Teil C
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C.8.2<br />
wenn sie älter sind, um Fragen in Bezug auf Vererbung bspw. von Krankheiten<br />
beantworten zu können. 22 Die meisten wollen zudem wissen, warum<br />
es notwendig oder gut war, dass sie adoptiert worden sind (Triseliotis 1973).<br />
Kontakt zu den leiblichen Eltern kann für die notwendige Information<br />
sorgen, Antworten geben auf die Fragen »Wer bin ich?« »Warum ich?« (Neil<br />
et al. 2003). Howe und Feast (2001) befragten 394 adoptierte Kinder, die ihre<br />
Herkunftseltern gesucht und Kontakt aufgenommen hatten. 71% haben den<br />
Kontakt als emotional befriedigend beschrieben und fast die Hälfte gab an,<br />
es habe ihr Selbstwertgefühl verbessert. Auch in der Studie von Triseliotis et<br />
al. (2005) gaben 80% der adoptierten Kinder an, sie seien froh, einen Kontakt<br />
zu den leiblichen Eltern hergestellt zu haben. Acht Jahre nach der ersten Fühlungnahme<br />
waren ¾ der Adoptierten immer noch im Kontakt. Die meisten<br />
der Adoptiveltern gaben an, der Kontakt zu den leiblichen Eltern habe ihre<br />
Beziehung zu ihren adoptierten Kindern nicht verändert, ein Drittel gab an,<br />
es habe ihre Beziehung sogar verbessert; dies wurde von einem Drittel der<br />
Kinder ähnlich gesehen. Einige adoptierte Kinder (ca. 17%) berichteten aber<br />
auch von einer Verschlechterung der Beziehung zu den Adoptiveltern aufgrund<br />
des Kontakts zu den leiblichen Eltern (Howe/Feast 2001, zit. in Dozier/Rutter<br />
2002). Aus den zitierten Adoptionsstudien kann man schließen,<br />
dass den meisten Kindern, die nicht in der Herkunftsfamilie aufwachsen,<br />
Kontakte nicht gleichgültig sind und vorwiegend, wenngleich nicht nur, positive<br />
Wirkungen beobachtet werden.<br />
Differenzielle Wirkungen von Besuchskontakten: Eine zusammenfassende<br />
Übersicht zur Befundlage und den Erklärungsansätzen (Heinz Kindler)<br />
Erklärungsansätze in Bezug auf die Unterschiede<br />
Werden Gruppen von Pflegekindern mit und ohne Besuchskontakt zur<br />
Herkunftsfamilie verglichen, so zeigen sich überwiegend keine bedeutsamen<br />
Unterschiede in den untersuchten Aspekten des Entwicklungsverlaufs oder<br />
es bestehen leichte Vorteile für Kinder mit Besuchskontakten. Grundlage<br />
dieser Einschätzung sind zehn derzeit vorliegende Studien, 23 von denen etwa<br />
die Hälfte keine bedeutsamen positiven oder negativen statistischen Effekte<br />
von Besuchskontakten verzeichnete. Die andere Hälfte der Studien enthält<br />
zumindest für einzelne Aspekte des kindlichen Entwicklungsverlaufs positive<br />
Befunde bei regelmäßigen Umgangskontakten. Die in einem <strong>Teil</strong> der Studien<br />
enthaltenen Befunde zu positiven statistischen Zusammenhängen zwischen<br />
Umgangskontakten und Entwicklungsverläufen bei Pflegekindern dürfen allerdings<br />
nicht vorschnell einer ursächlichen Wirkung von Umgangskontakten<br />
22<br />
Dass die »Blutsverwandtschaft« nach wie vor als »das« normative Modell von Verwandtschaft gilt<br />
und der genetischen »Verbundenheit« in den westlichen Ländern sehr große Bedeutung eingeräumt<br />
wird, zeigt bspw. die Studie von Becker/Butler/Nachtigall (2005). In halbstrukturierten Interviews wurden<br />
148 heterosexuelle Paare befragt, die mit einer Ei- oder Samenspende einer/s Fremden ein Kind<br />
gezeugt hatten. Die Studie konstatiert, dass diese Eltern eine Bedrohung der Legitimität ihrer Familienstruktur<br />
in dem so genannten »resemblance talk« sahen, d.h. in Gesprächen mit Verwandten, FreundInnen,<br />
Nachbarn usw. über die Ähnlichkeit des Kindes: Wem sieht/ist es ähnlich? Diese Frage wurde<br />
von allen Eltern als unausweichlich, allgegenwärtig und unkontrollierbar bezeichnet. Die Eltern gaben<br />
unterschiedliche Strategien an, um mit dieser Bedrohung umzugehen: Vom strategischen Schweigen bis<br />
hin zu offensivem Ansprechen (vgl. Kapitel B.4).<br />
23<br />
Für Forschungsübersichten siehe Friedrich/Reinhold/Kindler (2004); Quinton et al. (1997, S.393); Hess<br />
(1987, S. 29).<br />
14 Umgangskontakte und die Gestaltung von Beziehungen zur Herkunftsfamilie