dienstleistung<br />
Culinaria-Chef Wolfgang vom Hagen<br />
von Joachim Krug Seite 69<br />
Enno der Älteste…<br />
… und die scheidenden Intendanten<br />
von Klaus Göntzsche Seite 71<br />
Die neue Historische Stadthalle<br />
Wiederbelebung durch Will Baltzer<br />
von Joachim Krug Seite 73<br />
Paragraphenreiter<br />
Interessantes zu den Themen Steuern und<br />
Recht, von Susanne Schäfer Seite 76<br />
Neue Kunstbücher<br />
Monographien zur Malerei<br />
vorgestellt von Thomas Hirsch Seite 78<br />
Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />
vorgestellt von Matthias Dohmen Seite 80<br />
Dichterlesung<br />
Die Straßen von Damaskus<br />
Texte von Friederike Zelesko Seite 48<br />
Kulturnotizen<br />
Kulturveranstaltungen in der Region Seite 81<br />
5
Die Sammlung - Himmel auf Erden<br />
Auszug aus der Eröffnungsrede<br />
zur neuen Sammlungspräsentation<br />
Dr. Gerhard Finckh<br />
Wenn ich auf unsere großen Ausstellungen<br />
angesprochen werde, heißt<br />
es meistens: „Sie haben ja großartige<br />
Leihgaben aus aller Welt nach<br />
Wuppertal geholt – aber – kleine<br />
Kunstpause – Sie haben mit Ihrer<br />
Sammlung ja auch etwas anzubieten!“<br />
Stimmt, kann ich dazu sagen, meine<br />
Damen und Herren, aber ist unsere<br />
so wunderbar reiche Sammlung<br />
wirklich nur eine Verfügungsmasse,<br />
die zu Gegenleihgaben taugt? Was ist<br />
unsere Sammlung denn dann, wenn<br />
nicht ein Tauschobjekt?<br />
Ich verstehe unsere Sammlung als das<br />
„ästhetische Archiv“ der Stadt Wuppertal.<br />
Es gibt hier ein Stadtarchiv, in dem die<br />
Urkunden, Akten, Strafzettel, etc., also<br />
die Papier gewordene Geschichte und<br />
die Geschichten dieser Stadt aufbewahrt<br />
werden, es gibt das Historische Zentrum,<br />
in dem etwas von dieser Geschichte der<br />
Städte an der Wupper erzählt wird, und<br />
es gibt natürlich auch die berühmten und<br />
auch die weniger bekannten, die herausragenden<br />
und die weniger schönen Gebäude,<br />
die diese Stadt prägen und von einstigem<br />
Glanz zeugen. Aber das, was die Bürger<br />
dieser Stadt im Hinblick auf Schönheit<br />
6
und Bedeutung, auf Ästhetik und Relevanz,<br />
gesammelt und zusammengetragen<br />
haben, davon befindet sich ein großer Teil<br />
in der Sammlung des Von der Heydt-<br />
Museums.<br />
Diese Sammlung umfasst ungefähr 3000<br />
Gemälde, 500 Skulpturen und Objekte,<br />
rund 30.000 Werke auf Papier, dazu kostbare<br />
Stoffe, Fotografien und rare kunstgewerbliche<br />
Objekte. Und diese Sammlung<br />
wächst und wächst. Selbst in diesen Zeiten,<br />
in welchen die Stadt Wuppertal finanziell<br />
äußerst schlecht gestellt ist, wächst die<br />
Sammlung des Von der Heydt-Museums<br />
langsam, aber stetig weiter.<br />
Aus der Von der Heydt-Stiftung fließen<br />
noch immer Erträge, so dass wir 2012 die<br />
Werke von Karl Röhrig kaufen konnten.<br />
Die Renate und Eberhard-Robke-Stiftung<br />
hat in den vergangenen Jahren u.a.<br />
bedeutende Werke von K.H. Hödicke,<br />
Joseph Marioni, Per Kirkeby, Tamara K.E.,<br />
Cornelius Völker, Günter Weseler für das<br />
Museum angekauft, und dazu kommen<br />
immer wieder auch neue Stiftungen und<br />
Schenkungen.<br />
Das Ehepaar Ruth und Dr. Wolfgang Heinrich<br />
Lohmann hat 2005/06 eine grandiose<br />
Graphiksammlung dem Von der Heydt-<br />
Museum überlassen, Tony Cragg hat dem<br />
Museum sein gesamtes bisheriges graphisches<br />
Oeuvre geschenkt, aus dem Nachlass<br />
Zempelin haben wir u.a. Werke von E. L.<br />
Kirchner und K. O. Götz erhalten und<br />
immer wieder gibt es solche Schenkungen.<br />
Viele der Persönlichkeiten, die das Museum<br />
so unterstützen, wollen ungenannt bleiben.<br />
Man kann sagen, unsere Sammlung wächst<br />
stetig und so sehr, dass das Museum aus<br />
allen Nähten platzt. Schon vor einigen<br />
Jahren haben wir deshalb, um unsere viel zu<br />
kleinen Depots zu entlasten, den Tresor der<br />
ehemaligen Landeszentralbank angemietet,<br />
wo ein Teil unserer Schätze jetzt lagert.<br />
Aber was, außer sie zu lagern und gelegentlich<br />
zu verleihen, tut das Museum<br />
denn eigentlich mit diesen Kostbarkeiten?<br />
Diese Kunstwerke dürfen doch nicht nur<br />
als Tauschobjekt zur Herstellung großer<br />
Sonderausstellungen dienen!<br />
Zunächst geht es natürlich darum, die<br />
Dinge, die wir schon länger haben oder gerade<br />
eben erst erhalten, möglichst genau zu<br />
bestimmen. Wir wollen wissen, womit wir<br />
es zu tun haben. Da meine Mitarbeiter und<br />
ich keine Spezialisten für afrikanische oder<br />
fernöstliche Kunst sind, bitten wir Experten<br />
auf diesen Gebieten um ihre Expertise.<br />
Natürlich fragen wir die Experten auch,<br />
wie wir diese Objekte am besten lagern, bei<br />
welcher Luftfeuchtigkeit, bei welchen Temperaturen,<br />
ob man einen Stoff besser klein<br />
zusammenfaltet, aufrollt oder einfach flach<br />
und vor Licht geschützt liegend aufbewahrt.<br />
Unsere Restauratoren überwachen diese<br />
Lagerung auf das penibelste und sprechen<br />
auch dann, wenn ein Objekt gezeigt oder<br />
verliehen werden soll, ein gewichtiges Wort<br />
mit.<br />
Wir recherchieren in der Literatur (- und<br />
wir haben immerhin eine Bibliothek von<br />
100.000 Bänden -) die Zusammenhänge,<br />
in welche diese Objekte gehören und versuchen<br />
diese Geschichte und Geschichten<br />
um die Werke dann an das Publikum zu<br />
vermitteln. Wir wollen die Schätze, die wir<br />
verwalten, für alle so zugänglich machen,<br />
dass Sie die Geschichte oder auch das, was<br />
wir so ungenau als „Kunst“ bezeichnen,<br />
erfahren können, dass Sie den Sinn und<br />
Wert dieser Objekte in vollem Umfang begreifen<br />
und sich daran erfreuen und wenn<br />
Sie wollen, auch etwas daraus lernen.<br />
Wir veröffentlichen daher, soweit möglich,<br />
unsere Erkenntnisse in Katalogbeiträgen<br />
oder eigenen Publikationen, und wir versuchen<br />
auch, unser Wissen z. B. in Vorträgen<br />
und Führungen, weiterzugeben.<br />
Wir betrachten diese Sammlung also<br />
keineswegs als Tauschobjekt, sondern wir<br />
versuchen, anhand dieser Kunstwerke<br />
erfahrbar zu machen, was – neben den Geschichten,<br />
die im Historischen Zentrum,<br />
im Stadtarchiv und im gebauten Stadtbild<br />
zu finden sind – , in unserer Sammlung an<br />
ästhetischen Wahrnehmungen und gleichzeitig<br />
an historischer Bedeutung steckt.<br />
Die Sammlung des Von der Heydt-Museums<br />
ist anders strukturiert als die der Alten<br />
Pinakothek in München oder des Louvre<br />
in Paris oder des Prado in Madrid, die<br />
von höfischen Interessen, von prunkvoller<br />
Repräsentanz und vom Geldbeutel der<br />
Landesherren und Regierenden zeugen.<br />
Die Sammlung des Von der Heydt-Museums<br />
ist vielmehr eine Sammlung, die aus<br />
dem Bürgertum dieser Stadt hervorgegangen<br />
ist, eine durch und durch „bürgerliche<br />
Sammlung“, eine Sammlung von Bürgern<br />
für Bürger, und wir bemühen uns, dem<br />
damit verbundenen Auftrag, diese Sammlung<br />
auch erlebbar zu machen, gerecht zu<br />
werden.<br />
Von der Heydt-Museum<br />
Turmhof 8, 42103 Wuppertal<br />
Telefon 0202-563-6231<br />
Öffnungszeiten:<br />
Di – So 11 bis 18 Uhr,<br />
Do von 11 bis 20 Uhr geöffnet.<br />
www.von-der-heydt-museum.de<br />
George Segal, Ruth in der Küche, 1964<br />
© VG Bild-Kunst, 2013<br />
7
Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />
noch bis 1. September<br />
Christian Schad, Halbakt, 1929<br />
© Christian Schad Stiftung, Aschaffenburg<br />
/VG Bild-Kunst, 2013<br />
Die Sammlung<br />
„Himmel auf Erden“ ist ein mit Verve<br />
und Augenzwinkern - jedoch keineswegs<br />
übertrieben - gewählter Titel für<br />
die aktuelle Ausstellung mit kostbaren<br />
und berückenden Bildern und Skulpturen<br />
der Moderne aus dem Bestand des<br />
Wuppertaler Von der Heydt-Museums,<br />
die am 14. April in den nach der großen<br />
Rubens-Ausstellung völlig neu gestalteten<br />
Räumen eröffnet wurde. Bis zum<br />
1. September sind im Obergeschoß<br />
des Hauses im Elberfelder Zentrum in<br />
reicher Auswahl Meisterwerke der Kunst<br />
des 20. und 21. Jahrhunderts aus der<br />
Sammlung des ausgezeichnet sortierten<br />
Museums zu sehen. Neben hervorragenden<br />
Werken des Expressionismus<br />
von unter anderem Franz Marc, August<br />
Macke, Wassily Kandinsky, Edvard<br />
Munch, Ernst Ludwig Kirchner, Kees<br />
van Dongen, Max Beckmann und Otto<br />
Dix deckt die Präsentation die ganze<br />
Bandbreite moderner Malerei und<br />
Skulptur ab. Christian Schads „Halbakt“<br />
8
Ernst Wilhelm Nay, Chromatische Figuren, 1947 © E. Nay Scheibler, Köln<br />
Karl Hartung, Vogelform, 1935<br />
von 1929, Carl Grossbergs „Brücke über<br />
die Schwarzbachstraße“ und Franz Radziwills<br />
„Wilhelmshaven“ repräsentieren<br />
eindrucksvoll die Zwanziger Jahre des<br />
vergangenen Jahrhunderts.<br />
Einen der Schwerpunkte hat die Präsentation<br />
in Werken des Informel, des<br />
Konstruktivismus und der Farbmalerei.<br />
Glanzlichter des 20. Jahrhunderts von<br />
Paul Klee, Walter Dexel, Per Kirkeby,<br />
Sean Scully und Kuno Gonschior bis<br />
Leon Polk Smith, Jan Schoonhoven,<br />
Günther Uecker, Karl Otto Götz und<br />
Lucio Fontana sind zu sehen. Viel Raum<br />
im weiten, lichten Shed-Saal wird zudem<br />
auch jüngsten Neuerwerbungen gegeben,<br />
zu denen Arbeiten unter anderem von<br />
Cornelius Völker, Katharina Schilling,<br />
Bettina Pousttchi, Jan Albers, Daniel<br />
Lergon oder Brad Downey gehören. Ein<br />
aufregendes Bonbon ist das bewegte Objekt<br />
„New Species“ von Günter Weseler,<br />
dessen Aufbau der 83-jährige Künstler<br />
selbst vorgenommen hat.<br />
Auch in letzter Zeit selten gezeigte Stücke<br />
aus der reichen Skulpturensammlung<br />
des Museums, darunter Arbeiten von<br />
Alexander Archipenko (Schreitende),<br />
Germaine Richier (Gottesanbeterin),<br />
George Segal (Ruth am Küchentisch),<br />
Horst Antes (Große mit Vogel), Jacques<br />
Lipchitz (Hagar in der Wüste III), Rudolf<br />
Belling (Kopf in Mahagoni), Karl Hartung<br />
(Vogelform) und Aristide Maillol (Torso<br />
Ile de France) wurden aus dem Dunkel der<br />
Magazine befreit und großzügig in einem<br />
eigenen Raum arrangiert sowie teils in<br />
Vitrinen in die Ausstellung integriert.<br />
Frank Becker<br />
9
10<br />
Eduard von der Heydt als „Buddha vom<br />
Monte Verità“ am Lido di Ascona um 1928
„Eduard von der Heydt. Kunstsammler,<br />
Bankier, Mäzen“ heißt<br />
die erste umfassende Biografie,<br />
die Eberhard Illner, Leiter des<br />
Historischen Zentrums der Stadt<br />
Wuppertal sowie des Stadtarchivs<br />
über den umstrittenen Wuppertaler<br />
Freiherrn vorgelegt hat.<br />
Eduard von der Heydt und „sein Kaiser“,<br />
Zandvoort 1933 (Foto: Erich Salomon)<br />
Der Kaiser und seine Familie haben von der<br />
Heydt von Doorn aus häufig im MULURU<br />
besucht. Von der Heydt war rechtskonservativ<br />
und kaisertreu.<br />
Wuppertal hat ein Buch!<br />
Um es vorweg zu nehmen – es ist keine<br />
leichte Aufgabe, ein Werk vorzustellen,<br />
das eine solche Fülle an Informationen<br />
und Bildmaterialien bereithält, – eben<br />
deshalb ist es eine unbedingt lesenswerte<br />
Bereicherung, ja, man darf sagen: Wuppertal<br />
hat ein Buch!<br />
„Eduard von der Heydt war weder Held<br />
noch Schurke, weder Täter noch Opfer,<br />
weder ‚Finanzier des Kaisers’ noch<br />
‚Nazibaron’, eher gewiefter Bankier,<br />
generöser Stifter und sicherheitsbedachter<br />
Stratege im Foyer der Macht“ heißt es<br />
im Vorwort des Herausgebers, der damit<br />
an noch immer grassierende Vorurteile<br />
und Verurteilungen anknüpft. Bisherige<br />
Veröffentlichungen zu von der Heydt<br />
konnten seiner Persönlichkeit nicht<br />
gerecht werden. Illner schreibt dazu: „(...)<br />
ein biografisches Puzzle ergibt noch kein<br />
abgewogenes Ganzes.“ Zu dicht sind<br />
die politischen, gesellschaftlichen und<br />
persönlichen Ereignisse, zu schillernd<br />
die Charakterzüge der Persönlichkeit des<br />
Barons. In dem nun vorliegenden Werk<br />
beleuchten vier Autoren aus unterschiedlichen<br />
Perspektiven dieses überreiche,<br />
zuweilen abenteuerliche und von Brüchen<br />
und Schicksalsschlägen geprägte Leben.<br />
Eduard von der Heydt (1882-1964),<br />
Sohn des Wuppertaler Bankiers August<br />
von der Heydt und seiner Frau Selma,<br />
war promovierter Nationalökonom,<br />
Bankier und Kunstsammler mit drei<br />
Staatsbürgerschaften und mehreren Domizilen<br />
in verschiedenen Ländern. Seine<br />
umfassenden Sammlungen hat er nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg an das Museum<br />
Rietberg in Zürich (außereuropäische<br />
Kunst), an den Kanton Tessin und an das<br />
Von der Heydt-Museum in Wuppertal<br />
(europäische Kunst) vermacht. 1952<br />
ernannte ihn die Stadt Wuppertal zu<br />
ihrem Ehrenbürger. Der 1950 ausgelobte<br />
„Kulturpreis der Stadt Wuppertal“ wurde<br />
11
Eduard von der Heydt trifft die afrikanische<br />
Oberkriegerin Gumma im Zoologischen<br />
Garten Elberfeld, Juli 1897<br />
Das Bild ist anlässlich einer der um die<br />
Jahrhundertwende beliebten Völkerschauen<br />
entstanden. Auf der Rückseite der Fotografie<br />
hat der junge Eduard von der Heydt<br />
den Namen und den Rang der Kriegerin<br />
festgehalten, was seinen Respekt gegenüber<br />
fremden Kulturen bezeugt. Er hat die<br />
Stammesangehörigen als Personen und<br />
nicht als Ausstellungsobjekte wahrgenommen.<br />
zweimal umbenannt, erst 1957 in „Eduard<br />
von der Heydt-Kulturpreis“, dann<br />
2007, in „Von der Heydt Kulturpreis<br />
der Stadt Wuppertal.“ Der Grund waren<br />
anhaltende Diskussionen um Vorwürfe<br />
wegen Verstrickungen des Barons während<br />
der Zeit des Nationalsozialismus.<br />
Trotz einer öffentlichen Veranstaltung, in<br />
deren Verlauf wissenschaftlich nachgewiesen<br />
werden konnte, dass von der Heydt<br />
allenfalls Opportunist war, kam es zur<br />
Umbenennung des Preises unter Verzicht<br />
auf den Vornamen des Mäzens. Eberhard<br />
Illner, der diese Veranstaltung 2006<br />
vorbereitet hat, ließen die offenen Fragen<br />
nicht ruhen.<br />
Mit dem vorliegenden Buch zieht der<br />
Herausgeber „Zwischenbilanz“: Er und<br />
sein Team sehen Eduard von der Heydt<br />
aus verschiedenen Perspektiven, jedoch<br />
stets vor dem Hintergrund der jeweiligen<br />
zeitgeschichtlichen Situationen. Zahlreiche<br />
sorgfältig recherchierte Quellen und<br />
Dokumente, die hier zum ersten Mal vorgestellt<br />
werden, ermöglichen dem Leser,<br />
sich selbst ein umfassendes Bild zu machen,<br />
und zwar, wie Illner ausdrücklich<br />
sagt, ohne Stellungnahme der Autoren<br />
und „ohne jene Zweifel zu unterschlagen,<br />
die aufgrund von Quellenlücken (...)<br />
wohl auch in Zukunft bleiben werden.“<br />
Diese Biografie ist auch deshalb ein Neu-<br />
Eduard von der Heydt bereit zum Feldeinsatz,<br />
vermutlich August 1914<br />
Von der Heydt war Rittmeiser des Ulanen-<br />
Regimentes in Potsdam und wurde 1915<br />
in Frankreich schwer verwundet. Seine<br />
Kameraden und das Kaiserpaar nannten<br />
ihn „Barönchen“, vermutlich wegen seiner<br />
Körpergröße.<br />
12
Eduard von der Heydt vor dem Bild<br />
„Stehender weiblicher Akt“ von Maria<br />
Blanchard, um 1935<br />
Heike Ising-Alms weist in ihrem Beitrag<br />
darauf hin, dass von der Heydt ein Faible<br />
für Frauenbildnisse hatte.<br />
ansatz, weil die spannende Verkettung von<br />
Kunstsammlung und deren Finanzierung<br />
während der Zeit des Nationalsozialismus<br />
aufgeschlüsselt wird. Dazu heiß es im Beitrag<br />
von Michael Wilde: „Die Verbindung<br />
von Kunst und Kapital, die Selbstinszenierung<br />
als Bankier und Sammler in einer<br />
Person, begründeten sein hohes Ansehen<br />
in der Kunstwelt, bei Museen, Galerien<br />
und in der Wissenschaft.“<br />
Eberhard Illner als Historiker und<br />
Archivar und Michael Wilde als Bankdirektor<br />
und Nationalökonom besorgen<br />
die Biografie und das geschäftliche<br />
Wirken des Bankiers von der Heydt vor<br />
dem politischen Hintergrund; Heike<br />
Ising-Alms, Kuratorin am Historischen<br />
Zentrum Wuppertal und Esther Tisa<br />
Francini als Provenienzforscherin am<br />
Museum Rietberg in Zürich widmen<br />
sich der europäischen und der außereuropäischen<br />
Kunstsammlung. Mit<br />
welchem Teil auch immer man die<br />
Lektüre beginnt – man ist unmittelbar<br />
gefesselt von der Persönlichkeit Eduard<br />
von der Heydts, einem Weltbürger, der<br />
ein Grenzgänger war zwischen verschiedenen<br />
gesellschaftlichen, politischen,<br />
religiösen, philosophischen und künstlerischen<br />
Disziplinen, der vier Epochen<br />
Zeitgeschichte durchlebt hat, als Bankier<br />
mehrfach neu beginnen musste und ein<br />
raffiniertes „Firmengeflecht“ entwickelte,<br />
um sein Lebenswerk zu verwirklichen:<br />
den Aufbau einer Kunstsammlung, die<br />
ihresgleichen sucht.<br />
Einige wenige Beispiele aus dem Buch<br />
mögen dies veranschaulichen.<br />
Zum Ethos des Großbürgertums, dem die<br />
Familie zugehörte, zitiert Eberhard Illner<br />
im ersten Kapitel aus der Gratulation des<br />
Vaters August von der Heydt anlässlich<br />
des 21. Geburtstages zur Volljährigkeit<br />
des Sohnes: „ (...) was ich als Freund<br />
von Dir erwarte, was Deine Familie von<br />
Dir fordert, an was Deine Ahnen Dich<br />
mahnen, weißt Du: Die Pflicht, die Ehre<br />
unseres Namens über alles zu stellen und<br />
das Erbteil Deines berühmten Namens<br />
unverkürzt Deinen Nachkommen zu<br />
hinterlassen, so weit Deine Energie und<br />
Dein Mut, Deine Arbeit vermag.“<br />
Für die Generation der patriarchalen<br />
Gründer ist bemerkenswert, dass der Vater<br />
dem erwachsenen Sohn als „Freund“<br />
gegenübertritt. Bemerkenswert ist auch,<br />
worin der Sohn das „Erbteil“ gesehen hat:<br />
Es ist, wie Eberhard Illner die Biografie<br />
abschließt, ein künstlerisches Vermächtnis<br />
für jedermann in Gestalt einer hochkarätigen<br />
Kunstsammlung, die von der Heydt<br />
durch Bankgeschäfte finanziert und mit<br />
allen Mitteln durch die Wirren schlimmster<br />
Zeiten zu retten versucht hat. Diese<br />
Sammlung war seine Lebensaufgabe und<br />
diente keineswegs nur der Selbstdarstellung.<br />
An den Leiter des Berliner Museums<br />
für Völkerkunde schreibt er 1926, es<br />
sei ihm eine besondere Freude „Ihnen die<br />
indischen Skulpturen meiner Sammlung<br />
als Leihgaben anvertrauen zu können.<br />
Diese Kunstwerke brauchen ein tragfähiges<br />
Podium, um möglichst wirken zu<br />
können und diese Wirkung scheint mir<br />
gerade in Deutschland doch notwendig<br />
zu sein. Ich denke dabei nicht nur an die<br />
ethnographische, sondern auch an die<br />
religiös-wissenschaftliche Weiterbildung<br />
des deutschen Volkes, und darum scheint<br />
mir, dass diese Kunstwerke bei Ihnen<br />
besser aufgehoben sind. Als wie im Haag,<br />
13
oder etwa gar in meinen Privaträumen.“<br />
Im dritten Kapitel „Die Stilisierung des<br />
Lebens – Eduard von der Heydt und<br />
seine Sammlung europäischer Kunst“,<br />
liefert Heike Ising-Alms Beispiele dafür,<br />
dass er als selbstbewusster Leihgeber<br />
recht unbequem sein konnte. An Ludwig<br />
Justi, den Leiter der Nationalgalerie<br />
Berlin, schreibt er 1927: „Ich bemerkte<br />
bei meinem Besuche in Ihrer schönen Galerie,<br />
dass einige meiner Ihnen geliehenen<br />
Werke nicht aufgehängt sind. (...) Ich<br />
wäre Ihnen nun dankbar, wenn Sie dies<br />
kurz mitteilten und die Bilder, auf die Sie<br />
als Leihgabe keinen Wert legen sollten, an<br />
meine Adresse nach dem Monte Verità,<br />
Ascona, Tessin, senden wollten.“ Ludwig<br />
Justi, den Eduard von der Heydt bei der<br />
Finanzierung seiner Ankäufe finanziell<br />
unterstütze, wurde 1933 des Amtes enthoben.<br />
Im selben Jahr begann der Baron,<br />
seine Leihgaben aus Deutschland in die<br />
Schweiz abzuziehen.<br />
Im vierten Kapitel „Ein Füllhorn<br />
künstlerischer Schätze – die Sammlung<br />
außereuropäischer Kunst“ zitiert Esther<br />
Eduard von der Heydt mit der Direktorin<br />
Elzy Leuzinger und dem Züricher<br />
Staatspräsidenten Emil Landolt (rechts)<br />
beim Rundgang durch die neue Afrika-<br />
Abteilung im Museum Rietberg, Oktober<br />
1957<br />
Ab 1933 hat Eduard von der Heydt seine<br />
afrikanischen und ozeanischen Leihgaben<br />
aus deutschen Museen entfernt.<br />
14
Eduard von der Heydt mit der Schriftstellerin,<br />
Malerin und Sammlerin Nel<br />
Walden auf der Terrasse der Casa Anatta,<br />
1928<br />
Nel Walden war die zweite Frau von<br />
Herwarth Walden, dem Galeristen des<br />
„Sturm“, mit dem sie von 1912-1924<br />
verheiratet war. Mit von der Heydt steht<br />
sie vor einem Khmer-Torso.<br />
Tisa Francini aus einem Schreiben des<br />
Barons aus dem Jahre 1933 an den Leiter<br />
des Museums für Kunst und Gewerbe<br />
Hamburg, Max Sauerland: „ Machen<br />
Sie sich keine Feinde um meine Neger;<br />
ich nehme die ganze Sammlung ohne<br />
Weiteres zurück, wenn Sie denken, diese<br />
Geschichte könnte Ihnen schaden.“ Am<br />
Beispiel dieser Quelle, auf die Francini<br />
nicht weiter eingeht, lässt sich besonders<br />
anschaulich zeigen, welche Fülle von Informationen<br />
sich beim Lesen des Werkes<br />
erschließen:<br />
„Meine Neger“ verweist auf die bedeutende<br />
Sammlung außereuropäischer Kunst,<br />
die von der Heydt ab 1920 mit Sachverstand<br />
und Pioniergeist aufgebaut hat. Die<br />
liebevolle Beziehung zu seinen Stücken<br />
wird ebenso deutlich wie eine gute Portion<br />
Selbstironie, die das Lesen zahlreicher<br />
Briefzitate zum Vergnügen macht. Die<br />
Formulierung „Machen Sie sich keine<br />
Feinde um meine Neger“ bezieht sich auf<br />
die von den Nazis als barbarisch diffamierte<br />
„Negerkunst“. „(...) ich nehme die<br />
ganze Sammlung ohne Weiteres zurück,<br />
wenn Sie denken, die Geschichte könnte<br />
Ihnen schaden“, zeigt zum einen das<br />
Wissen um die persönliche Gefährdung<br />
von Max Sauerland, der Jude war und<br />
wenig später emigrieren musste. Zugleich<br />
verweist diese Formulierung auf das<br />
umsichtige diplomatische Lavieren und<br />
Taktieren des Barons zur Absicherung der<br />
Sammlung vor den Nationalsozialisten<br />
und Kriegsverlusten.<br />
In seinen verschiedenen Domizilen lebte<br />
Eduard von der Heydt mit der Kunst.<br />
Nachdem er 1919 in Amsterdam eine<br />
Bank eröffnet hatte, ließ er sich ein Jahr<br />
später in Zandvoort unmittelbar am Meer<br />
einen Gebäudekomplex mit Restaurant,<br />
das MULURU, erbauen. Dort platzierte<br />
er die Kunstwerke konsequent nach deren<br />
ästhetischer Wirkung in Korrespondenz<br />
mit der Natur. Heike Ising-Alms zitiert<br />
den Fotografen Erich Salomon: „Trotz<br />
der Verschiedenheit der dort aufgestellten<br />
Stücke überkommt den Beschauer doch<br />
das Gefühl, dass jedes Stück nur dort<br />
stehen kann, wo es steht, (...) dass hier ein<br />
Sammler lebt, dem seine Sammlung der<br />
Sinn eines Lebens bedeutet (...).“ Auch<br />
dieser Besitz wurde im Krieg zerstört.<br />
1927 ließ sich von der Heydt in Berlin<br />
einen Bungalow im damals futuristischen<br />
Bauhausstil erbauen, den er mit modernsten<br />
Stahlrohrmöbeln von Marcel<br />
Breuer ausstattete. Die weiß gestrichenen<br />
leeren Räume – für den Zeitgeschmack<br />
avantgardistisch – ordneten sich den<br />
Kunstwerken vollkommen unter. Auf<br />
dem legendären Monte Verità in Ascona,<br />
den er 1926 als Vermögensanlage erwarb,<br />
errichtete der Baron ein Hotel, das zum<br />
Treffpunkt der Kulturelite Europas wurde<br />
und bis in die Gästezimmer mit Sammelstücken<br />
ausgestattet war. Selbst im Aufzug<br />
15
fand sich ein Picasso. Architekt war Emil<br />
Fahrenkamp, der den Wuppertalern nicht<br />
unbekannt sein dürfte.<br />
Die Sammlung ist unter anderem deshalb<br />
so einzigartig, weil von der Heydt, was das<br />
Kunstverständnis anbetraf, die Nase vorn<br />
hatte. Bereits während seiner Amerikaaufenthalte<br />
1905 und 1909 befasste er sich<br />
intensiv mit chinesischer Kunst und dem<br />
Buddhismus. Er war einer der ersten, der<br />
indische Kunstwerke erwarb und konnte<br />
häufig, weil er dem allgemeinen Trend voraus<br />
war, günstiger kaufen. Kein Wunder,<br />
dass zahlreiche Museen Begehrlichkeiten<br />
anmeldeten. Er besaß ein untrügliches Gespür<br />
für Qualität, kümmerte sich um die<br />
Präsentation in den beliehenen Museen,<br />
veröffentlichte in kunstwissenschaftlichen<br />
Zeitschriften und war allem Neuen gegenüber<br />
aufgeschlossen. Heike Ising-Alms<br />
stellt in ihrem Beitrag klar, dass Eduard<br />
von der Heydt, an die Sammlung seiner<br />
Eltern anknüpfend, die Avantgarde seiner<br />
Zeit sammelte und damit die Pluralität<br />
der Gesellschaft der Weimarer Republik<br />
spiegelte. Bezeichnend für die weitgefächerten<br />
Interessen des Barons war der<br />
Erwerb eines Konvoluts von Fastnachtsmasken<br />
aus der Schweiz. Seine Sammlung<br />
war Weltkunst, ‚ars una’ in dem Sinne,<br />
wie es auch „Der Blaue Reiter“ in seinem<br />
Almanach 1912 postuliert hat: Alles kann<br />
Kunst sein, es gibt keine Hierarchien.<br />
Eduard von der Heydt hat sich übrigens<br />
nie von einem Künstler malen lassen. Es<br />
gibt lediglich eine Porträtbüste aus Goldbronze<br />
von dem Schweizerischen Künstler<br />
Otto Charles Benninger von 1953.<br />
Im zweiten Kapitel „Der Bankier von der<br />
Heydt“, analysiert Michael Wilde die Verflechtung<br />
von Politik, Finanzpolitik und<br />
Kunstsammlung: 1946 hatte der Baron<br />
die auf über 2560 Stücke angewachsene<br />
Sammlung auf 69 verschiedene Orte im<br />
In- und Ausland verteilt. Das gelang ihm<br />
durch eine geschickte Vernetzung seiner<br />
zahlreich gegründeten Banken und Firmen<br />
und eine gekonnte Leihgabenpolitik,<br />
denn seine Kunstwerke waren wegen ihrer<br />
herausragenden Qualität von den Museen<br />
überaus begehrt.<br />
Verglichen mit den Erfolgen des Barons<br />
als Kunstsammler, war seine berufliche<br />
Laufbahn von zahlreichen Tiefschlägen<br />
gezeichnet. Der Beginn der erfolgversprechenden<br />
Karriere als Bankier in London<br />
1910 endete mit der Liquidierung der<br />
Bank und des gesamten dort eingelagerten<br />
Vermögens durch die Engländer während<br />
des Ersten Weltkrieges. Von der Heydt<br />
wäre möglicherweise Diplomat oder<br />
Politiker geworden, zumindest gewinnt<br />
man den Eindruck, dass er gern Einfluss<br />
genommen hätte. Nach seiner schweren<br />
Verwundung im Frankreichfeldzug<br />
schrieb er aus Den Haag hochqualifizierte<br />
Presseberichte für den Auswärtigen Dienst<br />
und wurde wegen seiner Ablehnung des<br />
totalen U-Bootkrieges 1919 entlassen. Mit<br />
der Machtübernahme Hitlers erhoffte sich<br />
von der Heydt vielleicht, auf die Reinthronisierung<br />
des Kaisers einwirken zu<br />
können. 1933 ist er der NSDAP beigetreten,<br />
erkannte dies jedoch wenig später als<br />
Fehler. 1937, nach Erhalt der Schweizer<br />
Staatsbürgerschaft, wurde der Baron als<br />
Devisen schiebender Reichsfeind und<br />
wegen Kontakten zu Juden von der<br />
Partei ausgeschlossen. Mit dem Transfer<br />
von Geldern für das Auswärtige Amt<br />
über seine Banken in Amsterdamer und<br />
Locarno während des Zweiten Weltkrieges<br />
hatte sich von der Heydt möglicherweise<br />
erneut, wenngleich indirekt und von ihm<br />
abgestritten, politisch betätigt, weshalb<br />
ihm in der Schweiz der Prozess gemacht<br />
wurde. Dieser endete mit einem Freispruch.<br />
Um diese komplizierten politischen und<br />
persönlichen Verhältnisse aufzuschlüsseln,<br />
haben die Autoren weitgehend auf Sekundärliteratur<br />
verzichtet und stattdessen<br />
akribisch die Archive durchforstet, soweit<br />
sie ihnen zugänglich waren. Dabei sind<br />
zahlreiche Legenden als solche entlarvt<br />
worden, und es entsteht das Bild einer<br />
von Vielseitigkeit, Klugheit, Sachverstand<br />
und Humor geprägten Persönlichkeit<br />
mit gewissen Grauzonen. Diese Facetten<br />
spiegeln sich im Buch durch eine Fülle<br />
von teilweise bisher unveröffentlichten<br />
Fotografien. Gleich im Vorwort sieht man<br />
Eduard von der Heydt in weißen Shorts<br />
im Schneidersitz als „Buddha vom Monte<br />
Verità“. Der Baron wusste sich mittels der<br />
Fotografie auf vielfältige und oft ironisch<br />
- witzige Weise selbst zu inszenieren, auch<br />
zusammen mit seinen Kunstwerken. Dem<br />
trägt das Buch auch von der liebevollen<br />
Ausstattung her Rechnung, indem z. B.<br />
auf den Vorsatzblättern Mitgliederausweise<br />
des Barons von zahlreichen Kunst- und<br />
Museumsvereinen sowie Einträge in das<br />
Gästebuch des Monte Verità zu sehen<br />
sind. Neben dem Gästeverzeichnis findet<br />
sich eine Chronik der zeitlich parallelen<br />
Ereignisse. Auf umsichtig gestalteten<br />
Sonderseiten werden zahlreiche Dokumente<br />
und Kunstwerke vorgestellt und<br />
kommentiert.<br />
Nicht nur für Wuppertaler Bürger ist<br />
dieses Buch eine Fundgrube. Authentischer<br />
und spannender kann Kulturgeschichte<br />
nicht vermittelt werden. Die<br />
Autoren liefern auch ein Lehrstück dafür,<br />
wie lebendig Wissenschaft dargeboten<br />
werden kann. Das Leben Eduard von der<br />
Heydts ist ein dichtes, hochdramatisches<br />
Stück Zeitgeschichte der ersten Hälfte<br />
des Zwanzigsten Jahrhunderts, das auch<br />
nachdenklich macht: Trotz zahlreicher<br />
Quellen und Zeitzeugnisse hat der Baron<br />
erfolgreich dafür Sorge getragen, dass seine<br />
eigentliche Persönlichkeit im Verborgenen<br />
bleibt. Und einmal mehr stellt sich die<br />
Frage, wie man selbst unter dem Druck<br />
eines verbrecherischen Regimes in ausweglosen<br />
Situationen gehandelt hätte, in der<br />
Verantwortung für sich selbst und andere,<br />
eine Familie und ein Lebenswerk.<br />
Marlene Baum<br />
Fotos: aus dem vorgestellten Buch<br />
Eduard von der Heydt<br />
Kunstsammler, Bankier, Mäzen<br />
Eberhard Illner (Hrsg.)<br />
Michael Wilde, Heike Ising-Alms, Esther<br />
Tisa Francini. 280 Seiten mit 210 Abbildungen,<br />
davon 40 in Farbe<br />
Prestel Verlag München 2013<br />
ISBN 978-3-7913-4204-7<br />
49,95 Euro<br />
Angeregt durch die Forschungsergebnisse<br />
des Buches finden zwei Ausstellungen<br />
statt:<br />
Von Buddha bis Picasso. Der Sammler<br />
Eduard von der Heydt. Rietberg Museum<br />
Zürich (20. 4. 2013 – 18. 8. 2013)<br />
und Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />
(13. 10. 2015 – 28. 2. 2016)<br />
16
Die neue Schauspiel-Intendantin<br />
Susanne Abbrederis<br />
Regie ist nicht ihr Ding –<br />
Theatermachen für Zuschauer<br />
Susanne Abbrederis in Wuppertal<br />
Foto: Andreas Fischer<br />
Sie wuppen das<br />
Es gibt im Leben von Journalisten immer<br />
wieder Ereignisse, die über den Status des<br />
Flüchtigen und Oberflächlichen hinausgehen.<br />
Und es gibt sogar Ereignisse, die<br />
vergisst man so schnell nicht. Wie dieses:<br />
da hockten am frühen Abend des 12. April<br />
2013 etliche Medienvertreter auf den<br />
Stühlen im Kronleuchter-Foyer des Wuppertaler<br />
Opernhauses und warteten darauf,<br />
wer ihnen denn nun als neue Wuppertaler<br />
Schauspiel-Intendantin präsentiert werden<br />
würde. Ein paar Tage zuvor hatte Oberbürgermeister<br />
Peter Jung den damals leicht<br />
verwirrten Berichterstattern verkündet, es<br />
würde auf jeden Fall eine Frau. Für 17.30<br />
Uhr hatte die Stadt zur Pressekonferenz geladen,<br />
doch erst um kurz vor 18 Uhr bogen<br />
Peter Jung, der Kultur-Ausschussvorsitzende<br />
Rolf Köster und die offensichtlich Auserkorene<br />
schnellen Schrittes um die Ecke.<br />
Als der Oberbürgermeister den Namen<br />
Susanne Abbrederis nannte, wusste damit<br />
keine und keiner der Medienvertreter etwas<br />
anzufangen. Als Jung von einem „gewinnenden<br />
Menschen“ sprach, wurde man<br />
sehr aufmerksam und schon die ersten Sätze<br />
der Dame bestätigten den Eindruck, den<br />
das Kultur-affine, aber – oder deshalb –<br />
nicht unumstrittene und längst auch offen<br />
kritisierte Stadtoberhaupt gewonnen hatte.<br />
Am Ende hatte sich Susanne Abbrederis<br />
gegen 49 andere Bewerber durchgesetzt. Im<br />
„Stechen“ dann gegen eine andere Frau,<br />
die offenbar jünger war als die 1953 in<br />
Bregenz am Bodensee geborene Theaterwissenschaftlerin<br />
und Chefdramaturgin am<br />
1889 von Wiener Bürgern gegründeten<br />
Volkstheater in der Neustiftgasse. Nach<br />
neun Spielzeiten in dem mit Kulturangeboten<br />
reich gesegneten Wien nun also<br />
Wuppertal. Es war wirklich gewinnend,<br />
als sie charmant schilderte, warum sie sich<br />
überhaupt bewarb und wie sie Wuppertal<br />
während ihrer 13 Spielzeiten in Essen kennenlernte.<br />
Es war die Zeit des Wuppertaler<br />
Intendanten Holk Feytag, es gab Kontakte<br />
zu Pina Bausch und immerhin konnte sich<br />
Susanne Abbrederis an das Café du Kongo<br />
im Luisenviertel erinnern. Vor allem aber<br />
ist Susanne Abbrederis mit der nüchternen<br />
Wahrheit der tatsächlich vorhandenen<br />
Möglichkeiten von der Donau an die<br />
Wupper gelockt worden. Deshalb werden<br />
der sechs Jahre am Nationaltheater in<br />
Mannheim, fünf Jahre am Staatstheater in<br />
Stuttgart und zuvor am Landestheater in<br />
17
Tübingen tätigen Absolventin der Universität<br />
Wien und des Queens College in New<br />
York die Überschriften nach ihrer Berufung<br />
in der FAZ („Kleintheater“) oder in<br />
der Süddeutschen („Wuppertal kürt seine<br />
Spar-Intendantin“) nur marginal getroffen<br />
haben. Die Situation ist auch völlig anders<br />
als in der Phase der Berufung von Christian<br />
von Treskow, dem bis Ende der Spielzeit<br />
2013/2014 tätigen Intendanten.<br />
Der vom Wohnsitz in Aachen nach<br />
Wuppertal ziehende Regisseur hat damals<br />
von vielen Wuppertaler Theater-<br />
Interessierten sehr wohl vernommen, das<br />
Schauspielhaus würde mit großer Sicherheit<br />
geschlossen. Zu den Überbringern dieser<br />
Nachricht zählte (auf dem Parkplatz des<br />
Schauspielhauses) auch der Verfasser dieses<br />
Textes. Was der Oberbürgermeister ihm<br />
dann später unter vier Augen gesagt hat,<br />
dass wissen nur diese beiden Herren. Aber<br />
von Susanne Abbrederis und Christian von<br />
Treskow wird in diesem Text später noch<br />
die Rede sein.<br />
Schaut man auf das Geburtsjahr<br />
von Susanne Abbrederis, dann liegen die<br />
Motive für gerade diesen Wechsel doch<br />
auf der Hand: sie wird Intendantin nach<br />
vielen Jahren in Tübingen, Mannheim,<br />
Essen, Stuttgart und Wien in sicherlich<br />
spannenden Bereichen. Aber eben nie als<br />
Intendantin. Sie wird diese neue Rollenspiel<br />
zielorientiert übernehmen: „Regie ist<br />
nicht mein Ding. Dabei habe ich mich<br />
auch schon verhoben,“ berichtete sie und<br />
Das imposante Wiener Volkstheater, noch<br />
der Arbeitsplatz von Susanne Abbrederis<br />
bediente Peter Jung mit einem Traumpass:<br />
„Da fehlt man ja für andere Arbeiten immer<br />
länger“. Und jeder wusste, wen Peter Jung<br />
damit meinte: Christian von Treskow, den<br />
fähigen, phantasievollen und auch mutigen<br />
Regisseur, den sein Vorgänger Gerd Leo<br />
Kuck schließlich als Intendanten empfohlen<br />
hat. Susanne Abbrederis punktete weiter<br />
mächtig auf den Blöcken der Damen und<br />
Herren im Rund des Kronleuchter-Foyers:<br />
„Die kleine Spielstätte soll ein vitaler, neuer<br />
Ort der Stadt werden.“ Und sie ergänzte<br />
es perfekt: “Ich neige dazu, für Zuschauer<br />
zu arbeiten.“ Wenn ihr das gelingt, würde<br />
sich Susanne Abbrederis nicht nur wohltuend,<br />
sondern markant von Künstlern<br />
vieler Bereiche, aber auch von Journalisten<br />
abheben, die bei der Planung ihrer<br />
Arbeit vor allem um die Anerkennung von<br />
Kollegen und Experten buhlen. Puristen<br />
unter sich. Susanne Abbrederis wird<br />
am Wiener Volkstheater (immerhin die<br />
zweitgrößte Bühne des Landes) ihre Arbeit<br />
zu Ende bringen. Dann folgt der Umzug<br />
nach Wuppertal. Ohne Familie, einfach so.<br />
Macht es auch leichter. Ein bisschen Wien<br />
begegnete ihr noch bei einer Kaffepause im<br />
Cafe des Barmer Bahnhofs gegenüber dem<br />
Opernhaus. Sie wunderte sich, warum dort<br />
Bilder, Bücher und CDs des Opernsängers<br />
Kurt Rydl zu sehen sind. Sie wurde darüber<br />
aufgeklärt, dass dem weltreisenden Bass und<br />
Schwager des Cafe-und Buchhandlungsbetreibers<br />
Thomas Leipoldt der Barmer<br />
Bahnhof gehört. Was sie amüsierte. Sie hat<br />
auch erzählt, was ihr Chef am Volkstheater<br />
zur Wuppertaler Bewerbung gesagt hat: „Sie<br />
wuppen das…“<br />
Im Grunde befindet sich die „Spar-<br />
Intendantin“ Susanne Abbrederis am<br />
„Kleintheater Wuppertal“ in einer komfortablen<br />
Lage. Trotz der knappen Kasse und<br />
dem Wegfall des großen Schauspielhauses<br />
wird man sie aufgrund ihrer gewinnenden<br />
Art in dieser oft so knöttrigen Stadt freudig<br />
aufnehmen. Immer mit dem bedeutenden<br />
Satz des großen Heinrich Böll bei der Eröffnung<br />
des Schauspielhauses im Jahre 1966<br />
im Hinterkopf: „Wuppertal schminkt sich<br />
nicht.“<br />
Völlig ungeschminkt ging dann am<br />
Ende der Präsentation von Susanne Abbrederis<br />
eine Szene über die Bühne, mit der<br />
niemand vorher rechnete. Die neue Intendantin<br />
war noch im Gespräch mit Andreas<br />
Boller von der WZ und dem Schreiber<br />
dieser Zeilen, als plötzlich Christian von<br />
Treskow die Treppe zum Kronleuchter-<br />
Foyer herunterschritt. Ein Ausweichen war<br />
ausgeschlossen, aber auch nicht gewollt. So<br />
also lernte er seine Nachfolgerin kennen.<br />
Man ging sehr nett miteinander um,<br />
verabredete sich zu späteren Gesprächen<br />
und der interessierte Betrachter wird<br />
diesen Moment so schnell nicht vergessen.<br />
Möglicherweise Susanne Abbrederis und<br />
Christian von Treskow auch nicht.<br />
Klaus Göntzsche<br />
18
Premiere am 13. April 2013<br />
Jules Massenet<br />
Don Quichotte<br />
Heroische Komödie in fünf Akten<br />
Dichtung von Henri Caine nach dem<br />
Schauspiel Le chevalier de la longue figure<br />
Von Jacques le Lorrain nach Miguel de<br />
Cervantes Saavedra<br />
Musikalische Leitung:<br />
Tobias Deutschmann<br />
Inszenierung:<br />
Jakob Peters-Messer<br />
Bühne und Kostüme:<br />
Markus Meyer<br />
Fotos:<br />
Uwe Stratmann<br />
Weitere Aufführungen:<br />
2. 6.; 9. 6.; 14. 6.; 20. 6.; 30. 6.<br />
Mitte: Joslyn Rechter<br />
vorne: John In Eichen und der Chor der<br />
Wuppertaler Bühnen<br />
Don Quichotte in Wuppertal<br />
Die letzte Oper von Jules Massenet wird<br />
selten aufgeführt. Das ist schade, denn<br />
sie bietet eine interessante Geschichte<br />
und herrliche Musik. Dabei war sie bei<br />
ihrer Uraufführung 1910 ein rauschender<br />
Erfolg. Nicht endenden Beifall und viele<br />
Bravo-Rufe gab es jetzt wieder im Wuppertaler<br />
Opernhaus, weil alle Beteiligten<br />
ihr Bestes gaben: Sängerdarsteller, Chor,<br />
Orchester und Regieteam, das sorgfältig<br />
und nachvollziehbar gearbeitet hat.<br />
Wie Verdi seinen „Falstaff“, schrieb<br />
Massenet, reich und berühmt geworden,<br />
seinen „Don Quichotte“ 68jährig aus<br />
eigenem Antrieb, vielleicht als Quintessenz<br />
seines Lebens. In einer Zeit, in der Richard<br />
Strauss seine avanciertesten Werke schrieb<br />
und Schoenberg sich von der Tonalität<br />
ganz verabschiedete, komponiert Massenet<br />
(spät)romantisch; harte Dissonanzen fehlen<br />
ebenso wie impressionistische Harmonik,<br />
gelegentlich wird spanisches Lokalkolorit<br />
bemüht. Viele Melodien bleiben im Ohr,<br />
Personen, Situationen, Konflikte werden<br />
aber in sehr charakteristischer Weise<br />
musikalisch dargestellt. Das Vergnügen<br />
beim Hören liegt auch daran, dass der<br />
Komponist Leitmotive verwendet, wenn<br />
auch viel freier als Wagner. So hören wir<br />
z.B. das Ständchen Quichottes an Dulcinée<br />
im 1. Akt zum ersten Mal, es wird dort<br />
aber ständig durch einen eifersüchtigen<br />
Liebhaber Dulcinées unterbrochen. Ohne<br />
Unterbrechung und zauberhaft von einer<br />
Klarinette gespielt, taucht es als Vorspiel<br />
des 3. Aktes wieder auf (hier hätte man<br />
den Namen des Klarinettisten durchaus<br />
im Programm nennen können, ebenso wie<br />
den des Cellisten im wunderbaren Vorspiel<br />
zum 5. Akt). Im selben Akt erscheint es<br />
dann im Orchester noch einmal, wenn<br />
Don Quichotte träumt, kurz vor Ankunft<br />
der Räuber.<br />
Massenet konnte es sich auch leisten, eine<br />
ganz seltene Besetzung zu wählen: Beide<br />
Hauptpersonen sind Bässe, Dulcinée ist ein<br />
Mezzosopran. Das Wuppertaler Ensemble<br />
konnte diese drei Hauptpersonen aus eigenen<br />
Kräften besetzten. Die beiden Bässe,<br />
John In Eichen als Don Quichotte und<br />
Martin Ohu als Sancho Pansa, waren als<br />
Sänger und Darsteller hervorragend, Joslyn<br />
Rechter als Dulcinée stellte die Schwierigkeiten<br />
einer Edelhure in der midlife-crisis,<br />
19
20<br />
links Martin Js. Ohu, rechts John In Eichen
die als einzige den idealistischen Ritter<br />
versteht, aber nicht aus ihrer Haut kann,<br />
sängerisch und darstellerisch überzeugend<br />
dar. Auch die übrigen Solisten und der<br />
Chor sangen und spielten ohne Fehl und<br />
Tadel; besonders gut gefallen hat mir der<br />
Männerchor im Räuberakt.<br />
Ebenso zu loben ist das Orchester unter<br />
der Leitung von Tobias Deutschmann.<br />
Offensichtlich machte es allen Orchestermitgliedern<br />
großes Vergnügen, eine Musik<br />
etwas abseits des mainstreams zu spielen,<br />
was sich in erhöhter Qualität auszahlte.<br />
Das Stück enthält einige unerwartete<br />
Wendungen, die von der Regie (Jakob<br />
Peters-Messer) „erklärt“ werden müssen.<br />
Das gelang ganz hervorragend. Dem<br />
Stück vorangestellt ist eine Szene, in der<br />
Don Quichotte in einer Badewanne voller<br />
Bücher und vollgeschriebenem Papier liegt<br />
und liest, während ein passendes Zitat aus<br />
dem Roman von Cervantes gesprochen<br />
wird und spanische Gitarrenmusik erklingt.<br />
Gleichzeitig ist der Blick frei auf das<br />
geschickte Bühnenbild (Markus Meyer)<br />
mit vielen Türen, durch die die Perspektiven<br />
wechseln können und die überraschende<br />
Auftrittsmöglichkeiten bieten. Oben<br />
hängt eine Uhr, der ein Viertel fehlt (Dali!),<br />
rechts oben schützt ein aufgespannter Regenschirm<br />
die bescheidene Behausung vor<br />
Regen, genau wie im „Armen Poeten“ von<br />
Spitzweg. Offensichtlich ist: Alles spielt<br />
sich in Don Quichottes Fantasie ab.<br />
Dann erst folgt der 1. Akt mit der Huldigung<br />
Dulcinées (die, wie oben schon<br />
angedeutet, keine dicke und dumme<br />
Wirtsmagd ist, sondern eine Edelprostituierte),<br />
dem Einzug des Idealistenduos,<br />
Abgang Sancho Pansas in die Kneipe (zweimal<br />
durch die Drehtür, sehr gut gemacht!)<br />
und dem Ständchen Don Quichottes an<br />
Dulcinée, der von ihrer Profession nichts<br />
ahnt oder nichts wissen will. Interessanterweise<br />
lehnt diese den „langen Ritter“<br />
aber nicht vollständig ab, sondern schickt<br />
ihn weg: sie könne ihn erst erhören, wenn<br />
er ihr das von Räubern geraubte Diadem<br />
wiederbrächte.<br />
Bevor die beiden Protagonisten von den<br />
Windmühlen (von oben kommende Propeller)<br />
geschlagen werden, ist ein Lied von<br />
Sancho Pansa zu hören, das alle Frauen,<br />
egal wie sie aussehen und woher sie kommen,<br />
verflucht und sich zu der Behauptung<br />
versteigt, alle Ehemänner seien „Heilige“.<br />
v.l.n.r. John In Eichen, Martin Js. Ohu<br />
Chor d.Wuppertaler Bühnen, Boris Leisenheimer, Miljan Milovic, Joslyn Rechter, John In Eichen<br />
Javier Zapata Vera und Joslyn Rechter / Chor der Wuppertaler Bühnen<br />
21
v.l.n.r.: Chor der Wuppertaler Bühnen / Annika Boos, Boris Leisenheimer, Miljan Milovic, Joslyn Rechter, Miriam Ritter<br />
Dieses Lied ist eine der vielen Anspielungen,<br />
die im Stück verborgen sind. Man<br />
kann es nämlich durchaus verstehen als ein<br />
Gegenstück zur Leporello-Arie in „Don<br />
Giovanni“, ebenso wie das Ständchen Don<br />
Quichottes eine Anspielung auf das von<br />
Don Giovanni ist, genauso voll von Wohlklang,<br />
aber doch ganz anders und auf ganz<br />
eigene Weise komponiert. Die Wanderungen<br />
der beiden in der weiten Ebene werden<br />
sehr geschickt dargestellt durch das Laufen<br />
Sancho Pansas, dessen Esel nur durch<br />
eine Eselsmaske vergegenwärtigt wird, der<br />
immer um Don Quichotte auf Rosinante<br />
im Kreis herumläuft (Rosinante ist eine<br />
Leiter, die sogar gelegentlich gestreichelt<br />
wird); dazu kommt eine Bildprojektion mit<br />
einem Blick von unten auf Bäume.<br />
Von der Regie besonders deutlich gemacht<br />
wird im 3. Akt, wie die Phantasie Don<br />
Quichottes die Handlung steuert. Die<br />
Räuber, die Don Quichotte sucht und die<br />
ihn dann überfallen, erscheinen alle auf<br />
Papier liegend, als Produkte der schriftstellerischen<br />
Fantasie also. Anders als im<br />
wirklichen Leben, wo sie den armen Ritter<br />
ohne großes Federlesen ermordet hätten,<br />
werden sie bei Don Quichottes letztem Gebet<br />
weich, geben ihm sogar den Schmuck<br />
zurück und entzünden um ihn einen Kreis<br />
von Kerzen. Sie wirken dabei nicht mehr<br />
wie Räuber, sondern wie Mönche oder<br />
gar Gralsritter (wieder eine Anspielung).<br />
Das Surreale dieser Handlung wird noch<br />
betont durch das Naturbild am Anfang des<br />
Aktes, eine Meerlandschaft mit Gebirge,<br />
in der aber unübersehbar die Uhr und der<br />
Regenschirm hängen. Das wirkt wie ein<br />
Bild von Dalí!<br />
Im 4. Akt findet bei Dulcinée ein Fest statt<br />
(der Text des Chores, komplett, auch die<br />
Frauen, gleichförmig als Toreros gekleidet,<br />
erinnert an „La Traviata“), aber die Dame<br />
ist melancholisch und düster gestimmt<br />
und denkt, durch Totenköpfe versinnbildlicht,<br />
an Alter und Ende. Sie ist ungeheuer<br />
beeindruckt, als Don Quichotte ihr das<br />
gestohlene Diadem zurückbringt, ebenso<br />
die Festgesellschaft, die den langen Ritter<br />
schon lächerlich machen wollte. Den Heiratsantrag<br />
Don Quichottes lehnt sie aber<br />
ab – und das trifft ihn, der den ständigen<br />
Spott seiner Umgebung ertragen oder ihn<br />
gar nicht gemerkt hat, so tief, dass seine<br />
Lebensgeister zu erlöschen beginnen. In<br />
diesem Moment ändert sich auch die Projektion:<br />
Wo vorher ein prächtiger Ballsaal<br />
war, erscheint jetzt plötzlich eine hässliche<br />
Wand mit abblätternder Tapete. Kann<br />
es sein, dass sich hier die Fantasie nicht<br />
durchsetzen kann, der Einbruch der Wirklichkeit<br />
zu brutal ist? Jedenfalls zeigt Don<br />
Quichottes Zusammenbruch Wirkung: Bei<br />
Dulcinée, die sich erst höhnisch lachend<br />
wieder in ihre Festgesellschaft zurückziehen<br />
will, schlägt das Lachen urplötzlich in<br />
Weinen um, und Sancho Pansa, der bisher<br />
zwischen Verachtung und Wohlwollen<br />
schwankte, Hauptsache er konnte abends<br />
in die Kneipe gehen, verteidigt seinen<br />
Meister mit einer flammenden Rede und<br />
vergleicht ihn, seinen Idealismus lobend,<br />
sogar mit Jesus.<br />
Obwohl Don Quichotte dann stirbt,<br />
wieder in seinem Zimmer, endet der 5. Akt<br />
nicht traurig, sondern eher versöhnlich. Es<br />
scheint so, als habe der „irrende Ritter“ in<br />
die Fantasiewelt zurückgefunden, aber die<br />
Verbindung zur Realität trotzdem nicht<br />
verloren. Dulcinée erscheint ihm noch einmal,<br />
in der Vorstellung und auf der Bühne<br />
sogar tatsächlich, Sancho Pansa bleibt bei<br />
ihm, seine Botschaft ist verstanden und<br />
wird weitergegeben.<br />
Fritz Gerwinn<br />
22
Ein Besuch<br />
in der Kostümabteilung der<br />
Wuppertaler Bühnen<br />
Elisabeth von Blumenthal fertigt ihre<br />
Schnitte auf alten Plakaten<br />
Der Stoff, aus dem die Träume sind<br />
Vor etwa vierzig Jahren hatte ich das<br />
Glück, als Volontärin alle künstlerischtechnischen<br />
Abteilungen der Wuppertaler<br />
Bühnen durchlaufen zu dürfen. Besonders<br />
beeindruckt war ich damals von der<br />
Schneiderei! Die Herren in grauen Kitteln,<br />
die Damen in bunten Kittelschürzen<br />
vor ihren Nähmaschinen – dieser scheinbar<br />
trostlose Anblick stand in keinem<br />
Verhältnis zu der besonderen Atmosphäre<br />
und den wunderbaren Arbeitsergebnissen.<br />
In einem Durchgang zwischen Herrenund<br />
Damenschneiderei hatte die Putzmacherin<br />
ihren Arbeitsplatz, sie fertigte<br />
perlenbestickte Diademe für das Corps<br />
de Ballett, während meine Nähmaschine<br />
und ich unter unendlichen Wolken von<br />
weißem Tüll für Tutus verschwanden. Die<br />
Schneiderinnen nähten blaue Paspeln auf<br />
weiße Röcke, und selbstverständlich war<br />
der Oberfaden blau eingefädelt, während<br />
die Spule weißes Garn trug. Dieses hohe<br />
Berufsethos hat mich ungeheuer beeindruckt!<br />
Beeindruckt hat mich auch der Kostümfundus,<br />
damals unter dem Dach, in seiner<br />
Schall verschluckenden Totenstille, den<br />
Sonnenstrahlen auf leicht vergilbenden<br />
Spitzen, Volants, Brokaten und Besätzen<br />
– welche Triumphe, Träume und auch<br />
Ängste mögen in diese Kleider hineingeatmet<br />
worden sein!<br />
Und noch etwas habe ich gelernt: Auch,<br />
wenn man weiß, mit welchen Tricks die<br />
Illusionen auf der Bühne entstehen, der<br />
Zauber bleibt erhalten, jedes Mal ist es<br />
neu und aufregend.<br />
Jahre später war ich ab und an in der<br />
Schneiderei, um aus großen Kisten Stoffreste<br />
für meine Schüler zu sammeln, Stoffe,<br />
die im normalen Leben nie vorkommen,<br />
und durch die Kinder zu phantastischen<br />
Kunstwerken inspiriert wurden.<br />
Heute kehre ich zurück, um noch einmal<br />
etwas von dem Zauber zu erleben: Er ist<br />
ungebrochen, auch, wenn heutzutage niemand<br />
mehr Tutus näht und Kittel trägt,<br />
aber man weiß sofort: Hier ist der Ort, an<br />
dem Stoffe verarbeitet werden, aus denen<br />
die Träume sind.<br />
Elisabeth von Blumenthal und Petra<br />
Leidner sind Abteilungsleiterinnen der<br />
Kostümwerkstätten und damit auch für<br />
23
den Etat verantwortlich. „Ich habe den<br />
schönsten Beruf der Welt,“ ist das erste,<br />
was Elisabeth von Blumenthal sagt, bevor<br />
sie das Wesen eines Theaterkostüms und<br />
seinen Werdegang vorstellt:<br />
Natürlich ist das Arbeitsethos ganz<br />
wichtig und selbstverständlich, denn „alle<br />
Kostüme werden wie Maßarbeit behandelt,<br />
egal, ob es Neuanfertigungen sind,<br />
Teile aus dem Fundus oder ein Anzug<br />
von C&A. Sowohl die Darsteller als<br />
auch das Publikum spüren sofort, ob ein<br />
Kleidungsstück mit Liebe und Sorgfalt<br />
gearbeitet ist oder nicht. Das Kostüm soll<br />
den Schauspieler in seiner Rolle unterstützen,<br />
ja, es charakterisiert ihn schon, bevor<br />
er zu sprechen und zu agieren beginnt.<br />
Steckt man jemanden in ein Kostüm, ist<br />
er sofort ein anderer.“ Es ist also noch<br />
immer wie im Märchen von des Kaisers<br />
neuen Kleidern.<br />
Frau Droste ist Meisterin und verantwortlich<br />
für die Auszubildenden. Auch für sie<br />
steht die Freude an der Arbeit an erster<br />
Stelle, „an dem, was unsere Hände schaffen.<br />
Unser Ziel ist das fertige Kostüm, das<br />
seinen Bühnenzweck erfüllt, auch, wenn<br />
es uns einmal nicht gefällt. Wir machen<br />
Haute Couture ebenso wie Lumpen, wir<br />
dürfen uns für nichts zu schade sein, und<br />
das ist gerade das Spannende.“ Soeben hat<br />
sie diese Gratwanderung geschafft: Ein<br />
Overall soll alt und schmuddelig aussehen<br />
und trotzdem so sauber sein, dass der<br />
Darsteller sich darin wohl fühlt. Stolz<br />
weist sie darauf hin, dass junge Schneiderinnen<br />
und Schneider, die an den Wuppertaler<br />
Bühnen ausgebildet wurden, an<br />
anderen Theatern besonders gefragt sind.<br />
Zurück zum Werdegang eines Kostüms<br />
von der Figurine bis in den Fundus:<br />
Der Weg vom Konzept zur Aufführung<br />
ist lang, er kann sich über ein ganzes<br />
Jahr erstrecken. Nach intensiven Vorgesprächen<br />
mit dem Regisseur und dem<br />
Bühnenbildner über das Konzept der<br />
Aufführung liefert der Kostümbildner<br />
seine Entwürfe, die Figurinen, in der<br />
24
Kostümabteilung ab. Je nach Anzahl und<br />
Art der benötigten Kleidungsstücke heißt<br />
es, den Fundus inspizieren, kaufen oder<br />
anfertigen. Jedes Kostüm muss historisch<br />
korrekt sein, dazu wird sorgfältig<br />
recherchiert. So sollen in dem Musical<br />
„Evita“ deren Liebhaber Schlafanzüge<br />
in den Farben der argentinischen Flagge<br />
tragen – sogar mit kleinen Sonnen auf<br />
den Brusttaschen!<br />
Der Arbeitsaufwand für ein Stück kann<br />
gewaltig sein, etwa wenn über 100 Darsteller<br />
auf der Bühne stehen mit Chorgästen<br />
und Kindern, und jeder verschiedene<br />
Kostüme samt Accessoires für mehrere<br />
Szenen benötigt.<br />
Wie viel Freiheit die Gewandmeisterinnen<br />
im Detail haben, hängt von den<br />
jeweiligen Kostümbildnern ab – Elisabeth<br />
von Blumenthal empfindet es immer<br />
als „Beglückung, für einen besonderen<br />
Kostümbildner arbeiten zu dürfen.“ Das<br />
ergänzt sich mit einer Bemerkung der<br />
Schneidermeisterin Frau Droste: „Es<br />
macht Freude, jemandem in die Hand zu<br />
arbeiten.“<br />
Spannend wird es bei der ersten Hauptprobe,<br />
wenn die Darsteller zum ersten<br />
Mal im Originalkostüm auftreten.<br />
Zuweilen gibt es dann Probleme: Der<br />
Regisseur hatte neue Einfälle, es fehlt<br />
z.B. eine Tasche für ein Requisit, oder ein<br />
Schauspieler hat während der Proben zuoder<br />
abgenommen. Alle Kostüme sind<br />
ohnehin für den Fall von Umbesetzungen<br />
auf leichte Änderbarkeit gefertigt. Oder es<br />
soll plötzlich Blut fließen. Weiß man das<br />
vorher, so kann man entsprechend leicht<br />
waschbare Stoffe wählen und Tests mit<br />
verschiedenen Qualitäten von Theaterblut<br />
machen, „wenn nicht, stöhnt die Reinigungsfirma,<br />
die morgens Kostüme abholt<br />
und abends gesäubert wieder abliefert.<br />
Oder der weiße Anzugskragen ist nach<br />
jeder Vorstellung voller Makeup, und die<br />
Handschminke hinterlässt Spuren auf<br />
der Hose – da können dann abnehmbare<br />
Revers oder Handschuhe helfen.“<br />
25
Nach der Première gibt die Schneiderei<br />
die Verantwortung für das Kostüm ab.<br />
Nun sind die Ankleiderinnen gefragt,<br />
ohne die gar nichts geht, wie Frau von<br />
Blumenthal sagt. Sie sorgen nicht nur<br />
während der Vorstellung dafür, dass jedes<br />
Kostüm an seinem Platz hängt und gewaschen,<br />
gebügelt und ausgebessert wird. Sie<br />
helfen den Darstellern beim Umkleiden,<br />
was ja manches Mal sehr schnell gehen<br />
muss, und achten darauf, dass der Schauspieler<br />
tatsächlich das richtige Kostüm für<br />
die richtige Szene trägt, denn der hat am<br />
Abend in erster Linie seine Rolle im Kopf.<br />
Ist das Stück abgespielt, werden die Kostüme<br />
aussortiert, repariert und gereinigt<br />
und wandern schließlich in den Fundus,<br />
um dort auf ihren nächsten Auftritt zu<br />
warten. Nun kann der Kreislauf von<br />
vorn beginnen. „Der Fundus ist unsere<br />
Schatzkammer, denn ohne ihn sind große<br />
Produktionen unmöglich. Davon leben<br />
und arbeiten wir. Viele Kostümbildner<br />
lassen sich dort inspirieren, denn schließlich<br />
schlummert hier die kreativ Arbeit<br />
von Jahrzehnten.“<br />
Petra Leidner, ebenfalls Abteilungsleiterin<br />
der Kostümschneiderei, nimmt sich<br />
besonders der Kostüme für das Tanztheater<br />
Pina Bausch an. Tutus gibt es nur<br />
noch in Ausnahmefällen; in zahlreichen<br />
Stücken treten die Tänzerinnen in den<br />
schönsten und ausgefallensten Abendkleidern<br />
auf, mit denen die meist schlichten<br />
Herrenkostüme harmonieren. Auch Frau<br />
Leidner ist von ihrer Tätigkeit begeistert;<br />
besonders liebt sie die „wunderbare Arbeit<br />
von Marion Cito“, die seit 1980 als Kostümbildnerin<br />
von Pina Bausch tätig ist.<br />
Marion Cito kauft die Stoffe auf Vorrat,<br />
häufig während der auswärtigen Gastspiele,<br />
aber auch in Wuppertal. Sie fertigt keine<br />
Figurinen, sondern das Kostüm wird<br />
der Tänzerin buchstäblich auf den Leib<br />
geschneidert. Sie muss sich darin wohl<br />
fühlen und vollkommene Bewegungsfreiheit<br />
haben. Die Stoffe sind farblich mit<br />
dem Hautton der Tänzerin abgestimmt<br />
und werden auf ihrem Körper drapiert.<br />
Das ist die hohe Schule der Schneiderei,<br />
denn solche Kleider sind meistens schräg<br />
geschnitten, damit der Stoff besonders<br />
Die Gewandmeisterinnen Elisabeth von<br />
Blumenthal (links) und Petra Leidner<br />
26
schön fließt und sich den Körperbewegungen<br />
anpassen kann. Die Probeschnitte<br />
werden mit Futterstoffen gefertigt. „Diese<br />
Genauigkeit in den kleinsten Nuancen<br />
macht die Zusammenarbeit so erfüllend.<br />
Es kommt auf jedes Detail an, ein kleiner<br />
Vorschlag von Marion Cito, eine winzige<br />
Korrektur, und plötzlich ist das Kleid<br />
richtig“, sagt Petra Leidner.<br />
Die Kleider sollen nicht nur die Schönheit<br />
der Trägerin zur Geltung bringen,<br />
sondern sie sind während der Vorstellungen<br />
im wahrsten Sinne des Wortes<br />
ständigen Zerreißproben ausgesetzt und<br />
müssen häufig geflickt werden. „Erst<br />
wenn es gar nicht mehr ging, wurde eins<br />
nachgearbeitet. Pina Bausch hat das sofort<br />
gesehen, und wir mussten die Kleider<br />
genau so zerrupft und zipfelig nachschneidern.“<br />
Auch das ist Berufethos: „Es<br />
war das größte Kompliment, wenn Frau<br />
Bausch nicht bemerkte, dass ein Kleid<br />
nachgearbeitet war.“<br />
Bei „Vollmond“ , einem Stück, in dem<br />
das Wasser Teil der Choreografie ist,<br />
werden die Kostüme doppelt gefertigt, die<br />
„Wasserkostüme“ sind aus Kunststoffen,<br />
die gleichen Gewänder für die trockene<br />
Bühne aus kostbarer Seide. Auch die<br />
Herren tragen für die Wassserszenen unempfindlichere<br />
Stoffe, die leicht trocknen.<br />
Man hat sogar einen Wäschetrockner für<br />
die Schuhe angeschafft, und hinter der<br />
Bühne warten eine Bügelanlage und ein<br />
Fön.<br />
Zu den Gastspielen begleiten das Tanztheater<br />
immer zwei Schneiderinnen. Mit<br />
im Gepäck sind eine Nähmaschine und<br />
ein großer Sack mit Stoffresten – nichts<br />
wird weggeworfen, denn auch unterwegs<br />
kann es Umbesetzungen und Pannen<br />
geben.<br />
Das Rauschen und Rascheln dieser Kostüme,<br />
das im wahrsten Sinne des Wortes<br />
stoffliche Eigenleben, das sie entwickeln,<br />
wenn sie gleichsam mitspielen, ihre erlesene<br />
Farbigkeit, ihre Eleganz, ihre Raffinesse,<br />
ihre Komik, die vom Körper und vom<br />
Ausdruck ihrer Trägerinnen untrennbar<br />
sind, bleiben Teil der unvergesslichen Erinnerungen,<br />
die wir aus den Pina-Bausch-<br />
Abenden mitnehmen dürfen.<br />
Marlene Baum<br />
27
Kunstakademie Düsseldorf,<br />
1945 bis heute<br />
bis zum 28. Juli 2013<br />
K20 Grabbeplatz<br />
Kuratoren: Tony Cragg, Siegfried Gohr,<br />
Robert Fleck sowie Marion Ackermann<br />
und Maria Müller-Schareck<br />
Die Bildhauer<br />
Von den an der Düsseldorfer Kunstakademie<br />
tätigen Bildhauerinnen und Bildhauern<br />
gehen seit 1945 entscheidende Impulse<br />
von großer Strahlkraft aus. Professoren<br />
wie Ewald Mataré, Joseph Beuys, Erwin<br />
Heerich, Norbert Kricke, Irmin Kamp,<br />
Klaus Rinke, Fritz Schwegler, Rita McBride,<br />
Hubert Kiecol oder Katharina Fritsch<br />
prägten und prägen die fruchtbaren Auseinandersetzungen<br />
innerhalb der Akademie<br />
über ihre Klassen hinaus. Und sie tragen<br />
– wie auch viele ehemalige Studenten<br />
– wesentlich zur Entwicklung der Bildhauerei<br />
der vergangenen knapp 70 Jahre<br />
bei. Der Bildhauer Tony Cragg, seit vielen<br />
Jahren Professor und seit 2009 auch Rektor<br />
der Akademie, gab den Anstoß für diese<br />
außergewöhnliche Überblicksausstellung<br />
aus der Innensicht der Kunsthochschule.<br />
Die ausgewählten ca. 130 Werke von 53<br />
Künstlerinnen und Künstlern machen ein<br />
ebenso überraschendes wie beeindruckendes<br />
Panorama international anerkannter,<br />
moderner und zeitgenössischer Skulptur<br />
sichtbar. Lange Vertrautes korrespondiert<br />
mit unbekannten Werken und solchen,<br />
die es wieder zu entdecken gilt. Zahlreiche<br />
der in den drei Ausstellungshallen des K20<br />
zu sehenden Arbeiten sind im direkten<br />
Kontext der Akademie entstanden.<br />
Den Neubeginn der Bildhauerei an der<br />
Akademie nach 1945 markiert das Werk<br />
Ewald Matarés, in dessen bildnerischem<br />
Schaffen Menschen- und Tierdarstellung<br />
vorherrschen. Matarés Einfluss auf seinen<br />
Schüler Joseph Beuys ist – über formale<br />
Auffassungen im frühen Werk – auch in<br />
der Suche nach Ganzheitlichkeit nachweisbar.<br />
Erwin Heerich, ebenfalls Schüler von<br />
Mataré, geht mit seinem Gestaltungskon-<br />
28
zept, das zunächst in den am Kubus orientierten<br />
Kartonplastiken, später in seinen<br />
Bauten erprobt wird, einen ganz anderen<br />
Weg. Joseph Beuys, aber auch Dieter Roth<br />
und Nam June Paik, sind Teil der Fluxusbewegung,<br />
die sich in den 1960er-Jahren<br />
auch in Düsseldorf mit ihren Aktionen,<br />
Konzerten und Perfomances etabliert.<br />
Dieter Roths Werke, die durch ihr Material<br />
wie Schokolade, Wurst oder Milch dem<br />
Verfall preisgegeben sind, entwickeln<br />
den barocken Vanitas-Gedanken weiter.<br />
Nam June Paik analysiert bereits in den<br />
1970er-Jahren kritisch die Rolle des TV als<br />
Massenmedium.<br />
Seit etwa 1960 bricht Norbert Kricke<br />
mit der herkömmlichen Bildhauerei und<br />
setzt seine abstrakten Skulpturen aus<br />
dünnen Stahlrohren in direkte Beziehung<br />
zum Raum, als „ungreifbare Augenkunst“<br />
(Kricke). Nicht weniger radikal ist der Ansatz<br />
der 1958 gegründeten Gruppe ZERO:<br />
Licht und Schatten, reflektierendes Metall,<br />
Motoren oder Nägel sind die Mittel, die<br />
Heinz Mack, Otto Piene und Günther<br />
Uecker für ihre Kunst nutzen. Im direkten<br />
Austausch mit ZERO entstehen auch die<br />
Spiegelobjekte von Christian Megert.<br />
Zu den Hauptvertretern der Arte Povera<br />
gehört Jannis Kounellis, der mit seinen<br />
einfachen Materialien Natur, Technik und<br />
Kultur, Vergangenes und Fortschritt thematisiert.<br />
Auch Reiner Ruthenbeck, der bei<br />
Beuys studierte, nutzt Alltagsmaterialien,<br />
die er in spannungsreichen und manchmal<br />
spielerisch anmutenden Installationen zusammenführt.<br />
Die Maler Markus Lüpertz,<br />
Jörg Immendorff und A.R. Penck „übersetzten“<br />
ihre bildnerischen Verfahren in die<br />
Dreidimensionalität, wobei ihre kraftvoll<br />
aus dem Holz geschlagenen Figuren farbig<br />
gefasst sind. Luise Kimme hat vor vielen<br />
Jahren die Insel Tobago zu ihrer Wahlheimat<br />
erkoren. Dort entstanden ihre von der<br />
Kultur und den Erzählungen der Karibik<br />
geprägten Holzskulpturen voller Bewegung<br />
und Lebendigkeit.<br />
Tony Craggs großes Thema ist die<br />
Materie, die in immer neuen, hochkomplexen<br />
Formen in Erscheinung tritt. Seine<br />
Skulpturen aus Holz, Bronze oder Gips<br />
evozieren Erinnerungen an die Natur oder<br />
Harald Klingelhöller, 38 Teile in Form von<br />
19 Zeichen für Tisch und 25 Buchstaben<br />
der Worte „Einmal im Leben“, 1981/1983,<br />
Karton, 120 x 450 x 200 cm, Mudam<br />
Luxembourg/Collection Musée d'Art Moderne<br />
Grand-Duc Jean, Luxembourg,© Künstler<br />
Foto: Aurélien Mole, © Kunstsamml. NRW<br />
29
30<br />
Installationsansicht „Die Bildhauer. Kunstakademie Düsseldorf, 1945 bis heute“<br />
links: Anthony Cragg, Ferryman, 2001<br />
rechts: Richard Deacon, What could make me feel that way, 1993<br />
Foto: Achim Kukulies, © Kunstsammlung NRW, Künstler, VG Bild-Kunst, Bonn
Gegenständliches und zeugen zugleich von<br />
einem vielschichtigen Prozess der Transformation.<br />
Momente des Grotesken prägen die<br />
Skulpturen von Thomas Schütte, dessen<br />
Menschenbilder fernab jedes Schönheitsideals<br />
an Karikaturen erinnern. Aus der<br />
Welt ferner Erinnerungen – bis zurück in<br />
die Jahre der Kindheit – schöpfen Martin<br />
Honert und Katharina Fritsch die Motive<br />
ihrer Werke. Während Honert Erlebtes<br />
darstellt und dabei mit der Maßstäblichkeit<br />
spielt, versucht Fritsch mit ihren oftmals<br />
übergroßen Figuren Stimmungen oder<br />
Traumbilder zu evozieren. Den direkten<br />
Bezug zu jeder dinglichen Wirklichkeit<br />
negiert Richard Deacon, dessen<br />
Arbeiten aus Holz, Glas, Metall, Papier<br />
und Kunstharz zu freien Assoziationen<br />
einladen; Rita McBride untersucht die<br />
gesellschaftliche Bedeutung von Architektur,<br />
Kunst und Design. Bogomir Eckers<br />
seltsame Geräte aus scheinbar vertrauten<br />
Alltagsgegenständen kehren das Verhältnis<br />
von Mensch und dienender Maschine um,<br />
stellen Perfektion und Fortschritt in Frage.<br />
Hintergründiger Humor und Lust an der<br />
Provokation kennzeichnen die Arbeiten<br />
Gereon Krebbers, der seine Skulpturen aus<br />
den erstaunlichsten Materialien wie Klebeband,<br />
Zahncreme, Holz, Mayonnaise,<br />
Kunstharz, Zucker, Gelatine, Kleiderbügel<br />
oder Glas entwickelt. Bisweilen erinnern sie<br />
an alltägliche Gegenstände, mitunter spielen<br />
sie auf die Formen des Minimalismus<br />
an oder wuchern in den Raum, in verblüffender<br />
Weise auf den Ort reagierend.<br />
Unansehnliche Abfälle sind Grundlage<br />
der Serie der „Trashstones“, an denen Wilhelm<br />
Mundt seit über 20 Jahren arbeitet.<br />
Die Zusammenballung von Haushaltmüll<br />
und Atelierabfällen bleibt nur in den<br />
unregelmäßigen Ausbeulungen der wie<br />
Findlinge wirkenden Skulpturen sichtbar,<br />
ihre glänzend polierte Haut spricht eine<br />
andere Sprache. Mundts Strategie, aus<br />
Arbeitsresten Kunst zu machen, kann als<br />
Kommentar zu Produktionskreisläufen und<br />
Recycling gewertet werden. Bewusst knüpft<br />
Paloma Varga Weisz an kunstgeschichtliche<br />
Motive an; auch Sagen, Märchen und<br />
sogar medizinische Fachliteratur dienen<br />
ihr als Inspiration. So entstehen auf den<br />
ersten Blick vertraute Figuren, die sich<br />
bei näherem Hinsehen als Fabelwesen,<br />
Tiermenschen oder Mannfrauen entpup-<br />
31
pen. In der jüngeren Generation gehört<br />
sie zu den wenigen Künstlern, die sich mit<br />
der Holzbildhauerei befassen. Mit ihren<br />
geschnitzten und oftmals farbig gefassten<br />
Skulpturen wählt sie eine handwerklich<br />
geprägte Arbeitsweise, wie sie die klassische<br />
Bildhauerei Jahrhunderte lang prägte.<br />
Mit Die Bildhauer. Kunstakademie<br />
Düsseldorf, 1945 bis heute ist erstmals eine<br />
Ausstellung in enger Kooperation zwischen<br />
der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen<br />
und der benachbarten Kunstakademie<br />
entstanden. Tony Cragg wurde dabei nicht<br />
nur von den Professoren Siegfried Gohr<br />
und Robert Fleck unterstützt, sondern vor<br />
allem vom Team des Museums.<br />
Gezeigt wird die Schau in drei Ausstellungshallen<br />
von K20: In dem chronologisch<br />
angelegten Rundgang, der in der<br />
Klee-Halle beginnend über die Konrad-<br />
Henkel-Galerie zur Grabbe-Halle (ca.<br />
2.400 qm) führt, ist der Bogen von den<br />
historischen Positionen der Nachkriegsjahre<br />
bis in die unmittelbare Gegenwart<br />
gespannt. Eine Vortragsreihe, Künstlergespräche,<br />
Exkursionen, ein Dokumentarfilm<br />
sowie die Ausstellung „Dingfest“ mit<br />
Skulpturen zum Anfassen und Begreifen<br />
im Labor von K20 vertiefen die Eindrücke<br />
und erläutern Zusammenhänge.<br />
Die Ausstellung wird großzügig von<br />
der Kunststiftung NRW unterstützt.<br />
Sponsoren der Ausstellung: National-<br />
Bank AG, Essen, und Hogan Lovells<br />
International LLP<br />
Stiftung Kunstsammlung NRW<br />
Grabbeplatz 5, 40213 Düsseldorf<br />
K20 Grabbeplatz<br />
K21 Ständehaus<br />
Tel. 0211.83 81-730<br />
Öffnungszeiten:<br />
dienstags bis freitags 10.00-18.00 Uhr<br />
samstags, sonntags, feiertags<br />
11.00-18.00 Uhr, montags geschlossen<br />
www.kunstsammlung.de<br />
Installationsansicht „Die Bildhauer.<br />
Kunstakademie Düsseldorf, 1945 bis heute“,<br />
2013, Foto: Achim Kukulies,<br />
© Kunstsammlung NRW, Künstler<br />
33
Boulevardkomödie im<br />
TiC-Theater<br />
Sardinen, Sex und sieben Türen<br />
Belinda Blair (Sabine Henke) strahlt<br />
Zuversicht aus: „Gibt es etwas Schöneres als<br />
Hauptproben?“ Doch sie liegt schief – es ist<br />
bereits die Generalprobe für den Schwank<br />
„Nackte Tatsachen“, die vor den Augen<br />
des verzweifelten Regisseurs Lloyd Dallas<br />
(charismatisch: Andreas Mucke) und seiner<br />
hilflosen Assistentin Poppy Norton-Taylor<br />
(bewußt blaß, still leidend, mit hängendem<br />
Rocksaum: Margarete Rosenbohm) einem<br />
grandiosen Scheitern entgegentaumelt.<br />
Keiner der drittklassigen Darsteller<br />
beherrscht seine Rolle, letzte Änderungswünsche<br />
fegt Lloyd brachial oder mit<br />
Psychologie beiseite. Die Tournee durch<br />
die englische Provinz muß auf und über<br />
die Bühne. Das Publikum im intimen<br />
TiC-Theater in Wuppertal-Cronenberg<br />
darf von dieser Generalprobe bis zur letzten<br />
turbulenten Vorstellung dabei sein, wenn<br />
auch stets nur im ersten Akt.<br />
Die Story…<br />
Deshalb kennt man bald auch die Story fast<br />
zum Mitsprechen und weiß dadurch die<br />
Nuancen zu schätzen. Ein ländliches Anwesen:<br />
Haushälterin Mrs. Clackett (Dotty Otley:<br />
Martina Anhang mit robuster Gleich-<br />
mut), die das Haus für den Eigentümer und<br />
Steuerflüchtling, den Theater-Autor Philip<br />
Brent (Frederick Fellowes: Alexander Bangen,<br />
sensibel, mit bei allem Klamauk dezenter<br />
Komik) und dessen Frau Flavia (Belinda<br />
Blair: Sabine Henke, mit solider Übersicht<br />
und herrlich bieder) in Schuß hält, will es<br />
sich bei einem Teller Sardinen (darauf muß<br />
man erst mal kommen) vor dem Fernseher<br />
bequem machen, um sich die Beerdigung<br />
von dem ... Dingsda... anzusehen. Die völlig<br />
sinnlos erscheinenden Dosenfische werden<br />
der geniale Running Gag.<br />
Weil er Brent in Spanien und Mrs. Clackett<br />
im Feierabend wähnt, will der Makler-Gehilfe<br />
Roger Tramplemain (Garry Lejeune:<br />
Christian Schulz, in zweifelnd nervöser<br />
Unbeholfenheit) die sturmfreie Bude mit<br />
der schnuckeligen Vicki (Brooke Ashton;<br />
Hannah Klein, als doofes Blondchen und<br />
in Dessous eine Offenbarung) für ein<br />
Schäferstündchen nutzen. Leer glaubt<br />
auch ein ehrpusseliger Einbrecher (Selsdon<br />
Mowbray: Hartwig Kolbe, mit trockenem<br />
Humor einer, der mehr versteht, als die<br />
anderen glauben) das Haus. Und die Brents<br />
kommen heimlich nach Hause, um im<br />
eigenen Bett ihren Hochzeitstag zu feiern.<br />
34
Natürlich treffen alle in den unmöglichsten<br />
Konstellationen aufeinander.<br />
…und ihre Elemente<br />
Techniker und Mädchen für alles Tim<br />
Allgood (Alexander Klein, von hinreißender<br />
Müdigkeit), der seit 48 Stunden nicht<br />
geschlafen hat, klemmende Türen richten<br />
muß und auch noch für den zeitweise verschwundenen<br />
Selsdon Selsdon in der Rolle<br />
als Einbrecher einspringen soll, schläft quasi<br />
im Stehen und rundet die Truppe, die das<br />
völlig über drehte Stück Screwball umsetzen<br />
soll, eine Farce im Geiste Eugène Labiches<br />
und Dario Fos, in dem auch Bettlaken,<br />
Pappkartons, ein klebender Brief und - ja,<br />
Sardinen eine Rolle spielen. Dazu Eifersüchteleien,<br />
hochkochende Gefühle, viele Mißverständnisse,<br />
noch einmal Sardinen, immer<br />
wieder Sardinen, ein Scheich mit Scheichin,<br />
etliche falsch adressierte Blumensträuße<br />
sowie ein Telefon und – ja, Sardinen. Von<br />
den hoch motivierten Schauspielern wird<br />
in dem atemberaubend rasanten, höchst<br />
turbulenten und intelligenten Stück in<br />
Iljas Enkaschews pfiffigem Bühnenbild (7<br />
Türen, ein Vorhang, ein Fenster zum Einbrechen<br />
und ein ohne Drehbühne brillant<br />
gelöstes „Backstage“) viel verlangt. Sie geben<br />
es und noch mehr.<br />
Interna<br />
Die Handlung parallel zum Stück: Der<br />
übersensible Garry hat ein Verhältnis mit<br />
der wesentlich älteren Dotty. Frederick kann<br />
keine Gewalt ertragen, bekommt davon<br />
sofort Nasenbluten. Belinda ist betulich<br />
und sucht den Ausgleich – aber nur bis zu<br />
einer gewissen Grenze. SeIsdon ist nicht so<br />
recht durchschaubar, wird als Alkoholiker<br />
verdächtigt, ist aber nicht ein einziges Mal<br />
betrunken. Aber dafür Dotty bei der Dernière.<br />
Regisseur Lloyd hat was mit Brooke, die<br />
in tumber Ahnungslosigkeit und mit leerem<br />
Blick viel blonden Sex versprüht. Und er<br />
hatte auch was mit Poppy, die, wir erfahren<br />
es im ungünstigsten Moment wie es sich<br />
gehört, ein Kind von ihm erwartet.<br />
Stumme und stürmische Turbulenzen, eine<br />
im wortlosen Ringen von Hand zu Hand<br />
gehende Feueraxt, Whisky-Flaschen, Blumensträuße<br />
und Sardinenteller halten die<br />
Zwerchfelle in Bewegung. Hannah Klein ist<br />
eine Entdeckung. Zuckersüß und strohdoof<br />
schmeißt ihre Brooke als talentfreies<br />
Dummchen Szene um Szene, weil sie zwar<br />
kurvenreich, aber talentfrei keinen Plan hat<br />
und gelegentlich auch mal ihre Kontaktlinsen<br />
verliert. Als schließlich aber alles aus<br />
dem Leim geht, zieht sie als einzige unbeirrt<br />
textsicher ihren Streifen durch – köstlich.<br />
Theater auf dem Theater<br />
Theater auf dem Theater ist stets eine<br />
Delikatesse, Boulevard ein allzu oft unterschätztes<br />
Genre. Boulevard über Boulevard<br />
ist ein geradezu abenteuerliches Unternehmen.<br />
Michael Frayns Farce „Der nackte<br />
Wahnsinn“ gehört zum Schwierigsten,<br />
was die Branche zu bieten hat, aber auch<br />
zum Besten, ein Sprachkunstwerk und ein<br />
Meisterwerk an Präzision - wenn es gelingt.<br />
Thomas Gimbel setzt Frayns Meisterwerk,<br />
das vor 27 und vor sechs Jahren an den<br />
Wuppertaler Bühnen (hier war Gimbel<br />
von 1991-1998 Ensemblemitglied) volle<br />
Häuser feiern konnte und vor 13 Jahren<br />
mit der Wuppertaler Theatertruppe „neue<br />
WuTh“ (der Thomas Gimbel auch einmal<br />
angehörte) einen Sensationserfolg hatte, mit<br />
leicht erscheinender, sicherer Hand so um,<br />
wie Frayn es sich wohl gedacht hat. Das<br />
Ergebnis überzeugt von der ersten Sardine<br />
bis zum letzten Einbrecher. Lassen Sie sich<br />
im TiC für zweieinhalb Stunden bestens<br />
unterhalten.<br />
Frank Becker<br />
Fotos Martin Mazur<br />
Weitere Informationen:<br />
www.tic-theater.de<br />
35
Eine Expedition in den Sprachkosmos<br />
der Herta Müller<br />
Wenn die Fahnen flackern, rutscht<br />
„Ihr Werk, dessen Kraft sich aus dem<br />
Schrecken speist, ist zugleich reich an<br />
Schönheit und für den Leser ein großes<br />
Glück“, schreibt Volker Weidermann in<br />
der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung<br />
über das Werk Herta Müllers. Der<br />
Schrecken beginnt für die Schriftstellerin<br />
spätestens 1967, als Nicolae Ceauşescu<br />
Staatspräsident Rumäniens wird und<br />
unter seiner Führung das Land zu einer<br />
der grausigsten Diktaturen unter den<br />
Vasallenstaaten Moskaus mutiert. Herta<br />
Müller ist da gerade 14 Jahre alt. Der<br />
Spitzeldienst der Machthaber, firmierend<br />
unter dem euphemistischen Titel Securitate,<br />
verbreitet Angst und Schrecken. Der<br />
Ceauşescu-Klan beutet das eigene Volk<br />
aus; viele Rumänen leben in bitterer Armut.<br />
Herta Müllers Großvater hatte seine<br />
Erfahrungen am Ende des II. Weltkrieges<br />
in einem Satz zusammengefasst: „Wenn<br />
die Fahnen flackern, rutscht der Verstand<br />
in die Trompete.“ Ein Satz, der sich nun<br />
unter dem Ceauşescu-Regime auf fatale<br />
Weise zu wiederholen scheint und sich<br />
tief in das Bewusstsein Herta Müllers<br />
einbrennt. Die Trompete zu blasen, hat<br />
sie sich stets geweigert.<br />
Das erste Mal verweigerte sie sich 1979,<br />
als die Securitate sie zu Spitzeldiensten<br />
zwingen will. Herta Müller verliert<br />
daraufhin ihren Beruf als Übersetzerin<br />
in einer Maschinenfabrik. Sie empfindet<br />
die Lage in dem totalitären Regime als<br />
bedrohlich. Aber „auf die Angst vor dem<br />
Tode“ reagierte sie „mit einem Durst nach<br />
Leben“, sagt sie 2009 in ihrer Stockholmer<br />
Dankesrede anlässlich der Verleihung<br />
des Literaturnobelpreises. Daher werde<br />
die Freiheit umso größer, „je mehr Wörter<br />
wir uns nehmen können“. Das Schreiben,<br />
die kartographische Vermessung der<br />
Innenwelten von Bewusst- und Unterbewusstsein<br />
werden zu Orten des inneren<br />
Widerstands, zu jenen Räumen, an denen<br />
die eigene Würde und Freiheit in den<br />
Zeiten der Diktatur bewahrt werden können:<br />
Literatur als (Über-)Lebensmittel.<br />
Und sie schließt sich als einzige Frau einer<br />
literarischen Vereinigung von Rumänendeutschen<br />
an; unter ihnen der Lyriker<br />
36
der Verstand in die Trompete<br />
sind die Gedichte Herta Müllers – wie<br />
auch ihre Prosa – nicht hermetisch; der<br />
Leser kann durch den ganz eigenen, unverwechselbaren<br />
Rhythmus und Duktus der<br />
Verse eintauchen in die Fülle der Sprachbilder<br />
und sich selbst (s)einen eigenen oder<br />
auch kollektiven Reim darauf machen:<br />
wie bei den vier Zeilen oben, in denen<br />
das Lied – trotz der lauernden Bedrohung<br />
durch das Messer – sich sein Glück holt<br />
– „woher es kann“. Dass Herta Müller die<br />
Gedichte nicht nur niederschreibt, sondern<br />
aus Worten, Buchstaben, Bildern, die sie<br />
in Zeitungen und Zeitschriften findet, zusammenfügt,<br />
macht den Prozess poetischer<br />
Transformation der Wirklichkeit umso<br />
sinnfälliger. Ihre Dichtungen sind zugleich<br />
sehr real und voller Magie.<br />
Oskar Pastior, der 2006 posthum den<br />
Georg-Büchner-Preis erhielt und Ernest<br />
Wichner, heute Leiter des Literaturhauses<br />
Berlin, von dem Herta Müller sagt, „dass<br />
wohl kaum jemand mein Werk so gut<br />
kennt wie er.“<br />
Doch ihre Gedichte und Romane sind<br />
nicht nur Ausdruck eines Kampfes um<br />
Freiheit und Würde, sie sind vor allem<br />
Sprachkunstwerke. In ihrem Gedichtband<br />
„Im Haarknoten wohnt eine Dame“ sind<br />
die Personen und Dinge des alltäglichen<br />
Lebens, was sie sind: Der Friseur ist ein<br />
Friseur, das Akkordeon ein Akkordeon<br />
und das Messer ein Messer. Im Sinnraum<br />
des Gedichtes aber werden die Dinge<br />
zu Chiffren, zu mehrdeutigen Zeichen,<br />
die ihre Bedeutungen erst im Kontext<br />
erfahren:<br />
Wenn der Friseur Akkordeon spielt<br />
Liegt noch das Messer auf dem Tisch<br />
und jedes Lied nimmt sich ein Glück<br />
woher es kann. […]<br />
Der lyrische Kosmos der Herta Müller ist<br />
reich bevölkert von solchen Dingsymbolen,<br />
die wohl der Lebenswelt der Dichterin als<br />
Mädchen und junger Frau entspringen und<br />
die für sie eine ganz persönliche magische<br />
Bedeutung haben. Über die Dinge der<br />
Außenwelt hat sie keine Macht; sie sind,<br />
was und wie sie sind. Der Trick der Freiheit<br />
aber besteht darin, den Dingen und<br />
Verhältnissen die Bedeutungen zu geben,<br />
die unsere Innenwelt ihnen zuweist. Daher<br />
Damit ist zugleich aber auch das poetische<br />
Programm, die verstörende und<br />
betörende sprachliche Schönheit der<br />
Dichtungen Herta Müllers, in einer<br />
ersten vorsichtigen Annäherung beschrieben.<br />
Eine Schönheit, die sich bereits in<br />
ihrem ersten Prosaband „Niederungen“<br />
findet. Dort beschreibt sie unter anderem<br />
die Schönheit des Landes, aber auch das<br />
Bedrückende ihrer Kindheit und Jugend,<br />
die Dummheit und das Dumpfe in den<br />
„Niederungen“ der Provinz, die Verlogenheiten<br />
und Lebenslügen ihrer Siebenbürger<br />
Landsmänner und -frauen, die den<br />
Wechsel von der faschistischen in die<br />
kommunistische Diktatur scheinbar problemlos<br />
in ihre Biographien integrieren<br />
konnten. Die rumänische Zensur greift<br />
stark in den Text ein, streicht missliebige<br />
Passagen, und dennoch empfinden viele<br />
Rumänendeutsche das Buch als Nestbeschmutzung;<br />
als eine „Apotheose des<br />
Hässlichen und Abstoßenden“, wie die<br />
westdeutsche Ausgabe des „Donauschwaben“<br />
1984 in einer von Hass erfüllten<br />
Besprechung titelt. Wer ideologisch sieht,<br />
ist eben blind für wahre Schönheit oder<br />
auch: die Schönheit der Wahrheit.<br />
In ihrem jüngsten Roman „Atemschaukel“<br />
schildert Herta Müller das Schicksal<br />
des fiktiven siebzehnjährigen Siebenbürger<br />
Sachsen Leopold Auberg, der im Januar<br />
1945 in ein ukrainisches Arbeitslager<br />
deportiert wird. „Es ist ein erschütternder<br />
Roman, [...] ein verstörendes Meisterwerk,<br />
mutig und sprachschöpferisch, ein<br />
Versuch, aus dem Inneren der Hölle zu<br />
sprechen, einer ganz eigenen, bildstarken<br />
Sprache, die dort Worte finden muss, wo<br />
die herkömmlichen versagen, das Grauen<br />
nicht zu fassen vermögen“, schreibt<br />
Karl-Markus Gauss in der Süddeutschen<br />
Zeitung.<br />
Dabei sind Sprache und Konstruktion<br />
des Romans nicht zuletzt ein Ergebnis der<br />
genauen Recherchen Herta Müllers. Ab<br />
2001 zeichnete sie die Erinnerungen von<br />
Betroffenen auf. Und sie begleitet ihren<br />
frühen literarischen Wegbegleiter Oskar<br />
Pastior (1927 – 2006) auf einer Reise in<br />
das Lager, in dem der Schriftsteller fünf<br />
Jahre lang als Zwangsarbeiter der UdSSR<br />
lebte. Eigentlich sollte es ihr gemeinsames<br />
Buch werden.<br />
Die Schrecken des Lagerlebens werden<br />
in einer Sprache geschildert, die wirklichkeitsnah<br />
und -gesättigt ist und sich<br />
zugleich wie ein hauchfeines lyrisches<br />
Gewebe über die Erinnerungen des Ich-<br />
Erzählers legt. Herta Müller gelingt das<br />
Kunststück der Verdichtung von Realistik<br />
und ihrer poetischen Transformation, in<br />
der die Dinge sind, was sie sind, und sie<br />
dennoch ihre eigene Magie für den Ich-<br />
Erzähler entfalten, eine Magie, in der die<br />
Kraft zum Überleben steckt. Ein Erzählund<br />
vielleicht auch ein Lebensmodell, das<br />
für den Leser – wie Weidermann sagt –<br />
„ein großes Glück“ ist.<br />
Heiner Bontrup<br />
37
Klänge aus einer anderen, besseren Welt<br />
Das Duo Anja Lechner und<br />
Franç ois Couturier verzaubert<br />
zum Start der Musikreihe<br />
KlangArt den Skulpturenpark<br />
„Wenn Gram an dem Herzen nagt,<br />
wenn trübe Laune unsere einsamen<br />
Stunden vergiftet, wenn uns Welt und<br />
Geschäfte anekeln, wenn tausend Lasten<br />
unsre Seelen drücken und unsre Reizbarkeit<br />
unter Arbeiten des Berufs zu ersticken<br />
droht, so empfängt uns die Bühne –<br />
in dieser künstlichen Welt träumen wir<br />
die wirkliche hinweg, wir werden uns<br />
selbst wiedergegeben, unsere Empfindung<br />
erwacht, heilsame Leidenschaften<br />
erschüttern unsere schlummernde<br />
Natur.“<br />
So beschreibt Friedrich Schiller vor fast<br />
230 Jahren seinen Traum vom Theater.<br />
Doch ebenso wie das Theater, ja vielleicht<br />
mehr noch als dieses, vermag Musik uns<br />
in solch glückliche Gefilde zu entrücken.<br />
Leider sind diese Momente im Meer des<br />
musikalischen Mainstreams selten<br />
zu finden.<br />
38
Umso schöner, wenn uns solche Zeiten<br />
geschenkt werden, wie beim Auftaktkonzert<br />
zur Musikreihe KlangArt im<br />
Skulpturenpark Waldfrieden. Die<br />
Cellistin Anja Lechner und der Pianist<br />
Franç ois Couturier entführten das Publikum<br />
auf eine Reise, die einen weiten<br />
musikalischen Bogen vom Okzident<br />
zum Orient spannte. Sie präsentierten<br />
Stücke von Georges I. Gurdjieff, Frederic<br />
Mompou und Anouar Brahem, aber<br />
auch eigene Kompositionen Couturiers.<br />
So unterschiedlich diese Komponisten<br />
sind, so eint sie doch ihr Bestreben<br />
zum inneren Kern des musikalischen<br />
Ausdrucks vorzudringen: Der Katalane<br />
Mompou etwa ließ sich vom französischen<br />
Impressionismus inspirieren,<br />
ebenso aber auch von den Klängen der<br />
Natur und der mystischen Dichtung<br />
San Juan de la Cruz’, der im Gefängnis<br />
sein Cántico espiritual, seine spirituellen<br />
Gesänge schrieb. Der griechischarmenische<br />
Philosoph, geistige Lehrer<br />
und Komponist Gurdjieff komponierte<br />
Musik unter dem Einfluss seiner Reisen<br />
durch den Kaukasus und Kleinasien,<br />
indem er althergebrachtes Gedankengut<br />
aus den unterschiedlichen Religionen<br />
und Weltanschauungen in seinen Adaptionen<br />
weltlicher Musik und sakraler<br />
Tänze einfließen ließ. Anouar Brahem<br />
ist ein Meister der tunesischen Oud,<br />
dessen musikalische Ideen sich sowohl<br />
aus westlichen und östlichen Quellen<br />
schöpfen. Selbst Grenzgänger zwischen<br />
musikalischen Kulturen, setzen sich<br />
Anja Lechner und Franç ois Couturier<br />
mit Komponisten auseinander, die<br />
ihrerseits einen Brückenschlag zwischen<br />
musikalischen und weltanschaulichen<br />
Kulturen versucht haben und die ihr<br />
Bestreben eint, Musik als Ausdruck<br />
spiritueller Erfahrung zu verstehen und<br />
zu gestalten.<br />
Das alles ist in den Interpretationen von<br />
Lechner und Couturier zu hören. Und<br />
doch: Charakteristisch für die Spielweise<br />
des Duos ist, dass sie den Kompositionen<br />
dieser doch so sehr verschiedenen<br />
Tonkünstler eine ganz eigene unverwechselbare<br />
Färbung verleihen und<br />
einen inneren Zusammenhang zwischen<br />
den Stücken erkennen lassen. Dazu<br />
gehört, dass sie die Zuhörer ausgiebig in<br />
die jeweilige musikalische Welt eintauchen<br />
lassen, die Themen und Motive<br />
der Stücke ausführlich vorstellen, um<br />
sie dann improvisierend weiter zu<br />
entwickeln. Ihre Musik schwingt dabei<br />
zwischen den Polen arabesker Rhythmik<br />
und impressionistisch oder gar seriell<br />
inspirierter europäischer Kunstmusik.<br />
Dabei bewegen sie sich zwar zumeist<br />
innerhalb der Grenzen der Tonalität<br />
und führen dennoch das musikalische<br />
Ausgangsmaterial zu ganz neuen Ufern<br />
musikalischen Ausdrucks. Dabei nehmen<br />
sie das Publikum mit, das an einen<br />
Ort geführt wird, der ihm zugleich vertraut<br />
und doch fremd vorkommt. Denn<br />
der Ort, an den wir geführt werden, ist<br />
wohl zuletzt unser eigenes Selbst: Anja<br />
Lechner und Franç ois Couturier lassen<br />
39
uns in ihrer Musik uns selbst begegnen.<br />
Eine wunderbare Erfahrung, für die sich<br />
das Publikum am Ende des Konzertes<br />
mit sehr lang anhaltendem, sehr ernsthaftem<br />
Applaus bedanken wird.<br />
Doch es gibt noch ganz andere überraschende<br />
Begegnungen im Pavillon des<br />
Skulpturenparks. Denn dort treffen Natur,<br />
Musik und bildende Kunst aufeinander<br />
und spielen – vielleicht ungewollt,<br />
aber doch sehr berückend – miteinander:<br />
Gegen Ende des Konzertes taucht das<br />
letzte Abendlicht den gläsernen Pavillon<br />
in ein strahlendes warmes Licht, setzt<br />
den an Insekten erinnernden Bronze-<br />
Skulpturen des belgischen Bildhauers Jan<br />
Fabre Spitzlichter auf und taucht sie in<br />
ein magisch anmutendes Licht. Es mag<br />
Zufall sein oder Zauber: Aber in diesem<br />
Moment hört der geneigte Zuhörer in<br />
den tiefen Tönen des Cellos eine unterirdische<br />
Armee von Käfern marschieren<br />
und summen.<br />
Doch dass wir uns aus dem Weltgetöse<br />
und -getriebe „hinwegträumen“ können<br />
an diesem Abend, das verdankt sich vor<br />
allem der Inspiration und der Spielkunst<br />
der beiden Musiker. Wenn Anja Lechner<br />
auf ihrem Instrument hingehauchte Flageolett-Töne<br />
spielt, die sich sanft von der<br />
Begleitung auf dem Flügel lösen, wenn<br />
Franç ois Couturier auf den Tasten seines<br />
Instruments in seiner Eigenkomposition<br />
„Papillons De La Nuit“ mit höchster<br />
Leichtigkeit Falter als Mobiles mediterraner<br />
Heiterkeit tanzen und schweben lässt,<br />
dann sind das Klänge aus einer anderen,<br />
besseren Welt.<br />
Heiner Bontrup<br />
Fotos: Karl-Heinz Krauskopf<br />
Weitere KlangArt-Konzerte 2013<br />
im Skulpturenpark Waldfrieden<br />
Samstag, 15. Juni<br />
Christian Muthspiel 4<br />
Feat. Steve Swallow<br />
Sonntag, 16. Juni<br />
Butterscotch<br />
Samstag, 20. Juli<br />
Avishai Cohen Quartet<br />
Sonntag,21. Juli<br />
Acoustic Africa<br />
Women’s Voices<br />
Samstag, 17. August<br />
Elina Duni Quartet<br />
Sonntag, 18. August<br />
Nguyên lê Quintet<br />
www.skulpturenpark-waldfrieden/<br />
klangart.de<br />
40
is zum 7. Juli 2013<br />
im K21 Ständehaus Düsseldorf<br />
Kuratorin: Dr. Isabelle Malz<br />
Einen umfangreichen Überblick über das<br />
gesamte Werk des Fotografen Wolfgang<br />
Tillmans präsentiert die Kunstsammlung<br />
Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Zu<br />
sehen ist vom 2. März bis zum 7. Juli 2013<br />
eine Auswahl von Arbeiten dieses außergewöhnlichen<br />
Grenzgängers der Fotografie aus<br />
den vergangenen 25 Jahren.<br />
Der Künstler hat die Ausstellung präzise<br />
für die Ausstellungsräume im kompletten<br />
weitläufigen Untergeschoss des K21 als Gesamtinstallation<br />
eingerichtet. Erstmals zeigt<br />
Tillmans dabei auch bisher nie zu sehende<br />
frühe zeichnerische und andere Arbeiten<br />
aus den späten 1980er Jahren.<br />
Wolfgang Tillmans, Icestorm, 2001,<br />
Courtesy Galerie Buchholz, Köln/Berlin<br />
Foto: © Wolfgang Tillmans, © Kunstsammlung<br />
NRW<br />
Wolfgang Tillmans<br />
Wolfgang Tillmans (geb. 1968/Remscheid)<br />
hat als einer der wichtigsten<br />
Künstler seiner Generation das Medium<br />
Fotografie um entscheidende Aspekte<br />
weiterentwickelt und damit als Kunstform<br />
neu definiert. Die Arbeiten des in<br />
Berlin und London lebenden Fotografen<br />
sind weltweit in bedeutenden Sammlungen<br />
vertreten und werden vielfach in<br />
internationalen Ausstellungen gezeigt.<br />
Seine künstlerische Arbeit vereint in einer<br />
von spannungsvollen Brüchen geprägten<br />
Mischung abstrakte Bilder und Fotografien<br />
mit den unterschiedlichsten Sujets:<br />
Sie reichen von ganz persönlichen oder<br />
häuslichen Motiven bis zu politischen<br />
Themen, von entfernten Orten auf der<br />
ganzen Welt bis zu Aufnahmen des Sternenhimmels.<br />
„Ich mache Bilder, um die<br />
Welt zu erkennen“, betont Tillmans.<br />
Die frühesten Arbeiten, Fotokopien von<br />
Zeitungsbildern und eigene Fotografien,<br />
gehen zurück auf Experimente mit einem<br />
der ersten digitalen Schwarzweiß-Fotokopiergeräte.<br />
Bilder und Fotosequenzen seiner Freunde<br />
und von jungen Leuten aus der Popkultur<br />
und Clubszene – veröffentlicht in<br />
verschiedenen Zeitschriften wie i-D und<br />
Spex – machten ihn Anfang der 1990er<br />
Jahre einer größeren Öffentlichkeit<br />
bekannt. Als erster nicht aus Großbritannien<br />
stammender Künstler und Fotograf<br />
erhielt Wolfgang Tillmans im Jahr 2000<br />
den renommierten britischen Turner<br />
Preis.<br />
Zur Bandbreite der künstlerischen<br />
Arbeit gehören bei Wolfgang Tillmans<br />
neben Porträts, Interieurs, Landschaften,<br />
astronomischen Himmelsaufnahmen<br />
und Stillleben auch seine in der Dunkelkammer<br />
ohne Kameralinse entstandenen<br />
41
abstrakten Bilder, Videoarbeiten und die<br />
sogenannten Truth Study Centre Tables.<br />
Wie große Collagen präsentieren diese<br />
Tischinstallationen Fotografien, Fotokopien,<br />
Zeitungsartikel und ausgewählte<br />
Materialien zu gesellschaftspolitischen<br />
und naturwissenschaftlichen Themen und<br />
verstärken die in den Bildern angesprochenen<br />
Themenkomplexe resonanzartig.<br />
Den Weg der Abstraktion geht Tillmans<br />
mit den von zarten Farbschlieren<br />
überzogenen teils großen Formaten der<br />
Freischwimmer ebenso wie mit seinen<br />
paper-drops, den Aufnahmen gerollter<br />
Papiere in Seitenansicht. Die hier anklingende<br />
Plastizität wird in der Serie Lighter<br />
ganz real: Das gefalzte Fotopapier – präsentiert<br />
in flachen Plexiglaskästen – wird<br />
zum abstrakten Relief. Mit seinen zuletzt<br />
auf Reisen um die Welt erstmals digital<br />
aufgenommenen Neue Welt-Bildern,<br />
die gerade in Buchform erschienen sind,<br />
erweitert Tillmans sein vielschichtiges<br />
Werk um eine neue Dimension. Er macht<br />
deutlich, dass es ihm neben einem (material-)ästhetischen<br />
Aspekt immer auch um<br />
ein grundsätzliches Interesse an gesellschaftspolitischen<br />
Themen wie Handel,<br />
Warenverkehr, ökonomische Strukturen<br />
und hypermoderne Architekturen als<br />
Ausdruck dieser neuen Entwicklung geht.<br />
Im Zentrum des Schaffens von Wolfgang<br />
Tillmans steht die Frage nach dem<br />
Bild und die Auseinandersetzung damit,<br />
wie Bedeutung auf einem Stück Papier<br />
entsteht. Alle Arbeiten der Ausstellung<br />
sind analoge Bilder. Dies bedeutet, dass<br />
sie als Abbilder von Wirklichkeit nicht am<br />
Computer manipuliert, sondern zunächst<br />
durch Licht auf einer lichtempfindlichen<br />
Oberfläche, einem Film oder Sensor<br />
entstanden sind. Der Künstler bearbeitet<br />
seine Bilder anschließend jedoch auf ganz<br />
unterschiedliche Arten, sei es in der Form<br />
von Fotokopien, durch digitales oder<br />
klassisch analoges Drucken, aber auch<br />
mit fotochemischen Prozessen oder durch<br />
manuelle Verformungen.<br />
Mit seinen Arbeiten hat Tillmans nicht<br />
nur eine neue Bildsprache der Fotografie<br />
gefunden, sondern gleichzeitig eine<br />
unverkennbar eigene Präsentationsform<br />
Installationsansicht, K21 Ständehaus,<br />
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen<br />
Foto: A. Kukulies, © Kunstsammlung NRW<br />
43
geschaffen, die seine Ausstellungen zu<br />
ortspezifischen Gesamtinstallationen werden<br />
lassen. Die Ausstellungspraxis, bei der<br />
gerahmte neben ungerahmten Fotografien,<br />
C-Prints neben Fotokopien, Tintenstrahl-<br />
und Laserdrucke unterschiedlichsten<br />
Formats – zum Teil direkt an die<br />
Wand fixiert – zu komplexen wie auch<br />
streng linearen Wandinstallationen angeordnet<br />
werden, ist für viele nachfolgende<br />
Künstler stilprägend geworden. Dies gilt<br />
ebenso für seinen unkonventionellen Umgang<br />
mit der Fotografie, die er fortlaufend<br />
auf neue Bildmöglichkeiten und Variationen<br />
im Umgang mit dem Medium, dem<br />
Material und der Technik hin befragt und<br />
in Ausstellungen, Künstlerbüchern sowie<br />
Zeitschriften gleichermaßen präsentiert.<br />
Die Ausstellung wurde vom Moderna<br />
Museet in Stockholm in Kooperation mit<br />
der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen<br />
organisiert.<br />
In Düsseldorf unterstützt die Stiftung<br />
Kunst, Kultur und Soziales der Sparda-<br />
Bank West die Ausstellung.<br />
Stiftung Kunstsammlung NRW<br />
Grabbeplatz 5, 40213 Düsseldorf<br />
K20 Grabbeplatz<br />
K21 Ständehaus<br />
Tel. 0211.83 81-730<br />
Öffnungszeiten:<br />
dienstags bis freitags 10.00-18.00 Uhr<br />
samstags, sonntags, feiertags<br />
11.00-18.00 Uhr montags geschlossen<br />
www.kunstsammlung.de<br />
Abb. oben: spores, 2012, Courtesy Galerie<br />
Buchholz, Köln/Berlin<br />
Abb. links: Headlight (b), 2012, Courtesy<br />
Galerie Buchholz, Köln/Berlin<br />
beide Fotos: © Wolfgang Tillmans<br />
© Kunstsammlung NRW<br />
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„Klara, sag, daß das alles nur ein<br />
Spaß, ein grausamer Spaß ist!“<br />
Der Besuch der alten Dame<br />
Sybille Fabian inszeniert<br />
Dürrenmatts „Der Besuch der<br />
alten Dame“<br />
Inszenierung: Sybille Fabian<br />
Bühne: Herbert Neubecker<br />
Kostüm: Sybille Fabian / Frauke<br />
Menzinger<br />
Dramaturgie: Oliver Held<br />
Fotos: Uwe Stratmann<br />
Besetzung:<br />
Claire Zachanassian / An Kuohn<br />
Butler / Boby Hendrik Vogt<br />
Der Blinde, Koby / Julia Wolff<br />
Alfred Ill / Harald Schwaiger<br />
Seine Frau Mathilde / Juliane Pempelfort<br />
Seine Tochter Ottilie / Hanna Werth<br />
Der Bürgermeister: / Markus Haase<br />
Der Pfarrer / Heisam Abbas<br />
Der Lehrer / Marco Wohlwend<br />
Der Polizist / Thomas Braus<br />
Zugführer, Pfändungbeamter, Turner,<br />
Bahnvorstand, Geschäftsführer, Arzt /<br />
Silvia Munzón López<br />
Güllener, Chor, Musiker, Polizeistaat, Die<br />
Dicklippigen, Die Debilen, Berater /<br />
Ensemble<br />
An Kuohn, Harald Schwaiger<br />
45
Da bleiben Fragen offen<br />
Schon zu Beginn bleiben viele Fragen offen,<br />
als ganze zehn Minuten lang eigentlich<br />
nichts passiert, außer daß sich unter<br />
dröhnendem Maschinengeräusch Gestalten<br />
durch einen Gazevorhang winden. Theaterprovokation<br />
dieser Machart ist überholt.<br />
Das hat Sybille Fabian wohl nicht verstanden,<br />
als sie Friedrich Dürrenmatts „Der<br />
Besuch der alten Dame“ für das Wuppertaler<br />
Schauspiel inszenierte und am Samstag<br />
als Premiere in Remscheid vor vollem Haus<br />
auf die Bühne brachte. Offen bleibt – ganz<br />
am Rande – auch die Frage, wieso zwar<br />
der Wuppertaler Oberbürgermeister Peter<br />
Jung (zuverlässig wie stets) samt Familie zur<br />
Premiere erschien, die Remscheider Oberbürgermeisterin<br />
(uninteressiert wie immer)<br />
bei diesem kultur- und regionalpolitisch<br />
hochkarätigen Termin durch Abwesenheit<br />
glänzte und auch kein anderer Offizieller<br />
der Stadt Remscheid sich sehen ließ. Ein<br />
Affront.<br />
Die Stadt Güllen ist bankrott. Die<br />
Stadt, jeder einzelne Bürger ist verschuldet.<br />
Vieles ist bereits gepfändet, die Einwohner<br />
und Administrativen einschließlich der<br />
Polizei (Thomas Braus) stehen im kurzen<br />
Hemd da, dem Bürgermeister (Markus<br />
Haase) ist von seiner Würde nichts als der<br />
Kummerbund geblieben, dem Pfaffen<br />
(Heisam Abbas) nur der einfachste Rock.<br />
Ihre Bewegungsfreiheit ist auf ein geringes<br />
Schrittmaß begrenzt. Nicht einmal wichtige<br />
Züge halten mehr in Güllen. Geld muß<br />
her. Dringend. Wie aber die Pleite abwenden?<br />
Da kommt den Güllener Honoratioren,<br />
die sich Ort und Einfluß teilen, ihre<br />
einstige Schulkameradin Klara Wäscher (An<br />
Kuohn) recht, die sich durch die Ehe mit<br />
einem armenischen Mogul zur Milliardärin<br />
hochgeerbt hat und nun Claire Zachanassian<br />
heißt. Sie hat ihren Besuch und Hilfe<br />
angekündigt – und ausgerechnet Alfred<br />
Ill (Harald Schwaiger) fällt die Aufgabe<br />
zu, Claire zu umgarnen. Dafür soll er den<br />
Posten des für die Pleite verantwortlichen<br />
Bürgermeisters bekommen.<br />
Foto oben: v.l.n.r. Thomas Braus, Marco<br />
Wohlwend, Heisam Abbas<br />
Mitte: Harald Schwaiger<br />
unten: v.l.n.r. Thomas Braus, Silvia<br />
Munzón López, Markus Haase, Heisam<br />
Abbas,Marco Wohlwend, Juliane Pempelfort,<br />
Hanna Werth / Schaukel: An Kuohn<br />
46
Tanz ums goldene Kalb<br />
Harsch und zynisch jedoch macht Claire, die<br />
von Anbeginn Güllen mit der Macht ihres<br />
Geldes und zerstörerischer Stimmfrequenz in<br />
Schach hält, dem Wahn ein Ende. Sie nennt<br />
ihren Preis: den Tod Alfred Ills, der sie vor<br />
Jahrzehnten geschwängert, verlassen, durch<br />
Meineid zur Hure gemacht und den Tod des<br />
gemeinsamen Kindes verschuldet hat. Dafür<br />
bietet sie Güllen 1 Milliarde Euro (bei der<br />
Uraufführung 1956 war es noch 1 Million -<br />
so inflationär hat sich die Welt entwickelt).<br />
Die lautstarke Empörung der Güllener<br />
sowie die scheinbar konsequente Ablehnung<br />
des unmoralischen Angebots wandelt sich<br />
subkutan, eine durch die Verbesserung der<br />
Garderobe sichtbar gemachte Veränderung,<br />
die auch Alfred Ill nicht entgeht. Der Tanz<br />
ums goldene Kalb hat längst begonnen.<br />
Claire wird nicht nachgeben, zu groß ist der<br />
Haß, aus dem heraus sie ihre „Gerechtigkeit“<br />
brutal einfordert – und bekommen wird.<br />
v.l.n.r. Heisam Abbas, Harald Schwaiger, An Kuohn<br />
Starke Bilder, schroffe Striche<br />
Friedrich Dürrenmatt hat den Konflikt<br />
zwischen Geld und Moral, Schuld und<br />
Vergebung, Heuchelei und Aufrichtigkeit<br />
als moralische „tragische Komödie“ auf<br />
eine Spitze getrieben, bei der das Gelächter<br />
gallebitter ist. In Sybille Fabians dröhnender<br />
Inszenierung hat Gelächter im Stakkato<br />
kakophoner Klang-Kollagen, gepreßter, zerhackter,<br />
verzögerter Sprache keine Chance.<br />
Im wuchtigen Bühnenbild von Herbert<br />
Neubecker, einem sich auf einen Erdhaufen<br />
zu verjüngenden, neonbeleuchteten<br />
Säulengang in Speer-Architektur, wird die<br />
zigmal geliftete, fast nur noch aus Ersatzteilen<br />
bestehende „alte Dame“ mit operativ<br />
eingefrorenem Grinsen zur grotesken Nebenfigur<br />
eines Dramas, in dem die Chargen<br />
zu beängstigenden Exempeln bürgerlicher<br />
Verlogenheit aufsteigen. Die Karikaturen,<br />
die Sybille Fabian hier mit schroffen Strichen<br />
zeichnet, gehen unter die Haut, ins Mark.<br />
Ein Haufen Arschkriecher.<br />
Thomas Braus als nach unten tretender<br />
Polizist, Markus Haase als an seinem Stuhl<br />
klebender salbadernder Bürgermeister,<br />
Marco Wohlwend als verlogener Humanist<br />
und vor allem Heisam Abbas in seiner körperlich<br />
gelebten Rolle des bigotten Pfarrers<br />
geben dem Stück den schauspielerischen<br />
Glanz, der der Inszenierung ansonsten<br />
abgeht. Silvia Munzón López zeigt in vielen<br />
kleinen Rollen (herrlich: ihr Pfändungsbeamter)<br />
Wandlungsfähigkeit, und Juliane<br />
Pempelfort holt aus Mathilde, der farblos<br />
inszenierten Ehefrau Alfred Ills doch noch<br />
Farbe heraus. Was inhaltlich in qualvoll<br />
künstlich gedehnten zweieinviertel Stunden<br />
dadurch bisweilen langweilig auf die Bühne<br />
gebracht wurde, hätte in einer gerafften<br />
Aufführung eventuell überzeugen können.<br />
Sybille Fabian hat ihren bisherigen, teils auch<br />
kontrovers diskutierten Arbeiten für die<br />
Wuppertaler Bühnen (Kafka: „Der Prozeß“,<br />
Wedekind: „Lulu“, Molnar: „Liliom“) mit<br />
der ihr eigenen wuchtigen Bildsprache eine<br />
neuerlich das Bild vom bürgerlichen Theater<br />
umstürzende Inszenierung hinzugefügt. Das<br />
kam nicht bei allen Zuschauern der Premiere<br />
gut an, viele, sehr viele verließen die Aufführung<br />
vor der Zeit.<br />
Ein grausamer Spaß<br />
„Klara, sag, daß das alles nur ein Spaß, ein<br />
grausamer Spaß ist!“ Diesen verzweifelten<br />
Satz Alfred Ills mochte mancher der tapfer<br />
ausharrenden Zuschauer noch im Ohr<br />
haben, als er nach zweieinviertel quälenden<br />
Stunden ohne Pause den Saal des Teo Otto<br />
Theaters in Remscheid verließ. Man muß<br />
Sybille Fabians „Besuch der alten Dame“<br />
nicht mögen, aber man sollte ihn vielleicht<br />
doch gesehen haben. Wenn auch nur als<br />
abschreckendes Beispiel für mißverstandenes<br />
Theater.<br />
Premiere war am Samstag, 6. April 2013,<br />
19.30 Uhr als Gastspiel der Wuppertaler<br />
Bühnen vor nahezu ausverkauftem Haus im<br />
Remscheider Teo Otto Theater. Die Kooperation<br />
der Theater endet nach dieser Spielzeit<br />
durch Aufkündigung seitens Remscheid.<br />
Die Wuppertaler Premiere war am 17.<br />
Mai im Opernhaus.<br />
Frank Becker<br />
www.wuppertaler-buehnen.de<br />
47
Friederike Zelesko<br />
geboren in Böheimkirchen, Niederösterreich.<br />
Sprachstudium in London, Übersetzerin.<br />
War Regierungsangestellte an der Bergischen<br />
Universität Wuppertal.<br />
Schreibt Lyrik und Prosa und ist Mitglied<br />
im Verband Deutscher Schriftsteller und der<br />
Künstlerinnengemeinschaft GEDOK. Beiträge<br />
in Literaturzeitschriften, Anthologien, im Funk<br />
und einer Kolumne der Frankfurter Rundschau.<br />
Zuletzt in der Anthologie: Fern vom<br />
Lärm der Welt, Tag + Nacht Verlag, Köln.<br />
Foto: Claudia Schüller<br />
Dichterlesung<br />
Und es begab sich, dass der Turm, der Fingerzeig<br />
der Stadtkirche, in der Abendsonne<br />
errötete. Draußen verpackten silberne Altweibersommerfäden<br />
das Bild einer heiligen Stadt<br />
und es herrschte ein mildes Licht. Drinnen, in<br />
der Kirche, herrschte die Stimme des Dichters.<br />
Er las die Geschichte „Das Rätsel“ aus<br />
seinem Werk: „Das Buch Maria Magdalena“.<br />
Der Dichter ließ mit kraftvoller Stimme<br />
Worte durch die Kirche wehen. Nur<br />
jedes zweite Wort stieg in die Höhe zu den<br />
Zuhörern und Anhängern, die unten keinen<br />
Platz mehr fanden, so wie ich, und deshalb<br />
auf der Galerie saßen. Obwohl die Zuhörer<br />
und Anhänger des Dichters von der Galerie<br />
eine gute Sicht auf den Altarraum hatten, wo<br />
er vor dem Mikrofon saß, ging ein falsches<br />
Echo durch den Kirchenraum. Das Echo<br />
verzerrte die Worte bevor sie oben ankamen.<br />
Der Dichter konnte nichts dafür, dass sich<br />
seine Stimme auf dem langen Weg nach<br />
oben im Lautknäuel verwirrte. Die oberen<br />
Lautsprecher waren verstummt. Sie konnten<br />
auch nicht repariert werden, denn unten<br />
wusste man nichts. Niemand oben hatte<br />
den Mut, die Lesung aus dem heiligen Buch<br />
Maria Magdalena zu unterbrechen und zu<br />
rufen: Wir verstehen nichts. Wir wollen die<br />
ganze Wahrheit über diese Frau aus Magdala<br />
hören, die mutig hinaustrat aus dem Haus<br />
der Patriarchen und an die Freiheit und Liebe<br />
glaubte.<br />
Die Rechtecke der Kirchenbänke waren<br />
bis auf den letzten Platz besetzt. Von oben<br />
sahen sie aus wie zwei Flickenteppiche, bunt<br />
durchwirkt mit Noppen, die sich als Köpfe<br />
der Zuhörer und Anhänger entpuppten.<br />
Der Mittelgang, die Seitengänge, auch der<br />
Gang, der die letzten Bankreihen waagrecht<br />
durchschnitt, waren frei, und ich wäre am<br />
liebsten ganz vorne, von mir aus auf dem<br />
kühlen Steinboden der Kirche gesessen, um<br />
das Wort meines Dichters zu hören. Aber dazu<br />
war es jetzt zu spät. Die Zeit schritt unaufhaltsam<br />
voran. Wer zu spät kommt, oder zu<br />
spät geboren wird, den bestraft das Leben. Ich<br />
fühlte mich wirklich bestraft, denn ich war<br />
mit der Bahn von weither angereist, um ihm<br />
zu begegnen. Er, von dem ich schon so viel<br />
gelesen und gehört hatte, und der der Verfasser<br />
des Buches der Bücher war. Eine große<br />
Menschenmenge war gekommen und ich erkämpfte<br />
mir einen Platz auf der Galerie. Und<br />
nun hörte ich nichts. Ich legte meine Hand<br />
48
hinter mein Ohr, formte es zu einem Trichter.<br />
So ein Trichter funktioniert bei schwerhörigen<br />
Menschen schon seit alters her. Nichts zu<br />
machen. Auch da verstand ich nur jedes dritte<br />
Wort. Magdala … kostbares Salböl … folgte<br />
ihm … auf den Knien liegend … emporgehoben<br />
… als erste den auferstandenen Herrn<br />
gesehen…Verkünderin der frohen Botschaft...<br />
Apostelin… Vorsteherin… Urgemeinde …<br />
Sonnenaufgang... überirdisch...<br />
Statt eines Sonnenaufgangs floss der<br />
glühende Widerschein des Sonnenuntergangs<br />
irdisch in das Kirchenschiff. Kein Schiff ohne<br />
Wendeltreppen. Die einzige Wendeltreppe,<br />
die sich in diesem Schiff hinaufschraubte, war<br />
die Treppe zur Hochkanzel. Eine Predigtkanzel<br />
in schwindelerregender Höhe von fünf<br />
Metern mit einem Geländer aus metallisch<br />
glänzendem Glas, das auch den Kanzelplatz<br />
in einer schönen, weichen Rundung umfasste.<br />
Die Kanzel wirkte zurückgenommen. Nicht<br />
sie, sondern das gesprochene Wort sollte die<br />
Aufmerksamkeit erwecken. Das gesprochene<br />
Wort einer Frau und nicht das der heiligen<br />
Nachfolger des Herrn, die alles verdrehten und<br />
sich an die patriarchalische Macht klammerten,<br />
sollte gehört werden. Wie um dies zu<br />
unterstreichen, entdeckte ich Schriftzüge auf<br />
der matten Glasscheibe des Treppengeländers.<br />
Manche konnte ich entziffern, manche waren<br />
mir fremd.<br />
Nicht mein Ohr, sondern mein Auge war<br />
jetzt das Sinnesorgan, das umständehalber und<br />
fast verzweifelt auf Entdeckungsreise ging.<br />
Dies hier ist eine offene Kirche, stand groß<br />
gleich am Eingang und lud mich ein, auf der<br />
Suche nach einem stillen Platz im hektischen<br />
Treiben der heiligen Stadt über die Diffamierung<br />
und Herabsetzung des weiblichen<br />
Geschlechts durch die Nachfolger des Herrn<br />
nachzudenken, der den Frauen während<br />
seines unauslöschlich niedergeschriebenen<br />
Erdendaseins den Platz einräumte, der ihnen<br />
vorher verwehrt war. In diesem großen, mit<br />
hellem Holz gestalteten Kirchenraum lässt<br />
sich Selbstbewusstsein von Frauen in der Stille<br />
üben. Vielleicht ist dies aber auch ein Fehler<br />
und das Selbstbewusstsein der Frauen, auch<br />
meines, müsste lauter schreien.<br />
Meine Aufmerksamkeit bahnte sich<br />
wieder den Weg zur Kanzel. Ich glaubte ganz<br />
unten hebräische oder aramäische Schriftzüge<br />
zu erkennen, die ich nicht lesen konnte. So<br />
kamen die Übersetzer der Heiligen Schrift mit<br />
ins Spiel. Auch sie konnten nichts dafür, dass<br />
sich die Geschichte von der Frau aus Magdala<br />
von der Wahrheit immer weiter entfernte,<br />
wie im Gesellschaftsspiel Stille Post, über viele<br />
Treppen und Hürden hinweg, von Sprachen,<br />
wie aramäisch, koptisch, griechisch, syrisch,<br />
lateinisch und schließlich deutsch. Deutsch<br />
war meine Muttersprache, der ich vertraute,<br />
und ich glaubte einfach nicht, dass ein Wort,<br />
das nicht in die Zeit der Reformation passen<br />
wollte, einer Willkür zum Opfer fallen könnte.<br />
Die Turmspitze der Kirche zitterte erregt.<br />
Der Abendwind berührte zärtlich die von der<br />
untergehenden Sonne rosig gefärbte Haut<br />
der Kirchenfenster. Ihre Glut versank tief im<br />
Schoß der Dächer der heiligen Stadt, unter<br />
denen Gläubige ihr Abendbrot brachen. Die<br />
Reihen der Zuhörer und Anhänger der<br />
Lesung aus dem Buch der Maria Magdalena<br />
bebten ebenfalls vor Erregung. Gerade<br />
wurden sie an ein barockes Bild erinnert. Ich<br />
verstand nur den Namen des niederländischen<br />
Malers und das Bild erschien sofort vor<br />
meinen Augen. Der Maler zeigte die Frau zu<br />
Füßen des Herrn, so wie sich Braut und Bräutigam<br />
nach einer heiligen Hochzeit begegneten,<br />
fast nackt und in großer Schönheit. Die<br />
Hüfte des Herrn umschlang das purpurne<br />
Tuch der Könige. Die Frau, in weißes Linnen<br />
gehüllt, offenbarte ihre Unschuld. Züchtig<br />
kreuzte sie ihre Arme über ihre Nacktheit und<br />
bändigte gleichzeitig die Fülle ihres Haars.<br />
Durch einen Spalt von Zeigefinger und Mittelfinger<br />
der linken Hand lugte wie zufällig<br />
eine rosige Brust hervor.<br />
Die Zeit schritt unaufhaltsam voran. Sie zählte<br />
keine reuigen Sünder, sondern Menschen,<br />
die guten Willens sind. Der Herr vergibt für<br />
alle Zeit, denn die Liebe ist die größte Macht.<br />
So sprach der Dichter und sein letztes Wort<br />
stieg auf die Kanzel und erreichte endlich den<br />
Platz auf der Galerie, wo ich saß. Die frohe<br />
Botschaft der Frau aus Magdala war mächtig<br />
geworden. Auch nach der Lesung aus dem<br />
Buch Maria Magdalena kam ich nicht in die<br />
Nähe des Dichters. Zu lange brauchte ich für<br />
den Abstieg von oben. Er war bereits umringt<br />
von den namhaften Vätern der heiligen Stadt.<br />
Sie schüttelten lange seine Hände.<br />
Im Foyer der Kirche, das in seinem<br />
hellen Holzton warm leuchtete, wurde Wein<br />
gereicht und salziges Brot und auf dem<br />
Büchertisch lag das Werk des Dichters. An<br />
diesem Abend wurde es zum Vorzugspreis<br />
angeboten und wer nicht in Eile war, konnte<br />
es sich signieren lassen.<br />
Friederike Zelesko<br />
Sandra Neufeld<br />
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49
Die Straßen von Damaskus<br />
Das arabische Auge sieht mich an. Mit<br />
jedem Lidschlag zeigt es mir eine Moschee,<br />
ein Mosaik, eine Einlegearbeit, ein<br />
Haus mit Innenhof, in seiner Mitte einen<br />
plätschernden Brunnen. Die Muezzine<br />
in Damaskus rufen fünfmal am Tag zum<br />
Gebet und das Auge schließt sich für kurze<br />
Zeit, besinnt sich, um erneut den Blick<br />
auf eine der ältesten bewohnten Stadt der<br />
Welt zu richten.<br />
Das Gefäß aus Perlmutt, aus dem ich<br />
täglich trinke, schimmert wie ein Versprechen.<br />
Der Innenhof legt sich schützend<br />
um mich. Der Brunnen entwirft Formen<br />
und Farben. Sie bereiten mich vor auf die<br />
orientalische Begegnung. Eines der sieben<br />
Tore von Damaskus, das Tor Bab Kissan,<br />
erinnert an Saulus. Wie Schuppen fiel die<br />
Blindheit von seinen Augen. Er wurde<br />
sehend. Ich bin trunken von Licht und<br />
Farbe dieser Stadt.<br />
Ein typisches vornehmes Damaszener<br />
Haus: Es liegt mitten in einem Hain von<br />
Palmen, Zedern und Eukalyptusbäumen,<br />
im Rawda Stadtteil der Ärzte- und Anwaltspraxen.<br />
Direkt am Fuß des Hausberges<br />
Qassiun, an dem die Gebäude der<br />
danebenliegenden Viertel hochklettern<br />
wie Ziegen. Hier steht die Zeit still. Ich<br />
höre keine Schreie der Melonenverkäufer<br />
oder Gemüsehändler, die noch mit zweirädrigen<br />
Karren durch die Straßen ziehen,<br />
höre nicht das metallene Klicken der aneinander<br />
stoßenden Gasflaschen auf den<br />
flinken, ständig hupenden Transportern<br />
oder den Ruf des Trinkwasserverkäufers,<br />
wie er täglich im Stadtteil Jaramana zu<br />
hören ist, wo ich vorübergehend wohne.<br />
Im Rawda Viertel kommt das Trinkwasser<br />
aus einer Quelle des Flusses Barada. Es<br />
ist klar und gekühlt so erfrischend wie<br />
verdünnter Granatapfelsaft. Hinter den<br />
dicken Mauern des Hauses reichen die<br />
Türen bis zur Decke. Durch architektonisch<br />
klug entworfene Luftschächte weht<br />
ständig Kühle. Im Empfangsraum sind<br />
die Sofas und Stühle mit weißen Tüchern<br />
abgedeckt. Ein Zeichen eines längeren<br />
Unbewohntseins. Im Midan Viertel<br />
nebenan, wo eine rege Geschäftstätigkeit<br />
herrscht, wo der Geruch des frisch gerösteten<br />
Kaffees in den Ritzen der Häuser<br />
nistet, laden die vielen nebeneinander lie-<br />
genden Läden in den Straßen zum Kaufen<br />
ein. Doch hier ist es still und ruht sich<br />
gut abseits der Hitze der Mittagsglut. Alte<br />
Ventilatoren erzeugen zusätzliche Kühle.<br />
Ihr Surren verscheucht die Stille. Das alte<br />
Haus ächzt vor Vergangenheit. Das Haus<br />
erzählt Geschichten aus einer Damaszener<br />
Kindheit. Fast so wie Rafik Schami in<br />
seinem Buch „Der Fliegenmelker“:<br />
„Und wenn es uns im Sommer heiß<br />
wurde, so bat er Großmutter höflich, sie<br />
möge frischen Wind machen. Großmutter<br />
klopfte an die Wand und ein alter<br />
Propeller an der Decke zauberte geräuschvoll<br />
eine frische Brise hervor. Großvater<br />
lehnte sich mit geschlossenen Augen<br />
zurück. Göttlich, flüsterte er genussvoll<br />
und schlief ein“.<br />
An der Wand des Empfangsraumes<br />
hängt eine Kalligraphie. Die Worte tönen<br />
bildhaft verschlungen, ähnlich dem Laut<br />
der Marktschreier oder dem Murmeln<br />
der Männerrunden in den Suqs, die auf<br />
Plastikstühlen vor den Geschäften sitzen<br />
und süßen Tee schlürfen. Der Kaffee ist<br />
ebenfalls süß und sehr schwarz. Der Kardamomgeschmack<br />
liegt noch lange auf<br />
der Zunge. Meine Zunge tut sich schwer<br />
mit der arabischen Sprache. Der Gruß<br />
marhaba im Teehaus Noufara hat bereits<br />
lange vor mir Platz genommen. Wenn<br />
die traditionelle Wasserpfeife bereitet<br />
wird, die Kohle glüht und Tabakrauch<br />
durch das reinigende Wasser in die Lunge<br />
strömt, werden unzählige Worte gewechselt.<br />
Manchmal schwimmen Eiswürfel<br />
oder eine Zitronenschale im Wasser. Sie<br />
geben dem Raucher zusätzlichen Genuss.<br />
Wenn das Schweigen sich mit dem würzigen,<br />
kühlen Rauch verzieht, ist wieder das<br />
Reden angebracht. Es herrschte in reges<br />
Kommen und Gehen. Männer mit weißen,<br />
arabischen Gewändern, verschleierte<br />
Frauen, Frauen mit oder ohne Kopftuch,<br />
mit dunkel geschminkten Augen, die ihre<br />
Schönheit unterstreichen, werden zuvorkommend<br />
von den Kellnern und einem<br />
Abu Nara bedient, dem Vater des Feuers.<br />
In einem Gefäß schwenkt er die glühende<br />
Kohle. Immer wieder legt er mit einer<br />
Zange frische Glut in die Tabakbehälter,<br />
streift die Asche mit einer schnellen Bewegung<br />
einfach auf den Boden. Während<br />
er die Zange mit dem Daumen, Zeigefinger<br />
und Mittelfinger hält, spreizt er den<br />
Ringfinger und kleinen Finger, so wie die<br />
sandfarbene Damaszener Taube ihre Flügel.<br />
Sie baut auf dem Fenstersims meines<br />
Schlafzimmers im Haus in Jaramana ihr<br />
Nest. Mit ihrem gebogenen Schnabel legt<br />
sie vorsichtig Halm auf Halm. Ein paar<br />
Tage später liegen Eier im Nest. Auch in<br />
der brütenden Mittagshitze sitzen Taube<br />
und Täuberich abwechselnd im Nest. Das<br />
Schlüpfen der Jungen und ihr Flüggewerden<br />
erlebe ich noch, bevor ich Damaskus<br />
verlasse.<br />
Eine Taube entfernt sich nie mehr<br />
als sieben Steinwürfe von einer Oase,<br />
denn sie muss täglich trinken, sagte der<br />
alte Taxifahrer, der mich ins Zentrum<br />
gefahren hatte. Damaskus ist übervoll<br />
mit vogelgelben Taxis, die ständig hupen.<br />
Sie steuern mit untrüglichem Gespür für<br />
einen Abstand von ein paar Millimetern<br />
durch den mörderischen Verkehr. Auch<br />
bei einer Temperatur von fast vierzig<br />
Grad schwitzen die Fahrer nicht. Ihre<br />
Gebetsketten hängen vom Rückspiegel<br />
oder baumeln vom Lenkrad. Unter dem<br />
Lenkrad gibt es eine Abstellplatte für das<br />
Teeglas, das sie bei einem Blitzaufenthalt<br />
am Straßenrand beim Teehändler schnell<br />
auffüllen.<br />
Sie kennen sich alle, die die Straße<br />
bevölkern, von ihr leben. Der schon von<br />
weitem ausbalancierte Strahl aus der Teekanne<br />
in der Hand des eifrigen Händlers<br />
kommt dem Taxi entgegen. Der Taxifahrer<br />
wirft zugleich ein fünfundzwanzig Lirastück<br />
mit hohem Bogen in die Büchse.<br />
Es ist wie ein Spiel, das schon lange geübt<br />
wurde. Das Straßenchaos hat Methode<br />
und folgt dem Gesetz der Bedürfnisse.<br />
Dieses Gesetz ist unergründlich und man<br />
muss hier leben um es zu verstehen.<br />
Die Palmen nicken unbeugsam von<br />
den alten in die neuen Tage.<br />
Friederike Zelesko<br />
50
Patrick Stanke inszeniert<br />
„Hairspray“ im Wuppertaler<br />
TiC-Theater<br />
Inszenierung: Patrick Stanke<br />
Musikalische Leitung: Stefan Hüfner Choreographie:<br />
Dana Großmann<br />
Ausstattung: Kerstin Faber<br />
Maske: Heike Kehrwisch<br />
Chortraining: Jana Konietzki<br />
Besetzung: (Vorstellung am 17. 5. 2013):<br />
Kristina Molzberger (Tracy Turnblad) /<br />
Kristof Stößel (Edna) / D. Schulz (Motormouth)<br />
/ Robert Pfl anze (Corny Collins;<br />
Wilbur) / Jennifer Pahlke (‚Penny Pingleton)<br />
/ Isabelle Rotter (Velma; Prudy) /<br />
Christopher Geiß (Link Larkin) / Sophie<br />
Schwerter (Amber) / Tarik Dafi (Seaweed) /<br />
Kerstin Trand (Inez)<br />
v. l. Sophie Schwerter, Dimitri Wassiliadis,<br />
Isabelle Rotter<br />
From Bobby Sox to Stockings<br />
Seit Mitte April hat das Wuppertaler TiC-<br />
Theater ein neues Zugpferd im Programm,<br />
das herrlich bunte, amüsant kitschige und<br />
köstlich klischeereiche Musical „Hairspray“<br />
von Mark O´Donnell & Thomas Meehan<br />
mit der mitreißenden Musik von Marc<br />
Shaiman. Von Patrick Stanke (der auch<br />
schon „Hair“ im TiC zu einem Dauerbrenner<br />
gemacht hatte) perfekt besetzt,<br />
ideenreich und punktgenau inszeniert und<br />
von Dana Großmann kongenial choreographiert,<br />
präsentiert sich auf der Bühne<br />
des Ateliers Unterkirchen ein zweieinhalb<br />
Stunden ohne Längen blendend unterhaltendes<br />
Spektakel im Zeitkolorit der frühen<br />
60er Jahre im amerikanischen Baltimore.<br />
Die Geschichte<br />
Die Geschichte: 1962, Baltimore ist noch<br />
stockkonservativ, die braven Bürger von<br />
Vorurteilen geprägt. Schwarze, Unterschicht<br />
und Einwanderer haben es schwer.<br />
Traum aller Mädchen von Baltimore und<br />
vor allem der Patterson Park High School<br />
ist, einmal in der Corny Collins Show des<br />
regionalen TV-Senders zu tanzen und an<br />
der Seite des angeschwärmten Pop-Sängers<br />
Link Larkin (überzeugend: Christopher<br />
Geiß) zu stehen. Dessen augenblickliche<br />
Favoritin ist Amber, Teenage Queen der<br />
Patterson High, blond, schlank, hübsch<br />
und verdammt zickig (brillant Sophie<br />
Schwerter in einer schwierigsten Rollen des<br />
Stücks). Da hat wohl ein übergewichtiges<br />
Pummelchen wir Tracy Turnblad (perfekt<br />
und für die Rolle wie „gebacken“: Kristina<br />
Molzberger) keine Chance. Doch weil sie<br />
Selbstbewußsein und Chuzpe hat, nimmt<br />
sie den Kampf gegen die Intimfeindin und<br />
das Establishment auf, um zu beweisen,<br />
daß alle gleich sind und die selben<br />
Chancen verdienen, zur „Miss Teenage<br />
Hairspray“ 1962 gekürt zu werden. Diese<br />
Krone nämlich ist mit dem Abschneiden<br />
beim Tanzwettbewerb verbunden. An<br />
Tracys Seite ihre Freundin Penny Pingleton<br />
(zauberhaft und für mich neben Sophie<br />
Schwerter heimlicher Star der Inszenierung:<br />
Jennifer Pahlke), der von ihr angeschwärmte<br />
Seaweed (Tarik Dafi) und seine<br />
Adoptivschwester Inez (Kerstin Trand).<br />
Songs und Charaktere<br />
Aber auch andere, recht kuriose Charaktere<br />
bevölkern die Szene. Da sind Tracys<br />
Eltern Edna (handfest: Kristof Stößel)<br />
51
und Wilbur (Robert Pflanze), liebenswert<br />
bodenständig, doch für das Wohl<br />
der Tochter auch kampfbereit, Seaweeds<br />
Adoptiv-Mutter/Vater Motormouth<br />
(D. Schulz) und der Showmaster Corny<br />
Collins (sympathisch und charismatisch:<br />
Robert Pflanze). Mit viel Musik, echten,<br />
deutsch gesungenen Ohrwürmern<br />
(„Good Morning Baltimore“, „Mama,<br />
ich bin nicht mehr klein“, „The Madison“,<br />
„It Takes Two“, „Breit, Blond und<br />
Beautiful“, „Ohne Dich“, „Niemand<br />
stoppt den Beat“) und im Geiste der 60er<br />
hervorragend mit Twist und Madison,<br />
Blues choreographiert ist „Hairspray“ in<br />
dieser (und vermutlich auch in anderer<br />
TiC-Besetzung) ein einziges Vergnügen<br />
für Ohren und Augen. Letzteres betrifft<br />
auch die phantastische Kostüm-Ausstattung<br />
(Bobby Sox, High School Blousons,<br />
Pennys und Tracys Karo-Röcke, Links<br />
schmale Krawatten und Revers, Ambers<br />
Petticoat und wundervolles Blumenkleid)<br />
und die Frisuren, mit denen Kerstin<br />
Faber und Heike Kehrwisch Zeit- und<br />
Lokalkolorit vom toupierten Scheitel<br />
und der Schmalztolle bis zu den spitzen<br />
Schuhen und den wenigen Versatzstücken<br />
auf der Bühne akkurat auf den Punkt<br />
gebracht haben. Im Übrigen wird durch<br />
Projektionen wirksam der Hintergrund<br />
gezeichnet und manch aufwendiger<br />
Umbau gespart. So bleiben Schwung und<br />
Tempo erhalten.<br />
Spitzen-Leistungen<br />
Die durchaus großartige Leistung der<br />
professionell geleiteten Laiendarsteller ist<br />
bewundernswert, sie zeigen größtenteils<br />
fast durchweg untadelig Profi-Qualitäten:<br />
Unerhörtes Gesangstalent, voluminöse<br />
Stimme und ihre positive Rolle – das Publikum<br />
steht geschlossen hinter ihr – machen<br />
es der begabten Kristina Molzberger<br />
leicht, die Sympathien auf sich zu ziehen.<br />
Sophie Schwerter versteht es hingegen mit<br />
schauspielerischer Raffinesse, aus der negativ<br />
besetzten Rolle der Amber dramatisches<br />
Kapital zu schlagen, das zickig dumme<br />
Blondchen glaubhaft zu machen. Jennifer<br />
Pahlke hält ihre sympathische Penny bis<br />
zum Showdown und dem Wechsel von<br />
den Söckchen zu Seidenstrümpfen dezent<br />
im Hintergrund (man ahnt jedoch schon<br />
früh ihre Entwicklung und denkt stets an<br />
Frankie Avalons „When A Girl Changes<br />
From Bobby Sox To Stockings“), Christopher<br />
Geiß, ein Typ zwischen Johnny<br />
Tillotson („Poetry In Motion“) und<br />
Jimmy Clanton („Venus In Blue Jeans“)<br />
angelegt, verkörpert nachvollziehbar den<br />
trotz Teenager-Schwärmereien unsicheren<br />
Jungen, der sich zwischen Karriere und<br />
Überzeugung hin- und hergerissen sieht,<br />
Isabelle Rotter nimmt man die Über-Mutter<br />
Ambers ab und Robert Pflanze glaubt<br />
man seinen Corny Collins, den engagierten<br />
TV-Moderator der 60er gern.<br />
Sympathie ernten am Ende natürlich alle<br />
der bis in die gesprayten Hair-Spitzen<br />
motivierten Darsteller. Ein Riesenvergnügen<br />
und nicht warm genug zu empfehlen.<br />
Rechtzeitige Kartenbestellungen empfehlen<br />
sich dringend.<br />
Frank Becker<br />
Fotos Martin Mazur<br />
Weitere Info: www.tic-theater.de<br />
http://www.youtube.com/<br />
watch?v=FOyVYr-ZQz8<br />
Bobby Sox<br />
http://www.youtube.com/<br />
watch?v=PvQPsSN1pd0<br />
Venus<br />
http://www.youtube.com/watch?v=Oy_<br />
ArpznZUs Poetry<br />
Christof Stößel<br />
Kristina Molzberger<br />
Jennifer Pahlke, Tarik Dafi<br />
52
Im Garten… arbeiten wie der Vogel singt<br />
Ausstellung Werner Schriefers<br />
im Kunstmuseum Solingen<br />
26. April – 2. Juni 2013<br />
Werner Schriefers erhielt unmittelbar<br />
nach Kriegsende keine Farben zugeteilt,<br />
weil er während des Nationalsozialismus<br />
kein Mitglied der Reichskammer der<br />
Bildenden Künste war. Sein erstes Bild<br />
von 1945 ist deshalb auch mit sehr reduzierter<br />
Palette entstanden. Zu sehen ist es<br />
in einer Ausstellung im Kunstmuseum<br />
Solingen.<br />
Werner Schriefers wusste nach 1945<br />
die wiedergewonnene Freiheit aber<br />
engagiert künstlerisch zu nutzen. Er<br />
machte erste Erfahrungen im „Studio<br />
für neue Malerei“ von Heinz Rasch am<br />
Döppersberg in Wuppertal – Elberfeld.<br />
Hier, direkt über der Wupper, hatten zuvor<br />
Künstler im Verborgenen gearbeitet.<br />
Dieses „Asyl“ nutzen die als „entartet“<br />
geltenden Maler und Bauhaus-Meister<br />
Oskar Schlemmer, Willy Baumeister und<br />
Georg Muche. In diesem Atelier entstanden<br />
die „Fenster-Bilder“ von Oskar<br />
Schlemmer und hier experimentierten<br />
Schlemmer und Baumeister für den<br />
Farben-Fabrikanten Dr. Kurt Herberts.<br />
In diesem „Studio für neue Malerei“ fand<br />
1949 die erste Hinterglasmalerei-Ausstellung<br />
von Werner Schriefers statt.<br />
Hinzu kam die Bauhaus-Lehre: Schriefers<br />
studierte ab 1946 an der Textilinge-<br />
Werner Schriefers<br />
Regenwetter, 1945, Öl auf Leinwand<br />
32,5 x 30 cm<br />
Alle Fotos: Thomas Schriefers<br />
53
nieurschule in Krefeld (heute Hochschule<br />
Niederrhein) Gestaltung und Malerei bei<br />
dem ehemaligen Bauhaus-Meister Georg<br />
Muche und wurde 1948 dort dessen<br />
Assistent.<br />
Schriefers wurde Mitglied der „Künstlergruppe<br />
45“ in Krefeld. Erste Hinterglasbilder<br />
entstanden: Diese Bildtechnik<br />
hatte Heinrich Campendonk von der<br />
Künstlerinitiative „Der Blaue Reiter“ aus<br />
München / Murnau in die Region Niederrhein<br />
gebracht. Bis in die 1990er Jahre<br />
widmete sich Werner Schriefers immer<br />
wieder dieser Technik und entwickelte<br />
sie dabei weiter, vor allem in dem 1969 –<br />
1972 entstandenen „Smog – Zyklus“.<br />
Aber bereits in den späten 1940er Jahren<br />
fasste Schriefers den Mut, sich zunehmend<br />
von der gegenständlichen Darstellung<br />
zu lösen – in einer Zeit, in der<br />
das geflügelte Wort für moderne Kunst<br />
immer noch das Verdikt „entartet“ war.<br />
Karl Otto Götz erzählt in seiner Biografie,<br />
dass man die jungen Künstler damals bis<br />
zum Beginn der fünfziger Jahre „mit ihrer<br />
abstrakten Kunst herausgeschmissen hat“.<br />
Nach einem nur zweijährigen Studium<br />
wurde er 1949 von Jupp Ernst, der mit<br />
Georg Muche befreundet war, an die<br />
Werkkunstschule Wuppertal (heute<br />
Fachbereich Design, Bergische Universität<br />
Wuppertal) geholt – als Leiter des<br />
neu eingerichteten Fachbereichs Gestaltungslehre<br />
in der Folge der Vorkurse des<br />
Bauhauses.<br />
Werner Schriefers malt seine Bilder auf<br />
dem Weg von der Gegenständlichkeit<br />
zur Abstraktion. Die Natur ist ihm<br />
dabei stets Vorbild. Er stellt in Krefeld<br />
54
Werner Schriefers<br />
Drei Bäume, 1949, Öl auf Leinwand,<br />
30 x 61 cm<br />
und in Wuppertal aus, ab den frühen<br />
1950er Jahren auch in der dortigen legendären<br />
„Galerie Parnass“ von Rudolf<br />
Jährling, der auch durch den Architekten<br />
Heinz Rasch für Kunst interessiert<br />
worden war.<br />
1965 wurde Werner Schriefers als<br />
Direktor an die Kölner Werkschulen<br />
berufen. 1986 stiftete er seine Design-<br />
Sammlung an die Bergische Universität-<br />
Gesamthochschule Wuppertal, 1990<br />
wurde er Vorsitzender des Deutschen<br />
Werkbundes NRW.<br />
In all diesen Jahren entwickelte er seine<br />
Malerei zur Abstraktion. Er nutzte das<br />
Material Farbe, um in seinen Bildern<br />
die Empfindungen für Natur und Musik<br />
umzusetzen. Die Ausstellung zeigt dazu<br />
eine Reihe großformatiger Gemälde der<br />
Jahre 1980 bis 1999.<br />
Er erklärte: „Meine Malerei ist bestimmt<br />
durch den immer wieder gleichen<br />
Vorgang einer Empfindung und ist<br />
damit Ausdruck einer Empfindung. Jede<br />
Empfindung lässt sich kombinieren mit<br />
einer anderen, und so entsteht dann das<br />
Inhaltliche. Das Bild soll offenbaren und<br />
gleichzeitig, wie ich sagte, gut gemacht<br />
sein. Ich bin Maler und pflege die<br />
Malerei im Sinne einer Aktion und einer<br />
Technik, die Schönheit erzeugt.“<br />
Auf die Frage, was er Betrachtern seiner<br />
Bilder raten würde, die behaupten, sie<br />
verstünden seine abstrakt anmutenden<br />
Bilder nicht, antwortete er: „Ich wünschte,<br />
dass die Menschen alle viel offener<br />
und sinnlicher sein möchten, so dass sie<br />
sich genauso an den Bildern erfreuen<br />
können wie an einer Pflanze, deren Art<br />
55
und Abstammung sie nicht bestimmen<br />
können, ein Bild ob seiner Schönheit zu<br />
begreifen.“<br />
Die Ausstellung präsentiert Werner<br />
Schriefers ausschließlich als Maler. Es<br />
werden 95 Bilder der Zeit 1946 bis 1999<br />
gezeigt. Kataloge dazu bietet der Museumsshop<br />
an.<br />
Rolf Jessewitsch<br />
Kunstmuseum Solingen<br />
Wuppertaler Straße 160, 42653 Solingen,<br />
Tel. 02 12 / 25 81 40<br />
Öffnungszeiten: Di - So 10 - 17 Uhr<br />
www.kunstmuseum-solingen.de<br />
oben:<br />
Werner Schriefers, In den Gärten, 1947,<br />
Öl auf Leinwand, 74 x 100 cm<br />
unten:<br />
Werner Schriefers, Erinnerung an ein Dorf,<br />
1950, Öl auf Pappe, 38 x 51 cm<br />
Tagesnotiz<br />
Karl Otto Mühl sandte uns diesen schönen Satz von Pastor Eckehard Fröhmelt:<br />
Die wahren Helden halten sich meist nicht für solche.<br />
Jede gute Mutter ist eine unerkannte Heldin, ein arabisches Sprichwort sagt:<br />
„Gott kann nicht überall sein, darum schuf er die Mütter.“<br />
56
Glückliche Insel hinter<br />
der Zeit<br />
Soline ist nicht gottverlassen, aber ein Ort<br />
am Rande der globalisierten Welt. Das Dorf<br />
liegt im Nordwesten der Insel Dugi Otok,<br />
einer 50 Kilometer langgestreckten Insel,<br />
anderthalb Fährstunden von Zadar, der<br />
früheren Hauptstadt Dalmatiens, entfernt.<br />
Es ist später Nachmittag, die Gluthitze in<br />
diesem Sommer läßt ein wenig nach und das<br />
Licht beginnt sich kupfern einzufärben. Vom<br />
Quai des kleinen Fischerhafens springen die<br />
Kinder und Jugendlichen des Dorfes. Unermüdlich.<br />
Immer wieder springen sie, klettern<br />
aus dem Wasser, springen und so in einem<br />
fort. Als gäbe es nichts Schöneres auf der Welt.<br />
Alle Lust will Ewigkeit, sagt Nietzsche und<br />
die Zeit steht still in diesem Augenblick in<br />
Soline.<br />
Dugi Otok –<br />
Auf halbem Weg zwischen Kirche und Hafen<br />
dieses Ortes finde ich das Zeugnis einer Epoche,<br />
die erst vor 18 Jahren mit dem Ende des<br />
Jugoslawischen Krieges und der Unabhängigkeit<br />
Kroatiens zu Ende gegangen ist. In<br />
einem kleinen Park mit Palmen und bunten<br />
Blumenbeeten steht eine überlebensgroße<br />
bronzene Skulptur: ein Kampfroboter, auf<br />
dessen Stirn der Sowjetstern gebrandmarkt<br />
ist, ein Kopf ohne menschliches Antlitz, die<br />
Augen starr wie ein Hai. Und unter der Hose<br />
zeichnen sich Hoden von unwahrscheinlicher<br />
Größe ab: Ein Traumbild kommunistischer<br />
Potenz. Aber eben nur ein Traumbild.<br />
Hier, in diese heitere mittelmeerische Welt,<br />
scheint sich das antifaschistische Denkmal<br />
nicht fügen zu wollen: Relikt einer Vergangenheit,<br />
die kein halbes Jahrhundert Bestand hatte<br />
und mit dem Jugoslawischen Krieg zu Ende<br />
ging: eine kurze Episode nur in diesem Ort,<br />
den es bereits seit acht Jahrhunderten gibt.<br />
Und doch muss dieses unglückliche Ehrenmal<br />
bedeutungsvoll sein für die Menschen von<br />
Soline: eine Oase des Bedeutungsvollen, eine<br />
Erinnerung an eine Zeit, als Soline und Dugi<br />
Otok für wenige Jahre aus dem Windschatten<br />
der Geschichte traten.<br />
Denn im Süden der Insel, unterhalb<br />
der riesigen Bucht Telascica, erstreckt sich<br />
das Archipel der Kornaten, ein Gebiet aus<br />
zahllosen Inseln und Inselchen: Ein Paradies<br />
für Partisanen, die gegen Faschismus und<br />
Fremdherrschaft, gegen die verhassten Truppen<br />
Mussolinis kämpften. Hierher konnten sie<br />
sich nach ihren Attacken jederzeit zurückziehen<br />
– unauffindbar in diesem Labyrinth<br />
von Eilanden, deren versteckten Riffe nur die<br />
einheimischen Fischer kennen.<br />
Die Steilküste von Telascica<br />
57
Vielleicht waren es die Erfolge im<br />
antifaschistischen Kampf, die über die<br />
Sorgen der Zeit, hinwegtrösteten: über das<br />
langsame Ausbluten des Dorfes, später über<br />
die Trauer um den Tod der Verwandten im<br />
jugoslawischen Krieg, über das Erstarren des<br />
Sozialismus im Ismus, schließlich über die<br />
Schließung der Sardinenfabrik im 40 Kilometer<br />
entfernten Sali und damit den Wegfall<br />
der letzten Arbeitsplätze.<br />
Bozava<br />
Noch ist Bozava wie Soline eine Welt der<br />
Vergangenheit. Die Töchter und Söhne der<br />
Nostalgie können hierher fahren auf der Suche<br />
nach einer imaginären Kindheit, die hier<br />
noch wirklich ist: Die Gassen des Dorfes sind<br />
zu schmal für Autos. Die elektrischen Leitungen<br />
sind über Land verlegt und der Strom<br />
wird über gläserne und porzellanene Verteiler<br />
in die Häuser geleitet. In dem wohnzimmergroßen<br />
Markt des Ortes steht Zelja Milin,<br />
eine hagere, resolute Dame im ewig blauen<br />
Kittel hinter der Kasse. Sie packt die Waren<br />
in Tüten. Nach wenigen Tagen kennt sie jeden<br />
Ankömmling und kein Einkauf vergeht,<br />
in dem wir uns nicht über das Wetter, die<br />
wechselnden Winde und die ebenso wechselnden<br />
Wahrscheinlichkeiten austauschen,<br />
ob in den kommenden Tagen Fleisch zu<br />
erwarten ist. Während die Windvorhersagen<br />
eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, sind die<br />
Ankündigungen der Fleischlieferungen ein<br />
Roulettespiel, abhängig von den undurchschaubaren<br />
Gesetzen des kroatischen Zeitund<br />
Logistik-Managements. Es ist eine Welt,<br />
in der noch nicht alles und jedes jederzeit<br />
verfügbar ist. Es gibt keine Bankautomaten;<br />
beim Zahlen wandern Scheine und<br />
Münzen von Hand zu Hand. Die Rückseite<br />
der Zwei-Kuna-Münze ziert ein Thunfisch.<br />
Doch Fisch kann man damit in Bozava nicht<br />
kaufen. Denn die Menschen in Bozava sind<br />
Selbstversorger und Alleskönner. Sie bauen<br />
ihre Häuser selbst, machen ihren Wein und<br />
Schnaps selbst und sie fischen selbst, wenn<br />
bei Dugi Otok die rote Sonne im Meer<br />
versinkt.<br />
Bozava, umgeben von Kiefernwäldern,<br />
Agaven und Tamarisken, mit seinen bunt<br />
leuchtenden Häusern, die einst die Tristesse<br />
des sozialistischen Alltags türkis und mintgrün,<br />
pompejirot und pfirsichfarben überstrahlten,<br />
öffnet sich der Zukunft: Und die<br />
heißt Tourismus. Schon ankern neben dem<br />
alten Fischerhafen Yachten aus ganz Europa.<br />
Auf der einen Seite der Bucht liegt bereits<br />
seit längerer Zeit eine Hotelanlage und auf<br />
der gegenüberliegenden Seite wachsen am<br />
Hang Apartments. Fast jedes Haus wirbt<br />
mit einem Hinweisschild Sobe, Zimmer. Und<br />
doch gehört am Abend, wenn die Sonne<br />
untergegangen ist, der Dorfplatz den Alten<br />
und Kindern. Mädchen halten Katzen-Babys<br />
im Arm und die Jungs aus Bozava spielen mit<br />
ihren Altersgenossen aus Italien, Ungarn oder<br />
Deutschland Fußball. Für halbe Stunden des<br />
Glücks sind sie Diego Armando Maradona<br />
oder Zinedine Zidane oder Lionel Messi.<br />
Biserka<br />
Biserka stammt aus Bozava und arbeitet als<br />
Deutschlehrerin an einer Schule in Zagreb.<br />
Doch in den Sommerferien verbringt sie die<br />
Zeit in Bozava, wo sie geboren wurde und<br />
wo ihre Eltern leben. Biserka spricht - was<br />
für viele Menschen hier ein Tabu ist - über<br />
den Krieg, von dem sie sagt, dass sie ihn<br />
bis heute eigentlich nicht begreifen kann.<br />
Die Serben, erzählt sie, sind nicht nach Dugi<br />
Otok gekommen. Zadar aber haben sie mit<br />
Mörsern und Granaten beschossen und aus der<br />
Luft bombardiert. Als es in der Stadt auf dem<br />
Festland mit den Bombardements losging,<br />
hatten die Menschen auf Dugi Otok Angst.<br />
Sie suchten die Häuser mit den stabilsten<br />
Kellern und versammelten sich in der<br />
Kirche. Der Pfarrer sagte ihnen, wann<br />
Angriffe bevorstehen und dass sie dann in<br />
die ausgesuchten Keller gehen sollten. Sie<br />
gingen. Immer wieder. Aber der Krieg ging<br />
an ihnen vorbei. Dugi Otok blieb im Windschatten<br />
der Geschichte. Doch die Spuren<br />
der Angst sind in die Seelen eingeschrieben.<br />
Wer den Krieg nicht erlebt hat, kann ihn sich<br />
nicht vorstellen, sagt Biserka. Als es in Zadar<br />
hieß, dass die Stadt bombardiert würde,<br />
nahmen die Eltern ihre eigenen Kinder als<br />
lebendige Schutzschilde. Die Kinder wurden<br />
nicht evakuiert. Ein Irrtum, zynisch fast wie<br />
die Angriffe auf eine wehrlose Stadt selbst.<br />
Die Logik des Krieges kennt die Gebote der<br />
Menschlichkeit nicht. Das zu wissen, wäre<br />
ein Gebot der Menschlichkeit gewesen.<br />
Doch Menschlichkeit ist stets das erste<br />
Opfer des Krieges. Das hatten die Bewohner<br />
der schönen Stadt Zadar vergessen, die anderthalb<br />
Jahre ohne Wasser und Licht war.<br />
Vor allem für die schwangeren Frauen und die<br />
jungen Mütter mit ihren Babys war es eine<br />
schlimme Zeit, erinnert sich Biserka.<br />
58
Biserka erzählt über den Krieg. Sie weiß,<br />
dass Erzählen ein Weg ist, die Verletzungen<br />
des Krieges zu lindern. Kommt, lasst uns<br />
reden, denn wer redet, ist nicht tot, hatte einst<br />
Gottfried Benn in einem Gedicht geschrieben.<br />
Biserka erzählt: Mein Sohn war Soldat<br />
bei der kroatischen Armee. Während des Krieges<br />
zeigte er keine Angst. Keine Zeit dazu. Immer<br />
nur beschäftigt, das Notwendige zu tun. Danach<br />
zu müde, um nachzudenken. Über das,<br />
was er im Krieg erlebt hat, hat er - anders als<br />
seine Mutter - nie gesprochen. Jetzt besuchen<br />
ihn in den scheinbar freien Stunden seines<br />
Lebens ohne Arbeit und ohne Familie die<br />
Gespenster der Vergangenheit und des Krieges.<br />
Mein Sohn leidet unter Depressionen und<br />
hat lange Zeit keinen Anschluss an das Leben<br />
nach dem Krieg gefunden. Was Biserka erzählt,<br />
erinnert an das Schicksal der US-amerikanischen<br />
Vietnam-Veteranen, die nach ihrer<br />
Reise ins Herz der Finsternis nicht zurückfinden<br />
konnten in das, was man ein normales<br />
Leben nennt. So viele Kriege -: Und doch<br />
sind die Gesetze der Seele universell.<br />
Arbeitslosigkeit und Traumatisierung<br />
durch den Krieg, das ist ein Schicksal, das<br />
Biserkas Sohn mit vielen Kroatinnen und<br />
Kroaten teilt. Dabei hatte er unmittelbar<br />
nach dem Krieg schon eine Arbeit gefunden;<br />
doch die Armee köderte ihn mit ungewissen<br />
Versprechungen, die sie später nicht halten<br />
kann oder will. Er sollte arbeiten, eine Familie<br />
gründen, dann hätte sein Leben einen Sinn,<br />
sagt Biserka, dann wüsste er, wofür er lebt.<br />
Und es sind wie immer die einfachen Wahrheiten,<br />
die stimmen und die doch so schwer<br />
zu leben sind. Und Sport treiben sollte er, sich<br />
die Ängste und Erinnerungen aus dem Leibe<br />
schwitzen. Biserka ist eine Frau voller Hoffnungen.<br />
Jetzt hat ihr Sohn einen Job auf der<br />
Insel. Im Tourismus. Und langsam schon, sagt<br />
Biserka, geht es ihm besser. Und die Töchter<br />
und Söhne der Nostalgie müssen Bozava auf<br />
ihrer Landkarte als Ort der Vergangenheit<br />
ausstreichen und ihm eine Zukunft wünschen.<br />
Doch jede Zukunft wird irgendwann<br />
einmal Vergangenheit sein.<br />
Ina<br />
Am schönsten ist Bozava im Juni, sagt Ina,<br />
die ich in einer Hafenbar kennen lerne. Weil<br />
dann, angelockt vom Duft von Oleander,<br />
Jasmin und Bougainville das Dorf voller<br />
Schmetterlinge ist. Lebendige Mobiles der<br />
Heiterkeit aus Zitronenfaltern, Pfauenaugen<br />
und Bläulingen. Für einen flüchtigen<br />
59
Moment sehe ich Bozava, während Ina<br />
von der schönsten Zeit des Jahres erzählt,<br />
im Bilde des Glücks. Und inmitten dieses<br />
schönen Moments fällt mir ein Aperçu<br />
Gottfried Benns ein: Der Consensius omnium<br />
ist mir nicht einmal einen Kohlweißling wert,<br />
wie er über jedem Bauernhof schwebt. Nun<br />
schweben sie bei uns aber nicht mehr, die<br />
Kohlweißlinge, und jeder Schmetterling, wie<br />
sie es in meiner Kindheit noch zu Hunderten<br />
gab, rührt mich. Und so wird der Kohlweißling<br />
ein halbes Jahrhundert später – in den<br />
deutschen Zeiten sozialer Kälte – wertvoll wie<br />
auch der Consensius omnium, den der antidemokratische<br />
Benn zu Unrecht verachtete.<br />
Ina hat Philosophie in Zadar studiert,<br />
das an der dalmatinischen Küste, nur<br />
anderthalb Fährstunden von Dugi Otok<br />
entfernt liegt. Zu Beginn ihres Studiums<br />
lag der Schwerpunkt noch auf Analytischer<br />
Philosophie. Nur ein Professor, Heidegger-<br />
Schüler, lehrte Ontologie. Nach dem Ende<br />
des jugoslawischen Krieges begann der junge<br />
kroatische Staat mit der Neuorientierung<br />
der Universitäten. Die Christdemokraten<br />
hatten die ersten parlamentarischen Wahlen<br />
gewonnen. Fünfzig Jahre zwangsverordneter<br />
Sozialismus hatte ein Sinnvakuum<br />
hinterlassen. Und das konnte, ähnlich wie<br />
in Deutschland nach 1945, die Kirche am<br />
schnellsten füllen. Die Macht der Tradition.<br />
Dementsprechend vollzog sich auch in der<br />
philosophischen Fakultät in Zadar ein Paradigmawechsel.<br />
Der Lehrplan wurde traditionell<br />
ausgerichtet: Griechische Philosophie,<br />
Scholastik, Ontologie und Existentialismus.<br />
Ausgerechnet der Professor, der beim Urvater<br />
der Existenzphilosophie, bei Heidegger,<br />
studiert hatte und in den Zeiten des<br />
Sozialismus seine philosophischen Wurzeln<br />
nicht verraten hatte, wurde der Lehrauftrag<br />
entzogen. Das hatte einen einfachen Grund:<br />
Er war Serbe.<br />
Ina bedauert es, dass er gehen musste.<br />
Weil sie es falsch und ungerecht findet. Und<br />
obwohl sie Heidegger nicht mag. Sie mag<br />
Philosophien, which are in strong contact with<br />
life.<br />
Ina ist eine emanzipierte, kluge und<br />
schöne Frau und sie ist – wie viele Philosophinnen<br />
und Philosophen auf der ganzen<br />
Welt – arbeitslos. Philosophie produziert<br />
keine Artefakte und reine Ideen kann man<br />
schwer verkaufen und so wartet Ina in diesem<br />
Sommer auf eine entscheidende Wende in<br />
ihrem Leben.<br />
Der Busfahrer von Dugi Otok<br />
Man muss sich den Busfahrer von Dugi<br />
Otok als einen glücklichen Menschen vorstellen:<br />
ein moderner Sysiphos. Sein Berg ist der<br />
Fahrplan, der sich nach der Fähre richtet, die<br />
nur zweimal zwischen der Insel und Zadar<br />
verkehrt und die Reisenden mit ihren zumeist<br />
klimatisierten Automobilen ausspuckt.<br />
So ist der altersschwache und überhitzte Bus<br />
fast immer leer. Die Insulaner haben eigene<br />
Autos und wer keines hat, ist meist alt und<br />
bleibt am Ort. Selten habe ich mehr als zwei<br />
Personen in dem Bus gesehen und gut könnte<br />
es sein, dass der Busfahrer von Dugi Otok<br />
sich die Sinnfrage stellt. Ebenso gut könnte<br />
es aber auch sein, dass er genau das nicht tut,<br />
dass er absieht von allen Fragen der Effizienz<br />
und einfach die Panoramaaussicht von der<br />
schönsten Inselstraße der Welt, wie er sagt,<br />
genießt. Es könnte sein, dass ihn der Anblick<br />
der Buchten von Veli Rat und Soline, auf<br />
die er aus der Höhe schwebend zufährt, zu<br />
einem Menschen macht, der sich im Olymp<br />
wähnt. Es könnte aber auch sein, dass der<br />
Blick auf die vielen Inseln, die zwischen Dugi<br />
Otok und dem Festland liegen, lediglich<br />
zu einem zufriedenen und freundlichen<br />
Menschen machen, der das wechselnde Licht<br />
liebt, das die wechselnden Winde bringen:<br />
Die Klarheit und Transparenz des Maestral,<br />
der vom Meer her weht und der die Inseln<br />
in plastischer Klarheit hervortreten lässt<br />
und den Yugo, den warmen Wind, der vom<br />
Süden her weht und die Wellen aufpeitscht,<br />
der Gewitter und Wetterwechsel ankündigt<br />
und die Eilande in einen impressionistischen<br />
Dunst taucht, in dem sie miteinander zu<br />
verschweben scheinen. Es könnte sein, dass<br />
der Busfahrer von Dugi Otok süchtig ist<br />
nach diesem Naturschauspiel, denn in den<br />
Fahrpausen, während der Fährverkehr ruht,<br />
sah ich ihn stets mit seiner Frau vor seinem<br />
winzigen Haus sitzen, den Blick auf Meer<br />
und Inselwelt gerichtet.<br />
Als unsere Hausherren nach ihrem eigenen<br />
Urlaub auf der Insel heim nach Zadar<br />
mussten, fand ich unsere Hauskatze, der wir<br />
den Namen Kazimir gegeben hatten, vor<br />
dem als Ersatzteillager genutzten alten Bus<br />
wieder, der neben dem Haus des Busfahrers<br />
abgestellt war. Ich fuhr langsam vorbei und<br />
war froh, dass es Kazimir noch gab. Der Busfahrer<br />
beobachtete uns, lächelte und grüßte<br />
uns freundlich. Wann immer wie ihn auf<br />
unseren Fahrten trafen, trat dieses freundliche<br />
Lächeln auf sein Gesicht, das Ausdruck<br />
eines geheimen Wissens war. Und indem ich<br />
die Insel verlasse, entlasse ich den Busfahrer<br />
aus dem mythischen und philosophischen<br />
Klischee und denke ihn mir einfach als einen<br />
freundlichen und herzensguten Menschen,<br />
den ich gerne wieder sehen möchte.<br />
Heiner Bontrup<br />
Fotos: Heiner Bontrup<br />
60
Haus- und Nutztiere<br />
Als ich sie das erste Mal besuchte,<br />
schwammen zwischen Küche und<br />
Esszimmer Zierfische in einem Aquarium.<br />
Durch die Kaffeemaschine führte<br />
eine Ameisenstraße und im Badezimmer<br />
beobachteten Silberfische mein Tun.<br />
Im Wohnzimmer sprach der Papagei mit<br />
der Stimme meiner Schwester. Auf der<br />
Fensterbank lag die Katze. Es war ein<br />
Tag, an dem man die erste Frühlingssonne<br />
spürte.<br />
Meine Schwester war noch nicht lange<br />
verheiratet. Ihre Ehe hatte sich wie ein<br />
Naturereignis um sie gelegt. Wenn jetzt<br />
noch draußen die Obstbäume blühten<br />
und Bienen zur Befruchtung einflögen,<br />
ganz zu schweigen von den Mückenlarven,<br />
die im Gartenteich ausschlüpften,<br />
wäre ihr Tag mit Tieren ausgefüllt<br />
gewesen.<br />
Es ging ihr erstaunlich gut. Sie freute sich<br />
auf den Frühling mit all den Insekten<br />
und auf den Sommer mit Maden in den<br />
Herzkirschen.<br />
Ihr Mann, jetzt mein Schwager, kniete<br />
im Wohnzimmer auf dem Teppich und<br />
sammelte die leeren Hülsen des Papageienfutters<br />
auf.<br />
Meine Schwester war dabei, die Kaffeemaschine<br />
in den Müll zu werfen, da die<br />
Ameisen einen Kurzschluss verursacht<br />
hatten. Sie legte jetzt eine Zuckerspur<br />
durch den Flur nach draußen. Die Katze<br />
leckte sich die Pfoten. Vor dem Fenster<br />
sah ich den ersten Zitronenfalter in diesem<br />
Jahr. Mein neuer Schwager pfiff ein<br />
Lied. Als ich ins Wohnzimmer ging, sah<br />
ich, dass es der Papagei war. Im Badezimmer<br />
waren die Silberfische genau so<br />
irritiert wie ich.<br />
Marianne Ullmann<br />
geb. 1951 in Senden, lebt in Schwerte und<br />
auch gern in Finnland.<br />
Studium Germanistik in Wuppertal.<br />
Übers. finn. Lyrik. Veröffentl. in<br />
Lit.-Zeitschriften und Anthologien, u. a.<br />
zum Würth Literatur-Preis (1998) und<br />
Jugend Literaturpreis Landwirtschaftlicher<br />
Verlag Münster (2007). Zuletzt in „Karussell“<br />
und „Versnetze_fünf“ (2012).<br />
Mitglied der GEDOK Wuppertal<br />
61
Meine Schwester fütterte die Fische. Die<br />
saugten mit ihren Mäulern die Futterplättchen<br />
von der Wasseroberfläche ab.<br />
„Sie wissen genau, wann ihre Zeit ist“,<br />
sagte meine Schwester. „Harald ist für<br />
den Papagei zuständig. Ich für die Fische.<br />
Dass du keine Tiere magst, ist schon<br />
merkwürdig.“<br />
„Ich mag sie eben nicht“, sagte ich.<br />
„Merkt ihr denn nicht, wie viel Zeit sie<br />
euch kosten?“<br />
„Kosten, kosten! Wir machen das gerne.“<br />
Meine Schwester sah gar nicht auf. Das<br />
Füttern der Fische erforderte ihre ganze<br />
Konzentration.<br />
„Was für eine Logik. Im Bad hab ich eine<br />
Silberfischvernichtungsdose gesehen, und<br />
hier fütterst du die Ameisen mit Zucker.“<br />
Dass die beiden nicht sahen, in welchen<br />
Widersprüchen sie lebten, empörte mich.<br />
„Das sind verschiedene Kategorien“,<br />
sagte meine Schwester ruhig.<br />
„Das heißt also, die die als Schädlinge<br />
deklariert sind, werden getötet? Und die<br />
Nutztiere überlistet man?“<br />
„Ja“, sagte sie und blickte das erste Mal<br />
auf. Mochte sein, dass sie sogar lächelte.<br />
Sie sollte nicht meinen, dass ich meinen<br />
Mund hielt.<br />
„Und was ist mit der Katze, die Vögel<br />
fängt? Eine Katze ist zu nichts nutze.“<br />
„Eine Katze ist ein Haustier.“<br />
„Und Vögel sind Gartentiere.“<br />
„Dafür haben wir einen Papagei.“<br />
„Ihr macht euch das Leben passend.“<br />
„Warum bist du eigentlich gekommen?“<br />
Sie stand immer noch hinter dem Aquarium<br />
und hatte die Hände in die Seiten<br />
gestemmt. So kannte ich sie. Resolut und<br />
siegessicher. Auch ich wusste, worum es<br />
ging. Ich nahm kein Blatt mehr vor den<br />
Mund.<br />
„Um zu sehen, wie ihr lebt.“<br />
„Und wie leben wir?“<br />
„Du bist eingesponnen von einer Tierwelt,<br />
die dich bannt, ja, das bist du“,<br />
sagte ich.<br />
„Du entlarvst dich selbst. Du bist eine<br />
Einzelgängerin.“ Jetzt hatte sie Fahrt aufgenommen.<br />
Sie konnte verletzend sein.<br />
„Ich geh jetzt“, sagte ich. Sich der Diskussion<br />
zu entziehen, mochte sie nicht.<br />
Das machte ihr Schuldgefühle Sie würde<br />
gleich um Entschuldigung bitten.<br />
„Warte, trink erst einen Tee. Und dann.<br />
Dann muss ich dir noch etwas zeigen.“<br />
„Was?“ Ich hatte keine großen Erwartungen.<br />
Ich hatte schon genug gesehen.<br />
„Warte. Wir haben einen … einen kleinen<br />
Hund. Acht Wochen alt. Nebenan.<br />
Harald! Holst du bitte mal den Hund!“<br />
Ich nahm meine Jacke, die ich über<br />
den Stuhl gehängt hatte. „Keine Zeit“,<br />
murmelte ich, und schob einen Arm in<br />
die Strickweste.<br />
Meine Schwester stand auf. Jetzt erst sah<br />
ich es. Sie war schwanger.<br />
„Ich wusste gar nicht, dass du ...“<br />
„Ja, darum wollte ich dich fragen.“<br />
„Was fragen?“ Ich blieb mit der linken<br />
Hand im Ärmelsaum stecken und hörte,<br />
wie sich die Naht ganz auftrennte. Das<br />
fehlte noch. Die Jacke würde ich die<br />
nächsten Monate nicht benutzen können.<br />
„Ob du ihn nehmen kannst. Nicht<br />
für lange, nur bis ich wieder aus dem<br />
Krankenhaus zurück bin“, sagte meine<br />
Schwester. Sie redete unentwegt weiter.<br />
„Wen?“, fragte ich vorsichtshalber.<br />
„Den Hund.“<br />
„Kommt gar nicht in Frage! Einen<br />
Hund? Keine Zeit. Unmöglich!“<br />
Ich stieß jetzt heftig durch das Ärmelloch.<br />
Der Saum hing mir bis zu den<br />
Fingerspitzen. Ich ließ meine Schultern<br />
hängen und setzte mich wieder.<br />
Ich hatte es zuerst nicht bemerkt. Es<br />
zerrte etwas an meiner Jacke, schrammte<br />
spitz über meinen Handrücken. Hundezähne.<br />
Das fing ja gut an. Schwarz war<br />
er und fiel dauernd hin. Die Beine waren<br />
offensichtlich zu kurz. Der Schwanz eingeklemmt.<br />
Er konnte noch nicht wedeln.<br />
Und jetzt lief eine gelbe Linie direkt auf<br />
mich zu.<br />
„Er ist noch nicht stubenrein“, sagte<br />
meine Schwester.<br />
„Das kann man mit mir nicht machen.<br />
Wie seid ihr denn an diesen Krüppel<br />
gekommen?“<br />
„Aus dem Tierheim.“<br />
„Dann bringt ihn zurück.“<br />
„Die haben noch sechs weitere. Einen<br />
ganzen Wurf.“<br />
Jetzt verschwand er in meiner Hosentasche,<br />
zerrte ein Taschentuch heraus und<br />
zerkaute es mit viel Schaum. Seine Ohren<br />
standen hoch, hielten aber nicht lange,<br />
dann klappten sie nach vorne. Ein armes<br />
Geschöpf mit vielen Behinderungen.<br />
„Dass so etwas geboren wird. Er ist ja<br />
noch gar nicht fertig. Ich versteh die<br />
Natur nicht.“<br />
„Da hast du Recht“, sagte meine Schwester.<br />
„Er braucht dringend Hilfe.“<br />
Mein neuer Schwager kam herein und<br />
meinte, der Hund sei ein guter Spielkamerad<br />
für den Papagei. Das fand ich nun<br />
gar nicht. Was hatte dieser Vierbeiner<br />
schon gegen den Hakenschnabel des<br />
bunten Ungeheuers für Überlebenschancen?<br />
Außerdem konnte der Papagei<br />
fliegen und war dem Hund dadurch<br />
überlegen.<br />
„Ich nehme ihn mit“, hörte ich mich<br />
sagen.<br />
Auf dem Heimweg im Auto saß der<br />
Hund auf dem Beifahrersitz. Er konnte<br />
wieder die Ohren nicht halten. Als ich<br />
bremsen musste, fiel er in den Fußraum.<br />
Seitdem ist ein Jahr vergangen. Meine<br />
Schwester habe ich nicht mehr gesehen.<br />
Sie schreibt mir öfter, schickt mir Bilder<br />
von dem Baby und fragt nach dem<br />
Hund. Ich könnte ihr auch ein Foto<br />
schicken, aber dann sähe sie, dass ich das<br />
mit den Ohren noch nicht hingekriegt<br />
habe. Außerdem war der Hund immer<br />
noch ein Winzling. Er würde niemals<br />
in einem Haushalt mit Baby, Papagei,<br />
Katze und Zierfischen überleben können.<br />
(Die Ameisen hielt ich inzwischen für<br />
ausgewandert.) Der Hund war ein Einzelgänger.<br />
Er ging mit mir ins Büro. Dort<br />
schlief er unter dem Schreibtisch. Nach<br />
Feierabend aß er mit mir zusammen<br />
beim Italiener. Wie sollte ich das meiner<br />
Schwester erzählen?<br />
Marianne Ullmann<br />
62
Auf Tuchfühlung mit Mode, Stoff und Stil<br />
Schloss Lüntenbeck im<br />
Textilrausch<br />
Der Herr mit dem bunten Regenschirm<br />
dreht lächelnd eine elegante Pirouette,<br />
vom amüsierten Applaus des Publikums<br />
begleitet. Nur durch Zufall hat er den<br />
Laufsteg gekreuzt, der eigentlich der<br />
Modenschau beim Textilmarkt „Tuchfühlung“<br />
in Schloss Lüntenbeck vorbehalten<br />
ist.<br />
Bei der Veranstaltung von Vater- bis Muttertag<br />
präsentierten die Models selbst bei<br />
Nieselregen mit bester Laune Mode und<br />
mehr: Die gezeigten Strickoberteile von<br />
Sabine Hofius etwa werden ausschließlich<br />
in Deutschland entwickelt und gefertigt,<br />
Qualität die man sieht, fühlt und entsprechend<br />
auch viele Jahre tragen kann. Die<br />
Besucher wissen das zu schätzen und so<br />
war der Stand immer gut besucht. Auch<br />
die anderen auf diesem Markt vertretenen<br />
Kollektionen zeichneten sich neben der<br />
individuellen Gestaltung durch gehobene<br />
handwerkliche Fertigung aus. Zumeist<br />
waren es Einzelstücke oder kleine Serien,<br />
die hier ihre Liebhaber fanden. Die<br />
Designerinnen waren selbst am Stand<br />
oder auf dem Laufsteg im Einsatz, ihre<br />
Stilrichtungen sehr ausgefallen. Unter-<br />
schiedliche Frauentypen stöberten nach<br />
dem passenden Outfit und nahmen sich<br />
Zeit zum Probieren und Beraten. Und,<br />
siehe da, die filigrane und transparente<br />
Kleidung, die Isabella´s Art bei einer<br />
Tango-Modenschau vorführte, dürfen<br />
nicht nur feenhafte Wesen tragen. Spätestens<br />
am Ende verließen die Besucher die<br />
Veranstaltung auf eigene Weise bestens<br />
gekleidet.<br />
Wer als Wuppertaler die Kollektionen von<br />
Anita Karthaus oder Nicola Tigges begutachtete,<br />
konnte über die Anerkennung<br />
der Modellqualität hinaus einen gewissen<br />
Lokalstolz nicht verhehlen. Stilistisch verschieden<br />
bieten die beide doch Entwürfe<br />
mit starker Persönlichkeit. Auf ebenso<br />
hohem Niveau spielt die Schmuckkollektion<br />
der Langerfelder Goldschmiedin<br />
Fiona Fischer. Sun Moon Stars Batik<br />
bietet dagegen pfiffig bunte Shirts und<br />
Leggins. Die Oelberger Taschenmanufaktur<br />
haucht dem ausgedienten Bodenbelag<br />
des Tanztheaters ein neues Leben als<br />
Tasche ein.<br />
Die hier präsentierte Kreativität der<br />
Designer machte Spaß und spornte an.<br />
63
64<br />
Da juckte es in den Fingern, auch selbst<br />
tätig zu werden, und das überaus treue<br />
Publikum griff gezielt beim angebotenen<br />
„Zubehör“ zu. Stoffe, Garne, Knöpfe -<br />
wer den Weg zur „Tuchfühlung“ gefunden<br />
hatte, tauchte in eine Vielfalt ein, die<br />
das Selbergestalten zu einem Fest werden<br />
lässt. Nicht wenige Besucher waren gezielt<br />
angereist, um die richtigen Zutaten zu<br />
ergattern, nach denen man weit und breit<br />
suchen kann. Die Frage nach richtigem<br />
Material oder technischen Kniffen der<br />
Verarbeitung ließ sich unterhaltsam mit<br />
den kompetenten Ausstellern erörtern.<br />
Tipps zu passenden Schnitten, Farben<br />
oder Vorgehensweisen wurden großzügig<br />
mitgeliefert. Leinen, Wolle, Baumwolle,<br />
Seide, und anderen Naturmaterialien haben<br />
Hochkonjunktur. Mal eher derb, mal<br />
durchscheinend. Nach dem Tüpfelchen<br />
auf dem i durfte man in Knopfkisten<br />
suchen, aus denen glänzend goldene und<br />
natürlich matte Stücke in Farben und<br />
Formen aller Art das Handarbeitsherz<br />
anlachten. Auch wer in die Fänger der<br />
„Bänderhexe“ geriet, begann angesichts<br />
der vielfältigen Auswahl intensiv nach<br />
Einsatzmöglichkeiten fahnden.<br />
Das Staunen über die gewebten Eintrittskarten<br />
zur Tuchfühlung setzte sich beim<br />
Hersteller, der Wuppertaler Bandweberei<br />
Kafka fort, die am Stand ihre entzückenden<br />
Bänder und Etiketten zeigte. Vor Ort<br />
lässt sich die große Auswahl kleiner Meisterwerke<br />
einfach am besten begutachten.<br />
Das eine oder andere Exemplar fand noch<br />
ein Plätzchen in der Handtasche.<br />
Lieber stricken statt nähen? Dann konnte<br />
man an den Ständen mit malerisch präsentierten<br />
Garnsträngen nicht vorbeigehen.<br />
Der Griff in flauschige Wollknäule<br />
und dicke Stränge Seidengarn animierten<br />
dazu, die Strick- oder Häkelnadeln<br />
auszupacken. Anfängern und erfahrenen<br />
Handarbeiterinnen gaben die freundlichen<br />
Damen der Sockenmanufaktur<br />
neben der nötigen Ausrüstung auch gute<br />
Hinweise mit auf den Weg. - Wie man<br />
hört, entdeckt auch die Männerwelt gerade<br />
die hohe Kunst der Nadelarbeit. Man<br />
darf gespannt sein, welche bestrickenden<br />
Innovationen die Herren dem typischen<br />
Frauenhobby bescheren werden. - Beim<br />
Stickzubehör herrschte keine Eile, eher<br />
handwerkliche Ruhe und Gelassenheit.<br />
Ob man mal versuchen sollte, mit Kreuz-
stichen ein Bild zu malen?<br />
Als Anregung konnte man am<br />
Stand mit alten Aussteuerstoffen<br />
bestickte<br />
Leinentücher<br />
erstehen.<br />
Wer die<br />
zeitüberdauernden<br />
Produkte<br />
aus Flachs<br />
oder<br />
Baumwolle in Augenschein nahm, war<br />
schon mitten drin im Thema Nachhaltigkeit.<br />
Bei der „Tuchfühlung“ findet man<br />
keine Wegwerfprodukte, sondern sogar<br />
Produkte aus Weggeworfenem. Nicht<br />
nur der schon erwähnte Tanzboden, auch<br />
ausrangierte Feuerwehrschläuche sind in<br />
ihrem zweiten Leben als bedruckte Tasche<br />
äußerst dekorativ. „Ausrangiert und<br />
Wiedergeboren“, so bezeichnet „Plup“<br />
seine vielseitigen Produkte mit Geschichte.<br />
Kunstvoll werden z.B. Taschen aus<br />
Ösen von Getränkedosen gefertigt, alte<br />
Hemden zu individueller Kindermode<br />
umgearbeitet. Hier verlängert Design<br />
Lebenszyklen. So auch bei den Ketten aus<br />
alten böhmischen Glasperlen. Keine monochromen,<br />
glatten Oberflächen, sondern<br />
variierende Patina, Ablagerungen und<br />
Farbeinschlüsse, die ihre eigene Geschichte<br />
der letzten Jahrzehnte erzählen.<br />
Ruhrgebietskultur verkörpern die<br />
„Pottlappen“: Blaukariertes transformiert<br />
die Tradition alter Grubentücher in<br />
praktische Helfer für die heutige Küche.<br />
Eine kultige Spezialität, kaum kleinzukriegen.<br />
- Man merkte den Ausstellern<br />
der „Tuchfühlung“ die Liebe zu ihrer<br />
Ware an. Aus hochwertigen Materialien<br />
und anspruchsvollem Design entwickeln<br />
sie Produkte mit „Seele“. Entsprechend<br />
persönlich wurde das Thema Filz unterschiedlich<br />
interpretiert. Neben strengen,<br />
fast kantigen Modellen standen eher<br />
verspielte umschmeichelnde Varianten.<br />
Beim Anblick eines roten Filzkleides<br />
stellte sich die Frage nach der Grenze zwischen<br />
Design und Kunst. Materialqualität<br />
kombiniert mit handwerklichem Können<br />
zeigten auch Teppiche, Wandbehänge,<br />
Kissen und Decken. Frohlocken bei<br />
derjenigen, die ihr Zuhause auf hohem<br />
Niveau gestalten möchten: Dezent oder<br />
orientalisch üppig? - Den nachdenklichen<br />
Gesichtern stand die Frage nach dem passenden<br />
dekorativen Glanz für die „Hütte“<br />
ins Gesicht geschrieben.<br />
Nachwuchsförderung durfte bei einem<br />
solchen Event natürlich nicht fehlen,<br />
und so nähten die kleinen Gäste mit den<br />
freundlichen Betreuerinnen der Grundschule<br />
Nützenberg fleißig Enten, Bären<br />
und andere bunte Tiere. An den täglichen<br />
Modenschauen beteiligten sich neben<br />
Modelabels auch Schüler des Dörpfeld-<br />
Gymnasiums mit eigenen Mode-<br />
Ideen. Dass sich über unsere<br />
Kleidung viel sagen<br />
lässt, zeigte die<br />
Gruppe<br />
Elffeast,<br />
die<br />
historische<br />
Kostüme<br />
aus 10 Jahr-<br />
hunderten<br />
über den Laufsteg führte und tanzend<br />
darbot. Technisch Interessierten stand<br />
Herr Vaupel mit seinem Bandwebstuhl<br />
Rede und Antwort.<br />
Einige kulinarische Angebote ergänzten<br />
den Besuch. Köstlichkeiten von „Pilkens<br />
im Schloss“ und Käsespezialitäten wurden<br />
auf dem Hof dargeboten, am Teich<br />
verzauberte ein kleines Café. Die „Tuchfühlung“<br />
ist noch immer ein Geheimtipp<br />
gegenüber überlaufenen Stadtfesten.<br />
Es zeichnete die Veranstalung auch in<br />
diesem Jahr wieder Gelassenheit aus. Die<br />
besondere Stimmung entsteht durch das<br />
Zusammentreffen des interessierten Publikums<br />
und der qualitätsvollen Aussteller in<br />
der freundlich entspannten Atmosphäre<br />
des Lüntenbecker Schlosshofes. „Qualität<br />
tut gut“, war an einem Stand zu lesen,<br />
und das darf man auch über die Veranstaltung<br />
„Tuchfühlung“ sagen.<br />
Stephanie Schäfer<br />
65
L‘Aquila im April 2013.<br />
Ricostruiamo<br />
Das Leben geht weiter<br />
Vier Jahre sind zügig vergangen. Doch<br />
kaum hat sich etwas geändert nach dem<br />
folgenschweren Erdbeben 2009, nachts<br />
um 03.32 Uhr in den Abruzzen. Zweimal<br />
sind wir anschließend dort gewesen, vergleichen<br />
Häuser- und Trümmeransichten,<br />
unsere Fotos, sprechen mit Überlebenden,<br />
Anwohnern, den Hütern wertvoller<br />
Gebäude und alter Kirchen. Manche<br />
sind Freunde mittlerweile. Bestätigen, das<br />
meiste bleibt, wie es war – die ‚zona rossa‘<br />
von L‘Aquila, der Hauptstadt der Abruzzen,<br />
bleibt ein Ort, an deren Absperrungen<br />
Anwohner ihr Leid auf Papieren anheften<br />
und die sie bis heute nicht betreten dürfen.<br />
Kaum wird sie, obgleich in zentraler<br />
Stadtmitte, zu ihrem Ärger im Fernsehen<br />
gezeigt. Ebenso wenig die weiterhin<br />
schweigenden, unbelebten Häuserviertel.<br />
80 % der Häuser, lesen wir in einer<br />
ortsansässigen Zeitung, seien nicht einmal<br />
auf ihre noch gültige Statik überprüft.<br />
Norditaliener, die ich über ein Fotoforum<br />
kenne, schreiben mir erschüttert, dass<br />
solche Bilder wie die meinen im Fernsehen<br />
nicht mehr gezeigt würden. Gutgläubig sei<br />
man davon ausgegangen, dass viele Rekonstruktionen<br />
erfolgt seien. Offensichtlich<br />
hätten ärmere Menschen aus den Dörfern,<br />
den Hirtenlandschaften der Abruzzen,<br />
landesweit kaum eine ‚Lobby‘.<br />
Für die notwendigen Rekonstruktionen<br />
und Restaurationen fehlt das Geld - wird<br />
auch 2013 erklärt, noch immer. Dorfund<br />
Stadtbewohner sprechen uns an.<br />
Sie hätten Angst. Viele betreten noch<br />
Wohnungen, in die sie eigentlich nicht<br />
mehr dürfen, oder verhandeln um einen<br />
10-Minutenzugang in Bewachtes, Abgesperrtes,<br />
um die eine oder andere kleine<br />
Habe zu retten. Orte wie Assisi, sagen sie<br />
zornig, wurden nach dem verheerenden<br />
Erdbeben (1997) mit immensen Staatsund<br />
Kirchenmitteln wieder aufgebaut.<br />
Die berühmte Basilica San Francesco<br />
erstrahlt wieder, dank zeitgenössischer<br />
Computertechnik sorgfältig und mit<br />
enormem Aufwand restauriert. Wir haben<br />
uns beeindruckt vor Ort überzeugen<br />
können. Collemaggio hingegen, Basilika<br />
der Santa Maria in L‘Aquila – immerhin<br />
Wahrzeichen der Hauptstadt der Abruz-<br />
66
L'Aquila - telefonino das Leben geht weiter<br />
L'Aquila-Abruzzen nach dem Erdbeben<br />
L'Aquila - rote Zone<br />
zen – befindet sich im gleichen desolaten<br />
Zustand wie vor zwei Jahren. Innenmauern<br />
der Kirche aus dem 13. Jahrhundert<br />
werden noch immer von mächtigen Gerüsten<br />
festgehalten; lediglich auf einer der<br />
abgebrochenen Säulen liegt neuerdings<br />
ein Heiliger aus Stein zum Bestaunen.<br />
Im Dorf Castelnuovo haben wir wochenlange<br />
Wohnwagen-Ferien verbracht. Die<br />
Menschen dort nennen uns mittlerweile<br />
‚amici‘. Der wunderhübsche Ort, man<br />
ahnt es noch, wurde zu 95 % zerstört.<br />
Nachzulesen noch in der abruzzesischen,<br />
nicht der deutschen Zeitung. Ebenso<br />
zerstört wie das hässlichere Onna, nur<br />
Kilometer entfernt, das häufig im deutschen<br />
TV gezeigt wurde. Vielleicht, weil<br />
Onnas Anwohner die Vorwarnungen,<br />
die Leichtbeben missachteten und sich<br />
nachts wieder in ihre Häuser zurückschlichen.<br />
Vielleicht auch, weil Frau<br />
Merkel und schließlich sogar Signore<br />
Berlusconi dorthin reisten. Berlusconi,<br />
der anfangs locker von einem ‚Camping-<br />
Wochenende‘ gesprochen hatte. Das<br />
Campen der Anwohner auf ‚unserer<br />
Dorfwiese‘ hat schließlich sieben Monate<br />
gedauert. Ca. 300 Personen ohne<br />
Obdach, Menschen, die sich in Armut<br />
und Hitze im Sommer stritten. Der<br />
Regierungschef erschien hier ebenso<br />
wenig wie andere Politiker aus Rom. Die<br />
großen Blauzelte schauen noch immer<br />
stumm aus Fotos an Wänden. Bei einer<br />
Demonstration von L’Aquilanern in<br />
Rom, erzählt man flüsternd, habe die<br />
Polizei in die Menge geschlagen. Und<br />
dies, obwohl sogar der Bürgermeister<br />
dabei war. Das Erdbeben wurde anfangs<br />
mit 6,4 bewertet (entsprechende Berichte,<br />
die auch wir gelesen haben, scheinen<br />
überwiegend im Net verschwunden).<br />
Bald wurde es auf 5,8 zurückgestuft.<br />
Der Versicherungen wegen, sagen die<br />
Abruzzesen wütend.<br />
Unser (männlicher) Vermieter heißt<br />
Gabriele. Freiwillig hat er diese 300<br />
Menschen auf seiner Wiese beherbergt.<br />
Die meisten seiner Familienmitglieder<br />
haben ihre Häuser verloren. Seit 2009<br />
leben sie provisorisch in den hingestellten<br />
Fertig- Holzhäusern der Regierung.<br />
Im Sommer ist es in der Hitze kaum<br />
auszuhalten. Mittags fährt man zu<br />
einem verschwiegenen, kühlen See, den<br />
es auf keiner Landkarte gibt. Im Winter<br />
67
eist man lieber nach Mailand oder in<br />
andere Orte, wenn man dort noch Verwandte<br />
oder – im Einzelfall - sogar eine<br />
Wohnung hat. Abschließen mit landesüblichen<br />
Sicherheitsvorkehrungen ist bei den<br />
Holzhäusern nicht möglich; Diebe und<br />
Plünderer werden gefürchtet.<br />
Gabriele, vom handwerklichen Arbeiten<br />
unter freiem Himmel kräftig und braungebrannt,<br />
ist 58 Jahre alt. Das dichte,<br />
graue Haar trägt er praktisch in einem<br />
Schopf zusammengebunden. Ein wahrer<br />
Erzengel scheint er für viele zu sein,<br />
obgleich er kaum die Kirche besucht. Die<br />
Nähe zum Vatikan – ca. eine Autostunde<br />
entfernt – hat eines Tages mächtig sein<br />
Weltbild erschüttert. Da war er extra nach<br />
Rom angereist, um sich eine Statuette<br />
zu kaufen – von seinem Namenspatron,<br />
dem Verkündigungsengel. Meist kennt<br />
man diesen ja nur gemalt. Er wanderte<br />
von Shop zu Shop, um sich schließlich<br />
im Vatikan zu erkundigen: „Gibt es keine<br />
Statuette von Gabriel? Nur vom Drachenkämpfer?<br />
Dem Michael?...“ Einer der<br />
Frommen soll ihn gütig angesehen haben.<br />
Schließlich erklärte man ihm zur Lage:<br />
„Gabriel ist später ja auch dem Mohammed<br />
erschienen….“<br />
So geschah es demnach, dass der Erzengel<br />
Gabriel aus der Mode kam. Aber der<br />
besondere Brunnen in L’Aquila besitzt<br />
99 Mäuler, die einmal Wasser spuckten<br />
– 99 ist auch eine heilige Zahl im Islam,<br />
erklärt Gabriele zähneknirschend und<br />
streicht sich eine vorwitzige Haarsträhne<br />
zurück. Rom und die Abruzzesen mögen<br />
sich nicht wirklich, warum auch immer.<br />
„Dabei gilt der Verkündigungsengel mit<br />
einem Sanctuarium sogar als Heiliger der<br />
Abruzzen…“<br />
Auch der alte Bruno, Gabrieles Vater, hatte<br />
mit 83 Jahren flexibel zu lernen, sich eng<br />
in einer Holzhütte einzurichten. Seine<br />
Frau, krank und ein bisschen dement, wird<br />
liebevoll von ihm behütet. 61 Lebensjahre<br />
ist er schließlich verheiratet. Stolz erzählt<br />
er uns vom Bergbau – als er und seine Frau<br />
neun Jahre in Belgien lebten - seine ‚Madame‘<br />
mit dem Direktor und dem ersten<br />
Ingenieur tanzte - sie für alle wohlschmeckende<br />
Pizza buk, die damals noch kaum<br />
einer kannte. Bruno nimmt uns an einem<br />
Tag im Auto mit, das er noch selbständig<br />
lenkt. Über 30 Kilometer nach L‘Aquila,<br />
um Geld bei der Bank abzuheben. Auf<br />
einem Hügel prangen wieder Berlusconi-<br />
Häuser. Dort wohnt und praktiziert der<br />
‚dottore‘ in Holzwänden in gewohnter<br />
Weise. Auf dem Rückweg biegen wir in<br />
einen schmalen, unbefestigten Weg ab –<br />
wie ein Müllplatz, denken wir. Was mag<br />
Bruno dort abgeben – oder holen? Nein,<br />
der Alte führt uns in eine Kleinstbude -<br />
sein ganz spezielles Lebensmittelgeschäft.<br />
Dort gibt es die besten Salsiccia (Wurst)<br />
von L’Aquila, sagt er und zeigt uns vorzügliche<br />
Käsesorten. Bewaffnet mit viel<br />
zu viel Wurst und verschiedenem Pecorini<br />
(Schafskäse) aus dem nahen Gebirge<br />
machen wir uns auf den Heimweg. Nie<br />
hätten wir als Touristen diesen Laden<br />
gefunden.<br />
In L‘Aquila gibt es Neuerungen am Domplatz.<br />
Holzbuden ermöglichen, dass das<br />
Leben weitergeht. Häkelarbeiten verzieren<br />
Wände und erinnern an die Alte, über<br />
Neunzigjährige, die mit Häkeln das Erdbeben<br />
überlebte. Häkeln scheint zum Motto<br />
geworden. Dieses Jahr steigen zum Jahrestag<br />
309 Luftballons in die Luft für die<br />
Opfer von L‘Aquila, darunter viele junge<br />
Menschen aus einem Studentenheim. Ob<br />
wenigstens die ‚palloncini‘ (Luftballons)<br />
vom Staat finanziert wurden…<br />
Angelika Zöllner<br />
Das „goldene“ Gerüst<br />
68
Ein Unternehmer in Sachen Dienstleistung<br />
Culinaria-Chef<br />
Wolfgang vom Hagen<br />
Wolfgang vom Hagen<br />
Eine feste Größe in der Wuppertaler<br />
Gastronomieszene ist der Mehrheitsgesellschafter<br />
der Culinaria Betriebsgesellschaft<br />
Wolfgang vom Hagen. Seit fast 20<br />
Jahren leitet er die Wolfgang vom Hagen<br />
Unternehmensgruppe, zu der eine Hotelgesellschaft<br />
mit dem Mercure-Hotel am<br />
Düsseldorfer Medienhafen, die Medeor<br />
Seniorenresidenzen, eine Consulting-Firma<br />
und die Culinaria GmbH in Wuppertal<br />
gehören. Die Culinaria wurde von<br />
Wolfgang vom Hagen 1995 gemeinsam<br />
mit Michael Oberleiter, damals einer der<br />
besten deutschen Küchenchefs, gegründet.<br />
Zur Culinaria gehören heute die Gastronomie<br />
in der Historischen Stadthalle,<br />
die Gastronomie in der Sparkasse und seit<br />
2011 die Brasserie in der Oper.<br />
Vom Hagen versteht sich als „Unternehmer<br />
in Sachen Dienstleistung“, wie<br />
der umtriebige 76jährige Geschäftsmann<br />
sein Berufscredo beschreibt. Seine<br />
Unternehmensphilosophie „Alles für den<br />
Gast“ macht deutlich , dass es in seinen<br />
Betrieben immer darum geht, den Gästen<br />
eine erstklassige Küchenqualität zu bieten,<br />
verbunden mit sympathischem, freundlichem<br />
und kompetentem Service in einer<br />
angenehmen Atmosphäre.<br />
Dabei weiß er genau, dass ein solches Ziel<br />
nur mit qualifizierten Mitarbeitern zu<br />
erreichen ist, Mitarbeiter, die sich selbst<br />
wohlfühlen, weil sie eingebettet sind in<br />
eine Unternehmenskultur, die auf Vertrauen,<br />
Offenheit, Glaubwürdigkeit und<br />
Wertschätzung beruht.<br />
Seine ersten Meriten in der Gastronomie<br />
verdiente sich vom Hagen nach Gymnasium,<br />
Handelsschule, Servicepraktikum in<br />
England und der Ausbildung zum Hotelkaufmann<br />
in Zürich und im elterlichen<br />
Restaurant, dem Landhaus Felderbachtal.<br />
Prägend für seine weitere beruflichen<br />
Laufbahn war das Jahr 1962, als er<br />
das Mövenpick-Unternehmen in der<br />
Schweiz kennen lernte. Damals begegnete<br />
er auch dem Mövenpick-Gründer<br />
Ueli Prager. Zweieinhalb Jahre arbeitete<br />
vom Hagen ab 1965 im Züricher<br />
Mövenpick- Restaurant „Dreikönig“,<br />
wo er 240 Mitarbeiter unter sich hatte.<br />
Die familiären Verhältnisse erforderten<br />
69
Christina Rau und Wolfgang vom Hagen<br />
Wolfgang vom Hagen mit Professor Dr. Lambert T. Koch, dem Rektor der Uni Wuppertal<br />
Er gründete die heute noch bestehende<br />
Wolfgang vom Hagen Management<br />
Consulting GmbH. Ziel und Zweck dieser<br />
Gesellschaft sind Hotelentwicklung und<br />
-management, die Sanierung von Hotels<br />
und Betrieben der Gastronomie sowie<br />
Qualitätsmanagement und Kundenservice.<br />
Zwischen 1995 und 2001 hatte vom<br />
Hagen die Aktienmehrheit der Krefelder<br />
Hotel AG inne, die das Parkhotel Krefelder<br />
Hof betrieb. Nachdem diese AG kurz vor<br />
der Insolvenz stand, übernahm vom Hagen<br />
eine klassische Sanierungsaufgabe für<br />
dieses Haus, die er erfolgreich abschließen<br />
konnte. Seit 2001 ist der Krefelder Hof<br />
ein Hotelbetrieb der Dorint AG. Zwischen<br />
2000 und 2005 war vom Hagen Pächter<br />
des Mariott Hotels im Düsseldorfer Medienhafen,<br />
das heute russischen Investoren<br />
gehört, die es selbst betreiben.<br />
Dem Nachwuchs seiner Branche empfiehlt<br />
vom Hagen, so wie er international tätig<br />
zu sein. Schon als 20jähriger wagte er in<br />
den 50er-Jahren, sich einem Servicepraktikum<br />
in England zu unterziehen, zum<br />
Beispiel im Londoner Savoy-Hotel. Durch<br />
Kochlehre im Siechen-Diessner- Restaurant<br />
in Wuppertal und als Restaurateur im<br />
elterlichen Landhaus Felderbachtal verlor er<br />
aber nie den Bezug zur heimatlichen Basis.<br />
Neben seinen Lehr- und Berufsjahren im<br />
In- und Ausland absolvierte er ein Betriebswirtschaftsstudium<br />
an der Hotelfachschule<br />
in Lausanne, das er mit der Diplomnote<br />
Eins abschloss, arbeitete zwischen 1961<br />
und 1963 im Grandhotel Dolder in Zürich,<br />
im Hotel de Crillon in Paris und im<br />
Hotel Richemond in Genf, alle drei Hotels<br />
Häuser der Luxushotellerie.<br />
es, 1967 in den elterlichen Betrieb, dem<br />
Landhaus Felderbachtal, zurückzukommen.<br />
Neben diesem Engagement<br />
gründete er 1968 die Wolfgang vom Hagen<br />
Gastronomie, zu der bis 1972 fünf<br />
Restaurants in Wuppertal, Mülheim/<br />
Ruhr und Bonn gehörten. Inzwischen<br />
hatte sich Mövenpick in Deutschland<br />
engagiert, was Ueli Prager veranlasste,<br />
vom Hagen zu Mövenpick zurückzuholen<br />
und ihn zum Regionaldirektor für<br />
NRW, Niedersachsen und Hamburg zu<br />
ernennen. Gleichzeitig beteiligte sich<br />
Mövenpick an der Wolfgang vom Hagen<br />
Gastronomie, so dass er auch weiterhin<br />
für seine eigenen Restaurants, unter anderen<br />
dem Landhaus Felderbachtal und<br />
der Taverne Aramis in Barmen, mitverantwortlich<br />
zeichnete.<br />
Sein Engagement bei Mövenpick beendete<br />
er 1993 als Direktionspräsident.<br />
Ueli Prager hatte 1991 seine Mövenpickanteile<br />
an den Bankier August von Fink<br />
verkauft. Mit der strategischen Neuorientierung<br />
des Hauptaktionärs konnte sich<br />
vom Hagen nicht identifizieren, verließ<br />
daraufhin Mövenpick und machte sich<br />
erneut selbstständig.<br />
Von 1963 an war er als Hoteldirektor<br />
im Hessischen Hof in Frankfurt tätig. In<br />
Übersee absolvierte er eine mehrmonatige<br />
Management-Ausbildung an der AMA,<br />
American Management Association, in<br />
New York.<br />
Heute engagiert sich vom Hagen auch im<br />
Bereich Pflegeheime und Seniorenresidenzen.<br />
Der Hotelier ist auch ehrenamtlich<br />
aktiv. So war er im Präsidium der IKK<br />
Wuppertal vertreten, außerdem ist er Mitglied<br />
im Lions Club Bergisch Land.<br />
Joachim Krug<br />
70
… und die scheidenden<br />
Intendanten<br />
Johannes Weigand, Enno Schaarwächter,<br />
Christian von Treskow und Kulturdezernent<br />
Matthias Nocke (v. l.) präsentieren den<br />
neuen Spielplan.<br />
Enno der Älteste…<br />
Die beiden Herren saßen fröhlich lächelnd<br />
auf der kleinen Bühne im Kronleuchter-<br />
Foyer des Wuppertaler Opernhauses und<br />
präsentierten den Medienvertretern die<br />
Spielpläne ihrer letzten Saison. Nun sind<br />
Vergleiche zwischen Intendanten von<br />
Opern- und Schauspielspielhäusern (oder<br />
den durch Schließungen wie in Wuppertal<br />
bedingten Ausweichquartieren an Stadttheatern)<br />
mit Fußballtrainern schon aus<br />
Gagengründen im Grunde unanständig.<br />
Aber irgendwie sind es trotzdem Durchreisende<br />
in Sachen Kultur und Sport. Es<br />
bleiben meist die Journalisten. Oder die<br />
Verwaltungschefs, wie im Falle Wuppertal<br />
der 60-jährige Enno Schaarwächter, den<br />
Dezernent Matthias Nocke als „Doyen“<br />
(Ältester) der Runde auf dem Podest<br />
bezeichnete. Dirk Hesse und der neue<br />
künstlerische Leiter Professor Lutz Förster<br />
vertraten das international und auch hierzulande<br />
unverändert gefeierte Tanztheater<br />
in Memoriam Pina Bausch. „Enno der Älteste“<br />
dozierte gewohnt sanft über die solide<br />
Planung, das hochausgelastete Opernhaus,<br />
einem wunderschönen Spielplan und der<br />
finanzielle Rahmen kam auch vor. Schaarwächter<br />
wacht mit Geschick und seinem<br />
dichtgeknüpftem Wuppertal-Netzwerk seit<br />
Jahren über das immer knapper gewordene<br />
Budget. Wobei über die Grenzen des<br />
Wuppertales nicht vergessen werden sollte,<br />
dass es in Deutschland immer noch mit<br />
großem Abstand die meisten Opernhäuser<br />
weltweit gibt. Wer das nicht glauben mag,<br />
dem sei die im Juli 2011 erschienene, sehr<br />
lesenswerte Lektüre „Walküre in Detmold“<br />
angeraten. Der Autor Ralph Bollmann hat<br />
dabei 84 Häuser in 80 Städten besucht<br />
und das spannend nacherzählt. Natürlich<br />
war Bollmann auch in Wuppertal. Und in<br />
Deutschland werden von den Kommunen<br />
ca. 5.000 Orchestermusiker, 3.000 Chorsänger<br />
und 1.300 Solisten beschäftigt. Es<br />
kommt bei der Beurteilung wie immer auf<br />
die Betrachtungsweise an.<br />
Der seit vier Jahren als Intendant in<br />
Wuppertal tätige Christian von Treskow<br />
wird in seiner letzten Wuppertaler Intendanten-Runde<br />
„Maria Stuart“ von Schiller<br />
(damals noch ohne „von“) inszenieren.<br />
Seinen Abschied wird er mit der Premiere<br />
von William Shakespeares „Viel Lärm um<br />
nichts“ am 26. April 2014 im Opernhaus<br />
begehen. O-Ton von Treskow: „Das wird<br />
dann meine letzte Inszenierung in dieser<br />
Stadt sein.“ Auf Nachfrage eines nicht zum<br />
Inner-Circle zählenden Anwesenden, ob er<br />
Wuppertal und seine Spielstätten der Kultur<br />
danach als vermintes Gebiet betrachte und<br />
jegliche Tätigkeiten ausschloss, hat der<br />
44-jährige dann doch schelmisch verneint.<br />
71
Für seinen Opern-Kollegen Johannes<br />
Weigand (46) endet mit der Spielzeit<br />
2013/2014 eine Wuppertal-Ära, die<br />
bereits im Jahre 2001 begann. Das hat<br />
im Vergleich zum Fußball fast Rehagelähnliche<br />
Dimensionen. Der gebürtige<br />
Heidelberger wird seine finale Spielzeit<br />
mit „Der Fledermaus“ von Johann Strauss<br />
am 27. September 2013 beginnen und<br />
selbst die Regie dieses Klassikers führen.<br />
Man wird gespannt sein, wer diesmal den<br />
Zellenschließer „Frosch“ gibt. Das war in<br />
grauer Vorzeit (exakt 1972/73) in Wuppertal<br />
schon einmal der mittlerweile 82-jährige<br />
Kabarettist Ernst Hilbich, Ehemann der<br />
Schauspielerin Lotti Krekel. Arno Assmann<br />
hat damals inszeniert, es war ein grandioser<br />
Erfolg. Die Rolle des „Frosch“ ist schon<br />
von vielen Größen der Zunft gespielt<br />
worden. Eine Aufzählung von Namen kann<br />
nur lückenhaft sein: Heinz Erhardt, André<br />
Heller, Jürgen von Manger, Josef Meinrad,<br />
Willy Millowitsch, Otto Schenk und Karl<br />
Valentin. Auch der Wuppertaler „Frosch“<br />
der Weigand-Inszenierung wird sicher etwas<br />
Besonderes.<br />
Zu den Premieren zählt aber auch die<br />
Uraufführung „Der Universum-Stulp“ von<br />
Stephan Winkler. Die Vorlage dazu stammt<br />
vom Wuppertaler Autor Eugen Egner. Premiere<br />
ist am Freitag, den 21.Februar 2014.<br />
Schließlich spielt das Weigand-Team in der<br />
Börse, im Haus der Jugend in Barmen, und<br />
Kollege von Treskow hat das Carl Fuhlrott-<br />
Gymnasium, die mit wunderbarer Akustik<br />
gesegnete, bundesweit begehrte Barmer<br />
Immanuelskirche, und in der Alten Schmiede<br />
der Knipex-Werke auf Cronenbergs<br />
Höhen werden Doppelaxel und Pirouetten<br />
in „Der Torero oder Liebe im Akkord“ zu<br />
bestaunen sein. Man darf also gespannt<br />
sein, ob Elena Fink an einer eingesprungen<br />
Waagepirouette mit hohem C und Note<br />
5,9 arbeitet. 35 Mal wird das Tanztheater<br />
in Wuppertal zu sehen sein. 54 Gastspiele<br />
sind geplant, davon allein 24 in Frankreich,<br />
acht in London und zwölf in Asien. Mehr<br />
geht nicht. Die beiden Intendanten haben<br />
die Herausforderungen mit wenig Geld,<br />
kleinem Ensemble, besonderer Logistik und<br />
einem oftmals skurrilen Publikum mutig<br />
angepackt. Einen neuen Job nach dem Ende<br />
in Wuppertal haben die beiden Herren<br />
übrigens noch nicht. Haben sie jedenfalls<br />
(auch lächelnd) auf Nachfrage bei der<br />
bereits erwähnten Pressekonferenz gesagt.<br />
Zitieren wir zum Ende dieses Textes den<br />
großen Schauspieler und leidenschaftlichen<br />
Zeitungsleser Ulrich Matthes aus einem<br />
Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen<br />
Sonntagszeitung“ vom 21.April 2013:<br />
„Theater ist eine flüchtige Kunst. Das ist<br />
sein Reiz.“ Kein Widerspruch.<br />
Klaus Göntzsche<br />
Premiere 2013/2014 – Schauspiel<br />
Opernhaus<br />
Sa., 19. 10. 2013 // Maria Stuart<br />
Friedrich Schiller<br />
Fr., 6. 12. 2013 // Die drei Räuber<br />
(für alle ab 6 Jahren) – Tomi Ungerer<br />
Fr., 21. 2. 2014 // JR (Uraufführung)<br />
William Gaddis<br />
Sa., 20. 4. 2014 // Le Pas d' acier – Schritt<br />
in die Zukunft – Sergej Prokofjew<br />
Tanzprojekt mit Jugendlichen aus Wuppertal<br />
Sa, 26. 4. 2014 // Viel Lärmen um Nichts<br />
William Shakespeare<br />
Die Börse<br />
Januar 2014 // Oh ist das Morrissey<br />
Anne Lepper<br />
Werkauftrag des Stückemarkts des Berliner<br />
Theatertreffens 2013<br />
Premiere 2013/2014 – Jugendtheaterclub<br />
und Integrative Theatergruppe<br />
Haus der Jugend (Barmen)<br />
Fr., 4. 4. 2014 // Der rote Baum //<br />
Jugendtheaterclub – Shaun Tan<br />
Do., 22. 5. 2014 // Die zertanzten<br />
Schuhe // Integratives Theaterprojekt<br />
Gebrüder Grimm<br />
Premiere 2013/14 – büro für zeit +<br />
raum<br />
Ort und Zeitpunkt der Produktion<br />
werden noch bekannt gegeben // Früher<br />
war alles besser. Früher war alles aus Holz.<br />
(Arbeitstitel, Uraufführung)<br />
Premiere 2013/2014 – Musiktheater<br />
Opernhaus<br />
Fr., 27. 9. 2013 // Die Fledermaus<br />
Johann Strauss Sohn<br />
Sa., 5. 10. 2013 // Evita<br />
Tim Rice & Andrew Lloyd Webber<br />
Fr., 7. 2. 2014 // Der Universums-Stulp<br />
(Welt-Uraufführung) – Stephan Winkler<br />
So., 23. 3. 2014 // Alcina<br />
Georg Friedrich Händel<br />
Sa., 14. 6. 2014 // König Roger (Król<br />
Roger)<br />
Karol Szymanowski<br />
Carl-Fuhlrott-Gymnasium<br />
Oktober 2013 // Die Irrfahrten des<br />
Odysseus<br />
Dimitri Terzakis<br />
Laterna Magica-Performance<br />
Immanuelskirche<br />
Sa., 2. 11. 2013 // Die ägyptische Maria<br />
Ottorino Respighi<br />
Knipex-Werk – Alte Schmiede<br />
So., 19. 1. 2014 // Der Torero oder Liebe<br />
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72
„Wiederbelebung“ durch Will Baltzer<br />
Am 8. Dezember 1995 war es soweit:<br />
Wuppertals architektonischer Juwel, die<br />
Historische Stadthalle, zeigte sich nach vierjähriger<br />
Bauzeit innen und außen in neuem<br />
Glanz, und auch nach bald 20 Jahren, die<br />
seit der Renovierung vergangen sind, ist seine<br />
Strahlkraft noch immer beeindruckend.<br />
. Begründer dieser „Wiederbelebung“ ist<br />
der seit vielen Jahren in Wuppertal lebende<br />
Architekt, Professor Will Baltzer, zusammen<br />
mit einem Team seiner Mitarbeiter. „Die<br />
Revitalisierung der Wuppertaler Stadthalle<br />
ist ein Beispiel für eine Symbiose von Alt<br />
und Neu, von tradierter Architektur der<br />
Jahrhundertwende und einem modernen<br />
Zentrum vielfältigen urbanen Geschehens<br />
in der Hightech-Zeit des ausgehenden 20.<br />
Jahrhunderts“, schrieb Baltzer selbst in „Die<br />
Stadthalle“, einem Kompendium, das bereits<br />
im Jahr der Wiedereröffnung 1995 erschienen<br />
ist (Herausgeber: Joachim Frielingsdorf<br />
und Jost Hartwig) .<br />
Die neue Historische Stadthalle<br />
Baltzer hatte eine arbeitsreiche Zeit als<br />
Architekt hinter sich. 1932 in Tübingen<br />
geboren, aber in Wuppertal aufgewachsen,<br />
studierte Will Baltzer Architektur<br />
an der TH in Stuttgart und an der TU<br />
in Berlin. Nach dem Abschluss seines<br />
Studiums 1960 war er zunächst bis 1963<br />
Assistent an der Technischen Universität<br />
in Stuttgart, ehe er 1964 einen Lehrauftrag<br />
an der Kingston School of Art (GB)<br />
annahm. Mitte 1965 wurde er freischaffender<br />
Architekt in Wuppertal, wo er<br />
auch seinen Wohnsitz nahm. Gleichzeitig<br />
war er bis 1997 Professor an der Fachhochschule<br />
in Münster. Schwerpunkt seines<br />
Lehrauftrags war, das Fach „Entwerfen“.<br />
Als Architekt realisierte er besonders<br />
Großprojekte wie das Zweckverbandskrankenhaus<br />
in Schwelm, das Städtische<br />
Krankenhaus in Friedrichshafen, das<br />
Schulzentrum in Wuppertal-Vohwinkel,<br />
aber auch verschiedene Kirchenzentren<br />
und die Else-Lasker-Schüler- Gesamtschule<br />
in Elberfeld, wo er auch für die<br />
Erweiterung um Mensa und Bibliothek<br />
verantwortlich war. Wie bei der Renovierung<br />
der Wuppertaler Stadthalle, also<br />
im Bereich Umbau und Restaurierung<br />
denkmalgeschützter Bauten, arbeitete er<br />
oft mit seiner Frau, der Innenarchitektin<br />
Cris Baltzer, zusammen.<br />
Bereits zwischen 1980 und 1982 hatte die<br />
Stadt Wuppertal die Wandelhalle durch<br />
die Fachfirma Ochsenfarth aus Paderborn<br />
restaurieren lassen. Fünf Jahre später erhielt<br />
Baltzer den Auftrag, für das gesamte<br />
Stadthallen- Projekt Voruntersuchungen<br />
durchzuführen sowie einen Vorentwurf<br />
und eine Zielplanung zu erstellen.<br />
Drei Jahre lang dauerten dann die planerischen<br />
und restauratorischen Voruntersuchungen.<br />
Bereits 1989 fasste der Rat<br />
der Stadt Wuppertal den entsprechenden<br />
Grundsatzbeschluss. Nachdem im<br />
November 1991 der Stadthallenbetrieb<br />
eingestellt worden war, begannen im<br />
Januar des Folgejahres die eigentlichen<br />
Bauarbeiten. Es erfolgte die Beauftragung<br />
einer französischen Spezialfirma<br />
für die Maler- und Stuckarbeiten. Alle<br />
Maßnahmen wurden im Dezember 1995<br />
abgeschlossen. „In diesen Tagen entdeckten<br />
die Wuppertaler, dass ihre Stadthalle“<br />
(Christo verhüllte gleichzeitig in Berlin<br />
den Reichstag) „jenem monumentalen<br />
Reichstagsgebäude ähnlich sieht (…)<br />
Belegt werden kann, dass Paul Wallot,<br />
der Architekt und Erbauer des Berliner<br />
Reichstags, Jurymitglied des Architektenwettbewerbs<br />
zum Stadthallenneubau<br />
Ende des 19. Jahrhunderts war“ (S.11<br />
„Die Stadthalle“ von Joachim Frielingsdorf<br />
und Jost Hartwig).<br />
Bei der Restaurierung der Stadthalle, die<br />
wie der Reichstag 1900 im Neo-Renaissance-<br />
Stil gebaut worden war, hatten für<br />
Baltzer in den 1990er Jahren drei Aspekte<br />
Priorität: Verbesserung und Erweiterung<br />
der angestrebten Funktionen, die Sanierung<br />
der Bausubstanz und die restaurierende<br />
Wiederherstellung der Innenräume<br />
sowie die Verbesserung des Hallenumfelds.<br />
Im einzelnen vergrößerte Baltzers<br />
Planung die bisherige Foyerzone um die<br />
ursprünglich offenen Gartenhalle durch<br />
großflächige Verglasung, ermöglichte eine<br />
multifunktionale und gleichzeitige Nutzung<br />
aller Säle sowie den Einbau einer<br />
Sauer- Orgel im neugestalteten Bühnenbereich<br />
des Großen Saals. Höhenverstellbare<br />
Bühnenpodeste lassen eine Mehrzwecknutzung<br />
des Saals beispielsweise für<br />
Konzerte oder Kongresse und Bankette<br />
zu. In die historische Bausubstanz wurden<br />
behutsam modernste Technik bei der<br />
Be-und Entlüftung sowie Elektrotechnik<br />
einschließlich Beleuchtung integriert.<br />
Oberstes Ziel der Außensanierung und<br />
Restaurierung im Inneren war, die ursprünglichen<br />
Qualitäten der Halle wieder<br />
herzustellen und zu optimieren, wobei<br />
sich sämtliche Maßnahmen an den Vorgaben<br />
der Denkmalpflege orientierten.<br />
Vor dem Eingang zur Halle entstand<br />
durch Verengung der vorbeiführenden<br />
Bahnhofstraße ein weiträumig gepflasterter<br />
Vorplatz. Der Halleneingang erhielt<br />
einen behindertengerechten Zugang zu<br />
allen Ebenen des Gebäudes.<br />
Aus seinen Erfahrungen mit einem<br />
schlüssigen historischen Konzept ging<br />
Baltzers entschiedenes Engagement<br />
hervor, „die Historische Stadthalle für die<br />
heutigen Benutzer und die nachwachsende<br />
Generation zu einem Ort der Identifikation<br />
mit den Werten der Tradition<br />
werden zu lassen.“ Sämtliche Funktionen,<br />
die zum Betrieb eines Vielzweckbauwerks<br />
73
74<br />
Die neue Historische Stadthalle, Außenansicht und Blick ins Innere
nötig sind, wurden ohne Anbau, wie ihn<br />
viele Experten gefordert hatten, bewerkstelligt.<br />
Nicht ohne Stolz versichert der<br />
Architekt, dass in dem ursprünglich vorhandenen<br />
Gebäude genügend Platz für<br />
alle Notwendigkeiten einer Multifunktionshalle<br />
vorhanden war. 2009 sprach<br />
Will Baltzer in Heinz Theo Jüchters Buch<br />
„Die Historische Stadthalle Wuppertal“<br />
ausführlich über das Umbauprojekt als<br />
einer „Renaissance der Renaissance“.<br />
Joachim Krug<br />
Fotos: Baltzer und Partner/<br />
Joachim Krug<br />
unten: das ehemalige Restaurant<br />
Historische Aufnahmen aus der<br />
Stadthalle<br />
75
Paragraphenreiter<br />
Kann ich auch als Privatmann mit<br />
Kunst Steuern sparen?<br />
Susanne Schäfer, Steuerberaterin<br />
Geschäftsführerin der Rinke Treuhand GmbH<br />
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft/<br />
Steuerberatungsgesellschaft<br />
Im Jahr 2007 erwarb ein Trödelmarktbesucher<br />
mit offensichtlichem Sinn für<br />
schöne Dinge auf einem Trödelmarkt<br />
eine weiße Keramikschale für drei Dollar.<br />
Da die Schale sehr dünnwandig war,<br />
benutzte er sie nicht, sondern stellte sie<br />
lediglich in ein Regal. Gerade die Feinheit<br />
des Materials beschäftigte ihn aber<br />
auch weiterhin und er ließ den Flohmarktfund<br />
zu Anfang des Jahres 2013<br />
von einem Sachverständigen für chinesische<br />
Kunst schätzen. Am 13. März<br />
2013 wurde die Schale von Sotheby’s<br />
versteigert – der Zuschlag erfolgte bei<br />
2,23 Millionen Dollar.<br />
Im Jahr 1967 betrug der Kunstmarktpreis<br />
für ein Bild von Gerhard<br />
Richter rund 5.000 DM. Im Jahr<br />
12.10.2012 wurde ein Bild von Gerhard<br />
Richter von Sotheby’s versteigert – der<br />
Zuschlag erfolgte bei 26,4 Millionen<br />
Euro.<br />
Seufz ! Hätte ich rechtzeitig in Keramikschalen<br />
oder Gerhard Richter<br />
investiert, hätte ich einen Gewinn von<br />
2.229.997 Dollar oder 26.397.444 Euro<br />
machen können.<br />
Und das Beste: auch noch vollkommen<br />
steuerfrei!<br />
Der Verkauf von privaten Wertgegenständen<br />
wie antiker chinesischer<br />
Keramik und Ölbildern ist nämlich nur<br />
dann als sogenanntes „privates Veräußerungsgeschäft“<br />
einkommensteuerpflichtig,<br />
wenn zwischen deren Anschaffung<br />
und Veräußerung weniger als ein Jahr<br />
vergangen ist.<br />
Im geschickten Ankauf der Werke<br />
von vielversprechenden jungen Künstlern<br />
(oder verkannter Trödelware), deren<br />
mindestens 12-monatige Aufbewahrung<br />
(gern auch über der Wohnzimmercouch<br />
oder im Geschirrschrank) und lukrativen<br />
späteren Verkauf (Sotheby’s scheint<br />
hier eine hervorragende Adresse zu sein)<br />
besteht also eine der wenigen noch legalen<br />
Möglichkeiten, in Deutschland für<br />
Gewinne keine Einkommensteuer zahlen<br />
zu müssen.<br />
Allerdings auch nur dann, wenn ich<br />
den An- und Verkauf nicht „gewerblich“<br />
betreibe, d. h. nicht mit der von vornherein<br />
feststehenden „Absicht, Gewinn zu<br />
erzielen“, nicht „unter Beteiligung am<br />
allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“<br />
und nicht „nachhaltig“.<br />
Aber was heißt das?<br />
Ohne die „Absicht, Gewinn zu<br />
erzielen“ heißt, dass ich auf dem Gebiet<br />
der Kunstkennerschaft eigentlich nur ein<br />
bisschen dilettieren darf. Wenn ich etwas<br />
kaufe, dann in erster Linie, weil es mir<br />
gefällt und nicht weil ich mit einer großartigen<br />
Wertsteigerung rechne. Die sollte<br />
allenfalls ein netter Nebeneffekt sein.<br />
Nicht „unter Beteiligung am allgemeinen<br />
wirtschaftlichen Verkehr“ heißt,<br />
dass ich nicht aktiv eine Vielzahl potentieller<br />
Käufer umwerbe.<br />
Und nicht „nachhaltig“ ist einfach<br />
die amtliche Umschreibung von „nicht<br />
zu oft“. Wie viele Keramikschalen und<br />
Bilder ich verkaufen darf, bevor ich als<br />
gewerblicher Kunsthändler betrachtet<br />
werde, steht dabei nicht genau fest.<br />
Ehrlich gesagt würde mir ein einziger<br />
Gerhard Richter aber auch reichen.<br />
www.rinke.eu<br />
„Am liebsten auf der Bühne,<br />
und wer weiß wo sonst noch,<br />
sind mir Sätze,<br />
die man auch tanzen<br />
könnte.“<br />
KARL OTTO MÜHL<br />
Zugelaufene Sprüche<br />
Neu<br />
Karl Otto Mühl<br />
Zugelaufene Sprüche<br />
„Das Leben ist sportlich:<br />
Der, den du überholst, sitzt dir danach<br />
im <strong>Nacke</strong>n.“<br />
„Mit guten Absichten überschminkt die<br />
Seele ihre Pickel“<br />
2013<br />
Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal<br />
80 Seiten, 9.00 Euro<br />
ISBN: 978-3-942043-90-8<br />
„Das wäre ein wunderbares Leben<br />
gewesen, sagte der Neunzigjährige, wenn<br />
man vorher gewusst hätte, dass alles gut<br />
geht.“<br />
76
Auch im idyllischen<br />
Hückeswagen – weiß der Krimi<br />
von Jürgen Kasten<br />
„Grüße aus dem Jenseits“<br />
Das Verbrechen ist überall<br />
Gibt es im lieblichen Bergischen Land,<br />
etwa auch im idyllischen Städtchen<br />
Hückeswagen Korruption, Verbrechen,<br />
sogar Mord? „Das Böse ist immer<br />
und überall“ wissen wir nicht zuletzt<br />
durch die Erste Allgemeine Verunsicherung.<br />
Und natürlich schlummert<br />
auch unter dem Grasgrün unserer<br />
Bergischen Heimat das Böse in Gestalt<br />
von bestechlichen Verwaltungsbeamten<br />
und Politikern, solchen, die sie zynisch<br />
korrumpieren, deren Handlangern, die<br />
auch vor einem Mord nicht zurückschrecken,<br />
Trittbrettfahrern, die ihr<br />
eigenes verbrecherisches Süppchen auf<br />
diesem schwelenden Feuer kochen und<br />
Erpressern, die als kriminelle Parasiten<br />
blutiges Geld aus den Übeltaten anderer<br />
saugen.<br />
Das weiß literarisch ein hochkarätiger<br />
Fachmann zu unterstreichen: Jürgen<br />
Kasten, über viele Jahre Chef der<br />
Mordkommission und der Ermittlungsstelle<br />
für Umweltverbrechen bei der<br />
Wuppertaler Kripo. Der ausgewiesene<br />
Kenner der Materie hat seine Erfahrungen<br />
mit allen Facetten des Verbrechens<br />
zu einem spannenden Kriminalroman<br />
umgemünzt, dessen raffiniert aufgebaute<br />
Handlung er mit dem Mittelpunkt<br />
Hückeswagen u.a. in Remscheid,<br />
Wuppertal, Solingen und Showdown<br />
in Basel angesiedelt hat. „Natürlich“,<br />
lässt der Autor seine Leser mit Augenzwinkern<br />
wissen, „ist alles, was ich in<br />
diesem Roman erzähle, reine Fiktion.<br />
Solche Figuren, wie den Hückeswagener<br />
Bauunternehmer van Houten, der<br />
politische Entscheidungsträger besticht<br />
und Dokumente ebenso wie Bilanzen<br />
fälscht, skrupellose Handlanger wie<br />
Oliver Meiners, Lokal-Politiker und<br />
Verwaltungsbeamte, die sich in Bordelle<br />
einladen lassen und damit erpreßbar<br />
werden, schmierige Rechtsverdreher wie<br />
van Houtens Intimus Dr. Garbsen gibt<br />
es im Bergischen Land selbstverständlich<br />
nicht.“ Weiß doch aber jeder, dass<br />
es eben genau so ist.<br />
gen und Sympathieträgern, schönen<br />
Frauen und Alltagshelden ist durch die<br />
Nähe zur Realität präzise gezeichnet,<br />
ob es der Ex-Bulle als Detektiv ist, ob<br />
es die einst hoffnungsvollen Studienabbrecher<br />
als gewissenlose Verbrecher<br />
oder die Duzfreunde in Bauamt und<br />
Bauwirtschaft sind. Auch die Szenenbilder,<br />
um mit einem Begriff des Films zu<br />
sprechen, sind griffig, von der Observation<br />
eines Schließfachs bis zur Obduktion<br />
des Mordopfers in der Pathologie.<br />
Jürgen Kasten weiß eben, wovon er<br />
spricht. Was mit einem grausigen Mord<br />
in Wuppertal und rätselhaften Erpresserbriefen<br />
beginnt, ein Fall, den der<br />
massige Wuppertaler Kriminalhauptkommissar<br />
Faber gemeinsam mit der<br />
zauberhaften Staatsanwältin Patrizia von<br />
Schuchnitz zu klären hat, entwickelt<br />
sich zu einem raffinierten, weite Kreise<br />
ziehenden Geflecht im Dunst der Bergischen<br />
Baumafia.<br />
Jürgen Kasten –<br />
„Grüße aus dem Jenseits“<br />
Bergischer Verlag, 2012<br />
285 Seiten, Broschur, 9,90 Euro.<br />
Das hervorragend recherchierte Buch,<br />
das Weg und Steg kennt und nennt,<br />
läßt durchaus glaubhaft Parallelen zur<br />
regionalen Politik und Bauwirtschaft<br />
erkennen. Sein Personal aus Widerlin-<br />
Weitere Informationen:<br />
www.bergischerverlag.de.<br />
Frank Becker<br />
77
Neue Kunstbücher<br />
Monographien zur Malerei<br />
vorgestellt von Thomas Hirsch<br />
Die Malerei ist – zum Glück – nicht kaputt<br />
zu kriegen. Bei allen Ausweitungen in den<br />
Raum und aller faktischen Konzentration<br />
auf die reprografische oder virtuelle<br />
Oberfläche, mit denen die Kunst ihre<br />
Gegenwart reflektiert, behauptet sich die<br />
Malerei auch weiterhin. Über die Jahrhunderte<br />
hat sie Wandlungen von der reinen<br />
Funktionszuweisung in der Frühzeit über<br />
die Vermittlung des christlichen Glaubens<br />
in der Renaissance vollzogen, sie diente<br />
Kirchenfürsten und Feldherren, erreichte im<br />
Ständeportrait eine hohe gesellschaftliche<br />
Anerkennung und eine weitere Personalisierung<br />
des Künstlers, ehe sie als Metier mit<br />
freier Motivwahl gänzlich autonom wurde.<br />
Die Scheidung von der Werkstatt und den<br />
Schülern führt (ungeachtet des künstlerischen<br />
Mediums) zur Frage nach der Werkgenese<br />
und sie äußert sich in heutiger Zeit<br />
in der Monographie, die eine Abfolge der<br />
Schaffensphasen bereithält und Urheberschaften<br />
klärt oder aufwirft ... Lange wurden<br />
dem Caravaggisten Orazio Gentileschi Gemälde<br />
zugeschrieben, die von seiner Tochter<br />
Artemisia stammen; erst im 20. Jahrhundert<br />
wird ihr Beitrag für die Kunst des Barock<br />
aufgearbeitet. Artemisia Gentileschi (1593<br />
– um 1651) gehört zu den bedeutenden<br />
Künstlerinnen in Zeiten, in denen nur sehr<br />
wenige Frauen den Beruf des Künstlers ergriffen.<br />
Ihr Leben steht unter dem Schatten<br />
der Vergewaltigung durch ihren Lehrer, dem<br />
anschließenden Prozess und der Abreise aus<br />
Rom nach Florenz; später hält sie sich, als<br />
Künstlerin hochangesehen, wieder in Rom<br />
und Neapel auf. Sie malt Porträts, Stillleben,<br />
Historienbilder und biblische Stoffe. Leitmotivisch<br />
durchziehen Frauengestalten ihr<br />
Werk. Die Malerei ist souverän, dynamisch<br />
in der Wendung der Körper. Gesicht und<br />
Kleidung werden durch Licht und Schatten<br />
modelliert. Dramatisch sind oft die Posen,<br />
unterstützt noch durch die Komposition im<br />
Bildraum, den die Figuren massiv besetzen<br />
… Das zeigt nun die gute geschriebene,<br />
feuilletonistische Monographie von Dagmar<br />
Lutz, die vom Leben dieser bemerkenswerten<br />
Malerin ausgeht. Natürlich ist es hilfreich,<br />
vergleichende Bilder etwa von Orazio<br />
Gentileschi oder Caravaggio zu integrieren,<br />
allerdings ist dies mitunter infolge der allzu<br />
komplexen Grafik verwirrend. Insgesamt<br />
aber entsteht ein fundierter Einblick in das<br />
Werk der Artemisia Gentileschi.<br />
In vielerlei lässt sich dieses Buch mit<br />
der aktuellen Monographie zur Malerei von<br />
John Everett Millais vergleichen. Der (leider<br />
nur englische) Text von Jason Rosenfeld ist<br />
jedoch ausführlicher, das Buch ist grafisch<br />
viel klarer, wenngleich eine reine Bildstrecke<br />
gutgetan hätte. John Everett Millais<br />
(1829-1896), der als damals jüngster<br />
Student in die Schule der Royal Academy<br />
aufgenommen wurde, gründet 1848 mit<br />
William Hunt und Dante Gabriel Rosetti<br />
die Gemeinschaft der Präfraffaeliten. Millais<br />
wendet sich jedoch bald vom lieblichem<br />
Impetus ab. Seine Sache<br />
ist die<br />
Wirklichkeitsschilderung mit hoher<br />
atmosphärischer Verdichtung mittels einer<br />
brillanten Farbigkeit, dazu entstehen Genreund<br />
Landschaftsdarstellungen; vor allem<br />
mit letzterem wird er später gepriesen. Jason<br />
Rosenfelds Verdienst ist es unter anderem,<br />
die Bedeutung der Natur im gesamten<br />
Werk herauszuarbeiten, und das Verdienst<br />
des Buches ist es, John Everett Millais<br />
überhaupt in einer respektablen Einzeldarstellung<br />
zu würdigen.<br />
Aber wie unterschiedlich doch Werkübersichten<br />
ausfallen! So wie das Buch zu<br />
Millais dem erzählerischen Charakter seiner<br />
Bilder entspricht, so ist das so viel andere<br />
Buch zu Hans Hofmann punktgenau für<br />
dessen Kunst. Auch Hans Hofmann ist zu<br />
entdecken, jedenfalls in Europa. Das klingt<br />
paradox, schließlich hat Hofmann (1880-<br />
1966) die ersten 53 Jahre seines Lebens in<br />
Deutschland verbracht, hier malen gelernt,<br />
seine eigene Kunst dann aber eingestellt,<br />
um Malschulen zu gründen. Über den<br />
Kunstunterricht kam er mit Amerika in<br />
Kontakt, wurde als Lehrer eingeladen und<br />
erhielt die Möglichkeit, als er von den ersten<br />
Untaten der Nationalsozialisten hörte,<br />
zu bleiben und amerikanischer Staatsbürger<br />
zu werden. Er gründete Schulen in New<br />
York und Provincetown und setzte wieder<br />
mit der Malerei ein. Hofmann etablierte<br />
sich als einer der bedeutenden Maler des<br />
abstrakten Expressionismus. Neben den<br />
Franzosen beeindruckte ihn Kandinsky<br />
nachhaltig, er erreicht mit seiner abstrakten,<br />
aus dem Gestus gewonnen Farbmalerei<br />
D. Lutz, Artemisia Gentileschi, Leben und<br />
Werk, 128 S. mit ca. 110 Farbabb., geb.<br />
mit Schutzumschlag, 28,5 x 25 cm, Belser,<br />
39,95 Euro<br />
J. Rosenfeld,<br />
John Everett<br />
Millais, engl., 256 S. mit<br />
190 farb. Abb., geb. mit Schutzumschlag,<br />
29 x 25 cm, Phaidon, 49,95 Euro<br />
Hans Hofmann, Magnum Opus, Hrsg.<br />
B. Buhlmann, dt./engl., 164 S. mit 65 farb.<br />
Abb., Leinen, geb. mit Schutzumschlag,<br />
29 x 30 cm, Hatje Cantz, 39,80 Euro<br />
78
ein Schweben im Raum. Berühmt wird er<br />
mit seinen Setzungen von monochromen<br />
Rechtecken im Bild, teils in verschiedenen<br />
Größen in Überlappung – daraus entwickelte<br />
er das „push and pull“-Prinzip in der<br />
Fokussierung der Farbflächen, mit dem er<br />
sich auch der Farbfeld-Malerei zuordnen<br />
lässt … Was hier reichlich theoretisch wirkt,<br />
hebt sich in der Malerei sinnlich auf und<br />
wird nun durch die Monographie im Verlag<br />
Hatje Cantz vermittelt. Ein mustergültiges<br />
Buch: Es beinhaltet profunde Essays aus<br />
deutscher wie auch amerikanischer Perspektive<br />
und es stellt großzügig die Malerei<br />
in ihrer Farbigkeit vor und zeigt, warum<br />
wir unbedingt mehr von Hans Hoffmann<br />
wissen sollten.<br />
kann ... Irgendwann nach seinem Tod aber<br />
war Fritz Köthe vergessen. Vielleicht weil<br />
sich kein rechter Galerist seines Werkes annahm,<br />
vielleicht auch, weil keine angemessene<br />
Publikation über ihn verfügbar war.<br />
Nun also gibt es mit Thomas Levy einen<br />
Galeristen in Hamburg, der auch gleich ein<br />
Buch herausgegeben hat. Die Enttäuschung<br />
ist groß: Die Bilder erschlagen sich in ihrer<br />
Fülle; zudem zeigt die Hälfte des Kataloges<br />
das Frühwerk mit zum Teil unwichtigen<br />
Studien. Wie schade!<br />
Dass der Kerber Verlag eigentlich ganz<br />
andere Bücher publiziert, belegt die Monographie<br />
Egocinema von Gustav Kluge. Der<br />
1947 geborene, in Hamburg studierte und<br />
in Karlsruhe an der Kunstakademie lehrende<br />
NEU<br />
Die zweite Ausgabe<br />
Karussell<br />
ist erschienen<br />
Erzählung | Lyrik | Essay<br />
Jörg Aufenanger, Barbara Commandeur,<br />
Lavinia Korte, Stefan Mettler, Karl<br />
Otto Mühl, André Poloczek, Dietrich<br />
Rauschtenberger, Dorothea Renckhoff,<br />
Karla Schneider, Michael Zeller<br />
Fritz Köthe, dt./engl., 120 S. mit 112 farb.<br />
Abb und DVD, Hardcover, 24 x 16,5 cm,<br />
Kerber Verlag, 29,90 Euro<br />
Ein weiterer Maler der Avantgarde ist Fritz<br />
Köthe. Fritz Köthe (1916-2005) gehört<br />
zu den wichtigsten deutschen Malern im<br />
Kontext der Pop Art. Anfang der 1960er<br />
Jahre findet Köthe zu den für ihn typischen<br />
Motiven, die er sozusagen auf der Straße<br />
findet und die seinen Realismus vorgeben.<br />
Er malt Plakat-Abrisse anhand der Klischees<br />
aus den Lifestyle-Illustrierten: Er zeigt, als<br />
Ausriss vereinzelt und mitunter verdoppelt,<br />
Augen, Fußballer, Rennwagen, Zigaretten<br />
zwischen Lippen und er verstärkt die<br />
Attraktion durch Lichteffekte – das wirkt in<br />
der Nüchternheit, mit der Köthe Knautschungen<br />
und Risse malt, ebenso virtuos<br />
wie die Malerei doch zur Masche erstarrt,<br />
auch wenn sie zeitkritisch gelesen werden<br />
Gustav Kluge, Egocinema, Hrsg. R. Spieler,<br />
200 S., 336 farb. Abb., geb. mit Schutzumschlag,<br />
30 x 23 cm, Kerber Verl., 39,80 Euro<br />
Künstler zählt längst zu den bedeutenden<br />
figurativen Malern in Deutschland. In seinem<br />
frühen Werk wird die Figur in massive<br />
Gespinste aus Farben eingebunden, die sein<br />
zentrales Thema verdeutlichen: das Gefangen-Sein<br />
des Geistes im physischen Körper.<br />
Kluges oft düstere Bilder besitzen etwas Bedrängendes,<br />
sind augenblicklich existenziell<br />
und reflektieren häufig zeitgeschichtliche und<br />
gesellschaftliche Zusammenhänge. Daneben<br />
entstehen seit einem Jahrzehnt Porträts, die<br />
Persönlichkeiten des Kunstbetriebes in ihrem<br />
Wesen vorstellen. Die Dimensionen dieses<br />
Werkes vermittelt nun die Monographie<br />
exemplarisch und detailliert. Eine Demonstration<br />
für die Aktualität und Notwendigkeit<br />
des Mediums Malerei !<br />
Karussell |<br />
Bergische Zeitschrift für Literatur<br />
Nr. 2/2012 – 92 Seiten, 7.– Euro –<br />
ab sofort im Buchhandel<br />
Herausgeber: Verband Deutscher<br />
Schriftsteller (VS), Region Bergisch<br />
Land und die Autorengemeinschaft<br />
Literatur im Tal mit freundlicher<br />
Unterstützung durch Kulturbüro<br />
der Stadt Wuppertal<br />
Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal<br />
ISBN 978 - 3 - 942043 - 91 - 5<br />
79
Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />
Vorgestellt von Matthias Dohmen<br />
Pirat und Apotheker.<br />
Die Story über Rob und Ben erinnert<br />
an „Max und Moritz“ und stammt aus<br />
der Feder von Robert Louis Stevenson.<br />
Robin zieht es aufs Meer, wo er als Pirat<br />
reich wird. Sein Freund Ben bevorzugt<br />
eine bürgerliche Karriere, wird Apotheker<br />
und verkauft Leitungswasser gegen<br />
echtes Gold. Seiner Geldgier verdankt<br />
die Mutter eines kleinen Mädchens den<br />
frühen Tod. Als nun die alten Kameraden<br />
ihr Leben vergleichen, empört sich<br />
der Raubritter über seinen alten Kumpanen<br />
und erschlägt ihn in einer biblischen<br />
Zornesaufwallung.<br />
Mit wunderschönen oft ganzseitigen<br />
Bildern hat Henning Wagenbreth<br />
Stevensons Ballade von 1882 illustriert.<br />
Der international bekannte Zeichner<br />
gründete 1989 mit Freunden die Berliner<br />
Künstlergruppe „PGH Glühende<br />
Zukunft“ (www.wagenbreth.de). Der<br />
von ihm auch übersetzte „Pirat“ schaffte<br />
es auf die „Hotlist der unabhängigen<br />
Verlage“ und errang den „Melusine-<br />
Huss-Preis“ des deutschen Buchhandels.<br />
Robert Louis Stevenson, Der Pirat und der<br />
Apotheker. Eine lehrreiche Geschichte, illustriert<br />
von Henning Wagenbreth, Wuppertal:<br />
Peter Hammer 2012. 40 S., 26,00 Euro<br />
Gewagt und gewonnen.<br />
Das schier Unmögliche unternommen<br />
und zu Ende geführt: Auf über eineinhalbtausend<br />
Seiten unterbreitet der in<br />
Wipperfürth geborene Historiker Jürgen<br />
Osterhammel das Panorama des vorvorigen<br />
Jahrhunderts, in dem er den „frühen<br />
Spuren“ der Globalisierung nachgeht,<br />
wozu auch die Konstituierung der Kritik<br />
der noch kolonial geprägten Weltordnung<br />
gehören: der Arbeiter-, der Frauen-, der<br />
Friedens- und der (neudeutsch formuliert)<br />
Dritte-Welt-Bewegung.<br />
Rezensenten von der FAZ bis zur<br />
„Tageszeitung“ haben die Souveränität<br />
hervorgehoben, mit der der Inhaber<br />
des Lehrstuhls für Neuere und Neueste<br />
Geschichte an der Universität Konstanz<br />
die Forschungsergebnisse anderer Historiker<br />
auf den Punkt bringt und in sein<br />
Panorama einfügt. Vor- und Nachwort<br />
sowie umfangreiche Register ermöglichen<br />
vielfältige Zugänge zu dem Opus. Da ist<br />
es schon fast tröstlich, dass man jemanden<br />
vergeblich sucht, der ebenfalls zu diesem<br />
„langen Jahrhundert“ Maßgebliches beigetragen<br />
hat wie der Sozialist Moses Hess<br />
(auch Heß geschrieben).<br />
Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der<br />
Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts,<br />
München: Beck 2013. 1568 S., 24,00 Euro<br />
SPD und Pershing II.<br />
Wieder ein Rahmenthema im AfS, das es in<br />
sich hat: 25 Autoren befassen sich in Einzelaufsätzen<br />
mit dem „Wandel des Politischen:<br />
Die Bundesrepublik Deutschland während<br />
der 1980er Jahre“. Themen sind Finanzen,<br />
Telekommunikation, Aids und neue soziale<br />
Bewegungen, der private Rundfunk und das<br />
Aufkommen der Grünen sowie der Nachrüstungsstreit<br />
in der SPD, für die Sozialdemokratie<br />
eine Kontroverse „zwischen Staat<br />
und Straße“. Jan Hansen erinnert daran,<br />
dass Willy Brandt die Nordsüdproblematik<br />
in eine erbittert geführte Diskussion einführte,<br />
die die Republik umgekrempelt hat.<br />
Ein Plakat der Jungsozialisten aus dem Jahr<br />
1983 zeigt einen hilflosen, einen mageren<br />
Schatten werfenden Menschen im Angesicht<br />
der drohenden Raketen aus Ost und<br />
West, der SS 20 und der Pershings (S. 535).<br />
Sammelrezensionen des mit 1732 Gramm<br />
schwergewichtigen Bandes gelten dem<br />
rheinischen Kapitalismus, der Psychoanalyse-<br />
und der Völkerrechtsgeschichte beziehungsweise<br />
dem „neuen Menschen in der<br />
Sowjetunion“. Kurzum: Mit seinen rund<br />
300 (teilweise übers Internet verfügbaren)<br />
Buchbesprechungen ein kolossales Werk.<br />
Archiv für Sozialgeschichte. Bd. 52 (2012),<br />
Bonn: J. H. W. Dietz 2012. 913 S., 68,00<br />
Euro<br />
80
Kulturnotizen<br />
GEDOK Wuppertal<br />
Veranstaltungen<br />
Sonntag, 9. Juni 2013, 18:00 Uhr<br />
CityKirche Elberfeld, Kirchplatz<br />
„Nuit d’Étoiles“<br />
Ein GEDOK-Liederabend mit<br />
romantischen, französischen Liedern von<br />
Claude Debussy, Maurice Ravel, Gabriel<br />
Fauré, Henry Duparc, Eric Satie u. a.<br />
Miriam Sabba, Sopran – Michel<br />
Hänschke, Klavier (a.G.)<br />
Dienstag, 11. Juni 2013, 19:00 Uhr;<br />
Evang. Bibelwerk, Rudolfstraße 135,<br />
42285 Wuppertal<br />
Buchvorstellung „Töchter der Schrift<br />
– Literarische Blicke auf biblische<br />
Frauen“<br />
Im Dialog präsentieren die Lektorinnen<br />
Dr. Jutta Höfel und Marianne<br />
Ullmann die thematischen Konzepte der<br />
beiden Publikationen und referieren die<br />
einzelnen Beiträge.<br />
Dienstag, 9. Juli 2013, 16:00 Uhr<br />
Sommerfest für Künstlerinnen und<br />
Kunstförderer im Weissen Haus<br />
Westfalenweg 211, 42111 Wuppertal,<br />
Telefon: 0202/754270<br />
Vorankündigung<br />
Montag, 2. September 2013, 18 Uhr<br />
GEDOK Wuppertal e. V.-Jahreshauptversammlung<br />
2013<br />
Uta Majmudar „50 Jahre Manu Factum“<br />
Ausstellung der NRW-Staatspreisträger<br />
Glas, 22. 6. bis Oktober 2013, Glasmuseum<br />
Hentrich, Ehrenhof 4 – 5, Düsseldorf<br />
Uta Majmudar, Fossil, 30 x 20cm<br />
GEDOK Gemeinschaft der<br />
Künstlerinnen und Kunstförderer<br />
e.V., Gruppe Wuppertal<br />
www.gedok-wuppertal.de ·<br />
gedok-wuppertal@t-online.de<br />
Kreativ50plus<br />
Großes Spektrum an Sommerangeboten<br />
Kreativ50plus bietet Theater, Kunst,<br />
Fotografie, autobiografisches Schreiben,<br />
Apple und Heilpflanzen.<br />
Im Rahmen der Reihe Kunst im Dialog<br />
haben Sie Gelegenheit, sich aktiv mit dem<br />
künstlerischen Werdegang von bekannten<br />
sowie weniger bekannten Künstler/innen<br />
zu beschäftigen. Diesmal geht es um zwei<br />
Frauen: Die österreicherische Malerin<br />
Maria Lassnig (* 8. September 1919), die<br />
über ein faszinierendes Spätwerk verfügt<br />
und die immer noch arbeitet. In Dialog<br />
gesetzt wird sie mit der in Deutschland<br />
weitgehend unbekannten Aborigines-<br />
Künstlerin Emily Kame Kngwarreye (*<br />
1910 – † 1996), die erst mit 77 Jahren<br />
anfing zu malen, es aber noch bis auf die<br />
Biennale nach Venedig schaffte. Beide<br />
mussten sich ihren Weg hart erkämpfen.<br />
Was hat diese Künstlerinnen auf ihren<br />
jeweils eigenen Weg gebracht?<br />
Dem Motto Bewegung folgen die diesjährigen<br />
Theatertage. Die Teilnehmer<br />
können in Begleitung der Dortmunder<br />
Choreografin Barbara Cleff „Eigenes in<br />
der Bewegung“ in einem Workshop zum<br />
Tanztheater einsetzen. Die Wirkung von<br />
Bewegungen und Gesten im Schauspiel<br />
kann im Seminar „Gut bewegt ist halb<br />
gewonnen“ erprobt werden.<br />
Für künftige Hobbyfotografen bietet die<br />
Akademie Remscheid ein Einsteigerseminar<br />
in die Digitalfotografie. Einige Wochen<br />
später können Fortgeschrittene das<br />
Sommerwetter nutzen, um sich der Architekturfotografie<br />
zu widmen. Außerdem<br />
finden Seminare zum autobiografischen<br />
Schreiben und zu den Möglichkeiten des<br />
Applecomputers statt. Und wer sich von<br />
Heilpflanzen überraschen lassen möchte,<br />
kann diese bei einem geführten sommerlichen<br />
Spaziergang kennen lernen.<br />
Weitere Informationen erhalten Sie unter:<br />
www.kreativ50plus.de<br />
Veranstaltungen Juni/Juli 2013<br />
Darüber könnte ich ein Buch schreiben<br />
10. Juni, 15 Uhr – 14. Juni, 12 Uhr<br />
Fotografieren statt knipsen; für Einsteiger<br />
in die Digitalfotografie<br />
17. Juni, 15 Uhr -19. Juni, 12 Uhr<br />
Die Bühne stürmen – gut vorbereitet<br />
ist halb inszeniert!<br />
17. Juni, 15 Uhr - 21. Juni, 12 Uhr<br />
Theatertage Bewegung<br />
Eigenes in der Bewegung – Tanztheater<br />
24. Juni, 15 Uhr – 26. Juni, 18 Uhr<br />
Theatertage Bewegung<br />
Gut bewegt ist halb gewonnen<br />
24. Juni, 15 Uhr – 26. Juni, 18 Uhr<br />
Apple Spezial<br />
21. Juni, 15 Uhr – 23. Juni, 12 Uhr<br />
Kunst im Dialog:<br />
Kunsttheorie mal anders<br />
6. Juli, 10 - 18 Uhr<br />
Ein Tag mit Heilpflanzen im Sommer<br />
6. Juli, 10 - 18 Uhr<br />
Herzstücke unter der Lupe:<br />
Schreibworkshop<br />
10. Juli, 15 Uhr – 12.07., 12 Uhr<br />
Fotografie und Architektur<br />
15. Juli, 15 Uhr – 19.07, 12 Uhr<br />
Weitere Informationen erhalten Sie unter:<br />
www.kreativ50plus.de<br />
in der Reihe RATdigital ist die Textsammlung<br />
„Kulturpolitik als Mentalitätspolitik?“<br />
von Max Fuchs erschienen.<br />
Das Buch umfasst die Themenbereiche<br />
„Kultur und Gesellschaft“, „Kulturpolitik<br />
und ihre Grundlagen“ und „kulturelle<br />
Bildung und Teilhabe“. Es kann kostenfrei<br />
heruntergeladen werden:<br />
www.akademieremscheid.de/fileadmin/<br />
user_upload/3-01_Kulturpaedagogik/<br />
Fuchs_2013_Kulturpolitik_als_Mentalitaetspolitik.pdf<br />
Müllers Marionettentheater<br />
Ritter Suppengrün und das süße<br />
Geheimnis<br />
nach dem gleichnamigen Kinderbuch<br />
von Klara Schneider<br />
Mit Süßigkeiten kennt sich Prinzessin<br />
Caramella aus dem Puddingland gut aus.<br />
81
Kulturnotizen<br />
Zum Leid ihres Vaters verliebt sie sich in<br />
seinen größten Feind, in Ritter Suppengrün.<br />
Und weil sie ebenso stur ist wie<br />
ihr Vater heiratet sie den Gemüsebaron<br />
und bekommt mit ihm vier Kinder. Alle<br />
diese kleinen Suppengrüns essen gerne<br />
Zwiebeln und Knoblauch, Tomaten und<br />
Bohnen, nur die kleinste Tochter Mürbchen<br />
mag all das Gemüse nicht. Eines<br />
Tages bittet sie ihre Mutter, zum Opa<br />
nach Puddingland reisen zu dürfen….<br />
Musik von Ludwig van Beethoven<br />
Die Bremer Stadtmusikanten<br />
Theatermärchen von Fritz Fey<br />
Der Esel wird fortgejagt, der Hund<br />
soll erschlagen werden, die Katze ertränkt<br />
und den Hahn will man aufessen! Und<br />
das alles nur, weil die vier alt geworden<br />
sind. Glücklicherweise aber hat der Esel<br />
eine gute Idee: alle vier Tiere wollen<br />
versuchen, Bremer Stadtmusikanten zu<br />
werden. Bei so klugen Stadtmusikanten<br />
haben selbst die Räuber im Wald nichts<br />
zu lachen...<br />
Sonntag, 16. Juni > 18 Uhr > open air ><br />
Butterscotch & Trio > Beat-Box meets Jazz<br />
Butterscotch Vocals, Beatbox, Gitarre, Piano<br />
Veranstaltungen im Juli<br />
Samstag, 20. Juli > 19 Uhr > open air ><br />
Avishai Cohen Quartett > Plugged<br />
Avishai Cohen E-Bass, Kontrabass, Gesang<br />
Eli Degibri Saxofon, Nitai Hershkovits<br />
Klavier, Keyboard, Ofri Nehemya Schlagzeug<br />
Avishai Cohen ist nicht nur ein phänomenaler<br />
Bassist, er ist auch ein starker<br />
Komponist, der in seiner Musik die<br />
Klangfarben und Rhythmen des Nahen<br />
Ostens mit westlichem Jazz zusammenbringt.<br />
Sonntag, 21. Juli > 19 Uhr > open air ><br />
Acoustic Africa > Women’s Voices<br />
Aufführungstermine:<br />
2., 8., 16. und 22. 6. jeweils um 16.00<br />
Uhr und am 20. 6. um 11.00 Uhr<br />
Der Froschkönig<br />
Theatermärchen nach den Gebrüdern<br />
Grimm von Günther Weißenborn<br />
Wer möchte schon einen Frosch küssen?<br />
Die Prinzessin will es eigentlich auch<br />
nicht, aber schließlich küsst sie ihn doch,<br />
um das aufdringliche Glibbertier endlich<br />
los zu werden. Nach dem Kuss wartet auf<br />
sie die allerschönste Überraschung!<br />
Aufführungstermine:<br />
28. 7. um 16.00 Uhr, 4. und 11. 8. um<br />
16.00 Uhr, 7. 8. um 11.00 Uhr<br />
im Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal<br />
Veranstaltungen im Juni<br />
Samstag, 15. Juni > 19 Uhr > open air ><br />
Christian Muthspiel 4 feat. Steve Swallow<br />
Sea ven Teares A tribute to John Dowland<br />
Christian Muthspiel Posaune, Piano,<br />
Komposition, Matthieu Michel Trompete,<br />
Dobet Gnahoré Gesang, Percussion, Manou<br />
Gallo Gesang, E-Bass, Kareyce Fotso Gesang,<br />
Gitarre, Aly Keïta Balafon, Zourmana<br />
Diarra Gitarre, Boris Tschango Schlagzeug<br />
Drei Stimmen, drei Frauen von der<br />
Elfenbeinküste und aus Kamerun mit ganz<br />
verschiedenen künstlerischen Einflüssen.<br />
Sie singen Lieder auf Zulu, Malinke,<br />
Wolof, Bete und Lingala. Es eint sie der<br />
Rhythmus und die Klangwelt des afrikanischen<br />
Kontinents.<br />
www.skulpturenpark-waldfrieden.de<br />
Aufführungstermine:<br />
30. 6., 7., 14. und 21. 7. jeweils 16.00 Uhr<br />
4. 7. um 10 und 15.00 Uhr, 18. 7. 11 Uhr.<br />
Butterscotch<br />
Flügelhorn, Franck Tortiller Vibrafon,<br />
Steve Swallow E-Bass<br />
15. 6. 19:30 Uhr //// Opernhaus<br />
Premiere mit öffentlicher Premierenfeier<br />
Ein Sommernachtstraum<br />
von William Shakespeare<br />
Deutsch von Frank Günther<br />
82
20. Juli 19:30 Uhr //// Opernhaus<br />
Ein Tanzprojekt<br />
mit Jugendlichen aus Wuppertal –<br />
Choreographie von Josef Eder<br />
Das Projekt fördert die (körperliche)<br />
Bewusstwerdung, die spielerische Interaktion<br />
und die Balance zwischen dem<br />
Bedürfnis, sich selbst auszudrücken, und<br />
dem Vermögen, die Anderen in ihrem<br />
Ausdrucksverlangen wahrzunehmen und<br />
zu respektieren. Gemeinsam mit dem<br />
erfahrenen Choreographen entstehen so<br />
beeindruckende Tanztheatervorstellungen.<br />
Juni/Juli /// Oberbarmen<br />
¡Ay Gitano!<br />
Ein Musik und Theaterprojekt<br />
Eine künstlerische Auseinandersetzung<br />
(auch) mit der romantisierenden<br />
Bild- und Musikwelt der Roma<br />
Konzerte Juni/Juli 2013<br />
2. 6. 2013 | 11:00 Uhr<br />
Stadthalle, Großer Saal<br />
9. Sinfoniekonzert<br />
3. 6. 2013 | 20:00 Uhr<br />
Stadthalle, Großer Saal<br />
9. Sinfoniekonzert<br />
13. 6. 2013 | 10:00 Uhr<br />
Stadthalle, Großer Saal<br />
4. Schulkonzert<br />
Best of American classical music<br />
23. 6. 2013 | 11:00 Uhr<br />
Stadthalle, Großer Saal<br />
4. Familienkonzert<br />
Orchesterolympiade<br />
24. 6. 2013 | 20:00 Uhr<br />
Stadthalle, Mendelssohn Saal<br />
5. Kammerkonzert<br />
Nachholtermin aus 2011/12<br />
30. 6. 2013 | 11:00 Uhr<br />
Stadthalle, Großer Saal<br />
10. Sinfoniekonzert<br />
1. 7. 2013 | 20:00 Uhr<br />
Stadthalle, Großer Saal<br />
10. Sinfoniekonzert<br />
12. 7. 2013 | 20:00 Uhr<br />
Laurentiusplatz, Open Air<br />
Stummfilm & Live-Musik<br />
13. 7. 2013 | 20:00 Uhr<br />
Laurentiusplatz, Open-Air<br />
Open-Air Gala<br />
Gobi-Quartett<br />
Samstag, 8. Juni > 19 Uhr > Pavillon<br />
Badamkhorol Samdandamba Gesang<br />
Saadet Turköz Gesang<br />
Gunda Gottschalk Viola<br />
Peter Jacquemyn Kontrabass<br />
Die beiden Sängerinnen, Baadma und<br />
Saadet, haben ähnliche Wurzeln. Saadet<br />
Tüköz ist türkisch-kasachischer Herkunft,<br />
Badamkhorol Samdandamba kommt aus<br />
der Mongolei. Beide Künstlerinnen verbindet<br />
eine Musik tradition, in der das Musizieren<br />
in ummittelbarer Beziehung zu den<br />
umgebenden Landschaften steht.<br />
Als diesjähriger Artist-in-Residence der<br />
Peter Kowald Gesellschaft verbindet Saadet<br />
Türköz diese musikalische Praxis mit der<br />
Tradition des Jazz. In der Zusammenarbeit<br />
mit Gunda Gottschalk und Peter Jacquemyn<br />
im "Gobi-Quartett" belegen die Musikerinnen<br />
einmal mehr, dass die Sprache der<br />
Improvisation Menschen verschiedenster<br />
Herkunft miteinander verbinden kann.<br />
Vor und nach dem Konzert besteht<br />
die Gelegenheit, die von Tony Cragg für<br />
die Peter Kowald Gesellschaft gefertigten<br />
Druckgrafiken „Waldzimmer“ einzusehen<br />
und zu erwerben.<br />
Eine Veranstaltung der Peter Kowald<br />
Gesellschaft / ort e.V.<br />
Konzerte im Alten Pfandhaus Köln<br />
Donnerstag, 20. Juni 2013 | 20:00<br />
John Goldsby Quartett<br />
»The New York - Miami Connection«<br />
Gary Campbell - Saxophone (USA/<br />
Miami) | Rob Schneiderman - Piano<br />
(USA/New York) | Hans Dekker -<br />
Drums (NL/Köln) | John Goldsby -<br />
Bass (USA/Köln)<br />
Info unter john.goldsby.de<br />
Freitag, 21. Juni 2013 | 20:00<br />
Butterscotch – »Konzert«<br />
Sonntag, 30. Juni 2013 | 15:00<br />
Schubert-Zyklus im Alten Pfandhaus<br />
»Kennst Du das Land? Franz Schubert<br />
und Italien«<br />
Natalie Mol – Sopran | Hartmut Schulz -<br />
Bariton | Margita Linde – Klavier<br />
Hartmut Schulz<br />
Wenige Gedichte stehen so sehr für<br />
die deutsche Sehnsucht nach Italien<br />
wie Goethes „Kennst Du das Land, wo<br />
die Zitronen blüh‘n?“, das Lied der<br />
Mignon aus seinem Romanfragment<br />
„Wilhelm Meisters theatralische<br />
Sendung“. Zahlreiche Komponisten<br />
haben den Text vertont, mit die<br />
berühmteste Fassung stammt von<br />
Franz Schubert.<br />
Dieses Lied und die anderen Wilhelm-Meister-Lieder<br />
Schuberts bilden das<br />
Zentrum dieses sommerlichen Schubert-<br />
Liederkonzerts.<br />
Mehr Info: www.schubert-zyklus.de<br />
Samstag, 6. Juli 2013 | 20:00<br />
Friedel & Friends – »Konzert«<br />
Friedel Kroschewski Git/Voc | Michaela<br />
Senger Voc | Mickie Stickdorn Schlagzeug<br />
| Holger Trull Bass | Jho Kaufmann Keyboards<br />
| Susanne Schulz Violine | Willem<br />
Schulz Cello | Johannes Pappert Sax<br />
weitere Info: www.friedel-friends.de<br />
Skulpturenpark Waldfrieden<br />
Cragg Foundation, Wuppertal<br />
William Tucker – Skulpturen<br />
29. Juni bis 1. September 2013<br />
William Tucker gehörte in den 1970er<br />
Jahren zu dem Kreis englischer Bildhauer,<br />
die 1965 in London als „New Generation“<br />
in der gleichnamigen Ausstellung in<br />
der Whitechapel Art Gallery vorgestellt<br />
83
Kulturnotizen<br />
Galerie Kunstkomplex<br />
Adele Mills – Hostage<br />
Mixed Media Paintings<br />
7. Juni - 31. Juli<br />
William Tucker – Foto: privat<br />
Hausaltar, 2011, Mischtechnik, 130 x 180 cm<br />
heroisch oder quälend als Arbeiterinnen,<br />
Raumpflegerinnen, Verkäuferinnen und<br />
viele andere mehr vorgestellt werden,<br />
sondern um Frauen voller Würde und<br />
Anmut, die stolz auf ihre Tätigkeiten<br />
verweisen.<br />
Vishnu + Victory, Foto: Buchmann<br />
wurden und entscheidende Impulse für<br />
die Entwicklung der abstrakten Skulptur<br />
und die Erweiterung des Skulpturenbegriffes<br />
lieferten. Er gilt heute als einer der<br />
wichtigsten Vertreter der abstrakten Bildhauerei,<br />
dessen Schaffen mit zahlreichen<br />
internationalen Preisen geehrt wurde. Die<br />
Cragg Foundation präsentiert im Skulpturenpark<br />
Waldfrieden aktuelle Skulpturen,<br />
die einen Bezug zur menschlichen<br />
Figur haben, in ihrer Form aber nicht<br />
direkt zu entschlüsseln und zu benennen<br />
sind. Die Werke eröffnen ein weites Feld<br />
möglicher Assoziationen und erlangen so<br />
eine eindringliche Physis.<br />
Skulpturenpark Waldfrieden<br />
Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal<br />
02 02 / 4 78 98 12-0<br />
Öffnungszeiten: März - November :<br />
Di – So von 10 bis 18 Uhr, Dezember -<br />
Februar: Fr – So von 10 bis 17 Uhr<br />
An allen Feiertagen geöffnet<br />
www.skulpturenpark-waldfrieden.de<br />
Heine-Kunst-Kiosk<br />
Trabajadoras del Mundo<br />
Arbeiterinnen der Welt<br />
Die in Bielefeld lebende, international<br />
tätige, argentinische Künstlerin<br />
Cecilia Herrero - Laffin<br />
stellt im Heine-Kunst-Kiosk Skulpturen<br />
und Objekte aus.<br />
Bei den Arbeiten von Cecilia<br />
Herrero-Laffin handelt es sich nicht<br />
agitprop-ähnliche Frauengestalten, die<br />
Die Ausstellung ist bis zum 30. Juni<br />
2013 zu besichtigen – nach telefonischer<br />
Vereinbarung: 0202/475098 und<br />
02191/73162<br />
www.herrero-arte.com/index.html<br />
Artemide präsentiert IN-EI ISSEY MIYAKE<br />
Konzeption und Technologie der neuartigen Leuchten für<br />
Artemide gehen dabei auf das im Jahre 2010 vom Miyake<br />
Design Studio Reality Lab.) entwickelte Projekt „132 5.<br />
ISSEY MIYAKE“ zurück. Dieses Projekt bezeichnet<br />
eines auf 3D-Geometrie basierenden Mathematikprogramms<br />
zur Herstellung von Kleidung. Das<br />
Ergebnis ist ein Kleidungsstück aus einem Stück<br />
Stoff, das sowohl fl ach gefaltet werden kann – als<br />
auch dreidimensionale Formen annehmen kann.<br />
Der Kern des Projekts ist ein vollkommen<br />
aus recycelten Materialien hergestelltes<br />
Gewebe, das das Licht auf sehr interessante<br />
Weise streut. Es handelt<br />
sich um eine Faser, die durch<br />
die Verarbeitung von PET-<br />
Flaschen gewonnen wird. Die<br />
Flaschen werden dafür mittels einer<br />
innovativen Technik verarbeitet, die den<br />
Energieverbrauch und die CO2-Emissionen<br />
im Vergleich zur Produktion neuer Materialien<br />
um bis zu 40 % reduziert. Artemide belebt diese<br />
nachhaltigen Artefakte anschließend mit neuester<br />
LED-Technologie. Die Leuchtenkollektion IN-EI ISSEY<br />
MIYAKE umfasst Steh-, Tisch- und<br />
Pendelleuchten.<br />
Frank Marschang e.K., Karlstrasse 37, 42105 Wuppertal<br />
Tel 0202-24 43 440, www.lichtbogen-wuppertal.de<br />
Di – Fr 10 –18 Uhr und 14 –18.30 Uhr, Sa 11–16 Uhr<br />
Galerie Kunstkomplex, Hofaue 54, Eing.<br />
Wesendonkstr. 12, Öffnungszeiten: di – fr<br />
12 – 19h, sa+so unregelmäßig oder nach<br />
Vereinbarung – www.kunstkomplex.net<br />
84
Termine Literaturhaus<br />
Wuppertal e.V.<br />
4. 6. 2013 – 19:30 Uhr<br />
Jörg Aufenanger: „Bin ich nun ein<br />
Trümmerkind...“<br />
Der in Berlin lebende Autor Jörg Aufenanger<br />
erzählt in 63 Miniaturen von seiner<br />
Nachkriegskindheit im Wuppertaler Zooviertel.<br />
Dort hat er bis zu seinem zehnten<br />
Lebensjahr gelebt.<br />
5. 6. 2013 – 18:29 Uhr<br />
„Kunsthochdrei“: zum 200. Geburtstag<br />
von Richard Wagner<br />
Dr. Gerhard Finckh spricht über Richard<br />
Wagner in der Bildenden Kunst.<br />
Musik von Richard Wagner spielen Stefanie<br />
Krahnenfeld, Sopran, und Jan Ehnes,<br />
Klavier. Ingeborg Wolff liest von Thomas<br />
Mann: „Reden zu Richard Wagner“.<br />
11. 6. 2013 – 19:30 Uhr<br />
Gabriele Sander liest aus „Gold und<br />
Silber. Gedichte“<br />
In der neuen Gedichtanthologie der Literaturwissenschaftlerin<br />
Gabriele Sander<br />
findet sich eine lyrische Schatztruhe, die<br />
den ganzen Reichtum des Doppelthemas<br />
Gold und Silber in der deutschen Literatur<br />
aufschließt.<br />
25. 6. 2013 – 19:30 Uhr<br />
Hermann Schulz: „Mandela & Nelson.<br />
Das Rückspiel“<br />
Nach seinem Buch „Mandela & Nelson.<br />
Das Länderspiel“ hat der Wuppertaler<br />
Autor Hermann Schulz jetzt zum Rückspiel<br />
eingeladen. Er liest an diesem Abend<br />
im Literaturhaus aus dem zweiten Band<br />
von „Mandela & Nelson“.<br />
28. 6. 2013 – 19:30 Uhr<br />
Hans Nieswandt: Lesung<br />
Der bekannte DJ, Musikproduzent und<br />
Buchautor Hans Nieswandt liest an<br />
diesem Abend im Literaturhaus aus seinen<br />
Texten. Eine Kooperationsveranstaltung<br />
mit der Bergischen Universität Wuppertal.<br />
www.literaturhaus Wuppertal.de<br />
K1 Art-Cafe<br />
Im Zentrum von<br />
Wichlinghausen,<br />
in einem alten<br />
Fachwerkhaus,<br />
nicht weit vom<br />
Wichlinghauser<br />
Markt entfernt, hat seit dem 1. Nov. 2007<br />
in der Oststraße 12 das K1 Art-Café sein<br />
Domizil. Neben kulinarischen Angeboten<br />
ist Kunst und Kultur das zweite Standbein<br />
des neuen Unternehmens. die Idee<br />
entstand, Kunstwerken und Künstlern<br />
einen öffentlichen Raum zu bieten, wo<br />
den Menschen auf entspannte Weise<br />
Betrachtung und Auseinandersetzung mit<br />
den Kunstwerken ermöglicht wird. Was<br />
man in herkömmlichen Galerien kurzzeitig<br />
durch eine Vernissage erreicht, wird im<br />
Art-Café K1 permanent geboten.<br />
Noch bis 9. Juli 2013<br />
Dagmar Mühl-Friebel<br />
Keramik-Objekte<br />
Marek Wojciechowski<br />
Fotografien<br />
Am Samstag, den 8. Juni 2013, findet<br />
eine Lesung mit dem Schriftsteller Karl<br />
Otto Mühl im K1 statt; ein heiterer<br />
Abend mit Geschichten zum Thema<br />
„Aus dem Hinterhalt“. Bitte Reservierung<br />
unter Tel., 0202 - 260 41 24 da nur<br />
begrenzt Plätze vorhanden sind. Einlass<br />
18:00, Beginn 20:00 Uhr. Der Eintritt<br />
ist frei!<br />
Kontakthof Wuppertal<br />
Der Kontakthof ist ein neuer und besonderer<br />
Ort im Herzen von Wuppertal, der seine<br />
Gäste zum Verweilen, Lachen, Nachdenken<br />
wie auch Träumen anregen will. In einem<br />
einzigartigen und stilvollen Ambiente wird<br />
hier der Café-Besuche zu einer wahren<br />
Entdeckungsreise.<br />
Gleichermaßen ist der Kontakthof ein<br />
Ort der Kultur und Kommunikation und<br />
eine Schnittstelle zwischen Künstlern und<br />
Publikum. Unser Programm hält dabei vom<br />
Theater-, Kabarett- und Kleinkunstprogramm<br />
über stilvolle Chanson-Abende und<br />
akustischer Live-Musik bis hin zu leidenschaftlichen<br />
Talkrunden und berührenden<br />
Lesungen eine große Bandbreite bereit,<br />
die wirklich für jeden Geschmack etwas zu<br />
bieten hat. Hierbei setzt der Kontakthof auf<br />
Gastspiele etablierter Künstler wie auch bewusst<br />
und insbesondere auf die Einbindung<br />
lokaler Kulturschaffender. Der Kontakthof<br />
ist daher auch als ein klares und starkes<br />
Bekenntnis zu Wuppertal, seinen Menschen<br />
und seiner kulturellen Vielfalt zu verstehen.<br />
Er möchte aktiv einem allgegenwärtigen<br />
Negativtrend entgegenwirken und gemeinsam<br />
mit vielen engagierten und kreativen<br />
Menschen Impulse setzen.<br />
Samstag, 8. Juni, 20:00<br />
Uhr<br />
Weltmusik<br />
Salao – Spanisches<br />
Flair im Tal<br />
Swing Flamenco Latin Pop<br />
Mittwoch, 12. Juni,<br />
20.00 Uhr<br />
Literatur, Lesung,<br />
Hörspiel<br />
Michael Baute – Der<br />
Hobbit<br />
Eine Fortsetzungslesung in sieben Teilen<br />
Weitere Termine: 19. u. 26. 6. 20.00 Uhr<br />
Sonntag, 16. Juni,<br />
19.30 Uhr<br />
Singer, Songwriter,<br />
Chanson<br />
Christian Surrey<br />
[Akustik#Schlacht Wpt]<br />
Möge die Schlacht der Töne & Wörter<br />
beginnen!<br />
Weiterer Termin Sonntag, 21. 7. 19.30 Uhr<br />
Samstag, 22. Juni,<br />
20:00 Uhr<br />
Rock<br />
Stanke ohne Strom<br />
Das Kontakthof-<br />
Wohnzimmerkonzert<br />
www.kontakthof-wuppertal.de<br />
85
Kulturnotizen<br />
ort – Peter Kowald Gesellschaft<br />
Am 21. April wäre Peter Kowald 69<br />
Jahre alt geworden. Mit seiner Energie,<br />
seiner Neugier und Kreativität war Peter<br />
Kowald Ideengeber, Motor, Seele des ort-<br />
Projektes. Doch hervorgebracht wurde<br />
der ort von allen, die sich bereit erklärten,<br />
ihn mit Leben zu füllen: ein organischkünstlerisch-musikalisches<br />
Gebilde, eine<br />
„soziale Plastik“.<br />
Termine<br />
Juni 2013 – Artist in Residence<br />
Saadet Türköz – Stimme<br />
Sie singt Wiegenlieder, Liebes- und<br />
Klagelieder, Heimat- und Heimwehlieder<br />
– kasachische, aserbaidschanische, anatolische<br />
oder aus der Schwarzmeer-Region<br />
stammende Volkslieder. Und sie singt diese<br />
Lieder pur; so pur, dass man das Persönliche<br />
und Eigene in der Annäherung an das<br />
Fremde spürt. – www.saadet.ch<br />
4. Juni 2013 Eröffnungskonzert AiR<br />
– Türköz//Lovens//Oberg<br />
8. Juni 2013 GOBI-Quartett<br />
Türköz//Samdandamba//Gottschalk//<br />
Jacquemyn<br />
5. Juli 2013 Konzert Blemishes<br />
Lumley//Hein//Herzog//Wandt<br />
13. Juli Konzert Duo Kontrasax<br />
www.kowald-ort.com<br />
Leo-Theater<br />
Thorsten Hamer als Heinz Erhardt in:<br />
Ach Egon<br />
Eine Komödie von Heinz Erhardt<br />
Premiere Freitag, 14.06.2013, 20 Uhr<br />
Inszenierung: Stephan Bleck<br />
Öhder Straße 19 A, Tel. 0202 87 07 29 64<br />
www.leo-theater.de<br />
Museum Ludwig Köln<br />
Meisterwerke der Moderne.<br />
Die Sammlung Haubrich<br />
ab 4. August 2012<br />
Ausstellungsansicht<br />
Die Sammlung gilt als eine der besten<br />
des Expressionismus in Europa, berücksichtigt<br />
aber auch Neue Sachlichkeit und<br />
andere Tendenzen der Klassischen<br />
Moderne.<br />
In der Vorbereitung der Ausstellung<br />
und des Katalogs wurden drei bemalte<br />
Gemälde-Rückseiten wiederentdeckt,<br />
von denen zwei, Ernst-Ludwig Kirchners<br />
Fränzi in Wiesen und Alexej von Jawlenskys<br />
Variation, noch nie ausgestellt worden<br />
sind. Die Neupräsentation wird diese<br />
Doppelbilder besonders herausstellen.<br />
www.museum-ludwig.de<br />
Sparkassen-Finanzgruppe<br />
„Wunderbar, dass unsere Sparkasse<br />
einer der größten Kulturförderer<br />
Wuppertals ist.“<br />
<br />
Die Stadtsparkasse Wuppertal unterstützt Soziales, Kultur und Sport in Wuppertal mit rund 5 Mio. € pro Jahr. Wir sind uns als Marktführer unserer<br />
Verantwortung für die Menschen und Unternehmen in unserer Stadt bewusst und stellen uns dieser Herausforderung. Mit unserem Engagement unterstreichen<br />
wir, dass es mehr ist als eine Werbeaussage, wenn wir sagen: Wenn’s um Geld geht – Sparkasse<br />
86
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