Notizen zum 19.1.2007 (Kasus, Passiv)

Syntaktische Phänomene
19.1.2007
Literatur: Butt (2006), Kapitel 3
Passiv (GB)
(1) Kasusfilter
Jede overte NP muss einen Kasus zugewiesen bekommen.
Kasuszuweisung
● Von lexikalischen Argumenten an ihre Komplemente (N: Genitiv; A: Genitiv, Dativ; P:
Genitiv, Dativ, Akkusativ; V: Genitiv, Dativ, Akkusativ, Nominativ)
● ECM: ausnahmsweise an das Subjekt eines infiniten Komplements (bestimmte Verben)
● Von T an SpecT (Nominativ)
Struktureller Kasus: In bestimmten Positionen wird ein bestimmter Kasus zugewiesen:
Nominativ von T an Subjekt; Akkusativ an direktes Objekt; [evtl.
Dativ an ggf. weiteres Objekt]
Lexikalischer Kasus: Vom spezifischen Lexem abhängiger Kasus, z. B. zwei Akkusative,
Nominativ-Objekt, intransitive Verben mit Dativ-Argument
(2) Sie baut ein Haus.
(3) Ich gebe dir ein Buch. (alles strukturell)
(4) a. Er wird der beste Lehrer. (Komplement der Kopula:
b. Ich sehe ihn den besten Lehrer werden. Prädikative NP kongruiert mit Subjekt)
(5) Der Junge hilft dem Mann. (lexikalisch)
Keinen Kasus erhalten NPs wenn …
● Subjekt von Infinitiven erhält keinen Kasus von infinitem T
● unakkusative Verben: tiefenstrukturelles Objekt erhält keinen Akk-Kasus vom Verb, sondern
Nominativ von T
● passivierte Verben: tiefenstrukturelles Objekt erhält keinen Akk-Kasus vom Verb, sondern
Nominativ von T
(6) Burzios Generalisierung
Verben ohne externes Argument können keinen Akkusativ zuweisen.
Passivierung
● Veränderung der Verbmorphologie
● Externe Theta-Rolle wird absorbiert; nach Burzios Generalisierung wird damit zugleich der
interne Kasus „kassiert“.
● Das interne Objekt bekommt keinen strukturellen Objektskasus und ist an der Position also
overt ungrammatisch (Kasusfilter)
Katarina Klein PS Syntaktische Phänomene (WS 2006/07) 1/3

Syntaktische Phänomene
● Die Subj.-Position ist aber frei, also ist Bewegung möglich
● NP bekommt strukturellen Subjektskasus von T
Deshalb wird auch lexikalischer Kasus bei Passivierung nicht beeinträchtigt:
(7) a. Der Junge hilft dem Mann.
b. Dem Mann wird geholfen.
Nur Verben mit externem Argument können passiviert werden!
Expletive Subjekte sind keine externen Argumente, daher können Verben mit expletivem Subjekt
auch nicht passiviert werden.
Unakkusative Verben haben ebenfalls kein externes Argument, daher können auch diese Verben
nicht passiviert werden.
Passivierte Verben können ebenfalls nicht passiviert werden (und haben kein ext. Argument!)
(8) a. Viele Leute haben dieses Buch gelesen.
b. Dieses Buch wurde (von vielen Leuten) gelesen.
c. * Hier wurde gelesen geworden.
EPP
(9) Extended Projection Principle
Jeder Satz muss ein Subjekt haben.
[& Lexikalische Information wird syntaktisch repräsentiert.]
Das würde erklären, warum semantisch subjektlose Verben mit explitivem Subjekt auftreten:
(10) a. It rains.
b. Es regnet.
Allerdings stimmt das so nicht für’s Deutsche:
(11) a. Hier wird gearbeitet.
b. Mir ist kalt.
c. Mich friert.
→ Achtung: expletive Subjekte vs. Platzhalter-es
(12) a. Es regnet. expletives Subjekt (syntaktisches Argument von regnen)
b. Es wird hier nicht geraucht. Platzhalter/Vorfeld-es: markiert V2-Stellung
(13) a. * Hier regnet.
b. Jetzt wird hier nicht geraucht. nicht notwendig, wenn Vorfeld anderweitig sichtbar
(14) a. Hier regnet es oft. expletives Subj. kann auch im Mittelfeld erscheinen
b. * Jetzt wird es hier nicht geraucht.
Kritik: Passivierung ist etwas, das im Lexikon stattfindet
Es gibt zwei Lexikoneinträge, aktiv und passiv, die beide regelhaft verbunden sind.
Im Passiv-Eintrag ist das Subjekt ganz unten auf der ARG-ST
Das Passivauxiliar hebt das vorderste Argument an.
→ Große Diskussion um diese Frage. Lexikalistischer Ansatz vs. struktureller Ansatz.
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Alternative Sichtweisen
Syntaktische Phänomene
Nach GB/MP: struktureller Kasus und lexikalischer Kasus
z. B. Dowty (1991): Kasus drückt bestimmte semantische Funktionen aus.
Proto-Agens: intentional, wahrnehmend/empfindend (bewusst), kausiert (Ereignis oder
Zustandsveränderung eines anderen Partizipanten), bewegt sich (relativ zu anderen
Partizipanten), besitzt etwas
Proto-Patiens: macht eine Zustandsveränderung durch, seine Zustandsveränderung entspricht
dem Fortschritt der Handlung (der Apfel ist schon halb gegessen = halber Essensvorgang), wird evtl. von
einem anderen Partizipanten erzeugt (sie baut ein Haus), ist relativ zu anderen Partizipanten
stationär/unbewegt
Dativ-Argumente haben oft einige Agens- und einige Patiens-Eigenschaften (Rezipienten,
Benefizienten, Experiencer, Adressaten); z. B. wahrnehmend/empfindend, belebt, Teilnahme an
Zustandswechsel (er gibt ihm ein Buch = er hat ein Buch)
(15) Jan schenkte dem kleinen Jungen einen Apfel.
● die Zuordnung wird aber durch syntaktische Prinzipien und Regeln „gestört“,
s. unakkusative Verben, Diathesen
Rezipienten-Passiv
(16) a. Der Junge zeigt dem Mann ein Buch.
b. Dem Mann wird ein Buch [Subj] gezeigt. (Vorgangspassiv)
c. Der Mann [Subj] bekommt ein Buch gezeigt. (Rezipientenpassiv)
(17)
?
Der Mann bekommt von dem Jungen geholfen.
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