ACTA APOSTOLICAE SEDIS - La Santa Sede
ACTA APOSTOLICAE SEDIS - La Santa Sede ACTA APOSTOLICAE SEDIS - La Santa Sede
668 Acta Apostolicae Sedis – Commentarium Officiale werden und nicht zu viele einseitige Polemiken hervorzurufen. Ich würde sagen, daß das Auftreten der ökologischen Bewegung in der deutschen Politik seit den 70er Jahren zwar wohl nicht Fenster aufgerissen hat, aber ein Schrei nach frischer Luft gewesen ist und bleibt, den man nicht überhören darf und nicht beiseite schieben kann, weil man zu viel Irrationales darin findet. Jungen Menschen war bewußt geworden, daß irgend etwas in unserem Umgang mit der Natur nicht stimmt. Daß Materie nicht nur Material für unser Machen ist, sondern daß die Erde selbst ihre Würde in sich trägt und wir ihrer Weisung folgen müssen. Es ist wohl klar, daß ich hier nicht Propaganda für eine bestimmte politische Partei mache — nichts liegt mir ferner als dies. Wenn in unserem Umgang mit der Wirklichkeit etwas nicht stimmt, dann müssen wir alle ernstlich über das Ganze nachdenken und sind alle auf die Frage nach den Grundlagen unserer Kultur überhaupt verwiesen. Erlauben Sie mir, bitte, daß ich noch einen Augenblick bei diesem Punkt bleibe. Die Bedeutung der Ökologie ist inzwischen unbestritten. Wir müssen auf die Sprache der Natur hören und entsprechend antworten. Ich möchte aber nachdrücklich einen Punkt ansprechen, der nach wie vor — wie mir scheint — ausgeklammert wird: Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muß und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur achtet, sie hört und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit. Kehren wir zurück zu den Grundbegriffen Natur und Vernunft, von denen wir ausgegangen waren. Der große Theoretiker des Rechtspositivismus, Kelsen, hat im Alter von 84 Jahren — 1965 — den Dualismus von Sein und Sollen aufgegeben. (Es tröstet mich, daß man mit 84 Jahren offenbar noch etwas Vernünftiges denken kann.) Er hatte früher gesagt, daß Normen nur aus dem Willen kommen können. Die Natur könnte folglich Normen nur enthalten — so fügt er hinzu —, wenn ein Wille diese Normen in sie hineingelegt hätte. Dies wiederum — sagt er — würde einen Schöpfergott voraussetzen, dessen Wille in die Natur miteingegangen ist. ,,Über die Wahrheit dieses Glaubens zu diskutieren, ist völlig aussichtslos‘‘, bemerkt er dazu. 7 Wirklich? — möchte ich fragen. Ist es wirklich sinnlos zu bedenken, ob die 7 Zitiert nach Waldstein, a.a.O., 19.
Acta Benedicti Pp.XVI 669 objektive Vernunft, die sich in der Natur zeigt, nicht eine schöpferische Vernunft, einen Creator Spiritus voraussetzt? An dieser Stelle müßte uns das kulturelle Erbe Europas zu Hilfe kommen. Von der Überzeugung eines Schöpfergottes her ist die Idee der Menschenrechte, die Idee der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht, die Erkenntnis der Unantastbarkeit der Menschenwürde in jedem einzelnen Menschen und das Wissen um die Verantwortung der Menschen für ihr Handeln entwickelt worden. Diese Erkenntnisse der Vernunft bilden unser kulturelles Gedächtnis. Es zu ignorieren oder als bloße Vergangenheit zu betrachten, wäre eine Amputation unserer Kultur insgesamt und würde sie ihrer Ganzheit berauben. Die Kultur Europas ist aus der Begegnung von Jerusalem, Athen und Rom — aus der Begegnung zwischen dem Gottesglauben Israels, der philosophischen Vernunft der Griechen und dem Rechtsdenken Roms entstanden. Diese dreifache Begegnung bildet die innere Identität Europas. Sie hat im Bewußtsein der Verantwortung des Menschen vor Gott und in der Anerkenntnis der unantastbaren Würde des Menschen, eines jeden Menschen, Maßstäbe des Rechts gesetzt, die zu verteidigen uns in unserer historischen Stunde aufgegeben ist. Dem jungen König Salomon ist in der Stunde seiner Amtsübernahme eine Bitte freigestellt worden. Wie wäre es, wenn uns, den Gesetzgebern von heute, eine Bitte freigestellt würde? Was würden wir erbitten? Ich denke, auch heute könnten wir letztlich nichts anderes wünschen als ein hörendes Herz — die Fähigkeit, Gut und Böse zu unterscheiden und so wahres Recht zu setzen, der Gerechtigkeit zu dienen und dem Frieden. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
- Seite 1 und 2: An. et vol. CIII 7 Octobris 2011 N.
- Seite 3 und 4: Acta Benedicti Pp.XVI 633 dono da c
- Seite 5 und 6: Acta Benedicti Pp.XVI 635 sioni e c
- Seite 7 und 8: Acta Benedicti Pp.XVI 637 Christus
- Seite 9 und 10: Acta Benedicti Pp.XVI 639 Emmausjü
- Seite 11 und 12: Acta Benedicti Pp.XVI 641 äußeren
- Seite 13 und 14: Acta Benedicti Pp.XVI 643 Hören, u
- Seite 15 und 16: Acta Benedicti Pp.XVI 645 liebe Gl
- Seite 17 und 18: Acta Benedicti Pp.XVI 647 den Wille
- Seite 19 und 20: Acta Benedicti Pp.XVI 649 ALLOCUTIO
- Seite 21 und 22: Acta Benedicti Pp.XVI 651 Cari spos
- Seite 23 und 24: Acta Benedicti Pp.XVI 653 frammenta
- Seite 25 und 26: Acta Benedicti Pp.XVI 655 nuovo del
- Seite 27 und 28: Acta Benedicti Pp.XVI 657 La recent
- Seite 29 und 30: Acta Benedicti Pp.XVI 659 IV Iter a
- Seite 31 und 32: Acta Benedicti Pp.XVI 661 del Signo
- Seite 33 und 34: Acta Benedicti Pp.XVI 663 V Iter ap
- Seite 35 und 36: Acta Benedicti Pp.XVI 665 ist, zusa
- Seite 37: Acta Benedicti Pp.XVI 667 allein wi
- Seite 41 und 42: Acta Benedicti Pp.XVI 671 kannt mac
- Seite 43 und 44: Acta Benedicti Pp.XVI 673 Kirche: S
- Seite 45 und 46: Acta Benedicti Pp.XVI 675 Wie soll
- Seite 47 und 48: Acta Benedicti Pp.XVI 677 gerade so
- Seite 49 und 50: Acta Benedicti Pp.XVI 679 schaft de
- Seite 51 und 52: Acta Benedicti Pp.XVI 681 SECRETARI
- Seite 53 und 54: Acta Benedicti Pp.XVI 683 Furthermo
- Seite 55 und 56: Acta Benedicti Pp.XVI 685 the state
- Seite 57 und 58: Acta Benedicti Pp.XVI 687 cases sho
- Seite 59 und 60: Acta Benedicti Pp.XVI 689 cases as
- Seite 61 und 62: Acta Benedicti Pp.XVI 691 guideline
- Seite 63 und 64: Acta Benedicti Pp.XVI 693 having to
- Seite 65 und 66: Acta Benedicti Pp.XVI 695 ombudsman
- Seite 67 und 68: Acta Benedicti Pp.XVI 697 cannot be
- Seite 69 und 70: Acta Benedicti Pp.XVI 699 and their
- Seite 71 und 72: Acta Benedicti Pp.XVI 701 and indiv
- Seite 73 und 74: Acta Benedicti Pp.XVI 703 In April
- Seite 75 und 76: Acta Benedicti Pp.XVI 705 reporting
- Seite 77 und 78: Acta Benedicti Pp.XVI 707 principle
- Seite 79 und 80: Acta Benedicti Pp.XVI 709 II RESCRI
- Seite 81 und 82: Acta Benedicti Pp.XVI 711 Art. 4 De
- Seite 83 und 84: Congregatio pro Episcopis 713 ACTA
- Seite 85 und 86: Diarium Romanae Curiae 715 DIARIUM
- Seite 87 und 88: Diarium Romanae Curiae 717 Clero de
Acta Benedicti Pp.XVI 669<br />
objektive Vernunft, die sich in der Natur zeigt, nicht eine schöpferische Vernunft,<br />
einen Creator Spiritus voraussetzt?<br />
An dieser Stelle müßte uns das kulturelle Erbe Europas zu Hilfe kommen.<br />
Von der Überzeugung eines Schöpfergottes her ist die Idee der Menschenrechte,<br />
die Idee der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht, die Erkenntnis<br />
der Unantastbarkeit der Menschenwürde in jedem einzelnen Menschen und<br />
das Wissen um die Verantwortung der Menschen für ihr Handeln entwickelt<br />
worden. Diese Erkenntnisse der Vernunft bilden unser kulturelles Gedächtnis.<br />
Es zu ignorieren oder als bloße Vergangenheit zu betrachten, wäre eine<br />
Amputation unserer Kultur insgesamt und würde sie ihrer Ganzheit berauben.<br />
Die Kultur Europas ist aus der Begegnung von Jerusalem, Athen und<br />
Rom — aus der Begegnung zwischen dem Gottesglauben Israels, der philosophischen<br />
Vernunft der Griechen und dem Rechtsdenken Roms entstanden.<br />
Diese dreifache Begegnung bildet die innere Identität Europas. Sie hat im<br />
Bewußtsein der Verantwortung des Menschen vor Gott und in der Anerkenntnis<br />
der unantastbaren Würde des Menschen, eines jeden Menschen,<br />
Maßstäbe des Rechts gesetzt, die zu verteidigen uns in unserer historischen<br />
Stunde aufgegeben ist.<br />
Dem jungen König Salomon ist in der Stunde seiner Amtsübernahme eine<br />
Bitte freigestellt worden. Wie wäre es, wenn uns, den Gesetzgebern von<br />
heute, eine Bitte freigestellt würde? Was würden wir erbitten? Ich denke,<br />
auch heute könnten wir letztlich nichts anderes wünschen als ein hörendes<br />
Herz — die Fähigkeit, Gut und Böse zu unterscheiden und so wahres Recht<br />
zu setzen, der Gerechtigkeit zu dienen und dem Frieden. Ich danke Ihnen für<br />
Ihre Aufmerksamkeit!